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Keine gewöhnlichen Männer

Dietrich Bonhoeffer und Hans von Dohnanyi im Widerstand gegen Hitler

AutorElisabeth Sifton, Fritz Stern
VerlagVerlag C.H.Beck
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl176 Seiten
ISBN9783406653742
FormatePUB/PDF
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
Hitlers «Drittes Reich» war die populärste Diktatur des 20.Jahrhunderts. Millionen Deutsche jubelten, während Zehntausende, dann Millionen und schließlich die ganze Welt litt. Das Regime war gerissen genug, die Menschen mit Versprechungen und Schmeicheleien für sich einzunehmen, und brutal genug, sie mit Terror, Folter und Morden das Fürchten zu lehren. Einem solchen Regime Widerstand zu leisten war selten, und es war gefährlich. Zwei höchst außergewöhnliche Männer, Hans von Dohnanyi und sein Schwager Dietrich Bonhoeffer, haben es dennoch getan. Was sie dazu bewogen hat, warum sie von Anbeginn genau wußten, mit wem sie es zu tun hatten, wie sie den Weg zum Handeln fanden und am Ende für ihre Überzeugungen ihr Leben ließen - dem gehen Elisabeth Sifton und Fritz Stern in diesem tief bewegenden, meisterhaft geschriebenen Doppelportrait nach. Sie setzen zwei Helden gleichermaßen ins Recht, von denen der eine weltberühmt ist, während der andere zu unrecht in seinem Schatten steht. Und sie zeigen, was außergewöhnliche Menschen von gewöhnlichen - damals und immer - unterscheidet.

Elisabeth Sifton war viele Jahre Lektorin im Verlag Farrar, Straus & Giroux. Sie ist die Tochter von Reinhold Niebuhr und die Frau von Fritz Stern. Fritz Stern, geb. 1926, ist em. Professor für Geschichte an der Columbia University und Friedenspreisträger des deutschen Buchhandels. Er gehört zu den bedeutendsten Historikern unserer Zeit.

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Leseprobe

Vorwort


Hitlers «Drittes Reich» war die populärste Diktatur des 20. Jahrhunderts: Millionen begeisterter Deutsche jubelten, während Zehntausende, dann Millionen, und schließlich viele Völker dieser Welt litten. Sein Regime konnte sich eines rasch erzielten wirtschaftlichen Erfolgs rühmen, einer wiedererlangten deutschen Macht und eines wiederhergestellten deutschen Prestiges – die dann mit teuflischer Barbarei wieder verspielt wurden. Hinter dem prunkvollen öffentlichen Auftreten der Nazis lauerte schon immer der Terror, und wir müssen uns des hinterhältigen Scharfsinns bewußt sein, mit dem sie die Menschen dazu verlockten, ihre Untaten zu unterstützen, während sie sie zugleich durch Terror, Folter und Mord verängstigten; es ist ein Lehrbeispiel in der Ausübung von Macht für das Böse.

Sich einem solchen System zu widersetzen, kam selten vor und barg große Gefahren. Noch seltener geschah es mit dem Ziel, die Unantastbarkeit von Recht und Glauben zu schützen. Uns geht es mit diesem Buch um das Leben und Handeln zweier bewundernswerter Männer, die sich im «Dritten Reich» von Anfang an, jeder auf seine Weise, nach Kräften bemühten, den Greueln der Nazis entgegenzutreten, und die sich dann verschworen, den Tyrannen zu stürzen. Der eine war Hans von Dohnanyi, ein Jurist, der andere sein Schwager Dietrich Bonhoeffer, ein Pfarrer, der sehr berühmt wurde; nicht zu vergessen ist an ihrer Seite Christine von Dohnanyi, geborene Bonhoeffer – die Frau des einen und die Schwester des anderen.

Am 5. April 1943 wurden alle drei von der Gestapo verhaftet: der tapfere und begabte Jurist, der in der Spionageabwehr der Wehrmacht zu einer Schlüsselfigur des zivilen Arms der Verschwörung gegen Hitler wurde; der energische und engagierte junge Pastor, der zehn Jahre lang gegen die Rassenideologie und das rassistische Handeln innerhalb der evangelischen Kirchen Deutschlands gekämpft hatte, in denen prinzipienfeste Gegner der gottlosen Tyrannei Hitlers die große Ausnahme waren; und die Frau, die ihren Mann und ihren Bruder während dieser ganzen Zeit stets unterstützt hatte. Vereint waren die drei durch ein Band von Anstand und Mut, das dem Widerstand gegen die Tyrannei Festigkeit verlieh. Christine wurde innerhalb eines Monats wieder entlassen, die Männer aber sollten nicht mehr freikommen. Nach zwei Jahren einer Gefangenschaft, die sie entsetzlichen Bedingungen und demütigenden Verhören aussetzte, wurden Bonhoeffer und Dohnanyi auf Hitlers ausdrücklichen Befehl im April 1945 ermordet, wenige Wochen vor seinem Selbstmord und der deutschen Kapitulation.

Nach dem Krieg veröffentlichte Eberhard Bethge, ein Freund und Schüler Dietrich Bonhoeffers, der dessen literarischen Nachlaß verwaltete, einige der hauptsächlich an Bethge gerichteten Briefe, die Bonhoeffer im Gefängnis geschrieben hatte und die seine theologischen und ethischen Überlegungen während der Zeit im Gefängnis enthielten. Als 1951 Widerstand und Ergebung. Briefe und Aufzeichnungen aus der Haft erschien, weckte das Buch großes Interesse, und Bethge begann mit der Arbeit an einer Biographie, die 1967 veröffentlicht wurde. Seither ist der Strom von Kommentaren, Analysen, Theaterstücken, Filmen und neuem Material von und über Bonhoeffer nicht mehr versiegt. Wie auch andere Familienmitglieder taucht Dohnanyi in einigen dieser Quellen auf, doch steht in ihnen natürlich Bonhoeffer im Vordergrund.[]

Zur gleichen Zeit haben Wissenschaftler und Schriftsteller das historische Material der Nazizeit eingehend untersucht: Die vielen Studien zum Holocaust behandeln dieses Thema bis ins letzte mörderische Detail, wohingegen eine kleine und weniger beachtete Menge solider Veröffentlichungen den deutschen Widerstand behandelt – ein Gegenstand, der bis zu dem Zeitpunkt, als Widerstand und Ergebung erstmals erschien, kaum für existent gehalten wurde. Zutage treten zwei fast völlig voneinander getrennte Welten, zwischen denen aber wichtige Verbindungen bestehen, die größtenteils unbeachtet geblieben sind, und diese zeigen sich besonders eindrucksvoll in der Geschichte von Dohnanyi, Bonhoeffer und ihren Verbündeten. Denn unter jenen, die sich von Anfang an gegen Hitlers Herrschaft stellten – die über die Verstöße gegen das Recht, die Tradition und den Anstand entsetzt waren –, wuchs auch die Entrüstung über die Greuel gegen Juden und wurde zu einem wichtigen Motiv für den Entschluß, gegen Hitler Widerstand zu leisten und ihn schließlich beseitigen zu wollen. Die Verschwörer kannten die Wahrheit über die unaussprechlichen Vorgänge in ihrem Land, von denen viele Deutsche, aber auch viele Menschen im Ausland, nichts wußten und nichts wissen wollten. Und sie waren bereit und willens, gegen das Regime tätig zu werden.

Diese Widerständler waren nicht notwendigerweise Freunde der Juden. Es ist zu bezweifeln, daß viele von ihnen es waren. Bei einigen mögen Überbleibsel christlicher Vorurteile wirksam gewesen sein oder Gefühle, die in einer heftigen Abneigung gegen Juden im allgemeinen oder gegen Deutschlands aufstrebende und oft ehrgeizige Juden im besonderen bestanden; derlei Ressentiments waren sogar unter manchen Juden und unter vielen Nichtjuden in anderen westlichen Ländern stark verbreitet. Aber zu erleben, wie der Staat Juden diskriminierte, zu erleben, wie erzwungene Ausgrenzung und Schlimmeres ihren Anfang nahmen – all das löste bei vielen Mitgliedern des Kreises um Bonhoeffer eine Solidarität und Sympathie für die Juden aus. Sie begriffen instinktiv, daß man Juden erst ihrer Würde, dann auf barbarische, verbrecherische Weise ihrer bloßen Existenz beraubte und daß alles in einer Katastrophe endete, wie sie Europa seit dem Dreißigjährigen Krieg nicht mehr gesehen hatte. Für viele bedeutete die organisierte Bestialität auch einen Frevel an Gott, einen, der ihre Landsleute für immer mit Schuld belasten würde.

Bei allen Berichten über Dietrich Bonhoeffer und Hans von Dohnanyi sollten wir stets zwei Dinge im Gedächtnis behalten. Alle Mitglieder der Famile Bonhoeffer – Dietrichs Vater, Dr. Karl Bonhoeffer, Deutschlands herausragender Psychiater, und seine Mutter Paula, eine geborene von Hase, Tochter und Enkelin von Aristokraten und namhaften Geistlichen, Dietrich selbst und seine Geschwister – waren eindrucksvolle Beispiele für wechselseitige Zuwendung und Nähe zueinander; sie verkörperten bestimmte Tugenden, die sie selten thematisierten, aber unerschütterlich bewiesen: Anstand und unermüdlichen Fleiß, Selbstlosigkeit in den Grenzen der Vernunft, Verantwortungsbewußtsein für andere und unübertroffenen Mut. Und ferner reagierten die Bonhoeffers während all der Umwälzungen zwischen 1914 und 1945 auf die Schrecken, die Deutschland und Europa erschütterten, in einer Weise, die sich radikal und rühmlich von dem Weg abhob, für den sich die große Mehrheit der Deutschen entschieden hatte. Die meisten Mitglieder der bildungsbürgerlichen Elite, der sie angehörten, erlagen entweder den Verlockungen des Nationalsozialismus – möglicherweise mit Bedauern über einige «Exzesse», möglicherweise unter dem Einfluß der pseudo-religiösen Rhetorik der Nazis – oder sie klammerten sich an die Illusion, man könne im «Dritten Reich» durch Wegducken oder in «innerer Emigration» «unpolitisch» bleiben.

Im Verlauf unserer Erkundung des Lebens und Werks dieser beiden Persönlichkeiten wurde uns klar, wie zentral die Rolle Dohnanyis in ihren gemeinsamen Bemühungen war, und wie außergewöhnlich nah er und sein Schwager einander standen. Der Widerstand in Deutschlands finsterster Zeit war weitreichender, tiefgreifender und komplizierter, als es üblicherweise dargestellt wird, und wir haben auf den folgenden Seiten versucht, zumindest etwas davon zu rekonstruieren.

Im Interesse einer vollständigen Offenlegung sei an dieser Stelle gesagt: Elisabeth Siftons Vater, Reinhold Niebuhr, unterrichtete Dietrich Bonhoeffer zwischen 1930 und 1931 und wurde für ihn fortan so etwas wie ein Mentor in Übersee; er unterrichtete auch Bonhoeffers Cousin Hans Christoph von Hase, und er und seine Frau (ebenfalls eine Theologin) blieben über Jahrzehnte mit vielen Familienmitgliedern in Kontakt. Wie Bonhoeffer wußte, engagierte sich Niebuhr aktiv in der internationalen ökumenischen Bewegung und nahm besonderen Anteil an den mühseligen Auseinandersetzungen des deutschen Protestantismus. Die Eltern und Großeltern von Fritz Stern waren Freunde und Kollegen von Dr. Karl Bonhoeffer und mit einigen Familienmitgliedern der jüngeren Generation befreundet, vor allem mit Karl-Friedrich. Fritz Stern ist seit den sechziger Jahren Freund und Kollege des Historikers Karl-Dietrich Bracher, dessen Frau Dorothee eine Tochter von Dietrich Bonhoeffers Schwester Ursula und ihrem ermordeten Mann Rüdiger Schleicher ist. Beide Autoren sind mit Klaus von Dohnanyi befreundet, dem Sohn von Hans.

Die Arbeit an diesem Buch wurde durch einen Auftrag von Robert Silvers ausgelöst, einige Neuerscheinungen über Dietrich Bonhoeffer für die New York Review of Books zu besprechen. Bald stießen wir jedoch auf ein Geschehen, das mehr umfaßt als die...

Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Cover1
Titel2
Zum Buch3
Über die Autoren3
Impressum4
Inhalt5
Widmung7
Vorwort9
Kapitel I23
Kapitel II51
Kapitel III75
Kapitel IV103
Kapitel V121
Kapitel VI141
Anhang155
Anmerkungen161
Bildnachweis168
Bibliographie169

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