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Kinder mit ADHS im Grundschulunterricht als Herausforderung für Lehrer

Eine empirische Studie

AutorJana Wiedemann
VerlagStudylab
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl145 Seiten
ISBN9783668585263
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis36,99 EUR
Fast jeder kennt sie: Die Geschichte vom Zappel-Philipp von Heinrich Hoffmann. Er beschreibt einen kleinen Jungen, der nicht still am Tisch sitzen kann und schließlich durch sein ständiges Zappeln mit dem Stuhl und samt Tischdecke mit Essen zu Boden fällt. Mit dieser Geschichte beschreibt Hoffmann schon vor über 170 Jahren ein typisches Verhaltensmuster eines Kindes mit ADHS. Heute ist dieses Thema aktueller denn je. In Deutschland ist ADHS die häufigste psychische Störung bei Kindern und Jugendlichen. Sie wird sogar als 'die Schulkrankheit schlechthin' bezeichnet. Betroffene zeigen spezielle Verhaltensauffälligkeiten, die besonders in der Schule Leistungsprobleme hervorrufen können. Dies stellt nicht nur Eltern vor Probleme. Auch Lehrkräfte müssen mit den Besonderheiten dieser Kinder umgehen können und besonders im Hinblick auf die Inklusion vielfältigen Schülerschaft gerecht zu werden. In diesem Buch stellt die Autorin die aktuelle Situation der Lehrer und Lehrerinnen im Schulalltag und der Arbeit mit ADHS-Kindern dar. Sie stellt die Frage, welche Erfahrungen Lehrkräfte bei der Diagnostik und Förderung von ADHS-Kindern haben und wie sich der alltägliche Unterricht gestaltet. Dabei stützt sich die Autorin auf individuelle Erfahrungen und reale Erlebnisse sowie Entscheidungen der Lehrkräfte. Neben Aussagen zur Gestaltung des Unterrichts bezieht sich die Autorin auf die Beschreibungen von Maßnahmen, die die Lehrkräfte ergreifen, um das auffällige Verhalten der Kinder zu relativieren. Aus dem Inhalt: Krankheitsbild; Therapie; Unterrichtsorganisation; Unaufmerksamkeit; Hyperaktivität; Förderung; Kooperation

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Leseprobe

3 ADHS in der schulischen Praxis


 

Im folgenden Kapitel wird ADHS im Kontext Schule betrachtet. Dazu werden zunächst grundlegende Bedingungen geklärt, bevor die auftretenden Kernsymptome einer ADHS in Unterrichtsituationen verdeutlicht werden. Weiterhin wird aufgezeigt, wie Lehrkräfte bei dem Verdacht einer ADHS handeln sollten und was die schulische Intervention für Möglichkeiten bietet.

 

3.1 Grundlegendes


 

Wie schon in der Einleitung erwähnt, ist ADHS heutzutage die am häufigsten diagnostizierte Verhaltensstörung bei Kindern und Jugendlichen. Die KiGGS Study Group ermittelte im Jahr 2014 in ihrer Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen eine Prävalenz von 5-7 %. Jungen sind dabei bis zu 4 mal häufiger betroffen als Mädchen. Dies ergibt durchschnittlich ein Kind in jeder Klasse mit einer diagnostizierten Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung. (Vgl. KiGGS Study Group et al., 2014) Hinzu kommt, dass sich ADHS vor allem im schulischen Kontext zeigt und die Betroffenen häufig Schwierigkeiten beim Lernen und im Sozialverhalten haben (vgl. Mackowiak & Schramm, 2016, S. 5). Damit einher gehen auch allgemein schlechtere schulische Leistungen, im Vergleich zu durchschnittlichen Schülern. 80% der 11-jährigen Kinder haben einen Leistungsrückstand von 2 Jahren im Lesen, Rechnen sowie in der Schriftsprache. Dadurch müssen bis zu 50% der Schüler mindestens ein Schuljahr wiederholen. Viele werden sogar der Schule verwiesen. (Vgl. Barkley, 1994, S. 11ff)

 

Im Hinblick auf die Inklusion in Deutschland ist es auch in Niedersachsen so, dass jeder Schüler mit jeder Art von Beeinträchtigung eine Regelschule besuchen kann. So lernen Kinder mit und ohne Beeinträchtigung gemeinsam und haben die gleichen Chancen auf Bildung, ungeachtet ihrer Stärken und Schwächen. Für Lehrkräfte gilt es daher, „eine heterogene Schülerschaft kompetent zu unterrichten und jedem/jeder Schüler/in gerecht zu werden" (Machowiak & Schramm, 2016, S. 5). Dennoch können und sollen Kinder mit ADHS in der Schule nicht behandelt werden wie andere Schüler. Dies stellt Lehrkräfte oft vor große Herausforderungen. Es besteht hier die Möglichkeit für Kinder mit besonderen Lernerschwernissen, nachgewiesenen gesundheitlichen Schwierigkeiten und erheblichen Verhaltensauffälligkeiten einen Zusatzbedarf zu beantragen. Die Voraussetzung dafür ist ein genehmigtes Förderkonzept. So kann ein Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung beantragt werden. Dieser kann Lehrkräfte im Unterricht entlasten und die Schüler individueller fördern und fordern. Eine weitere Möglichkeit Kinder mit ADHS in der Schule zu unterstützen ist der Nachteilsausgleich. Dieser verhindert, dass den Kindern aufgrund ihrer Beeinträchtigung keine Nachteile obliegen. Ein solcher Nachteilsausgleich kann folgende Sonderregelungen umfassen: (Vgl. Niedersächsischer Bildungsserver)

 

verlängerte Arbeitszeiten bei Klassenarbeiten

 

Bereitstellen/ Zulassen spezieller Arbeitsmittel

 

mündliche statt schriftlicher Prüfung

 

unterrichtsorganisatorische Veränderungen

 

Auf einen Nachteilsausgleich beseht gesetzlicher Anspruch. Dieser muss unter Vorlage eines Nachweises über die Beeinträchtigung ADHS an den Schulleiter gerichtet werden.

 

3.2 Kernsymptome und Unterrichtsverhalten im Grundschulalter


 

Mit dem Schuleintritt kommen meist die Symptome der von ADHS betroffenen Kinder zum Vorschein bzw. sie verschlimmern sich stark. Die Kinder sind den Anforderungen an Konzentration und Ausdauer nicht gewachsen und erfahren durch unterschiedliche Reize im Klassenzimmer eine Überstimulierung im Gehirn, was zu einer vermehrten Unruhe und Aktivität führen kann. Die Konsequenz sind Unkonzentriertheit und motorische Unruhe, die sich auf das Unterrichtsverhalten auswirken. Die Kinder stehen im Unterricht unerlaubt auf, reden dazwischen und haben durch ihre impulsive Art oft Konflikte mit Mitschülern. (Vgl. Ayres, 1998, S. 16) Schülern mit Aufmerksamkeitsdefiziten bereitet die Informationsaufnahme und

 

-verarbeitung große Schwierigkeiten, „da sie über basale Fähigkeiten der Aufmerksamkeitsherstellung- und Aufrechterhaltung nicht kontrolliert verfügen können" (Lang, 2003, S. 31). Aufmerksamkeitsgestörte Kinder wirken unorganisiert, faul und verträumt. Sie nehmen alle äußerlichen Störreize auf und reagieren darauf, wodurch sie ihre momentan zu erfüllende Arbeit nicht weiter ausführen und abbrechen. Der Unterricht fordert ihnen ein hohes Maß an Selbstorganisation, Konzentration und Ausdauer ab, welches sie nicht erfüllen können. (Vgl. ebd., S. 32)

 

Das ADHS-Kernsymptom Impulsivität verursacht bei Schülern u.a. ein vorschnelles Antworten, sowohl im mündlichen als auch im schriftlichen Bereich. Sie können sich nicht zurückhalten und reden ständig dazwischen oder stören anderweitig den Unterricht. In schriftlichen Aufgaben fallen sie durch vorschnelles und unüberlegtes Arbeiten auf, indem sie eine Aufgabe beginnen, wieder abbrechen, um sie dann doch wieder zu beginnen. (Vgl. ebd.) „Die mangelnde Impulskontrolle kann sich auch im sprachlichen Bereich auswirken, die Kinder sprechen oft zu laut, übermäßig viel und „verhaspeln" sich häufig beim Reden" (Lang, 2003, S. 32). Allgemein können Ungeduld und Unzufriedenheit zu impulsiven Wutausbrüchen führen, die nicht selten zu Konfliktsituationen mit Mitschülern führen oder auch ein In-Sich-Zurückziehen provozieren (vgl. ebd.).

 

Durch die Hyperaktivität beschäftigen sich die Kinder im Unterricht meist mit anderen Dingen als vorgesehen und können sich nur schwer an soziale Regeln halten. Lang (2003) beschreibt die Situation folgendermaßen:

 

Ständig scheinen die Schüler in Bewegung, selbst im Sitzen können sie eine große Unruhe produzieren: sie rutschen auf dem Stuhl hin und her, spielen mit Stiften auf dem Tisch oder „fuchteln" mit ihren Armen und „kippeln" mit ihrem Stuhl. (Lang, 2003, S. 32f)

 

Auch die Handschrift der Kinder leidet unter der Hyperaktivität, da sie in ihrer Feinmotorik weniger gut ausgebildet sind. So bleiben Zeilen unbeachtet und ein fließender Schreibverlauf kann nicht stattfinden. Allgemein kann die Motorik als unkoordiniert beschrieben werden. (Vgl. ebd., S. 33)

 

Durch die aufgeführten Kernsymptome einer Aufmerksamkeitsdefizit- Hyperaktivitätsstörung sowie deren Folgen für den Unterricht wird deutlich, dass sowohl die ADHS-Betroffenen, als auch die Lehrkräfte und Mitschüler, im schulischen Alltag vor große Problemsituationen gestellt werden, die sie versuchen müssen zu bewältigen.

 

3.3 Vorgehensweise der Lehrkräfte bei Verdacht auf ADHS


 

Lehrkräfte müssen sich der Symptome einer Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung bewusst sein, um einen Verdacht äußern zu können. Sind bei einem Kind die Kernsymptome Unaufmerksamkeit, Impulsivität und Hyperaktivität im besonders auffälligen Maße festzustellen, ist der Lehrer zu einem angemessenen Handeln verpflichtet. Um den Anfangsverdacht zu stützen, ist eine differenzierte Verhaltensbeobachtung des betroffenen Kindes nötig, da so eine genaue Entwicklung des Verhaltensprozesses aufgezeichnet werden kann. Bevor die Eltern des betroffenen Kindes über den Verdacht informiert werden, ist vorab ein Austausch mit Lehrerkollegen wichtig, die einen solchen Verdacht bestätigen oder ablehnen. Im nächsten Schritt können Elterngespräche in die Wege geleitet werden, um Informationen über das Verhalten des Kindes zu Hause bzw. im Alltag zu gewinnen. Äußern auch die Eltern der betroffenen Kinder einen Verdacht sind ärztliche bzw. psychologische Untersuchungen notwendig. (Vgl. Imhof et al., 2011, S. 16) Imhof (2011) verdeutlicht die Rolle der Lehrkraft in solch einer Situation wiefolgt: „Wichtig ist, dass sich Lehrkräfte nicht zu einer Diagnose hinreißen lassen, sondern bei einer Beschreibung der beobachteten Einzelheiten bleiben. Eine Diagnose erfordert stets eine umfassende ärztliche Untersuchung, sie ist nicht Aufgabe der Schule" (Imhof et al., 2011, S. 16). Kommt es zu einer fachmännischen Untersuchung, werden die von der Lehrkraft dokumentierten Verhaltensbeobachtungen herangezogen. Außerdem kann es vorkommen, dass die Lehrkraft zusätzliche Gespräche mit den Ärzten führt bzw. weitere Einschätzungs- und Fragebögen auszufüllen hat. (Vgl. ebd.) Eine Lehrkraft ist somit eine Art Experte, wenn es um das Verhalten eines Kindes geht.

 

3.4 Schulische Intervention


 

Schulische Interventionen sind Maßnahmen, die im Rahmen des schulischen Alltags und vor allem im Unterricht genutzt werden, um die ADHS-Symptomatik bei den betroffenen Kindern zu vermindern. Insbesondere ein angemessenes „Lehrerhandeln und das Gestalten von Unterricht beeinflusst die Schulleistung von aufmerksamkeitsgestörten Schülern maßgeblich" in die positive Richtung (Lang, 2003, S. 67). Um den Verhaltensauffälligkeiten und speziellen Schwierigkeiten der Kinder entgegenzuwirken, können psychologische, pädagogische und didaktischen Prinzipien im Unterricht angewendet werden. Diese können, wie bereits in Punkt 2.6.2 beschrieben, operante Techniken, wie Verstärker-Systeme, beinhalten, welche besonders in der Institution Schule genutzt werden. Wichtig sind aber auch...

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