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Kinder stark machen für das Leben

Herzenswärme, Freiräume und klare Regeln

AutorGerlinde Unverzagt, Klaus Hurrelmann
VerlagKreuz
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl192 Seiten
ISBN9783451801891
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis11,99 EUR
Herzenswärme, Freiräume und klare Regeln - mit diesem 'magischen Dreieck' ist eine gute Erziehung gewährleistet. Mit dieser einfachen Formel können Eltern ihren Kindern genügend Selbstvertrauen und Selbständigkeit mitgeben, um sich im Alltag zu behaupten, in dem Aggressionen und Auseinandersetzungen in der Schule und auf der Straße normal sind. Ein hilfreiches Buch, das Eltern Sicherheit gibt und ihnen Perspektiven zeigt.

Gerlinde Unverzagt ist freie Journalistin und Autorin zahlreicher Bücher zu den Themen Erziehung, Familie und Partnerschaft. Sie hat vier Kinder und lebt mit ihrer Familie in Berlin. Professor Dr. phil., ist ein deutscher Sozial-, Bildungs- und Gesundheitswissenschaftler. Nach langjähriger Tätigkeit an der Universität Bielefeld arbeitet er seit 2009 als Professor of Public Health and Education an der Hertie School of Governance in Berlin.

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Leseprobe

2. Kapitel


Steckt die Familie in der Krise?

Franziska zieht ihren Sohn alleine groß. Kurz vor der Geburt schon hat sie sich von dem Vater ihres Kindes getrennt. Sabine hat sich vor fünf Jahren scheiden lassen und lebt seitdem mit dem elfjährigen Jan und dem neunjährigen Felix allein. Aber was heißt hier allein? Seit fast zwei Jahren ist sie liiert mit Jens, der für ihre beiden Kinder schon zur festen Größe geworden ist, eine Mischung aus großem Bruder, Onkel und Knuddelpaps. Sie nennen ihn liebevoll »unseren Falschvater«. Ines und Alexander sind im letzten Jahr zusammengezogen. Beide haben zwei Kinder in die Beziehung mitgebracht und erwarten jetzt ein fünftes, ihr erstes gemeinsames Kind. Susanne und Bernd trennen sich gerade, »einvernehmlich«, wie es heißt. Der gemeinsame Sohn Noah soll künftig eine Woche bei seiner Mutter, eine Woche bei seinem Vater leben. Hans und Elsa heiraten nun doch, nachdem sie ihr zweites Kind bekommen haben.

Ein Blick in die Runde von Bekannten, Nachbarn und Freunden scheint zu belegen: Normal ist heute allein die Abweichung vom alterhergebrachten Modell. Getrennte, neu zusammengesetzte und wieder aufgelöste Familienbande allenthalben – rechtfertigt dieser Eindruck, in den vielstimmigen Abgesang vom Zerfall der Familie einzufallen? Je nach eigener Erfahrung, Weltbild oder Stimmungslage klingt der Chor auf den Abschied vom Modell Mama, Papa und zwei Kinderchen mal anklagend, mal bedauernd oder sogar erleichtert.

Der erste Eindruck täuscht ein wenig, denn auch heute noch lebt die große Mehrzahl aller Kinder in traditionellen Familien mit verheirateten Eltern. Aber keine Frage – das Familienleben ist erheblich bunter geworden als es vor zwei oder drei Generationen noch war. Trennungen und Scheidungen sind sehr weit verbreitet, die Eltern stehen unter der Fuchtel des Arbeitsmarktes, immer mehr Mütter und Väter sind berufstätig. Deswegen ist die Frage berechtigt, ob die Familie als eine Lebensgemeinschaft, die einen verlässlichen Rahmen für das Aufwachsen von Kinder bereitstellt, heute in einer Krise steckt.

Aufbruch zur Vielfalt der Familienformen


Enthusiastische Verfechter der herkömmlichen Familie zeigen mit Fingern auf gemütliche Landwohngemeinschaften, in denen Kinder mit liebevollen, zugewandten Erwachsenen und deren Kindern leben. Sie schütteln sich beim Gedanken an lesbische Paare mit Kindern, schwule Väter und anonyme Vaterschaft, die mit Hilfe moderner Reproduktionstechnik zustande kommt. Sie ignorieren alleinerziehende Mütter, die alles tun, um ihrem Kind nicht nur eine aufmerksame, warmherzige und fördernde Mutter zu sein, sondern auch die Zähne zusammenbeißen und ein beträchtliches Maß an persönlicher Würde opfern, um ihrem kleinen Schatz eine Beziehung zu seinem Vater zu ermöglichen – dem unzuverlässigen, großmäuligen, egoistischen und verantwortungslosen Kerl, über den sie sich jeden Kommentar verkneifen, weil er nun mal für das Kind eine Lichtgestalt ist – eben »mein lieber Papa, der mit mir in den Zoo geht«.

Außer Eva Herman gibt es immer noch viele Menschen, die der Auffassung sind, dass es ausreicht, wenn Papa zum Geld verdienen außer Haus geht, während Mama daheim bei den Kindern bleibt und Apfelkuchen backt. Die Traditionsverfechter tun gern so, als sei die Kleinfamilie zu viert die allein selig machende Art, in der Kinder aufzuwachsen haben – und weigern sich zur Kenntnis zu nehmen, dass konventionelle Familien trotz Trauschein, regelmäßigem und ausreichendem Einkommen und einer Mutter, die nur für ihre Kinder da ist, sich mitunter gemein und bösartig verhalten, ihre Kinder einengen, bevormunden, misshandeln und drangsalieren.

Unglückliche Kinder können durchaus in traditionellen, vollständigen Familien heranwachsen, und zufriedene Kinder kommen auch aus bunt zusammengewürfelten, nach traditionellen Maßstäben unvollständigen Familien. Ein Vater, der im fernen Neuseeland lebt, hat für sein Kind in Berlin weiterhin große Bedeutung. Der neue Lebensgefährte der Mutter, der im Haushalt mit anpackt und abends die Geschichten vorliest, kann auf seine Weise für das Kind sogar noch wichtiger sein. Die Großeltern mögen aufgrund der Blutsverwandtschaft und unabhängig von ihrer tatsächlichen Rolle eine besondere Beziehung zu dem Kind ihres geschiedenen Sohnes haben. Doch auch die Zugewandtheit, die eine nicht verwandte Betreuungsperson – sei es die Tagesmutter, sei es Mamas beste Freundin – aufbringt, macht diesen Menschen in anderer, gleichwohl wesentlicher Hinsicht zu einem Teil der Familie.

Die Familie ist auf dem Weg, den Rahmen traditioneller Vorstellungen zu sprengen. Aufgegeben wird aber nicht die Familie, sondern nur die hergebrachte Form des Zusammenlebens. Das Klagen über steigende Scheidungsraten, nicht eheliche Geburten, doppelte Berufstätigkeit, alleinerziehende Eltern und Kinder, die ohne Geschwister aufwachsen, verstellt den Blick auf die ganze Bandbreite und die vielen Spielarten von Verwandtschafts- und Wahlverwandtschaftsverhältnissen, die eine Familie heute ausmachen. Was soll man auch tun? Die Ehescheidung verbieten, die Berufstätigkeit von Frauen untersagen, nur genau zwei Erwachsenen verschiedenen Geschlechts das Zusammenleben mit Kindern erlauben, Familien zum gemeinsamen Zoobesuch einmal im Monat zwingen? Das sollen die Eltern schon lieber selbst entscheiden.

Veränderungen des Familienlebens


In der Diskussion über den Zustand der Familien geistern viele Mythen herum. Im Anblick wachsender Scheidungsziffern, rückläufiger Geburtenzahlen, der Zunahme alleinerziehender Eltern und Stieffamilien verlieren viele den realistischen Blick darauf, was Familie in früheren Generationen tatsächlich bedeutet hat. Schnell entsteht ein Idealbild von der Familie in der guten alten Zeit. So gut war die aber gar nicht.

Schauen wir drei, vier Generationen zurück auf die Zeitspanne um 1900. Entgegen vieler Wunschvorstellungen gab es auch zu dieser Zeit kaum Großfamilien und Mehr-Generationen-Familien. Eltern hatten eine größere Kinderzahl, das stimmt, gelegentlich lebten auch die Großeltern mit ihm gleichen Haus, aber das war nicht die Regel. Die Ehe war ganz überwiegend eine Zweckgemeinschaft, die aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen wurde. Es gab sehr strenge Heiratsregeln, die es ökonomisch ungesicherten Menschen verboten, sich zu verbinden. Von einer Liebesgemeinschaft, wie heute von der normalen Ehebeziehung gefordert ist, konnte überhaupt keine Rede sein. Deswegen waren auch außereheliche Beziehungen und nichteheliche Kinder durchaus an der Tagesordnung.

Und die Dauer der Ehebeziehungen? Entgegen dem weit verbreiteten Vorurteil währten sie nicht länger als heute. Zwar lag die Zahl der Ehescheidungen deutlich niedriger als heute, denn der moralische und religiöse Druck war hoch. Aber faktisch bestand eine Ehe kaum länger als 30 Jahre, weil einer der beiden Partner recht früh verstarb. Die durchschnittliche Lebenserwartung betrug nicht 80 Jahre wie heute, sondern ungefähr 50 Jahre. Im Vergleich existieren Ehebeziehungen heute deshalb erheblich länger als vor drei, vier Generationen. Eine Ehedauer von 40 Jahren ist heute keine Ausnahme, um 1900 stellte sie eine Sensation dar.

Aus alledem folgt: Die Familie ist heute nicht in einer Krise. Sie steckt aber mitten in einem sehr intensiven und dynamischen Prozess des Wandels. Dahinter stehen wirtschaftliche, kulturelle, religiöse, medizinische und soziale Umbrüche, die Veränderungen der Männer- und Frauenrolle und die voranschreitende Demokratisierung der Gesellschaft. Weil die Lebensspanne weiter reicht, heiraten viele Menschen erst sehr spät, obwohl sie oft schon viele Jahre zusammenleben. Die meisten Erwachsenen haben im Verlauf ihres Lebens mehrere Partnerschaften nacheinander, die aber sind auf Treue und Bindung gebaut. Die Fachliteratur spricht von einer »sequenziellen Monogamie«, also der Aufeinanderfolge intensiver Paarbeziehungen. Es ist nicht mehr der Tod eines Partners, der zu einer neuen Beziehung führt, sondern die Trennung oder Scheidung.

Immer mehr Paare entscheiden, keine Kinder zu haben. Wer sich für Kinder entscheidet, gibt sich meist mit einem oder zweien zufrieden. Wirtschaftliche Gründe, persönliche Überlegungen zur Lebensgestaltung und oft auch die Sorge vor einer allzu großen Verantwortung für ein Kind, die ja ein ganzes Leben lang dauert, stehen im Vordergrund. Alle wissen: Elternschaft ist eine lebenslange und zudem unkündbare Beziehung. Die Entscheidung lässt sich im gesamten weiteren Leben nicht zurücknehmen. Kein Wunder, dass sich viele Frauen und Männer sehr genau überlegen, ob sie die Elternrolle übernehmen wollen oder nicht.

Familienleben in Zahlen


Die historischen Entwicklungen schlagen sich in den Familienstatistiken nieder. Es gibt heute weniger Kinder als noch vor drei Generationen. In der Bundesrepublik Deutschland sind heute etwa zehn Prozent der Bevölkerung unter 12 Jahre alt, und nur noch in einem Viertel aller Haushalte leben Kinder unter 18 Jahren. In immer mehr Haushalten hält sich nur noch eine Person oder ein Paar ohne Kinder auf. Viele heiraten heute, ohne einen Kinderwunsch zu haben. Dies dürfte schon auf ein Drittel der Paare zutreffen.

Was hat sich in den Familien selbst geändert? Die Zahl der Kinder ist deutlich zurückgegangen. Nicht mehr im Durchschnitt vier Kinder leben in einer Familie wie um 1900, sondern meist ein bis zwei. Ein Viertel der Kinder in Deutschland wächst ohne einen Bruder und ohne eine Schwester auf, die Hälfte mit einem Geschwister zusammen, ein letztes Viertel mit zwei und mehr Geschwistern.

Wie sehen die Familienformen aus? In einer klassischen...

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