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E-Book

Kinder und Jugendliche mit Hochbegabung

Erkennen, stärken, fördern - damit Begabung zum Erfolg führt

AutorHelga Simchen
VerlagKohlhammer Verlag
Erscheinungsjahr2005
Seitenanzahl169 Seiten
ISBN9783170294752
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis16,99 EUR
Schulversagen trotz hoher Intelligenz kombiniert mit Verhaltensauffälligkeiten und geringem Selbstvertrauen - was sind die Ursachen dafür? Dieses Buch gibt Antworten und zeigt, wie betroffenen Kindern und Jugendlichen geholfen werden kann. Es wendet sich an Eltern, Erzieher, Lehrer und Therapeuten, die mit dieser Problematik konfrontiert werden. Die Autorin verdeutlicht, dass Entwicklungsverzögerungen und psychische Auffälligkeiten nicht nur bei Hochbegabten durch eine frühzeitige Diagnostik besser und gezielter behandelt werden können, damit sie Schullaufbahn und Lebensqualität nicht beeinträchtigen. Dabei steht nicht die Behandlung einzelner Symptome, sondern deren Ursache im Vordergrund. Anhand von zahlreichen Praxisbeispielen wird erläutert, wie sich diese Kinder und Jugendlichen ihrer Fähigkeiten bewusst werden, davon profitieren und ein gutes Selbstwertgefühl entwickeln können.

Dr. med. Helga Simchen ist Kinderärztin, Neuropädiaterin, Kinder- und Jugendpsychiaterin, Psycho- und Verhaltenstherapeutin sowie systemische Familientherapeutin. Nach langjähriger stationärer Tätigkeit an einer Universitätsklinik arbeitet sie seit 1995 in eigener Praxis in Mainz.

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Leseprobe

1 Hochbegabung – ein Solotanz mit oder ohne Erfolg


Schon einige Jahre vor der Einschulung begeistert so manches Kind durch seinen großen Wissensdrang, seine ständigen Fragen nach dem Warum, durch seine fließende Sprache mit großem Wortschatz und seine überraschende Kreativität. Es will alles erklärt haben, begreift sehr schnell, ist pfiffig und neugierig zugleich, merkt sich jede Kleinigkeit. Es ist an allem Neuen interessiert und will aus eigenem Antrieb schon vor der Einschulung rechnen, lesen oder schreiben. Alles deutet auf eine sehr hohe Intelligenz hin, die eine erfolgreiche Schullaufbahn mit einem zufriedenen und selbstbewussten Kind verspricht.

Andere Kinder dagegen fallen durch außerordentliche Fähigkeiten auf einem oder mehreren Gebieten auf. Sie können z.B. gut turnen, Fußball spielen, singen oder entwickeln technische Fähigkeiten. Wir sprechen dann von besonderen Begabungen.

1. Begabungen erkennen und fördern


Als Begabung bezeichnet die Psychologie die Summe der angeborenen außerordentlichen Fähigkeiten. Sie ist die Voraussetzung für das Erbringen überdurchschnittlicher Leistungen im schulisch-wissenschaftlichen, praktisch-technischen oder künstlerisch-kreativen Bereich. Der Begriff „Talent“ beschreibt einzelne angeborene überdurchschnittliche Fähigkeiten für ein begrenztes Gebiet. Talent an sich ist von der Höhe des Intelligenzquotienten unabhängig, profitiert aber nicht unwesentlich davon; die Anteile von Veranlagung und Umwelteinflüssen sind individuell unterschiedlich.

Es gibt verschiedene Begabungs- oder auch Fähigkeitsbereiche (Talente), die einzeln oder in Kombination vorkommen können, wobei allein die intellektuellen Fähigkeiten den klassischen Begriff der Intelligenz prägen. Inzwischen wurde noch der Begriff der multiplen Intelligenz eingeführt, der Fähigkeiten umfasst, die berufliche Erfolge und Karrieren begünstigen. Dazu gehören etwa Eigenschaften, die für leitende Tätigkeiten und im Personalmanagement von Vorteil sind.

Menschen können auf einzelnen Gebieten herausragende Fähigkeiten erreichen, die nicht unbedingt mit einer überdurchschnittlichen Intelligenz korrelieren. Solche Begabungen gibt es:

  • im sozialen Bereich
  • in der Musik, als musische Fähigkeiten
  • in künstlerischen Bereichen wie Malerei oder Bildhauerei
  • als schauspielerische Fähigkeiten
  • als dichterische Fähigkeiten
  • als sportliche Fähigkeiten

Alle diese Fähigkeiten werden im allgemeinen Sprachgebrauch mit dem Begriff Begabung gleichgesetzt und können mit mehr oder weniger Intelligenz kombiniert sein. Auch wenn hohe Intelligenz keine zwingende Voraussetzung ist, so ist sie doch immer für alle Fähigkeitsbereiche förderlich.

2. Intelligenz – eine variable Größe und ihre Bedeutung für die Entwicklung


Der deutsche Psychologe William Stern definierte 1920 den Begriff der Intelligenz mit der Fähigkeit, abstrakt und analytisch denken zu können, und legte den Intelligenzquotient (IQ) als das Verhältnis des Intelligenzalters zum Lebensalter mal 100 fest. Das bedeutet, dass der errechnete Intelligenzquotient einer Person immer dem statistischen Mittelwert der Intelligenzleistung ihrer Altersgruppe entspricht. Der durchschnittliche IQ liegt also bei 100.

Es gibt viele Definitionen des Begriffes Intelligenz, aber folgende kommt den Erkenntnissen der aktuellen Forschung am nächsten:

Intelligenz ist die angeborene Fähigkeit, durch Erkennen von Gesetzmäßigkeiten und Regeln geistige Leistungen zu erbringen, mit deren Hilfe neue Aufgaben und Anforderungen optimal gelöst werden können. D.h. also, sich in neuen Situationen und Aufgaben mit Hilfe des eigenen Denkvermögens zurechtzufinden, ohne dass bereits spezielle Erfahrungswerte vorliegen.

Die Intelligenz ist die wichtigste Voraussetzung, um den Anforderungen in der Schule und im Leben gerecht zu werden. Aber Intelligenz allein reicht nicht, um das Leben in seiner Vielfalt meistern zu können. Intelligenz ist im Wesentlichen angeboren, sie wird durch Eigenschaften wie Flexibilität, Kreativität und Eigenmotivation beeinflusst, also durch Eigenschaften, die zum größten Teil durch Umwelt, Erziehung und Erfahrung erworben werden.

Intelligenz ist in ihrer Verwirklichung abhängig von verschiedenen anlage- und umweltbezogenen Faktoren; die wichtigsten sind:

  • die Fähigkeit der Gefühlssteuerung
  • die Merkfähigkeit
  • die Aufmerksamkeit
  • die Fähigkeit zur Motivation zum Lösen von Aufgaben
  • der Antrieb und die Freude am Lernen und innovativen Denken
  • die Wahrnehmungsfähigkeit und deren optimale Verarbeitung
  • das Sprachvermögen und die sprachliche Ausdrucksfähigkeit
  • der innere Drang, alles zu hinterfragen und überall nach Gesetzmäßigkeiten zu suchen
  • das Arbeitstempo und die Arbeitsorganisation
  • die altersentsprechende Entwicklung motorischer Fähigkeiten

Dazu kommen noch vielfältige Umweltfaktoren, die von Geburt an wirken und die Entwicklung der Persönlichkeit lebenslang fördern oder beeinträchtigen.

Zusammenfassend ist für ein erfolgreiches Umsetzen der Intelligenz entscheidend:

  • die Höhe des mit mindestens zwei standardisierten Testmethoden festgestellten Intelligenzquotienten (IQ)
  • das Maß an Flexibilität und Kreativität
  • Eigenmotivation und Freude an der Wissensaneignung
  • die Fähigkeit, Gelerntes zu abstrahieren und Gesetzmäßigkeiten zu erkennen

3. Hochbegabung ist nicht gleich Erfolg


Kinder und Jugendliche, die einen IQ von über 130 haben, gelten als hochbegabt. Dies trifft auf etwa 2 % der Bevölkerung zu.

Interessant ist, dass bei Kindern und Jugendlichen mit einem Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADS) der prozentuale Anteil an Hochbegabten bei etwa 5 % liegt. Zu diesem Ergebnis kamen in den vergangenen Jahren verschiedene voneinander unabhängige Untersuchungen.

Gerade die Schullaufbahn dieser Kinder und Jugendlichen beweist, dass der Intelligenzquotient allein keine Aussagefähigkeit über das kognitive und soziale Leistungsvermögen besitzt. Denn trotz intensiver Anstrengung in der Schule werden meistens Leistungen erbracht, die nicht dem Intelligenzniveau entsprechen, worunter die Kinder natürlich psychisch leiden. Durch die Spezialisierung einzelner Therapeuten und Einrichtungen auf die Behandlung von diesen Kindern und Jugendlichen zeigt sich zunehmend, dass die Betroffenen mit ADS im Allgemeinen einen höheren Intelligenzquotienten haben als der Durchschnitt der Bevölkerung, nur dass sie aufgrund ihrer Beeinträchtigung nicht immer davon profitieren können. Dieser Sachverhalt wurde bisher schon von einigen Autoren beschrieben (Rossi, Winkler, Neuhaus). Erklären lässt sich dieses Phänomen möglicherweise damit, dass das Gehirn der Kinder mit ADS von Geburt an einem viel größeren Reizangebot ausgesetzt ist und sich dadurch viel mehr Nervenzellen vernetzen und erhalten bleiben.

Es ist schon lange bekannt, dass hochbegabte Menschen oftmals nur mittelmäßige oder gar schlechte schulische und berufliche Leistungen erbringen. Dafür gibt es ganz unterschiedliche Ursachen und Erklärungen. Diese Menschen werden in der Hochbegabtenforschung „Underachiever“ genannt, was soviel bedeutet wie „unter ihren Möglichkeiten bleibend“.

Hochbegabung ist von Talent zu unterscheiden, d.h. Menschen, die auf einem Gebiet etwas Außergewöhnliches zu leisten vermögen, müssen nicht hochbegabt sein; sie haben ein besonderes Talent oder eine besondere Begabung auf einem Gebiet. Ein Hochbegabter muss nicht unbedingt über große Fähigkeiten auf einem Gebiet verfügen, aber seine intellektuellen Fähigkeiten müssen herausragend sein.

4. Woran kann man hochbegabte Kinder und Jugendliche erkennen?


Sehr begabte Kinder und Jugendliche verfügen über eine Vielzahl von Fähigkeiten, die in ihrer Gesamtheit mit der Höhe der Intelligenz korrelieren.

An folgenden Fähigkeiten kann man Hochbegabte erkennen:

  • sie haben einen schnellen, meist frühen Spracherwerb
  • ihre statomotorische Entwicklung ist altersgemäß oder beschleunigt
  • sie haben eine hohe Lerngeschwindigkeit und großes Interesse an Problemlösungen
  • ihre Denkweise ist kreativ und produktiv, sie suchen nach kausalen Zusammenhängen
  • sie beschäftigen sich gern und intensiv mit Symbolen
  • sie haben ein hohes Konzentrations- und Beharrungsvermögen bei meist selbst gestellten Aufgaben
  • sie haben ein sehr gutes Gedächtnis
  • sie können Unwichtiges ausblenden und sich strukturieren
  • sie setzen sich Ziele, die sie beharrlich verfolgen
  • sie können sich und andere gut einschätzen
  • sie haben einen hohen Anspruch an sich selbst, aber auch an ihre Eltern und...
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