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E-Book

Kinderjahre Kaiser Karls

Aus unveröffentlichten Tagebüchern seines Großvaters

AutorGabriele Praschl-Bichler
VerlagAmalthea Signum Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl256 Seiten
ISBN9783902862990
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
'Ich sah den so netten theuren Enkel an - ein hübsches kräftiges Kind!', schrieb Erzherzog Carl Ludwig, Bruder Kaiser Franz Josephs, nach der Geburt seines ersten und lange Zeit einzigen Enkels in sein Tagebuch. Der kleine Carl, spätere Kaiser Karl, kam im August 1887 auf Schloss Persenbeug zur Welt. Im Tagebuch seines Großvaters, das den ganz privaten Alltag der österreichischen Kaiserfamilie dokumentiert, ist von vielen Emotionen zu lesen, von der Glückseligkeit, ein Lächeln des Babys zu erhaschen, ihm beim Großwerden zuzusehen, aber auch vom normalen Alltag einer Familie, die vier Thronfolger und zwei Kaiser hervorbrachte, zwischen Schlössern und Palästen pendelte und deren nächste Verwandte die Kaiser und Könige Europas waren. Kaiser Franz Joseph tritt als (über)großer, aber auch als sorgender Bruder auf, Kaiserin Elisabeth eigentlich gar nicht, und als besondere Überraschung häufig beider Sohn Kronprinz Rudolf. Er stand seinem Onkel Carl Ludwig sehr nahe und ebenso seinem Cousin Otto, dem Vater des nachmaligen Kaisers Karl.

Dr. Gabriele Praschl-Bichler, geboren 1958 in Wien, beschäftigt sich beruflich mit Alltags- und Habsburger Geschichte und privat mit historischer und gegenwärtiger Koch- und Backkunst. Sie hat zahlreiche Bücher über die Kulturgeschichte des 17. und 18. Jahrhunderts sowie über das österreichische Kaiserhaus veröffentlicht und organisiert Ausstellungen zu diesen Themen. Nebenbei kopiert sie dekorative Wandmalerei und renoviert Häuser. Bei Amalthea erschienen: 'Sie haben`s gut, Sie können ins Kaffeehaus gehen!' - Kaiser Franz Joseph ganz privat (1994), ' '...von dem müden Haupte nehm` die Krone ich herab - Kaiserin Elisabeth privat' (1995), 'Gott gebe, daß das Glück andauere. - Liebesgeschichten und Heiratssachen im Hause Habsburg' (1997), 'Kaiserliche Kindheit - Aus dem aufgefundenen Tagebuch Erzherzog Carl Ludwigs, eines Bruders von Kaiser Franz Joseph' (1997), und 'Historische Photographien - aus den Alben des Kaiserbruders Erzherzog Ludwig Victor' (1999), 'Elisabeth - Kaiserin von Österreich, genannt Sisi' (2003).Die besten Backrezepte aus dem privaten Kochbuch der österreichischen Kaiserfamilie' (2004), 'Unsere liebe Sisi: Die Wahrheit über Erzherzogin Sophie und Kaiserin Elisabeth. Aus bislang unveröffentlichten Briefen' (2008), 'Affenhaube, Schellentracht und Wendeschuh: Kleidung und Mode im Mittelalter' (2011).

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Leseprobe

Die Tagebucheintragungen
Erzherzog Carl Ludwigs (1887–1896)


Zu den großen Glücksmomenten eines Kulturhistorikers gehört es, nie gesichtete Privatkorrespondenzen und Tagebücher zu finden und Einblick nehmen zu können, umso mehr, wenn das Verfasste reichhaltig ist und von einer bekannten Persönlichkeit stammt. Im vorliegenden Fall handelt es sich um die Tagebücher Erzherzog Carl Ludwigs, des zweitältesten Bruders Kaiser Franz Josephs. Zwischen ihm und dem Kaiser hatte es noch einen Bruder gegeben, der als Erzherzog Ferdinand Maximilian genannt und in der Familie Maxi und später Max gerufen wurde. Im Jahr 1864 verließ er Österreich, um als Kaiser Maximilian die Herrschaft von Mexiko anzutreten. Dieses Vorhaben, das von Anfang an unter keinem guten Stern stand, endete nur wenig später tragisch. Maximilian wurde im Juni 1867 in Querétaro in Mexiko erschossen.

Rangmäßig folgte Kaiser Franz Joseph sein Sohn Kronprinz Rudolf, der 1858 geboren wurde. Als Rudolf im Januar 1889 Selbstmord beging, übernahm Erzherzog Carl Ludwig, der Tagebuchschreiber, die Stelle des ersten Vertreters des Kaisers. Ihm folgten seine beiden ältesten Söhne Franz Ferdinand, der spätere Thronfolger, und Otto, der Vater des nachmaligen Kaisers Karl.

Da dieser Band der Kindheit Kaiser Karls im engsten und privatesten Familienkreis gewidmet ist, habe ich die Eintragungen seines Großvaters von der Zeit seiner Geburt im August 1887 bis zum Mai des Jahres 1896 herangezogen, als Erzherzog Carl Ludwig an den Folgen einer Infektion starb. Die täglichen Aufzeichnungen erlauben einen Einblick in den Tagesablauf der Familie, aber auch aktuelle tagespolitische und historische Ereignisse. Natürlich findet man in den Eintragungen viel Privates, vor allem wenn wie im August 1887 ein großes familiäres Ereignis, die Geburt des ersten Enkels, bevorstand. Das werdende Elternpaar Mitzi und Otto verbrachte die Zeit davor in Niederösterreich, in Schloss Persenbeug an der Donau, das ihnen der Vater respektive Schwiegervater als Familienresidenz geschenkt hatte.

Erzherzogin Marie Theresia, die Ehefrau Erzherzog Carl Ludwigs, zog ein paar Wochen vor der Geburt ebenfalls dorthin, um der Schwangeren nahe zu sein und im Notfall helfen zu können. Entbindungen waren über die Jahrhunderte fast immer Frauensache, sie wurden von Hebammen und von weiblichen Verwandten begleitet, die Kinder geboren hatten. Marie Theresia war eine der begehrtesten Pflegerinnen der Familie, weshalb es logisch war, dass sie in den letzten Wochen der Schwangerschaft die Aufsicht im Haushalt der Gebärenden übernahm. Ein Arzt war ebenfalls ständig im Haus. Er überwachte den Gesundheitszustand der Schwangeren und sollte, was damals noch gar nicht so üblich war, bei der Geburt dabei sein.

Der sehr aufgeregte werdende Großvater hielt sich inzwischen im unweit davon entfernten Schloss Artstetten auf, das ihm gehörte und das er später seinem ältesten Sohn Franz Ferdinand schenkte. Dass er nicht mit seiner Frau, seinem Sohn und der Schwiegertochter in Schloss Persenbeug wohnte, hängt damit zusammen, dass er eine Magen-Darm-Grippe auskurierte, und wohl auch damit, dass er mit seiner steigenden Nervosität niemanden zusätzlich belasten wollte. Aber er war selbstverständlich in die Vorbereitungsarbeiten miteingebunden. Er holte Anfang August den anreisenden Arzt von der Schiffsanlegestation ab und sorgte ein paar Tage für dessen Unterhaltung.

4.8.1887 »9 Uhr wachte ich auf, läutete, ließ mich wieder einreiben, trank das Ofener Bitterwasser (Maßnahmen gegen die Krankheit) u. frühstückte noch im Bett; las auch im Bett, stand erst 11 Uhr auf, las Acten u. Schriften vom Rothen Kreuz (dessen Protektor er war), sah dazwischen den Förster Hauzer. Nach 3 Uhr speiste ich, las dazwischen Zeitungen, schönes Wetter, warm, nach ¾ 5 Uhr ging ich in steyrischen Kleidern, kurzen Hosen, von einem Schneider von Artstetten gefertigt, nach (unleserlich) Fußwege und Feldwege durch Felder, längs derselben u. auf Wiesen, auch durch Wald theilweise, sehr hübscher Spaziergang … die Wiese hinab, die gegen Weidenach führt, am Fuß dieser Anhöhe war der Artstettner Wagen, der mich da erwartete. Von dort fuhr ich durch Weidenach, längs der Donau dann durch Ebersdorf; außer Kleinpöchlarn, wo ich einen Wagen fand, der bestimmt war dem Professor Weihs (dem Arzt, der die Schwangere betreuen sollte), der später erwartet war, nach Artstetten heraufzubringen. Kutscher Schrammel sagte mir, daß Weihs mit einem früheren Zug kommen werde; er kam von Amstetten aus, von Graz durch das Gesäuse gereist, nicht von Wien, wie ich ursprünglich glaubte. Ich setzte mich in meinen Wagen u. fuhr an den Landungsplatz. Dort kurz gewartet; da kam Weihs im Boot herüber; ich fuhr mit ihm nach Hause bei zwielichtem Abend; nach ¾ 8 Uhr waren wir da; nach ½ 9 Uhr soupirte ich mit ihm in der Bibliothek; nach ½ 12 Uhr schlafen gegangen

Zwischen Alltäglichem – dem Aufstehen, Bemerkungen zur Kur gegen die Darmgrippe und dem Erledigen täglicher Arbeiten – stechen in dieser Eintragung am Anfang zwei Wörter hervor: die steyrischen Kleider, ein Trachten-Ensemble mit knielanger Lederhose, das Erzherzog Carl Ludwig beim Spaziergang trug. Das Bemerkenswerte daran ist, dass er und seine Brüder im Unterschied zu Kaiser Franz Joseph eigentlich nie Trachtenkleidung trugen. Ich meine, in den Tagebüchern des Erzherzogs insgesamt nur zweimal darüber gelesen zu haben. Kaiser Franz Joseph liebte Lederhose und Trachtenjanker, die er immer anzog, wenn er zur Jagd ging. Aristokraten und Großbürger übernahmen flugs diesen Brauch, wohl weil ihn der Kaiser eingeführt hatte. Erzherzog Carl Ludwig und seine Brüder trugen sie kaum und waren auch keine begeisterten Jäger. Umso mehr stellte es eine Sensation dar, diese Hose im Sommer anzuziehen, vor allem deshalb, weil sie kurz war.

5.8.1887 »Wieder erst 9 Uhr aufgewacht (das war ein Vorwurf gegen sich selbst, da er sonst sehr früh aufstand, die Krankheit ihn aber länger im Bett hielt), geläutet, gerieben worden, wieder Bitterwasser getrunken, wieder im Bett gefrühstückt, da gelesen ein Buch und dann auch Acten, nach ½ 11 Uhr war ich aufgestanden, wieder sehr schönes Wetter, wieder Hauzer gesehen; ging auch vor 12 Uhr zum Professor Weihs, der ebenerdig wohnt, wo in früheren Jahren Mali Taaffe wohnte. Er war schon zeitlich früh auf gewesen, hatte an Correcturen der neuen Auflage seines …ichten Werkes gearbeitet; ich las dann noch Acten, auch andere Schriften. Nach ¼ 8 Uhr kam Gf Franz Falkenhayn (damaliger Präsident des Roten Kreuzes) hierher gefahren. Ich hatte ihn telegraphisch gebethen, hierher zu kommen, weil ich mit ihm in Rothe Kreuz-Angelegenheiten zu sprechen hatte. Er kam von seinem Schloß Walpersdorf bei Herzogenburg. Er war bis zum diner bei mir im Schreibzimmer. Nach ¾ 4 Uhr speiste ich mit ihm, u. mit Weihs im Speisezimmer ebener Erde. Ich hatte inzwischen Falkenhayn noch vor Tisch mehrere Räume des Schlosses gezeigt. Nach Tisch gingen wir zusammen, ich u. Gf Falkenhayn, auch etwas Professor Weihs mit, im Garten herum, um dem Grafen diesen zu zeigen. ¾ 6 Uhr fuhr Falkenhayn wieder fort, um den nächsten Zug zur Rückkehr zu erreichen. Ich ging darauf mit Weihs zu Fuß durch den Ort Artstetten, (zwei Worte unleserlich) dann rechts den Weg durch die Wiesen theilweise durch den Wald, so schön, wie im Park. Es gefiel dem Weihs auch sehr gut. So kamen wir hinab nach Klein-Pöchlarn, wo die Straße nach Artstetten herauf führt, gingen auch zu Fuß diese Straße hinauf, dann oben, wo dieselbe ist, rechts ab den Weg durch die Wiese nach Hause. Nach 9 Uhr mit Weihs soupirt im Speisezimmer ebener Erde, die Zeitungen gelesen, spät zum Schlafen gekommen.«

6.8.1887 »½ 9 Uhr aufgewacht, geläutet. Nach ¼ 10 Uhr aufgestanden, bald darauf gefrühstückt. Ich las darauf Acten unten im Speisezimmer u. schrieb da der Miana (der zweitältesten Tochter, die in Wien geblieben war) einen längeren Brief. Nach 12 Uhr fuhr ich mit Professor Weihs in einem Wagen nach Persenbeug, nachdem ich schon früher Vormittag bei ihm war. Otto kam uns die Stiege in den Schloßhof entgegen, darauf auch MTh (seine Frau Marie Theresia), u. oben auf der Stiege sahen wir Mitzi. Otto führte den Weihs herum, um ihm die Räume des Schlosses zu zeigen. Ich ging zu Mitzi, setzte mich früher in ihr Schlafzimmer, während sie sich auf die chaise longue (französisch: »langer Stuhl«; Fauteuil mit Verlängerung der Sitzfläche nach vorne als Auflage für die Beine) legte u. häkelte. Otto kam auch währenddem kurz herein. Nach 2 Uhr aßen wir alle zusammen mit Weihs, wie gewöhnlich im großen Speisezimmer. Darauf, nach dem diner noch längere Zeit beisammen. MTh ging dann auch mit Weihs auf u. ab auf der Terrasse bei der Einfahrt. Vorher war ich noch mit MTh zusammen, während Otto noch etwas im Schloß dem Weihs zeigte. Endlich ging ich mit Otto nach einem Punkt außer der...

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