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'King Philip's War': Nordamerikas blutigster Indianerkrieg (1675 -1677)

Ein militärhistorischer Überblick

AutorStephan Maninger
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl87 Seiten
ISBN9783656576297
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis27,99 EUR
Wissenschaftlicher Aufsatz aus dem Jahr 2014 im Fachbereich Geschichte - Amerika, Note: keine, , Sprache: Deutsch, Abstract: Bei dessen Ausbruch im Sommer 1675 konnte niemand voraussehen, dass dies der blutigste Krieg in der gesamten Besiedlungsgeschichte jener Gebiete werden würde, die später als die Vereinigten Staaten von Amerika bekannt wurden. Die Folgen des als 'King Philip's War' bekannten Konfliktes waren für beide Seiten gravierend. Die Ureinwohner im heutigen Neuengland verloren den Rest ihrer Unabhängigkeit und wurden dezimiert. Die beteiligten 'Vereinigten Kolonien', 1636 gegründet und bestehend aus den Kolonien Plymouth, Massachusetts Bay, Connecticut und Rhode Island waren bankrott und erhielten wenige Jahre später eine direkte Kolonialverwaltung. Der folgende Beitrag beschäftigt sich mit den Ursachen und dem Verlauf dieser blutigen Auseinandersetzung im 17. Jahrhundert.

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Leseprobe

3. Ursachen des Krieges


 

Die Ursachen des Krieges waren politischer und kultureller Natur. Politisch hatten der Sieg der Engländer im Pequotkrieg 1637 und die Ermordung des Oberhaupts der Narragansett Miantonomo 1641 eine gewisse regionale Stabilität erzwungen. Der Vertrag von Hartford (1638) bestimmte, dass die „Vereinigten Kolonien“ im Kriegsfall dem jeweils angegriffenen Stamm ihre Unterstützung zukommen lassen würden. Dies sollte traditionelle Feindschaften unterbinden und dadurch eine politische Stabilität bewirken, die Neuengland brauchte, um wirtschaftliche Beziehungen zu allen Stämmen pflegen zu können. Die Erinnerung an das Schicksal der Pequots ließ die Ureinwohner daraufhin weitgehend von ihren traditionellen Stammesfehden absehen.

 

Die Narragansett befanden sich nicht in der Lage, einen Rachekrieg mit den Vereinigten Kolonien zu riskieren, da ohne Überraschungseffekt ein solcher aussichtslos war. Aus der Erkenntnis der Indianer, dass die Puritaner zum ersten Mal ernsthaft von ihren eigenen so oft postulierten Prinzipien von Gerechtigkeit abwichen, resultierte ein Glaubwürdigkeitsverlust. Dieser war so schwerwiegend, dass die Beteiligung der Narragansett an Phillips Krieg, drei Jahrzehnte später, zum Großteil auf diesen Vorfall zurückgeführt werden kann.

 

Dementgegen trafen die Puritaner ihre Entscheidung aus realpolitischen Überlegungen, bei denen die Allianz mit Unkas gegen die Bedrohungsszenarien und den vermuteten Intentionen der weiter entfernt lebenden und zahlenmäßig stärkeren Narragansetts aufgewogen werden musste.{29}Die Loyalität von Unkas wog offenbar, aus Sicht der Puritaner, schwerer im strategischen Gefüge Neuenglands. Und umgekehrt konnte sich Unkas ebenso auf den Beistand der Puritaner verlassen. Als der Nachfolger von Miantonomo, sein Bruder Pesecus, Geschenke an den Gouverneur von Massachusetts schickte, mit dem Wunsch, dass die Neuengländer sich bei einem Rachefeldzug gegen Unkas neutral verhalten würden, lehnte Boston ab.{30} In ihrer Reaktion gegenüber den Narragansett, wurde von den puritanischen Behörden betont, dass alle Indianer dem Frieden verpflichtet waren und ein Angriff gegen Unkas auch Krieg mit den Neuengländern bedeuten würde.{31} Doch dabei schienen die Engländer zu vergessen, dass sie die Stämme zur Unterzeichnung des Hartforder Vertrages zum Teil nötigten. Die Androhung militärischer Folgen einer Nichtunterzeichnung wurde in einem Fall sogar durch Gewalt unterstrichen als ein Captain Atherton den Sachem der Niantics{32}, Ninigret, am Haarschopf packte und ihm seine Pistole in die Rippen drückte. Ninigret unterschrieb und der puritanische Autor Increase Mather{33} schrieb, die Stämme wurden „terrified into better obedience.“{34} Das nicht alle Unterzeichner den Vertrag als bindend betrachteten, scheint daher kaum verwunderlich. Sie waren sich lediglich über die Folgen einer Nichtunterzeichnung im Klaren. Um ihrer Forderung um Vertragstreue Nachdruck zu verleihen, mobilisierten die Kolonien dreihundert Mann, die bewirkten, dass die Narragansett zumindest offiziell auf Rache verzichteten.{35}

 

Dennoch führten die Mohegans und die Narragansetts einen „kalten Krieg“ der von einer Vielzahl kleinerer Vorfälle geprägt war. Diese führten zu einer Verschlechterung der Beziehungen zwischen den Narragansetts und den Kolonien, die sich jedoch erst ab 1660 deutlich abzeichnete.

 

Zur Stabilität trugen auch die guten Beziehungen zwischen einigen Schlüsselfiguren der interkulturellen Konstellation Neuenglands bei, die sich als Vertrauenspersonen und immer wieder als Konfliktregulierer erwiesen. Diese Rollen spielten in erster Linie der Sachem der Wampanoag, Massasoit; der Sachem der Narragansett, Canonicus; der Sachem der Mohegans, Unkas und der auf Rhode Island lebende Exilant Roger Williams, der als einflussreicher Interessenvertreter der Narragansett eine wichtige Vermittlerrolle spielte. Außerdem überwogen die wirtschaftlichen Vorteile des Handels, wovon alle Parteien zunächst profitierten und sich eine gegenseitige Abhängigkeit entwickelte.{36} Die latenten Feindschaften zwischen den Stämmen standen allerdings auch jedem späteren Versuch zur Bildung einer pan-indianischen Allianz im Wege.

 

Vorerst begann ab 1638, aus Sicht der Siedler, eine Epoche friedlicher Koexistenz, die später als „goldenes Zeitalter“ in die Geschichte einging. Zeitzeugenberichte betonen, dass Indianer- und Siedlerkinder zusammen in den Dorfstraßen Neuenglands spielten. Indianerdörfer und die Siedlungen der Neuengländer lagen häufig unweit voneinander entfernt. Der Indianergruß „What cheer, friend?“ war allen bekannt, Indianerfrauen lagerten oftmals ihre kostbare Habe in Siedlerhäusern, wenn die Familie, das Dorf oder der Stamm, meist saisonbedingt, längere Reisen unternahmen.{37} Kleidung und Techniken der Neuankömmlinge verbreiteten sich rasch, so dass schon in der Mitte des 17. Jahrhunderts eine wachsende Gruppe von Ureinwohnern als Handwerker, Lehrer oder Harvardstudenten tätig wurde und ihre traditionelle Lebensweise ablegte.

 

Doch diese oberflächlichen Anpassungen täuschten nicht nur über die tiefe kulturelle Kluft zwischen Ureinwohnern und Neuankömmlingen hinweg – sie erzeugten auch Widerstand, nicht nur unter den Traditionalisten.

 

Folgende Faktoren können als Ursachen für den Ausbruch des Krieges gesehen werden:

 

Demographische Rahmenbedingungen: Die Geburtenhäufigkeit der Zuwanderer unterschied sich erheblich von der der Einheimischen. Europäische Frauen tendierten mit einer außerordentlich hohen Fertilitätsrate von 8,0 dazu{38}, mehr als doppelt so viele Kinder wie die einheimischen Frauen zu gebären, da diese aus kulturellen Gründen{39}, aber auch durch eine höhere Säuglingssterblichkeit lediglich eine Fertilitätsrate von 4,0 aufwiesen. Die hohen Geburtenraten der Europäer waren den durchaus günstigen klimatischen Umständen Neuenglands und einer gesicherten Ernährungsgrundlage zu verdanken. Neuengland erlebte ein exponentielles Bevölkerungswachstum unter der Siedlerbevölkerung, welches eine erhebliche kollektive Energie erzeugte. Dies zeigte sich beispielsweise durch die hohe Anzahl junger Männer, die in Zeiten der Krise mobilisiert werden konnten. Gleichzeitig war dieses Wachstum aber auch für den immensen demographischen Druck nach Westen verantwortlich. Den rund 20.000 Ureinwohnern stand 1675 eine Kolonialbevölkerung von 52.000 gegenüber, die das biologische Maximum an Geburtenhäufigkeit erreicht hatte und folglich rapide anwuchs. Waren viele Neuengländer im Umgang mit den Indianern bislang weitgehend um Fairness bemüht gewesen, so waren sie mittlerweile im Streit- bzw. Zweifelsfall die zahlenmäßig Stärkeren und bedienten sich ihrer eigenen Interpretation der Sachlage.{40} Durch diese Veränderung der demographischen Rahmenbedingungen nahm der Druck auf die Indianer Neuenglands stetig zu.{41}

 

Drängende Landfragen: Diese ergaben sich aus dem zunehmenden Bevölkerungsdruck und der Annahme der europäischen Lebensweise durch die Ureinwohner. Der Zugang zu begehrten Waren wie Töpfe, Textilien, Stahl- und Schusswaffen konnte nur noch mit dem Verkauf von Land finanziert werden. Der Tauschhandel der Gründerjahre, bei dem Felle und andere Jagdprodukte die Versorgung mit europäischen Gütern gewährleisten konnten, war in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts weitgehend versiegt.{42} Durch Überjagung waren viele Tierarten schon fast verschwunden. Das Gebiet der Wampanoagindianer war folglich schon auf einen Bruchteil seiner ursprünglichen Größe geschrumpft. Abgesehen von einigen Inseln, befanden sich nur noch wenige Landzungen in ihrem Besitz, die wichtigste davon im heutigen Bristol, wo auch „Mount Hope“ als Hauptsitz von Metacom lag. In den Jahren 1659 und 1660 beschwerten sich die Wampanoags aufgrund von Unregelmäßigkeiten beim Kauf und Verkauf von Land bei den Behörden in Plymouth. Wie berechtigt diese Sorge war, zeigte sich dann auch in englischen Quellen. Die „Royal Commission“ der Jahre 1664-1667 befand eindeutig, dass einige Engländer, darunter der Gouverneur von Plymouth, Josiah Winslow, auf dubiose Weise Land der Wampanoags erworben hatten.{43} Ähnliche Kritik gab es am Vertrag von 1660, dem „Atherton Deed“. Unterzeichnet hatten die Narragansetts dieses Abkommen nur, nachdem sie seitens der Vereinigten Kolonien massiv bedroht worden waren. Diese hatten ihnen die Schuld für die andauernden Unruhen mit den Pocumtucks gegeben und eine hohe Strafzahlung gefordert. Eintausend Quadratkilometer Land wurden 1662, nachdem die Narragansetts nicht in der Lage waren, zu zahlen, gepfändet und zur Besiedlung freigegeben. Nachdem die königliche Untersuchungskommission das Abkommen für „betrügerisch“ erklärt hatte, kam es zu einer Klagewelle und einer spürbaren Verschlechterung der Beziehungen.

 

Im Westen der Kolonie Massachusetts, im Tal des Connecticut, hatten sich Siedler ab Mitte der 1660er Jahre zunehmend auf Land der Pocumtucks niedergelassen. Letztgenannte befanden sich im Krieg mit den Mohawks und sahen sich dadurch gezwungen, viele ihrer Dörfer und...

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