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E-Book

Klassenfahrten und interkulturelles Lernen

AutorJuliane Schicker
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl195 Seiten
ISBN9783638900447
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis31,99 EUR
Examensarbeit aus dem Jahr 2007 im Fachbereich Didaktik - Englisch - Pädagogik, Sprachwissenschaft, Note: 1,5, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg (Institut für fremdsprachliche Philologien), 125 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: In dieser Arbeit möchte ich ausgehend von meinen persönlichen Erfahrungen darstellen, wie internationale Klassenfahrten mit Schülern gestaltet werden müssen, damit diese mit Hilfe der Verständigungssprache Englisch interkulturell lernen können. Interkulturelles Lernen ist ein Schwerpunkt der Englischdidaktik: Schüler sollen andere Kulturen kennen lernen und ihre Erfahrungen mit fremden Menschen, Sprachen und Bräuchen auf der Basis ihrer eigenen Kultur machen. Im Klassenraum interkulturell zu arbeiten ist möglich, wie viele Publikationen zeigen. Ich erlebte aber in meinen Hospitationen und Praktika an sachsen-anhaltinischen Schulen und meinen Nachhilfetätigkeiten mit Schülern, dass es sich als schwierig erweist, den Schülern dort reale interkulturelle Situationen zu bieten. Ich musste feststellen, dass der Englischunterricht konstruiert ist und auf die Institution Schule begrenzt bleibt, d.h. nicht die Lebenswirklichkeit der Schüler einbezieht. Zunächst erscheint es mir angesichts der zahlreichen Publikationen zum Thema 'Inter-kulturellen Lernen' wichtig, eine Orientierung für den Leser zu schaffen, was interkulturelles Lernen bedeutet und welche Konzepte es umfasst. Im zweiten Kapitel wird daher versucht, durch ein stimmiges Kultur-Konzept die beim interkulturellen Lernen zu erwerbenden interkulturellen Kompetenzen und ihre Integration in das schulische Lernen zu rechtfertigen. Im dritten Kapitel stelle ich kurz unterschiedliche Konzepte internationaler Begegnungen vor und diskutiere ihren Wert für das interkulturelle Lernen. Danach werden wissenschaftliche Erkenntnisse zur Organisation einer für den Erwerb der interkulturellen Kompetenz wertvollen Begegnung zusammengetragen und mit praktischen Beispielen versehen. Im vierten Kapitel werden Fragebögen ausgewertet, die von fünf Lehrerinnen, die selbst eine internationale Begegnung durchgeführt haben, ausgefüllt wurden. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse vergleiche ich mit den theoretischen Gesichtspunkten aus den vorangegangenen Kapiteln und bewerte sie. Im Anhang ist eine tabellarische und teilweise auch grafische Auswertung der Fragen zu finden. [...]

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Leseprobe

2 Theoretische Grundlagen


 

Die Begriffe des interkulturellen Lernens und der interkulturellen Kompetenz beinhalten u.a. die lexikalischen Bestandteile „inter“ und „kultur“. Beim interkulturellen Lernen wird also zwischen Kulturen gelernt. Die interkulturelle Kompetenz ist eine „zwischenkulturelle“ Kompetenz der Menschen. Aber was ist Kultur – die Literatur, Architektur und Malerei eines Landes, die „Ess-Kultur“ oder die materiellen und geistigen Werte einer gesamten Gesellschaft? Wer lebt in dieser Gesellschaft und wie manifestiert sich Kultur? Auch der Begriff „zwischen“ ist undeutlich: zwischen welchen Kulturen findet Lernen und Interaktion statt? Zwischen den Kulturen „innerhalb“ eines Landes, wie z.B. zwischen der Jugendkultur und der tradierten Kultur, oder zwischen Kulturen verschiedener Länder und Lebenskreise, wie der östlichen und westlichen Kultur, oder zwischen Mensch A und Mensch B? „Interkulturell“ scheint also kein eindeutiger Begriff zu sein. In Kapitel 2.1Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden. werde ich mich dieser Definitionsproblematik differenzierter zuwenden, um die Vielfalt des interkulturellen Lernprozesses darzustellen, der auf internationalen Klassenfahrten stattfinden soll.

 

2.1 Interkulturelles Lernen – Lernen in Kulturen


 

Es gibt verschiedene wissenschaftliche Ansätze, die „Interkulturelles Lernen“ und „Interkulturelle Kompetenz“ definieren. Sie basieren alle auf unterschiedlichen Ansichten über Kultur. Interkulturelles Lernen ist Lernen in einer Kultur, mit einer Kultur und zwischen Kulturen. Der Begriff „interkulturell“ beziehe sich nach Christian ALIX (105) auf das anglo-amerikanische Konzept des „intercultural learners“ und ziehe auch das anglo-amerikanische Konzept von „Kultur“ nach sich:

 

Kultur ist die gesamte Art zu leben, inklusive Werte, Glauben, ästhetische Standards, linguistische Ausdrucksweisen, Gedankenmuster, Verhaltensnormen und Kommunikationsweise, welche eine Gruppe von Menschen entwikkelt [sic] hat, um ihr Überleben in einer bestimmten physischen und menschlichen Umwelt zu sichern. Kultur ist die Reaktion und Antwort einer Gruppe von Menschen auf die geltenden und bestimmenden Bedürfnisse ihrer Mitglieder (Hoopes und Pusch, zit. n. Alix 1990 105).

 

Dieses Konzept geht konform mit dem von Raymond WILLIAMS, welcher 1958 die Wende in der Definition von Kultur von einem statischen zu einem dynamischen Gebilde vollzog: „We use the word culture in these two senses: to mean a whole way of life – the common meanings; to mean the arts and learning – the special processes of discovery and creative effort“ (Gray und McGuigan 6, zit. n. Timm 193).

 

 Diese Definitionen von Kultur korrelieren einerseits mit dem Eisbergmodell von Kultur, da sie den sichtbaren Teil von Kultur umfassen (z.B. Architektur, Kunst, Küche, Musik, Sprache) und auch den wesentlich größeren, unsichtbaren Teil, wie Normen, Werte, grundlegende Annahmen über Raum, Natur und Zeit (Europarat 18ff). Im Englischunterricht werden die Schüler zuerst mit den sichtbaren Elementen von Kultur konfrontiert: berühmte Bauwerke beim sightseeing, typische Mahlzeiten und die fremde Sprache. Schwieriger wird es, sich im Unterricht mit dem verborgenen Teil des Eisberges zu beschäftigen. Lehrer und Schüler sind verankert in ihrem eigenen Normen- und Wertesystem, handeln nach ihrer konstruierten Realität – so ist es schwierig, ein fremdes Normen- und Wertesystem in den Unterricht einzubringen. Beim interkulturellen Lernen geht es nicht nur darum, sich die Spitze des Eisberges als Wissen anzueignen. Es sei auch wichtig, Fähigkeiten zu erlangen, die es möglich machen, ein fremdes Realitätskonzept wahrzunehmen und zu verstehen, Gemeinsamkeiten zwischen dem eigenen und dem fremden System zu finden und in einen Dialog mit den fremdkulturellen Menschen zu treten (Europarat 20). So scheint der Auslandsaufenthalt eine gute Alternative zur konstruierten interkulturellen Situation im Unterricht, da er verschiedene Realitätskonzepte in authentischen und Echtzeitsituationen bietet.

 

 Das anglo-amerikanische Konzept von Kultur geht andererseits auch mit dem „Kulturmodell“ von Jacques DEMORGON und Markus MOLZ (Europarat 25) konform. Sie sagen, dass jede Definition von Kultur durch den kulturellen Hintergrund des Definierenden verzerrt sein müsse. Genau das ist es auch, was interkulturelles Lernen so schwierig macht: im Englischunterricht sitzen Schüler, die sich einer andere Kultur (sei es die englische, anglo-amerikanische, kanadische…) auf der Basis ihrer eigenen, (meist) nicht englischen Kultur nähern müssen. Sie denken, dass sie das, was sie in ihrer Muttersprache kommunizieren auch auf die gleiche Weise in der Fremdsprache Englisch kommunizieren können. Dass dies nicht immer so funktioniert, merkt man schon an einzelnen Wortübersetzungen, die nicht eins-zu-eins von einer Sprache in die andere übernommen werden können. Somit befinden sich die Schüler in einem ständigen Anpassungsprozess, der es ihnen erlauben soll, zwischen ihrer eigenen und der fremden Kultur zu vermitteln. Kultur sei also nach DEMORGON und MOLZ (Europarat 25) ein Begriff der Adaption; Menschen seien ständig darum bemüht, eine stabile Beziehung zwischen ihrer inneren Welt (Bedürfnisse, die sie auf ihrem kulturellen Hintergrund entwickeln) und der äußeren Welt (Bedürfnisse anderer Menschen anderer Kulturen) zu entwickeln; dabei werde der einzelne Mensch von seiner Umgebung geformt und formt im Gegenzug auch seine Umgebung. Es findet also – wie im anglo-amerikanischen Konzept von Kultur – eine „Reaktion und Antwort einer Gruppe von Menschen auf die geltenden und bestimmenden Bedürfnisse ihrer Mitglieder“ statt (Hoopes und Pusch, zit. n. Alix 1990 105). Einerseits bräuchten wir dazu stabile Verhaltensmuster, die wir in Situationen anwenden müssten, um richtig zu handeln, so dass wir nicht immer wieder von neuem anfangen müssen, Verhaltensregeln zu entwickeln. Andererseits bräuchten wir aber auch Anpassungsmöglichkeiten an neue Umstände (Akkommodation). Wir lernen, unsere Gehirnstrukturen den äußeren Informationen anzupassen, lernen, dass die Umwelt oft anders (re)agiert, als die eigene Vorstellung es vorsah. Gleichzeitig besäßen wir aber auch die Fähigkeit zur Assimilation, die wichtig ist, um die äußere Welt einzuordnen. Wir benutzen entwickelte Stereotypen, um mehr über den Gesprächspartner herauszufinden, damit wir entscheiden können, wie wir uns dem anderen gegenüber verhalten. Dieses System von Orientierung, Anpassung und Veränderung nenne sich nach DEMORGON und MOLZ (Europarat 25) Kultur. Weder extreme Assimilation noch extreme Akkommodation erwiesen sich in einer Kultur als erfolgreich. Das konkrete Verhalten in konkreten Situationen setze sich aus einem Zusammenspiel aus Erlerntem und Erfolg versprechenden kulturellen Handlungen (Assimilation) sowie der Anpassung an neue Situationen zusammen (Akkommodation). Auch hier gibt es die Faktoren Reaktion und Aktion auf geltende Bedürfnisse von Menschen.

 

 Diese Menschen lassen sich nun unterschiedlichen Kulturen zuordnen, indem man Gemeinsamkeiten und Unterschiede in ihrem Handeln findet. Interkulturelles Lernen nach DEMORGON und MOLZ in diesem Kontext bedeute dann also,

 

dass den Menschen durch die Konfrontation mit anderen Normen ihre kulturelle Orientierung bewusst wird. Menschen, die mit zwei Orientierungen leben müssen, erweitern das Repertoire ihrer Verhaltensmuster. Sie erweitern ihre Gewohnheiten so, dass sie beiden kulturellen Orientierungen gerecht werden. Abhängig von der Situation haben sie daher mehr Optionen als andere. […] Dieser größere Spielraum ist jedoch auch mit mehr Unsicherheit verbunden: Mehr Optionen schaffen instabilere Situationen (Europarat 28).

 

Beim interkulturellen Lernen mit Schülern ist diese Erkenntnis sehr wichtig, denn sie ermöglicht ein besseres Verständnis des interkulturellen Lernens. Die Schüler müssen sich selbst kennen (lernen) und ihre Handlungsmöglichkeiten erweitern, damit sie in konkreten interkulturellen Situationen mehr Handlungsmaterial zur Verfügung haben. Das Modell zeigt aber auch auf, dass interkulturelles Lernen keineswegs ein einfaches Lernen ist. Es muss so stattfinden, dass die Schüler nicht die Orientierung verlieren. Ihnen muss das Eigene und Fremde immer noch als unterscheidbar bewusst sein. Ob sie dann noch einer einzigen Kultur angehören, ist fraglich. So stellt sich auch Milton J. BENNETTs Modell der Entwicklung der interkulturellen Sensibilität zur Diskussion. BENNETT (Europarat 31) geht davon aus, dass interkulturelles Lernen ein Prozess ist, „der durch ständige Entwicklung charakterisiert ist (wobei in diesem Prozess Fortschritte und Rückschritte möglich sind)“ (Europarat 31) und eine Aufgabe der eigenen Kultur nach sich ziehe. Der Mensch passe sich so weit an, dass andere Werte, Weltsichten und Verhaltensweisen von ihm übernommen würden, während er seine eigene Identität zunehmend aufgebe. Nach BENNETT versuche er, die verschiedenen kulturellen Rahmen in einen einzigen zu integrieren. Dabei könne es soweit kommen, dass er keiner Kultur mehr angehöre, sondern sich als „integrierter Außenseiter“ (Europarat 31) empfände und ein Mediator der Kulturen sei. Es stellt sich für mich aber die Frage, ob nicht gerade diese Form der Integration von mehreren Kulturansichten eine neue „Kultur“ bedeutet, die ich dann als „Metakultur“ bezeichnen...

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