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E-Book

Klimawende

Eine Energiebilanz für morgen

AutorJürgen Karl
Verlagneobooks Self-Publishing
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl287 Seiten
ISBN9783742719928
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis5,99 EUR
Energiewende. Nur wenige Themen provozieren so viele Widersprüche, Emotionen und Kontroversen wie die Suche nach einer nachhaltigen, sicheren und bezahlbaren Energieversorgung für morgen. Wind, Photovoltaik und Bioenergie ersetzen zunehmend Kohle- und Kernkraftwerke, Strom wird an der Börse immer billiger. Dennoch steigen Stromrechnungen privater Verbraucher, Arbeitsplätze sind in Gefahr, das Gespenst der Dunkelflaute geht um. Ist Klimaschutz bezahlbar oder ist der Klimawandel tatsächlich eine Erfindung der Chinesen? Sind erneuerbare Energien überhaupt in der Lage, unseren Strom- und Wärmebedarf zu decken? Kann die Klimawende gelingen? Die Antworten gibt die Geschichte. Genauer, die Geschichte der Energiewirtschaft. Innovation war in der Energietechnik schon immer besonders schwer - mit konservativen Investoren, skeptischen Kunden und schwierigen Märkten. Mit dem richtigen Businesskonzept funktioniert sie aber am Ende doch. Am einfachsten mit Hilfe ihres Nachbarn...

Jürgen Karl, geb. 1966, ist Professor für 'Energieverfahrenstechnik' an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen Nürnberg. Er promovierte in der Reaktorsicherheit und forscht und publiziert seither vor allem über die Nutzung von Bioenergie, Energiespeicher und energiewirtschaftliche Fragestellungen. Als Gründer des Energie-StartUps Agnion Inc. gelang ihm 2007 ein Blick hinter die Kulissen der Welt der Unternehmer und Investoren.

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Leseprobe

Prolog


 

Es ist Montag, der 14. Februar. Seit letzter Woche herrscht wieder Dunkelflaute. Es ist windstill, neblig und kalt. Am Wochenende feierte Lisa noch ihren 38. Geburtstag. Als sie im Jahr 1990 kurz vor der Wiedervereinigung zur Welt kam, war die Energiewelt in Deutschland noch in Ordnung. Stromausfälle kannte man nur aus dem Fernsehen. Die Kalifornische Energiekrise, die großen Black-Outs des Jahres 2003 in New York und in Italien lagen noch in ferner Zukunft. Zwei Jahre zuvor, im Jahr 1988 gründeten die Vereinten Nationen den Weltklimarat - das International Panel of Climate Change, IPCC. Als Lisa im Alter von drei Monaten bravourös ihre erste Rolle seitwärts vollzog, also am 24. Mai 1990 stellte die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags zum „Schutz der Erdatmosphäre“ ihren dritten Bericht unter das Motto „Eine Chance für die Erde“.

Darin heißt es

„Die Enquete-Kommission hält es daher angesichts des
aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstandes und nach dem Vorsorgeprinzip für notwendig, geeignete Maßnahmen zur
Eindämmung des zusätzlichen Treibhauseffektes auch im
nationalen Rahmen unverzüglich einzuleiten“

Unverzüglich! Das war vor 38 Jahren.

Seither berichtete das IPCC alle paar Jahre über den fortschreitenden Klimawandel. Zunächst warnend, später eher resignierend. Schon im fünften Sachstandsbericht im Jahr 2014 widmete der Weltklimarat einen von drei Teilberichten nur noch den Themen „Impacts, Adaptation, and Vulnerability“ – Folgen, Anpassung und Verwundbarkeit. Diskutiert werden Maßnahmen zur Anpassung der Menschheit und der Umwelt an den nun wohl unvermeidbaren Klimawandel.

Heute, im Jahr 2028 sind die Folgen des Klimawandels auch in Deutschland allgegenwärtig. Wälder sterben, Gewässer kippen und Wirtschaftsflüchtlinge spielen angesichts der stetig steigenden Ströme von Klimaflüchtlingen aus aller Welt nahezu keine Rolle mehr. Den Hitzewellen und Trockenperioden im Sommer mit immer zahlreicher und intensiver werdenden Starkregen-Ereignissen folgen zerstörerische Herbststürme und immer extremere Temperaturwechsel in den Wintermonaten.

Aber gerade heute würde sich Lisa über einen Wetterumschwung, etwas Wind und sogar stürmisches Regenwetter mit Hagel, Blitz und Donner freuen. Für die Mittagsstunden hatten die örtlichen Stadtwerke die nächsten Stromabschaltungen angekündigt. Mit diesen „Rolling-Blackouts“ wird versucht, einem flächenweiten und unkontrollierten Stromausfall vorzubeugen. Zweimal täglich für jeweils 90 Minuten wird die Stromversorgung ganzer Stadtteile abgeschaltet, um die fehlenden Einspeisung der Windkraftanlagen und der mittlerweile so weit verbreiteten Photovoltaikanlagen auszugleichen.

Zwar hat sich Lisa wie die meisten ihrer Nachbarn längst einen Notstromgenerator im Baumarkt um die Ecke besorgt. Der hatte aber bereits letzte Woche den Dienst quittiert. Für die Reparatur müsste er eingeschickt werden. Über den Reparaturservice des chinesischen Herstellers hört man nicht viel Gutes. Und ein Ersatzgerät ist momentan nicht zu bekommen. Stromgeneratoren sind wie bei jeder Dunkelflaute innerhalb kürzester Zeit ausverkauft. Angesichts des Lärms und der Abgase und vor allem der hohen Verbrauchskosten ist Lisa darüber nicht wirklich unglücklich. Zwölf Liter Benzin verbraucht der Generator täglich und produziert dabei gerade mal so viel Strom, dass Kühlschrank, ein paar Energiesparlampen und die Steuerung und Umwälzpumpe der Heizungsanlage versorgt werden können. Am teuersten ist der erstaunlich hohe Ölverbrauch des Motors. Die milchigweißen Rauchfahnen am Auspuff lassen erahnen, wohin sich das teure Motoröl so schnell verflüchtigt. Immerhin reicht der Strom meistens noch für den WLAN Router und um die Handys der Kinder wieder aufzuladen. Das wird aber heute Mittag nicht möglich sein. Auf Kochen, Staubsaugen, Wäschewaschen und Fernsehen mit dem neuen 72“ Flachbildschirm muss bei Strommangel ohnehin verzichtet werden. Richtig gut finden Lisa und ihr Partner den neuen Dresscode im Büro bei Strommangel. Ungebügelte Hemden sind heute, im dunkelflautengeplagten Büroalltag ein Muss. Auch und gerade in leitenden Positionen.

Youtuber diskutieren auf allen Kanälen, wie es soweit kommen konnte. In einem hochindustrialisierten Land wie Deutschland, in dem die sichere Versorgung mit Strom, Wärme und Benzin schon seit Mitte des letzten Jahrhunderts eine Selbstverständlichkeit war. War es ein Fehler, die Hälfte der deutschen Braunkohlekraftwerke stillzulegen? Natürlich ist Klimaschutz wichtig, aber solange China und Indien noch immer neue Kohlekraftwerke bauen, wär‘s auf die paar deutsche Kraftwerke vielleicht auch nicht angekommen? Oder waren die wirklich schon so alt, dass sie nicht doch noch ein paar Jahre länger hätten betrieben werden können?

Immerhin – da ist sich Lisa sicher – war es richtig, die deutschen Kernkraftwerke nun endgültig stillzulegen. Spätestens nach dem Störfall im französischem Kernkraftwerk Fessenheim im Herbst des Jahres 2024 setzte auch im Nachbarland eine Diskussion um die Altersstruktur des dortigen Kraftwerksparks ein. Fast 70% des Stroms wird in Frankreich noch heute aus Kernenergie erzeugt Der Druckwasserreaktor in Fessenheim war zu Zeitpunkt des Störfalls bereits seit 46 Jahren im Betrieb. Die eigentlich für 2019 geplante Stilllegung des Kraftwerks wurde nach langen Verhandlungen mit den französischen Aufsichtsbehörden noch einmal vertagt, um Versorgungsengpässen vorzubeugen.

An einem heißen Sommertag vor vier Jahren musste die Leistung des Reaktors wieder auf Mindestlast abgesenkt werden. Die hohe Photovoltaikleistung in Deutschland und Spanien führte zu einem Überangebot an Strom in Europa. Gleichzeitig führte der Rhein nach einer langandauernden Hitzeperiode Niedrigwasser und es stand nicht ausreichend Kühlwasser zur Verfügung. Die ständigen Lastwechsel verursachten im Primärsystem des Kraftwerks schließlich den Ausfall eines Druckhalteventils und einen Kühlmittelverlust-Störfall. Der führte zum Druckverlust und Absinken des Wasserstands im Reaktordruckbehälter. Als planmäßig die Notkühl-Einspeisung aus den Druckspeichern des Primärsystems in den teilentleerten Reaktordruckbehälter einsetzte, wurden die heißen Reaktorwände mit kaltem Notkühlwasser geflutet. Am Übergang einer Hauptkühlmittelleitung in den Reaktordruckbehälter kam es daraufhin zum Thermoschock und zum Bruch der Hauptkühlmittelleitung. Lisa hatte gehört, dass dieser katastrophale Schaden vor allem dadurch zu Stande kam, dass die Lebensdauer des Druckbehälters eigentlich schon längst überschritten war. Dadurch, dass Stahlwände des Reaktordruckbehälters über 46 Jahre permanent mit Neutronen bestrahlt wurden, versprödete der Stahl. Eines der wichtigsten Sicherheitskriterien eines Druckwasserreaktors – das Prinzip „Riss vor Bruch“ war nicht mehr gewährleistet. Der Abriss der Hauptkühlmittelleitung vollzog sich nicht mit einem langsam fortschreitenden Riss, sondern durch einen plötzlichen Sprödbruch. Dass der Bruch im Inneren des Containments nicht noch größere Schäden auslöste und das Containment dem in der Folge eigentlich viel zu hohem Innendruck so lange Stand hielt, grenzte nach Einschätzung vieler Experten an ein Wunder. Immerhin gelang es nach wenigen Tagen durch die kontinuierliche Notkühlung über das Hochdruckeinspeisesystem so viel Nachzerfallswärme abzuführen, dass keine unmittelbare Gefahr einer Kernschmelze mehr bestand.

Für die Mehrheit der deutschen Anlieger auf der anderen Seite des Rheins, im benachbarten Freiburg bis ins Ruhrgebiet stand nach dem Störfall fest, dass der nach Fukushima im Jahr 2011 beschlossene deutsche Atomausstieg richtig war. Trotz steigender Strompreise und der sich bereits abzeichnenden Stromknappheit.

Heute, vier Jahre später, wir sind wieder im Jahre 2028, herrscht Strommangel in Deutschland.

In den Jahren 2021 und 2022 wurden kurz nacheinander die letzten sechs verbliebenen deutschen Kernkraftwerke vom Netz genommen. Die Kernkraftwerke Grohnde, Brockdorf und Gundremmingen Block C am 31. Dezember 2021 und die Kraftwerke Isar II, Emsland und Neckarwestheim II zwölf Monate später am 31. Dezember 2022. Die Produktion von etwa 64 Terrawattstunden, also ungefähr 10% der gesamtdeutschen Stromerzeugung war innerhalb nur eines Jahres nicht mehr da. Konventionelle Ersatzkraftwerke wurden davor nicht gebaut. Und um den Klimaschutzzielen der Bundesregierung gerecht zu werden, wurde in den letzten Jahren zusätzlich die Hälfte der deutschen Kohlekraftwerke stillgelegt. Das Durchschnittsalter dieser Kraftwerke lag zum Zeitpunkt ihrer Stilllegung bei 48,3 Jahren.

Nicht nur in Deutschland auch in allen west- und südeuropäischen Nachbarländern ist die Versorgungssituation prekär. Nachdem sich der Störfall des Kraftwerks in Fessenheim, nur wenig später im belgischen Kernkraftwerk Tihange 1 nahezu identisch wiederholte, wird nun auch in Frankreich und Belgien um die Abschaltung zumindest der ältesten Kernkraftwerke heftig gerungen. Tihange 1 war zum Zeitpunkt der Havarie bereits 50 Jahre alt und sollte nach der in Belgien im Jahr 2012 beschlossenen Laufzeitverlängerung zum Ende des Jahres 2025 ohnehin stillgelegt werden.

Wind und Photovoltaik wurden auch in den letzten Jahren kräftig ausgebaut. Nicht nur in Deutschland sondern in ganz Europa. Sogar in Frankreich. Aber Sonne und Wind helfen eben nicht bei Dunkelflaute.

Lisa fragt sich, ob das alles nicht auch vorhersehbar und vielleicht sogar vermeidbar gewesen...

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