Jeder, der gern gut isst, wird mir zustimmen, dass die italienische Küche nicht zu Unrecht die beliebteste der Welt ist. In meiner Kochshow habe ich mir für diese Verallgemeinerung irgendwann einmal einen Rüffel geholt. Ich denke, er kam von Cornelia Poletto. Die Hamburgerin ist bestimmt eine der besten Köchinnen für italienische Küche – was allerdings nicht zwangsläufig am italienischen Nachnamen liegt – und das hat sie mich auch wissen lassen: Die italienische ist noch viel mehr als unsere deutsche Küche eine Küche der Regionen. Alleine, wie sich das Land klimatisch und geografisch von Nord nach Süd verändert – die Alpenregion ganz im Norden, Sizilien im Süden. Dort ist die Hauptstadt doppelt so weit entfernt wie die afrikanische Küste. Im Süden spürt man arabische Einflüsse. Jede Region hat ihre eigene Tradition, beeinflusst auch von den Nachbarregionen und den typischen Produkten der Gegend. In einem meiner Lieblingskochbücher wird sogar betont, dass in Norditalien früher wenig mit Olivenöl zubereitet wurde. Dort benutzte man traditionell Butter!
Wieder etwas gelernt. Und es wird Horst Lichter freuen, weil der doch so gerne Butter benutzt, dachte ich mir und schmunzelte, weil Cornelia an diesem Tag wieder in Bestform war – das war sie eigentlich immer. Ich fragte mich aber auch, was wohl die italienischen Spezialitäten sein mochten, die rund um den Comer See traditionell serviert werden. Ich muss gestehen, ich selbst war zuvor – trotz unzähliger Aufenthalte als Fußballfan und Sportreporter in Mailand – noch nie dort gewesen. Nicht einmal eine Stunde ist der See von Mailand entfernt und liegt nahe der Schweizer Grenze im Norden Italiens.
Warum ich beim Gedanken an regionale italienische Küche und meine Kochshow auf den Comer See komme? Ich sage nur: George Clooney. Der Hollywoodstar hat am See nicht nur eine Villa, sondern stand dort auch für Steven Soderberghs Ocean’s Twelve vor der Kamera. Weder ohne George Clooney noch ohne Ocean’s Twelve hätte es Kerners Köche jemals gegeben – klingt zu sehr nach PR-Fantasie? Ist aber die Wahrheit. Weil ich so oft danach gefragt wurde, lassen Sie mich noch einmal über den „Gründungsmythos“ meiner Kochshow sprechen.
Im Winter 2004, damals moderierte ich viermal wöchentlich meine Talkshow im ZDF, war unsere Gästeauswahl breit gefächert: Meiner Redaktion und mir ging es darum, interessante Geschichten zu erzählen – nicht nur von prominenten, sondern auch von unbekannten Menschen. Oft reagierten wir tagesaktuell, manchmal planten wir über Monate im Voraus. Man kann sagen: Je prominenter der Gast, desto länger stand sein Termin fest – Weltstars planen im Übrigen besonders lange im Voraus beziehungsweise lassen planen. Seit Monaten – also: Status Hollywood – fieberte meine Redaktion einem Ereignis ganz besonders entgegen: Am Donnerstag, den 16. Dezember 2004, wollten wir eine ganz außergewöhnliche Talkshow senden. Die Sendung sollte sich um den Kinostart von Ocean’s Twelve, die Gangsterkomödie eines oscarprämierten Regisseurs mit jeder Menge Superstars, drehen. Am Vortag – Mittwoch, den 15. Dezember 2004 – hatten sich für die Deutschland-Premiere in Berlin neben dem Produzenten Jerry Weintraub auch die Schauspieler Brad Pitt, Matt Damon, Don Cheadle und George Clooney angekündigt. Wie üblich standen nicht alle Stars für einen einzigen exklusiven Auftritt in einer Show zur Verfügung. Wir wollten unbedingt George Clooney haben und hatten die Zusage seines Managements. Er sollte zusammen mit Don Cheadle auftreten. Julia Roberts war auch im Gespräch gewesen, stand wegen der Geburt ihrer Zwillinge Ende November allerdings doch nicht zur Verfügung. Pitt, das war im Vorfeld schon klar geworden, würde wahrscheinlich überhaupt keine Talkshow besuchen. Aber es sollte sich kurzfristig entscheiden, ob sich Matt Damon zu Clooney und Cheadle dazugesellen würde.
„Ich wünsche George Clooney von Herzen, dass er von seinen Rückenproblemen inzwischen vollständig geheilt ist.
Aber für das Thema ‚Kochen im deutschen Fernsehen‘ waren die Schmerzen im Grunde ein Glücksfall.“
Johannes B. Kerner
Wichtig für unsere Planung war: Die Stars konnten wegen der Deutschland-Premiere am Potsdamer Platz nicht in unser Talkshowstudio nach Hamburg kommen, wir mussten dafür nach Berlin reisen. Das war insofern eine lösbare Aufgabe, als wir eine sogenannte „mobile Deko“ hatten. Wir waren also in der Lage, unser Studio im Notfall auch mal in einer anderen Stadt aufzubauen, ohne dass der Fernsehzuschauer das wirklich mitbekam. Aber die Logistik des mobilen Studios und dessen Aufbau in der anderen Stadt waren auch mit größerem Aufwand verbunden. So konnten wir am Vortag keine weitere Talkshow in Hamburg für den gleichen Abend aufzeichnen. Denn wir hatten ja Talkshows von Dienstag bis Freitag, und zwar an jedem Abend.
Wir entschlossen uns also dazu, die Mittwochsausgabe bereits am Dienstag aufzuzeichnen, zusätzlich zu der von eben jenem Dienstagabend. Und für diese voraufgezeichnete Talkshow-Ausgabe hatten wir uns auch besondere Gäste ins Studio eingeladen. Die gesamte Sendung sollte ein Gipfeltreffen angesagter Fernsehköche unterschiedlicher Sender werden. Johann Lafer, zu diesem Zeitpunkt schon seit Jahren Urgestein des TV-Kochens, war regelmäßig im ZDF zu sehen. Tim Mälzer – schon damals ein Star der Szene – war ein Jahr zuvor zum Senkrechtstarter aufgestiegen und unfassbar erfolgreich auf VOX zu sehen. Rainer Sass hatte seine eigene Sendung beim NDR. Ralf Zacherl kochte täglich auf ProSieben und Sarah Wiener war gerade erst wenige Wochen zuvor durch die ARD-Dokumentation Abenteuer 1900 – Leben im Gutshaus bundesweit bekannt geworden. Es sollte eine Gesprächsrunde über gesunde Ernährung, gute Produkte und leckeres Essen werden, über Kochen im Fernsehen und darüber, was man an den bevorstehenden Feiertagen so alles beachten muss, zumindest im Hinblick darauf, was auf den Tisch kommen sollte.
Doch dann kam am Tag der Aufzeichnung eben dieser Talkshow ein quasi schicksalsträchtiger Anruf, ohne den ich niemals zum Gastgeber einer Kochshow geworden wäre. Am Apparat war die Filmfirma von Ocean’s Twelve und teilte uns mit, dass „George Clooney seine Reise nach Berlin kurzfristig wegen eines Bandscheibenvorfalls absagen muss und demnach nicht in Ihre Talkshow kommen kann …“. Na bravo.
Zugegeben, so eine Absage fällt einem manchmal schwer zu glauben. Clooney krank? Aber selbst Hollywoodstars – sogar wenn sie einmal Fernseharzt in Emergency Room waren – sind eben Menschen. Erst viel später berichtete Clooney in Interviews von dieser Zeit, dass er sich 2004 bei den Dreharbeiten von Syriana an der Halswirbelsäule verletzt und lange unter den Folgen gelitten hatte. Schon in den USA hatte er deswegen Termine absagen müssen, aber es hatte immer geheißen, für die Termine in Deutschland würde er wieder fit werden. Denkste! Mit der Absage Clooneys hatte sich unsere Reise nach Berlin erledigt. Das hieß konkret: Wir standen vor einer Sendung ohne Gäste, die es zu füllen galt. Und das innerhalb von nicht einmal drei Tagen. Ich machte noch am selben Tag in der Redaktionskonferenz einen Vorschlag: „Wir zeichnen doch heute eine Talkshow mit fünf Fernsehköchen auf. Aber eben eine Gesprächsrunde. Was spricht dagegen, diese fünf Köche einfach direkt noch einmal einzuladen und sie das tun zu lassen, was sie am besten können – kochen?“ Einige in der Runde guckten mich verdattert an. Dass wir kein Kochstudio hatten und nicht einmal drei Tage Zeit blieben, um das zu ändern, wäre natürlich Grund genug gewesen, die Idee scheitern zu lassen. Aber es gab auch diese Begeisterung in meinem Team, die letztendlich dazu führte, dass das vermeintlich Unmögliche möglich zu machen: Wir packten alle an. Dabei wurde Johann Lafer mit seiner jahrelangen Erfahrung zum ganz großen Geburtshelfer. Seine Kontakte und seine voll ausgestattete Studioküche im heimischen Guldental ermöglichten uns, dass wir überhaupt eine Chance hatten, es zu schaffen – Johann erzählt Ihnen auf Seite 15 selbst noch mehr darüber.
Als ich mich schließlich in die Talkshow mit den Köchen setzte, war mir klar, dass wir ja am Ende der Sendung zwingend auf das Kochen am nächsten Tag würden hinweisen müssen. Das war heikel, denn es war nach wie vor nicht abzuschätzen, ob das Ganze überhaupt realisierbar war. Aber alle zogen mit. Unser Studiodesigner, Florian Wieder, entwarf innerhalb kürzester Zeit die Kochinseln und fand Wege, wie aus dem Talkshowstudio eine Profiküche für fünf Köche und einen Moderator werden konnte. Und glauben Sie mir, die Fragen nach Frischwasser beziehungsweise – noch wichtiger – Abwasser stellt man sich nicht, wenn man in einem Studio eigentlich nur reden möchte. Das waren aber mit die größten Probleme, die es zu lösen galt. Die Kollegen vom Bühnenbau arbeiteten sofort rund um die Uhr. In zwei Nachtschichten wurde alles bis zum Donnerstagabend der allerersten Ausgabe von Kerners...