Der Begriff der Koedukation besteht aus dem lat. Con= zusammen und lat. Educere= erziehen (vgl. Sinning, 2003, S. 135). Im historischen Rückblick wurde dieser Begriff sowohl für das gemeinsame Unterrichten von Kindern verschiedener Altersstufen, verschiedener Hautfarben wie auch verschiedenen Geschlechts verwendet. In unserem heutigen Bildungsverständnis bezieht sich dies weniger auf das „Beisammensein“ von Mädchen und Jungen in einem Klassenzimmer, was als Koinstruktion bezeichnet wird, als vielmehr darauf : „…die Fähigkeit zu erwerben, voneinander und miteinander als Individuen zu lernen und sich auch als solche zu verhalten, aber auch von allen wichtigen Interaktionspartnerinnen und -partnern so wahrgenommen zu werden“ (vgl. ebd.).
Im 19. Jahrhundert bestand im Deutschen Reich keine allgemeine Schulpflicht und das Bildungssystem selektierte nach finanziellem Status, sozialer Herkunft und Geschlecht (vgl. Scheffel, 1996, S. 38). Eine höhere Schulbildung war in dieser Zeit nur durch häuslichen Privatunterricht und durch wenige öffentlich-staatliche Knabenschulen gegeben. In den Volksschulen wurden Mädchen und Jungen aus organisatorischen Gründen überwiegend gemeinsam, aber nach getrennten Bildungsinhalten unterrichtet (vgl., ebd. S. 39).
1908, zur Zeit der Preußischen Schulreform, wurde ein Gesetz verabschiedet, dass unter anderem die Anerkennung höherer Mädchenschulen beinhaltete und die Zulassung der Frauen zu Universitäten erstmals legitimierte. Dieser formelle Erfolg in Richtung Gleichberechtigung ging in seiner praktischen Umsetzung jedoch nur langsam voran,- 1911 gab es in Preußen 540 höhere Lehranstalten für Knaben und 34 für Mädchen (vgl. ebd., S. 41). Auch in der Weimarer Republik hielt die Bildungspolitik am System des monoedukativen Unterrichts und an unterschiedlichen Lerninhalten für das weibliche und männliche Geschlecht fest (vgl. Jantz/ Brandes, 2006, S. 32). Die einzelnen Stimmen, die ein koedukatives Schulsystem auch in höheren Schulen forderten, stammten hauptsächlich aus Kreisen der Frauenbewegung, welche jedoch nur schwache politische Befürworter fanden und mit Aufkommen des Nationalsozialismus ganz verstummten.
In Anlehnung an die Werte und Vorstellungen des Nationalsozialismus sollten Mädchen und Jungen nicht nur an separaten Schulen, sondern auch inhaltlich radikal verschieden unterrichtet werden (vgl. Scheffel, 1996, S. 43). An den Volksschulen lies sich diese Geschlechtertrennung aus finanziellen und organisatorischen Gründen weitestgehend jedoch nicht umsetzen (vgl. ebd., S. 43). Die höhere Schulbildung war zum größten Teil den Jungen vorbehalten und förderte ein heroisches und berufsorientiertes Denken. Die Schulbildung der Mädchen wurde als Mittel zur weiblichen Sozialisation angesehen und stellte somit Inhalte, die die Mädchen in ihrem späteren Aufgabenfeld bei der Kinderbetreuung, als Hausfrau und Gattin unterstützen sollten (vgl. Scheffel, 1996, S. 43).
Mit dem Ende des Nationalsozialismus fand die koedukative Unterrichtsform 1945 Eingang in das Schulsystem der DDR (Jantz/ Brandes, 2006, S. 32). In der Bundesrepublik folgten einzelne Länder wie Bremen, Hamburg, Berlin und Hessen, bis die koedukative Erziehung in der Schulverfassung der 1960er Jahre in allen Bundesländern weiter verbreitet wurde (vgl. Scheffel, 1996, S. 44).
Die Intention eines koedukativen Bildungssystems begründete sich jedoch weniger auf gesellschaftlichen und pädagogischen Überlegungen, sondern vielmehr auf pragmatischen Gründen (Kugelmann, 1999. o.S.). Erst die Bildungsdebatte der 70er und 80er Jahre befasste sich mit einer bewussten Koedukation und machte Ziele und Konzepte eines geschlechtersensiblen Unterrichts zum Thema (vgl. Jantz/ Brandes, 2006, S. 33). Untersuchungen dieser Zeit deckten auf, dass die bis dahin eher organisatorisch begründete Form der Koedukation eher einer Stabilisierung der Geschlechterhierarchie diente. Daraus wurde deutlich, dass „…die auf Verwaltungsebene beschlossene Koedukation ohne ein pädagogisches Konzept weder den Bedürfnissen der Mädchen noch denen der Jungen Rechnung tragen konnte.“ (Jantz/ Brandes, 2006, S. 33).
In den 90er Jahren wurde erstmals das Konzept der „reflexiven Koedukation“[1] zum Thema, welches Perspektiven zum Umgang mit gleichberechtigtem Lernen und Konzepte für eine gleichberechtigte Unterrichtsgestaltung beinhaltete (vgl. Jantz/ Brandes, 2006, S. 33).
Gegen Ende des 18.Jahrhunderts und mit Beginn des Philanthropismus kamen erstmals pädagogische Überlegungen zu „Leibesübungen“ in Deutschland auf (Richter, 2006, S. 48). Die Intention dieser Leibesübungen bezogen sich einerseits auf die pädagogische Idee der „Harmonie zwischen Körper und Geist“ und andererseits auf eine „gesamtgesellschaftliche Notwendigkeit“ im Hinblick auf die Wehrtauglichkeit (Pfister, 2006, S. 28). Die Überlegungen zu diesen „Leibeserziehungen“ umfassten jedoch unter Berücksichtigung der „polaren Wesensmerkmale der Geschlechter“ nur die männliche Jugend. Einer körperliche Ertüchtigung des weiblichen Geschlechts widersprachen aus damaliger Sicht sowohl biologische Aspekte als auch die Beschränkung der weiblichen Aufgaben auf Haus und Familie (vgl. ebd., S. 28).
Mit dem Aufkommen des „Jahnschen Turnens“ zu Beginn des 19.Jahrhunderts verstärkte sich die Idee, die Jugend mit Hilfe des „Turnens“ wehrtauglich zu machen (vgl. Pfister, 1996, S. 59). Die Angebote der öffentlichen Turnplätzen dieser Zeit fanden starken Zuspruch bei der Jugend und verfolgten das Ziel politisches Gedankengut wie die „Ertüchtigung für die gemeinsame Verteidigung des Vaterlandes“ zu verbreiten (Pfister, 2006, S. 29) .Diese patriotischen Gesichtspunkte des Turnens schlossen Mädchen und Frauen - mit ihrer damalig akzeptierten gesellschaftlichen Rolle - von einer körperlichen Ertüchtigung aus.
Überlegungen, das Jahnsche Turnen auch in die Schulbildung zu integrieren, wurden von dem politisch motivierten Verbot des Turnens 1819 zunächst verdrängt (vgl. Richter, 2006, S. 49).
Aufgrund heftiger Kritik über den schlechten gesundheitlichen Zustand der Jugend verbreitete sich nach 1830 das Turnen in den Lehrplänen der deutschen Schulen (vgl. Richter, 2006, S. 49). Die Überlegungen, Turnen aus gesundheitlichen Aspekten zu befürworten und zu propagieren, schlossen erstmals auch das weibliche Geschlecht mit ein (vgl.Pfister, 2006, S. 29). Die pädagogischen Konzepte Adolf Spieß´ sahen geschlechtsspezifische Ziele sowohl für die männliche als auch für die weibliche Jugend vor. So sollten die „Knaben“ im Schulturnen vor allem militärisch vorbereitet werden und die weibliche Jugend „grundlegende Übungen des Drehens, Hüpfens und Gehens unter rhythmischen Aspekten“ durchführen (Richter, 2006, S. 52). Das Mädchenturnen wurde jedoch optional angeboten und entfiel vielerorts zugunsten von anderen „bedeutungsvolleren“ Lerninhalten (vgl. Pfister, 1996, S. 60)
Im Rahmen des Preußischen Schulsystems wurde 1894 ein obligatorisches Turnen für Mädchen festgelegt (vgl. Richter, 2006, S. 54). Die inhaltlichen Unterscheidungen des Mädchen- und Jungenturnens wurden auch weiterhin mit „wesensmäßigen Unterschiedlichkeit der Geschlechter“ und den verschiedenen Intentionen des Turnens, wie Wehrhaftigkeit oder weibliche Gesundheitsförderung begründet (Scheffel, 1996, S. 7).
Nach dem ersten Weltkrieg und während der Weimarer Republik veränderte sich mit den wechselnden politischen Verhältnissen auch die Inhalte des Mädchen- und Jungensports. Die sportlichen Aufgaben, die bis dato dem männlichen Geschlecht vorbehalten waren, fanden nun auch langsam Zuspruch beim weiblichen Geschlecht. Eine Veränderung der Inhalte im Schulsport kam jedoch Aufgrund vieler Kritiker des Frauensports nur langsam voran. So beschreibt beispielsweise Kühn (1926, S. 195) seine Ansichten zur Modernisierung im Mädchen- und Frauensport folgendermaßen:
„ So sehr ich den Lauf für die Frau empfehle, so wenig kann ich eine Frau im Endkampf eines 100m- Laufes sehen: Verzerrtes, hochrotes und schweißtriefendes Gesicht, das sind die äußeren Merkmale, und könnte solch eine Frau sich im Spiegel sehen, ich glaube, sie überlegte es sich sicher sehr, ob sie diese Übung weiter betreiben soll; denn das lässt sich nun einmal nicht fortleugnen, dass die Frau im Wettkampf ihre Weiblichkeit einbüßt und damit das Schönste, was wir an ihr schätzen, verliert.“
So wurden die Inhalte im Bereich des Mädchenturnens zwar weiter ausgebaut, die Lehrpläne legten jedoch weiterhin eindeutige inhaltliche Differenzierung in bestimmten Bereichen fest. Im Laufe der Weimarer Republik wurde diese inhaltliche Differenzierung nur noch in bestimmten sportlichen Bereichen durchgesetzt, was die folgende Abbildung im Vergleich der Jahre...