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Können Tiere denken? - Eine Arbeit über Verstand, Vernunft und Rationalität bei Tieren

Eine Arbeit über Verstand, Vernunft und Rationalität bei Tieren

AutorMarjana Schäftlein
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl69 Seiten
ISBN9783640530366
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis23,99 EUR
Examensarbeit aus dem Jahr 2009 im Fachbereich Didaktik - Deutsch - Literaturgeschichte, Epochen, Note: 2, Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg (Institut für Deutsche Philologie), Veranstaltung: Zulassungaarbeit zum Examen, Sprache: Deutsch, Abstract: Wir sehen einen Fuchs, der vor einem Kaninchenbau lauert. Was mag sich wohl im Kopf des Tieres abspielen? Hat er vielleicht gesehen, dass ein Kaninchen hineingekrochen ist oder hat er es zuvor gar gejagt? Oder sitzt er vielleicht da und wartet, in der Hoffnung ein Kaninchen würde den Bau verlassen? Denkt er überhaupt etwas? Was mag sich ein Schimpanse denken, wenn er zu einem Stein greift, um eine Nuss zu knacken? Wie schaffen es Ratten immer, den kürzesten Weg aus einem Labyrinth zu wählen? - Fragen um den Geist der Tiere sind äußerst aktuell. Die Philosophie konzentriert sich im zunehmenden Maße auf das Tier. Doch die Tendenz, neben den Menschen auch die Tiere in philosophische Kontexte zu stellen, zeichnete sich bereits bei David Hume und Arthur Schopenhauer ab, welche sich explizit zu Tieren, hinsichtlich ihres Verstandes und ihrer Vernunft, in ihren Arbeiten äußerten. Aber auch die Literatur sieht das Tier aus verschiedenen Blickwinkeln. In Texten, wie beispielsweise Kafkas Forschungen eines Hundes oder Ein Bericht für eine Akademie, werden Tier nicht nur aus ihren biologischen Anlagen heraus betrachtet, sondern sie werden zu literarischen Figuren, welche teilweise menschliche Charakterzüge annehmen können. Andere Texte wie Thomas Manns Herr und Hund. Ein Idyll. zeigen das Tier möglichst natürlich und unverändert, in diesem Fall als treuen Begleiter des Menschen. Dennoch ist der Hund auch in diesem Text ein kunstvoll gestaltetes Wesen und somit nicht das reine Abbild der Natur.

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Leseprobe

2 Verstand, Vernunft und Rationalität bei Tieren


 


2.1 Verstand und Vernunft im Gedankenkonzept philosophischer Denker

 

2.1.1 Tiere bei David Hume

 

Hume unterscheidet die Begriffe Verstand und Vernunft in seinen Werken nicht – er gebraucht sie synonym. In diesem Kapitel soll die Theorie des Verstandes und der Vernunft in unser heutiges Begriffsverständnis überführt werden. Das heißt, der synonyme Gebrauch bei Hume soll aufgehoben werden. Es ist deshalb nötig, sich in einem gewissen Umfang von festen Begriffen zu lösen, um zu verstehen, wie Humes Theorie in unser heutiges Begriffsverständnis von Verstand und Vernunft einzuordnen ist.

 

Dem Verstand und der Vernunft der Tiere widmet Hume jeweils ein Kapitel in den Werken Traktat über die menschliche Natur und Eine Untersuchung über den menschlichen Verstand. Meist wird Eine Untersuchung über den menschlichen Verstand als eine Überarbeitung seines Traktats aufgefasst. Das ist allerdings nur bedingt richtig, denn es ist manches hinzugekommen, wohingegen aber andere Teile des Traktats gerafft und gekürzt wurden.[7] Hume selbst sagt in seiner Bekanntmachung zu Eine Untersuchung über den menschlichen Verstand:

 

Die meisten Grundzüge und Erörterungen des vorliegenden Bandes wurden bereits in einem dreibändigen Werk mit dem Titel „Eine Abhandlung über menschliche Natur“ veröffentlicht [...]. Da es jedoch keinen Erfolg hatte, erkannte ich den Irrtum, den er beging, indem er es zu früh in Druck gab, und bearbeitete es völlig neu zu den folgenden Ausführungen, in denen- wie er hofft- etliche Nachlässigkeiten seiner früheren Argumentation und des Ausdrucks verbessert sind. [...] Der Verfasser wünscht, daß man in Zukunft ausschließlich die folgenden Ausführungen als Darstellung seiner philosophischen Ansichten und Grundsätze betrachten möge.[8]

 

Diesem Wunsch von David Hume werde ich nicht nachkommen, denn das Traktat sehe ich weiterhin als sein Hauptwerk an. Zudem sind die Kapitel Über die Vernunft der Tiere in beiden Werken gleichnamig und unterscheiden sich nicht in der Grundaussage. Deshalb sind die Kapitel nicht differenziert, sondern ergänzend zu betrachten.

 

Hume beginnt das Kapitel Über die Vernunft der Tiere mit folgenden Worten:

 

Alle unsere Urteile über Tatsachen sind in einer Art Analogie (ANALOGY) begründet, die uns veranlaßt, von einer Ursache dieselben Ergebnisse zu erwarten, von denen wir beobachtet haben, daß sie aus ähnlichen Ursachen entstanden sind.[9]

 

Er geht von einem Kausaldenken aus, dass auf gleiche Ursachen gleiche Wirkungen folgen.

 

Humes These des Kapitels Über die Vernunft der Tiere besteht in der Aussage, dass Tiere ebenso wie Menschen denken und auch Vernunft besitzen.[10]

 

Dies begründet er, indem er sagt, dass Tiere genau wie Menschen vieles aus Erfahrungen lernen und somit auch von Ursachen auf Wirkungen schließen können.[11] Im Unterschied zu den Menschen bilden Tiere allerdings Ähnlichkeitsklassen von Impressionen, die eine bestimmte Wirkung hervorrufen. Das heißt, dass Tiere nicht nur Ursachen mit Wirkungen assoziieren, sondern auch Ähnlichkeitsklassen von Ursachen mit Ähnlichkeitsklassen von Wirkungen. Des Weiteren sagt er aber, dass diese Folgerungen bei Tieren nicht auf einem Vernunftschluss beruhen können.[12]

 

Zunächst scheint diese Aussage gegenläufig zur These zu sein. Was Hume an dieser Stelle allerdings meint, kann man wie folgt beschreiben: Die Grundfrage, die er sich während seiner gesamten Auseinandersetzung mit dem Verstand stellt, ist die Frage, woher wir wissen, dass auf gleiche Ursachen gleiche Wirkungen folgen. Eine mögliche Antwort wäre, dass sich diese Frage aus dem Begriff Kausalität selbst erklärt. Hume sagt nun aber, dieses Wissen begründet sich allein aus unserer Erfahrung. Tiere sind in der Lage auf Ursachen und Wirkungen zu reagieren, aber sie kommen sicherlich nicht durch eine reine Vernunftseinsicht auf die Idee von Ursache und Wirkung. Wenn Hume sagt, dass Tiere nicht durch Vernunftgründe zu ihrem Schluss gelangen, bestätigt das seine Hauptthese, dass dieses Wissen auf die Erfahrung allein zurückzuführen sei. Da Tiere aber auf dieser Grundlage Kausalschlüsse ziehen können, haben sie Verstand. Somit liegt bei Hume der entscheidende Unterschied zwischen Menschen und Tieren bezüglich des Lernens in der Art des Lernens. Tiere sind demzufolge nicht wie Menschen explizite Kausallerner. Das heißt konkret: Wir teilen mit den Tieren das grundlegende Vermögen aus Gewohnheit und Instinkt Kausalschlüsse zu ziehen, denn auch unsere Überlegungen fußen auf Gewohnheit und Instinkt als Voraussetzung für die Ausbildung von Kausalschlüssen. Der Unterschied ist, dass Menschen für den Ursache-Wirkungs-Komplex explizit Regeln formulieren können. Tiere hingegen befolgen implizit Regeln des kausalen Schließens. Kurz: Der entscheidende Unterschied liegt bei Hume in der Reflexion des Ursache-Wirkungs-Komplexes.

 

Wie kann man sich aber ein Tier als impliziten Lerner vorstellen? – Lernfähige Tiere können das Hervorbringen bestimmter Ursachen erlernen, die zu einer Wirkung führen. Sie können durchaus auch zu Problemlösungen kommen: Etwa ein Affe, der Kisten stapelt, um an eine Banane zu gelangen. Dabei verbinden sie Mittel für einen bestimmten Zweck. Das ist bereits Kausallernen. Dennoch machen Tiere sich nicht die Gedanken über das Verhältnis von Ursache und Wirkung oder Mittel und Zweck. In diesem Sinne sind Menschen explizite Kausallerner, Tiere aber nicht.

 

Markus Wild beschäftigt sich ausführlich mit der Frage, worin bei Hume die Vernunft der Tiere besteht. Seine Antwort darauf kann man kurz und prägnant zusammenfassen: Tiere sind in der Lage, „aufgrund ihrer Erfahrungen kausale Inferenzen zu ziehen, und diese kognitive Fähigkeit als Mittel einsetzen [zu] können, um bestimmte Zwecke zu erreichen“[13]. Bemerkenswert, so Wild, ist bei Hume, dass er mit Verstand oder Vernunft kein eigenständiges kognitives Vermögen beschreibt, denn für Hume gibt es nur drei kognitive Vermögen: Erinnerung, Sinneswahrnehmung und Einbildungskraft.[14]

 

Aber wie kann man Humes Theorie des Verstandes und der Vernunft der Tiere nun in die Tradition der Philosophie einordnen? – Bei dieser Theorie kann man von skeptischem Naturalismus sprechen. Wir können sicher davon ausgehen, dass Tiere einen Geist haben. Das wäre der naturalistische Aspekt der Theorie. Dieser Geist befindet sich allerdings außerhalb des uns Greifbaren, das heißt wir wissen, dass Tiere denken, aber nicht, was sie denken.[15]

 

2.1.2 Tiere in Schopenhauers Gedankenkonzept

 

„Die Thiere haben Verstand, ohne Vernunft zu haben, mithin anschauliche, aber keine abstrakte Erkenntniß [...].“[16] Dies ist die wesentliche Aussage, die Schopenhauer zum Verstand und der Vernunft der Tiere trifft.

 

Anders als Hume, bei welchem die Begriffe Verstand und Vernunft inhaltsgleich verwendet werden, steht Schopenhauer in der Tradition Kants, welcher diese Begriffe differenziert.

 

Verstand ist bei Schopenhauer ein kognitives Vermögen. Verstand haben bedeutet demzufolge Klugheit, Mangel an Verstand hingegen heißt Dummheit, also Stumpfheit in der Anwendung der Gesetze der Kausalität.[17]

 

Tiere, so Schopenhauer, haben Verstand, weil sie Objekte erkennen und diese als Motive ihre Bewegungen bestimmen. Jedoch ist der Verstand bei den Tieren, wie auch beim Menschen, nicht gleichmäßig verteilt. Einige Gattungen sind demnach mit mehr Verstand ausgestattet als andere. Sowohl beim Menschen als auch beim Tier folgt der Verstand einer einfachen Form: „Erkenntniß der Kausalität, Uebergang von Wirkung auf Ursache und von Ursache auf Wirkung, und nichts außerdem.“[18]

 

Vernunft allerdings kann Tieren nicht zugestanden werden. Grundlage für diese wäre Sprache, welche auf Erden das Eigentum des Menschen ist. Den Begriff Vernunft leitet Schopenhauer von Vernehmen ab, welches das Innewerden der durch Sprache vermittelten Gedanken bedeutet.[19] Tiere könnten allenfalls durch Sprache geäußerte Begriffe hören, was aber nicht synonym mit vernehmen gebraucht werden darf. Vernehmen wäre demzufolge das Verstehen der Sprache, was bei Tieren nicht denkbar ist, da sie diese nicht beherrschen.

 

Aus dem Gesagten ergibt sich die Schlussfolgerung, dass Tiere lediglich anschauliche, der Mensch aber, durch seine Vernunft, auch abstrakte Vorstellungen und Begriffe hat. Somit stagniert auch die Erkenntnis der Tiere auf dem Niveau der Anschauung. Dies hat zur Konsequenz, dass Tiere sich geistig nur in der Gegenwart bewegen: Sie haben keine Vorstellungen von der Vergangenheit oder der Zukunft.

 

Da Tiere keine Vernunft haben, können sie sich auch kein Wissen aneignen, denn Wissen „ist das abstrakte Bewußtseyn, das Fixirthaben in Begriffen der Vernunft, des auf andere Weise...

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