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E-Book

Kokain

Eine deutsche Dealer-Karriere

AutorKajo Fritz, Stefan Liebert
VerlagVerlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl253 Seiten
ISBN9783838758442
Altersgruppe16 – 
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR

Deutschland hat die Nase voll: Ein Drogenboss packt aus! Kokain, einst Treibstoff der Elite, ist zur neuen Volksdroge geworden. Neun von zehn Geldscheinen, die hierzulande um Umlauf sind, weisen Spuren des Stoffs auf. Das weiß niemand besser als Stefan Liebert. Der Spross einer Hamburger Kiez-Familie ist gerade mal achtzehn Jahre alt, als das weiße Pulver ihm zum ersehnten Aufstieg in die Upper-Class verhilft. Jahrelang versorgt er Ärzte, Manager und Politiker, aber auch Bankangestellte, Kellner und Handwerker mit Kokain. Er wird zu einem der einflussreichsten Drogendealer der Republik. Doch dann lässt er sich mit der albanischen Mafia ein - und das kostet ihn beinahe das Leben. Ein atemberaubender Insiderbericht aus der geheimen Welt der Drogendealer.

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Leseprobe

VORWORT VON KAJO FRITZ

Es war bei unserem zweiten Gespräch, als ich Stefan Liebert fragte: »Warum?«

Er sagte: »Ich erzähle dir das, weil Typen wie du nichts über Kokain wissen. Gar nichts. Ich erzähle dir das, weil ich mir als Dealer jeden Traum erfüllen konnte und das eine wunderschöne Erinnerung für mich ist. Und vor allem erzähle ich dir das, weil ich nichts mehr zu verlieren habe. Denn eigentlich bin ich schon tot.«

An einem hübschen Freitagmittag war ich dem Protagonisten dieses Buches zum ersten Mal begegnet. Er kam aus einem Fitnessstudio, schlenderte über die Straße und schaute zwei Mädels hinterher. Ein Muskelshirt umwehte seinen massigen Oberkörper, eine Zigarette klemmte im Mundwinkel, er ging breitbeinig. Ich arbeitete seit einigen Wochen an einer Geschichte über Freizeit-Doping und suchte dringend Personen aus der Szene. Zugegeben, es gibt elegantere Recherche-Methoden als jemandem ein »Hallo!« über die Straße entgegenzubrüllen, nur, weil er aussieht, als könnte er einem helfen. Aber ich war amtlich verzweifelt.

Stefan Liebert begleitete mich dann in ein Café, bestimmt, weil er gerade Langeweile hatte. In Sachen Doping wollte er mir nicht helfen, trotzdem bat ich ihn, noch einen zweiten Kaffee mit mir zu trinken. Ich fand diesen Kerl mit dem Hamburger Akzent interessant, sein wuchtiges Äußeres passte nicht zu dem Filou, der mit mir redete. Wir plauderten über dies und das, und dann sagte er, er sei gerade aus dem Knast gekommen, weil er Kokain im großen Stil verkauft habe. Seine Firma, in der er abgebrannte Junkies für vier Euro die Stunde habe Autoteile fertigen lassen, sei eine prima Geschäftsidee und seine Koks-Partys auf dem Kiez äußerst beliebt gewesen; er habe sich in Kolumbien umgeschaut, auf den Koka-Plantagen, um besseres Kokain zu bekommen, dummerweise aber sei er etwas später vor Saint-Tropez dann auf einer Yacht von einem internationalen Einsatzkommando verhaftet worden.

»Aha«, sagte ich. Und grinste dabei.

Er auch.

Dann nippte er am Kaffee, setzte ihn ab und sagte: »Stimmt übrigens. Kannste kieken kommen.« Er grinste wieder.

Ich nicht, ich verzog die Augenbrauen. Natürlich war seine Geschichte norddeutscher Klönschnack, der nach einer Schnurre mit etwas zu viel Gangsterfilm klang, auf die Schnelle zusammengeklaubt, um die Unterhaltung unterhaltsamer zu machen.

»Ich beweise dir, dass meine Geschichte stimmt!«

Meine Augenbrauen wanderten fragend nach oben. Wenn das alles nicht gelogen, sondern wahr war, wieso erzählte er das einem Dahergelaufenen wie mir?

»Warum nicht, nech? Du bist Journalist, ich habe noch nie mit ’nem Pressefritzen geredet. Ich mag es, wenn Typen wie du dumm aus der Wäsche gucken.«

Ich versuchte weniger dumm zu gucken und bat Stefan Liebert um Beweise.

Wir trafen uns eine Woche später – und dann immer wieder. Er gab mir einen Ordner mit Abhörprotokollen der Polizei, ich las Gerichtsakten, sah Fotos von früher und Briefe an seine Mutter aus dem Knast. Er sagte, dass er aus einem Stück Papier Kokain-Couverts für den Verkauf blindlings in unter zwanzig Sekunden falten könne.

Er schaffte es in siebzehn.

»Ich hab’s immer noch drauf!«, jubelte er.

Stefan Liebert erzählte mir sein Leben, einige Details seiner Geschichte waren in der großen Wolke aus Kokain-Pulver verschüttgegangen, in der er jahrelang lebte. Ich lernte seine Kumpane von damals kennen, ich sprach mit seiner Familie und ehemaligen Kunden. All das ermöglichte mir einen Zugang zur deutschen »high« Society, der bei mir einen Eindruck verfestigte, den ich nicht für möglich gehalten hätte: Kokain, diese vermeintliche Droge des vergangenen Jahrtausends, ist wieder da – und war vielleicht nie weg. Diese Erkenntnis ließ mich nicht mehr los.

Willkommen in der Kokain-Republik Deutschland!

Auch Sie haben garantiert gerade jetzt die verbotene Droge bei sich – sofern Sie zwei Geldscheine eingesteckt haben. Kokain wird üblicherweise »geschnupft«, das Pulver also inhaliert, häufig durch eine gerollte Banknote. Reste darauf bleiben nachweisbar. 2002, zur Einführung des Euro, waren nach einem Monat drei Prozent der Scheine mit Spuren von Kokain kontaminiert. Im April 2003 waren es achtzig Prozent – macht vier von fünf aller kursierenden Euro-Scheine. Sie können also statistisch sicher sein, dass auch Sie Kokain bei sich tragen, wenn Sie nur zwei unserer Banknoten in der Tasche haben.

Deutsche Behörden gehen davon aus, dass hierzulande rund 500000 Menschen Kokain konsumieren. Prof. Fritz Sörgel, einer der bekanntesten deutschen Drogen-Experten, sagt: »Mich ärgert in diesem Zusammenhang die Hochnäsigkeit der Behörden, deren Statistik im Gegensatz zu unserer Methode keine quantitative Grundlage besitzt. Unsere Analyse zeigt, dass der Konsum hierzulande viel höher sein muss.« Und für diese Aussagen führt er auch Beweise an.

Hilfreich hierbei ist laut Prof. Sörgel das Benzoylecgonin, ein Kokain-Abbauprodukt, das im Körper über den Urin ausgeschieden wird. Benzoylecgonin kann durch sensible Messtechnik in unseren Gewässern nachgewiesen werden. Das Verfahren des Instituts für Biochemische und Pharmakologische Forschung Nürnberg ist derart genau, dass in der lokalen Kläranlage eines 8000-Seelen-Dorfes ein einziger Kokain-Konsument auffällt. Fünfzehn Wasserläufe haben Prof. Sörgel und sein Team in Deutschland untersucht. Ergebnis: Der Rhein führt mehr als zehn Tonnen reines Kokain im Jahr mit sich, in Düsseldorf bis zu 30 Kilogramm pro Tag, in Köln 27. Insgesamt hat Mannheim mit 44 Kilo die Nase vorn. Nahezu unglaubliche Befunde, wenn man bedenkt, dass schon rund 0,2 Gramm Kokain, die durchaus übliche Portionierungsmenge einer Koks-Line, für einen rund halbstündigen Rausch ausreicht.

Willkommen in der Kokain-Republik Deutschland!

Durch den verbotenen Handel mit der Droge fahren hierzulande Kriminelle Gewinne in gigantischer Höhe ein. Kein Wunder bei einem Stoff, der wertvoller als Gold ist. Ein Gramm des Edelmetalls kostet an der Börse rund 30 Euro. Ein Gramm Kokain beim Dealer an der Ecke manchmal 50, meistens aber 60 bis 100 Euro. Seit Ende der Neunzigerjahre ist das weiße Pulver in Deutschland tendenziell günstiger geworden – die meisten aus der Szene sagen, weil das Angebot immer größer werde.

Unsere Behörden wissen um den verbotenen Milliardenmarkt. Darüber hinaus wissen sie kaum Konkretes. Wie viel Kokain hierzulande tagtäglich weggeschnupft wird? Nicht zu ermitteln. Wie die Droge beispielsweise aus Kolumbien in die deutsche Provinz kommt? Schwer zu verfolgen. Wie das Koks in Hamburg vom Schiff durch den Zoll gelangt und anschließend verteilt wird? Keine Ahnung. Und: Wie funktioniert das Geschäft? Wer steckt dahinter? Wie clever sind deutsche Dealer?

Stefan Lieberts Biografie beantwortet einen Teil dieser Fragen ganz konkret – darüber hinaus bietet sein Leben ausreichend Gelegenheit, das deutsche Kokain-Problem in Gänze zu skizzieren. Liebert berichtet aus erster Hand: Er war Dealer, Konsument und später Teil eines Syndikats.

Als Teenager beschaffte er sich das erste Mal Kokain am Hafen. In einem Alter, in dem Azubis monatlich 800 Euro verdienen, wurde er, der Spross einer Hamburger Kiez-Familie, einer der erfolg- und einflussreichsten Drogendealer Norddeutschlands; sein Koks kauften Professoren, Manager, Ärzte und Staatsanwälte. Er gewann sie als Kunden, indem er ihnen auf dem Kiez die Party ihres Lebens bereitete.

Nach kurzer Zeit war er dort angekommen, wo er immer hin wollte: oben, inmitten all der Schönen, der Reichen und der Mächtigen. Das war die eine Seite. Auf der anderen Seite spannte er ein Netz aus Kurieren und Zwischenhändlern, die seinen Stoff an all diejenigen veräußerten, die die Droge ebenfalls nicht mehr missen wollten: an Jugendliche, Hausfrauen, Lagerarbeiter, Studenten und Büroangestellte.

»Seit Jahrzehnten ist Kokain auf dem deutschen Markt, früher war es die Droge für Menschen mit materiellem Exklusiv-Status. Durch den Preisverfall ist Kokain heute bei zusätzlichen Konsumenten angekommen, die sich die Droge vor einiger Zeit noch nicht leisten konnten, darunter auch viele jüngere zwischen achtzehn und fünfzehn Jahren«, berichtet Dr. Raphael Gaßmann, Geschäftsführer der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS). Und Stefan Liebert sagt: »Ich konnte es anfangs selber nicht glauben. Alle wollten meinen Stoff, alle.«

Koks ist der Aufputscher, den offenbar längst nicht mehr nur gegelte Upperclass-Cliquen konsumieren.

24 Stunden am Tag bestimmte Kokain das Leben von Stefan Liebert, weil seine Kunden von ihm und seinen Mitarbeitern rund um die Uhr Kokain haben wollten: Mittags sniefte der Bauarbeiter für einen Motivationsschub, am frühen Abend die Hausfrau, um den anstrengenden Tag zu vergessen, und um Mitternacht der Teenager auf dem Disco-Klo. Alle hatten sie die Nase voll.

»Ich war einer, der auf einer Party immer in der Ecke stand, Blick nach unten. Dann habe ich das Zauberpulver von ihm genommen – und fühlte mich wie ein Weltmeister«, bekennt ein Kunde von Stefan Liebert. Er ist Polier. »Ich wurde ein anderer Mensch, ein Mensch, der mir viel besser gefiel. Ein kleines Näschen nur – und ich war der coolste Typ im Club. ›Bin ich geil?‹, fragte ich mich. ›Ich bin geil!‹, antwortete ich mir. Dann schleppte ich eine Frau ab. Auf Koks geht das.«

Kokain ist die Droge, die das Ego neu organisiert, ein hochaktives...

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