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Kollegiale Beratung und Supervision für pädagogische Berufe

Hilfe zur Selbsthilfe. Ein Arbeitsbuch

AutorJörg Schlee
VerlagKohlhammer Verlag
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl212 Seiten
ISBN9783170329607
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis23,99 EUR
Entscheidend für die Qualität und die Wirksamkeit der pädagogischen Arbeit sind die Handlungsfähigkeit, der Elan und das Ethos der Pädagogen. Dass es damit oft nicht zum Besten steht, beweisen Alltagsbeobachtungen ebenso wie Forschungsergebnisse. Wie kaum ein anderer Beruf ist das Lehrerdasein anfällig für Burnout-Syndrome. Für Sozialpädagogen ist es schon seit langem selbstverständlich, sich bei der Bewältigung der beruflichen Schwierigkeiten durch Beratung und Supervision Unterstützung zu holen. Für die Pädagogen anderer Arbeitsbereiche wird der unterstützende Nutzen zunehmend entdeckt. Kollegiale Beratung und Supervision bildet dabei so etwas wie eine Hilfe zur Selbsthilfe. Das Buch stellt die theoretischen Grundlagen sowie die praktischen Verfahrensschritte für ein kollegiales Beratungs- und Supervisionsmodell in ihrer äußeren Form und ihrem Ablauf anschaulich und leicht nachvollziehbar vor. Zahlreiche Evaluationsstudien und Erfahrungsberichte aus allen Bereichen der Lehrerbildung stellen seine Leistungsfähigkeit unter Beweis und belegen die Übertragbarkeit seiner Prinzipien auf pädagogische Arbeitsfelder.

Prof. Dr. Jörg Schlee lehrte an der Universität Oldenburg 'Sonderpädagogische Psychologie' und steht durch Lehrerfortbildungen mit der Schulpraxis in direktem Kontakt.

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Leseprobe

 

1          Zur Bedeutung von Beratung und Supervision für pädagogische Berufe


 

 

Zusammenhänge verdeutlichen

In diesem Einleitungskapitel möchte ich Ihnen Bezugspunkte, Hintergründe und Zusammenhänge der Kollegialen Beratung und Supervision verdeutlichen. Die Besonderheiten und das Anliegen des Selbsthilfeverfahrens KoBeSu sollen verständlich werden. Hierzu gehört es auch, die Ähnlichkeiten und Unterschiede zu anderen Supervisionsverfahren darzustellen.

Kurzform: KoBeSu

»Kollegiale Beratung und Supervision« versteht sich nämlich als Bezeichnung für ein Supervisionsverfahren, das durch seine theoretische Fundierung und seine äußere Form charakterisiert wird. Es handelt sich um ein spezielles Verfahren, das von anderen mit ähnlichen Bezeichnungen abgegrenzt werden muss. Im folgenden Text werde ich nicht nur diese ausführliche Bezeichnung, sondern ab und zu auch die Abkürzung »KoBeSu« verwenden.

 

1.1       Zur Ausgangslage: Belastungen im beruflichen Alltag


 

Angesprochen sind Pädagoginnen und Pädagogen aller Berufsbereiche.

Mit diesem Lern- und Arbeitsbuch wende ich mich an Menschen, die in Schulen, Heimen, Förderzentren, Kindergärten, Werkstätten, Pflegestationen und weiteren pädagogischen Einrichtungen zusammen mit anderen Menschen für ihnen anvertraute Personen arbeiten, indem sie diese unterrichten, anleiten, pflegen, beschützen, herausfordern, ermutigen, befragen, begleiten und indem sie ihnen zuhören und antworten. All diese Handlungen können jedoch nie wirksamer werden als es die Kräfte, die Einstellung und das Engagement der Pädagoginnen und Pädagogen einerseits und deren kollegiale Zusammenarbeit andererseits zulassen. Obwohl – oder vielleicht auch gerade weil – dies eine Binsenweisheit ist, wird über diese Beschränkung selten nachgedacht.

Ich möchte mit diesem Arbeitsbuch alle Personen ansprechen, die mit und für Menschen arbeiten. Dazu zählen sehr viele Berufsgruppen. Um sie nicht immer alle aufzählen zu müssen, spreche ich zusammenfassend von Pädagoginnen und Pädagogen. Hin und wieder werde ich auch von Lehrerinnen und Lehrern bzw. von Schülerinnen und Schülern sprechen. Doch sind dann alle anderen Berufe immer mitgemeint.

Entscheidend sind Handlungsfähigkeit und Ethos.

Es reicht also nicht aus, dass pädagogische Einrichtungen an Mobiliar, Geräten und didaktischen Materialien gut ausgestattet sind. Auch die besten Lehrpläne und Förderkonzepte oder fortschrittliche Erziehungsprogramme garantieren keinen pädagogischen Erfolg. Denn weder diese noch jene agieren unmittelbar im pädagogischen Kontakt mit den Kindern und Jugendlichen. Entscheidend für die Qualität und für die Wirksamkeit der pädagogischen Arbeit sind vielmehr die Handlungsfähigkeit, der Elan und das Ethos der Pädagoginnen und Pädagogen. Ohne die Bedeutung von guten Ausstattungen und Konzeptionen schmälern zu wollen, was letztlich zählt, ist die konkrete Gestaltung der zwischenmenschlichen Beziehungen.

Pädagogische Arbeit ist oft mühselig und kräftezehrend.

Doch diejenigen, die tagtäglich diese (Beziehungs-)Arbeit leisten sollen und wollen, wissen, dass dieses leichter gesagt als getan ist. Allzu oft müssen sie nämlich erfahren, dass sie im Umgang mit ihren ›Klienten‹ die selbstgesteckten Ansprüche nicht oder nur unzulänglich erreichen können. Hierfür gibt es vielfältige Gründe. Zum einen wirken sich die meist knappen Zeitressourcen ungünstig auf die pädagogische Arbeit aus. Zum anderen erfolgen Lern- und Entwicklungsprozesse nicht immer gradlinig und im Sieben-Meilen-Stiefel-Tempo. Vielmehr sind sie oft mit Verunsicherungen, Schwierigkeiten, Fragen, plötzlichen Einsichten und Sprüngen verbunden, die jeweils ganz individuell erfolgen. So kann es in den pädagogischen Anforderungen leicht zu Unverträglichkeiten kommen. Während die eine Schülerin gerade dieses (Anstoß, Aufmunterung, Frage, Zurechtweisung, Feedback usw.) benötigt, würde eine andere in derselben Situation für ihren Lernprozess vielleicht gerade jenes brauchen. Allen Schülerinnen und Schülern zur gleichen Zeit gerecht zu werden, ist daher ein schwieriges Unterfangen. Wenn sich deshalb Unlustgefühle oder Vermeidenshaltungen bei den Betroffenen entwickeln, fällt es nicht immer leicht, diese nicht persönlich zu nehmen, sondern freundlich und verständnisvoll als pädagogische Aufgabe aufzugreifen.

Kein freiwilliger Besuch der pädagogischen Einrichtungen

Zu bedenken ist ferner, dass in den allermeisten Fällen Kinder und Jugendliche bzw. die betreuungs- und unterstützungsbedürftigen Erwachsenen die jeweiligen pädagogischen Einrichtungen nicht freiwillig aufsuchen. Vielmehr erfolgt die Sicherstellung des pädagogischen Arrangements in aller Regel unter der Androhung von Sanktionen. Wie sollen aber unter Zwang Lernen und persönliche Entwicklung als eigenständige und konstruktive Prozesse gelingen?

So gibt es im pädagogischen Alltag immer wieder genügend Anlässe für Irritationen, Missstimmungen, Missverständnisse und Kränkungen. Obwohl es niemand möchte, können pädagogische Situationen auf diese Weise zur »organisierten Lernstörung« (Schlee 1977) geraten, unter der dann alle Beteiligten leiden.

Die kollegiale Zusammenarbeit könnte in vielen Fällen besser sein.

Ebenso ist für Pädagoginnen und Pädagogen der Umgang mit Kolleginnen und Kollegen nicht immer einfach. In der Zusammenarbeit mit ihnen gibt es ebenfalls ausreichend Anlässe für Enttäuschungen und (meist ungewollte) Verletzungen. Diese beeinträchtigen in der Regel das Wohlbefinden viel stärker als die Schwierigkeiten mit Schülerinnen und Schülern bzw. mit den Kindern und Jugendlichen. Die Qualität der kollegialen Beziehungen am Arbeitsplatz ist ausschlaggebend, ob Pädagoginnen ihren Beruf mit Lust und Freude oder mit Missmut und Verdruss ausüben. Jedoch werden Pädagoginnen in ihrer Berufsausbildung kaum auf die kollegiale Zusammenarbeit vorbereitet und in der Bearbeitung von Konflikten geschult. So haben sie diesbezüglich zwar viele gute Absichten, verfügen aber über wenig Know-how. Zur Kollegialen Zusammenarbeit empfangen sie reichlich moralische Appelle, erhalten für ihre Gestaltung hingegen selten konkrete Hinweise.

Reibereien und Vergeblichkeiten führen zu Belastungen.

Oft kumulieren sich im pädagogischen Berufsalltag kleinere und größere Beeinträchtigungen auf und führen zu Teufelskreisen. Lehrerinnen und Lehrer kommen dann an die Grenzen ihrer Belastungsfähigkeit. Sie fühlen sich physisch und psychisch erschöpft, nicht wenige brennen aus. Dabei sind es eigentlich nicht die körperlichen Anstrengungen, die an den Kräften zehren, sondern es ist die Tatsache, dass aufgrund der vielen Reibereien und Vergeblichkeiten sowohl Schülerinnen und Schüler als auch Lehrerinnen und Lehrer die Sinnhaftigkeit ihres Handelns nicht mehr erkennen können.

Der Schulbetrieb kann krank machen.

Wie Alltagsbeobachtungen und Forschungsergebnisse in den letzten Jahren aufweisen, zeigen viele Pädagoginnen an ihrem Arbeitsplatz Anzeichen für das Burn-out-Syndrom. Und nicht wenige Schülerinnen werden durch die Schule krank bzw. bekommen durch sie lebenslange psychische Beeinträchtigungen. Die Tatsache, dass es an vielen Schulen sog. Gesundheitsbeauftragte gibt, ist einerseits erfreulich, weist andererseits aber auch auf den unerfreulichen Hintergrund hin. So gibt es zu denken, dass man mit dem Motto »Gesunde Schule« auf ein besonderes Profil verweisen kann. Denn wenn in einer Schule das Arbeitsklima erfreulich und solidarisch ist und wenn die Arbeitsstrukturen die kollegiale Kommunikation unterstützen sowie den Aufgaben angemessen sind, dann wird man sich um den Gesundheitszustand der Lehrkräfte und Schüler keine besonderen Sorgen machen müssen.

Nun will ich aber nicht ein Klagelied anstimmen und düstere Stimmung verbreiten, zumal diese Problematik an anderer Stelle beschrieben und diskutiert wurde (Barth 1997, Gudjons 1993, Spanhel & Hüber 1995). Vielmehr geht es in diesem Lern- und Arbeitsbuch ja gerade darum, wie man aus den Teufelskreisen wieder herauskommen und für sein Arbeitsfeld neue Perspektiven und Kräfte gewinnen kann.

Supervision als Hilfe für den Berufsalltag

Damit bin ich beim Themenkomplex Beratung und Supervision. Für Sozialpädagogen ist es schon seit langem selbstverständlich, sich bei der Bewältigung der beruflichen Schwierigkeiten durch Beratung und Supervision Unterstützung zu holen....

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