Über Humor und Komik zu schreiben erweist sich nach einem ersten Blick in anerkannte Forschungsliteratur als entweder schier unmögliches oder zumindest tunlichst zu unterlassendes Unterfangen. Von verzweifeltpessimistischen Passagen, bis hin zu resignierenden Erkenntnissen aus den Bereichen der Philosophie, Physiologie, Anthropologie, Psychologie und Soziologie, wie auch Religions- und Kunstwissenschaften, die vor „terminologischen Fallstricken" (Wirag 2011, ) warnen oder von vorne herein davon abraten, sich überhaupt mit der Thematik auf wissenschaftlichanalytische Art und Weise auseinanderzusetzen, denn: „Komisch ist also etwas oder muß es sein, mit dem man - grausamer- und angenehmerweise - nicht fertig wird, schon gar nicht durch eine Theorie." (Marquard 1976, 143)
E.B. White geht sogar noch ein Stück weiter und proklamiert den Tod des Humors als Folge einer analytischen Annäherung: „Humor kann viviseziert werden wie ein Frosch, doch wie dieser stirbt auch jener während der Prozedur." (zit. nach Gernhardt 1988, 253) Warnungen wie diese sind nur bedingt ernst zu nehmen, schließlich haben sich nur die wenigsten Warnenden selbst daran gehalten und ihren Aufsatz nach nur einem Satz, der Komik und Humor als unmöglich zu beschreiben erklärt, beendet. Und so wird auch hier nicht davor zurückgeschreckt, den Versuch zu wagen, eine begriffliche Differenzierung vorzunehmen und die verschiedenen, oft synonym verwendeten Termini voneinander abzugrenzen. Zwar erschwert die vorhandene Definitionspluralität eine allgemeine Begriffsfestlegung durchaus, dennoch ist es zum Zwecke der Übersicht und Vollständigkeit ein unerlässliches Unterfangen. (vgl. Knop 2007, 71) Im folgenden Kapitel werden nun also die für diese Arbeit thematisch relevanten Begriffe erläutert und voneinander abgegrenzt.
Wie bereits erwähnt, ist eine allgemeingültige Begriffsbestimmung, eine konsensfähige Definition des Begriffs Humor nahezu unmöglich. Trotz unzähliger Definitionen, die sich teilweise grundlegend, teilweise nur in Nuancen unterscheiden, herrscht noch immer kein wissenschaftlicher Konsens. Das Fehlen einer umfassenden Theorie ist den zahlreichen situativen, sozialen und kommunikativen Variablen, in Bezug auf seine Entstehung, seine Wirkung und seine Rezeption, geschuldet, die bisher noch nicht in Einklang gebracht werden konnten.
Hier soll es im Übrigen noch nicht zu einer Darlegung verschiedener Humor- bzw. Komiktheorien kommen - dies ist in Kapitel 3 der Fall - sondern um eine etymologische Betrachtung und eine für den Rahmen dieser Arbeit notwendige Begriffsdefinition, die allerdings keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Dennoch muss sie erfolgen, um eine konsistente Nutzung des Begriffs gewährleisten zu können.
Der Begriff Humor bedeutet in seiner ursprünglich lateinischen Form so viel wie Flüssigkeit, wird aber in seiner modernen, alltagssprachlichen Gebrauchsform als „Begabung eines Menschen, der Unzulänglichkeit der Welt und der Menschen, den alltäglichen Schwierigkeiten und Missgeschicken mit heiterer Gelassenheit zu begegnen" (Das Herkunftswörterbuch 2007, Lemma Humor) verstanden. In diesem Zusammenhang ist es ein recht junger Begriff. Bevor er diese grundlegende Bedeutungsänderung erfahren hat und 1682 in England erstmals in dem heutigen Kontext gebraucht wurde (vgl. Bremmer / Roodenburg 1999, 9), ging seine Verwendung auf die mittelalterliche Temperamentenlehre zurück. Laut Hippokrates und Galen wirken verschiedene Säfte im Körper des Menschen, die in ihrer Gesamtheit das seelische Befinden des Menschen bedingen. Diese medizinische Theorie wird auch als Humoralpathologie bezeichnet. (vgl. Knop 2007, 72)
Im England des 16. Jahrhunderts war mit Humor ein negativ konnotiertes, exzentrisches Verhalten, verwandt mit Melancholie und Hypochondrie, gemeint (vgl. ebd.). Generell kann Humor als ein ursprünglich englischer Begriff bezeichnet werden. In seinem Roman Les Miserables aus dem Jahr 1862 sprach Victor Hugo beispielsweise noch „jene englische Sache, die man Humor nennt" an (zit. nach: Dimova 2008, 8). Auch in der niederländischen Republik wurde Humor noch im Jahre 1765 als etwas bezeichnet, dass man praktisch nur auf dieser Insel findet, und Gotthold Ephraim Lessing bezeichnete Humor stets als englischen Import (vgl. Bremmer / Roodenburg 1999, 10).
Seit dem 18. Jahrhundert ist der Begriff positiv besetzt. So galt er in seinem Mutterland England zwischenzeitlich als Kardinaltugend und wurde zu einem Schlüsselwort der Humanität (vgl. Schmidt-Hidding 1963, 159). Seit dem 19. Jahrhundert beschreibt Humor die Grundhaltung, menschliche Unzulänglichkeiten mit Gelassenheit und Heiterkeit zu ertragen und ist seitdem unserem heutigen Humorverständnis sehr nahe (vgl. ebd.). Auch heute wird Humor in der Regel als kommunikative Fähigkeit betrachtet, die Realität durch eine heitere Grundstimmung positiv einzufärben und, trotz aller Unzulänglichkeiten des Lebens, diese heitere Grundstimmung fortzuführen (vgl. Marhenke 2003, 25). Kotthoff beschreibt Humor als „eine Haltung oder Gefühlslage, in der man [...] Komik würdigen kann und sich in einer Stimmung der Heiterkeit befindet" (Kotthof 1998, 46). So wird der Begriff Humor auch in dieser Arbeit verwendet. Humor also einerseits als „rezipientenseitige Verstehensleistung eines Humorangebots" (Diekmannshenke / Reif 2010, 134) bzw. als theoretische Beobachtungsund Interpretationsperspektive, „die wirksam wird, wenn wir bestimmte Phänomene als komisch wahrnehmen und bewerten" (Schmidt 2008, 282). Andererseits als kognitive Fähigkeit und als Haltung, bezogen auf die individuellen Lebenseinstellung und Charaktereigenschaft[2] eines Menschen. Zudem dient Humor sowie als Voraussetzung, intendierte Komik überhaupt erst generieren zu können (vgl. Knop 2007, 73).
Humor wird hier also als die Verbindung zwischen (Komik- )Produktion und (Komik-)Rezeption verstanden (vgl. Kotthof 1998, 46). Oder, um es mit dem Satiriker Robert Gernhardt zusammenzufassen: „Humor ist eine Haltung, Komik das Resultat einer Handlung. Humor hat man, Komik macht oder entdeckt man" (zit. nach: Zehrer 2001, 29).
Neben diesem (produktions-)ästhetischen Verständnis von Humor als unernsten Modus der Kommunikation, der Komik verursacht, integriert und versteht, wird Humor oft auch synonym zu dem Begriff Komik verwendet (vgl. Preisedanz 1972, 100). Dieser, der Beliebigkeit nahestehenden Verwendung von Humor als Sammelbegriff alles Komischen, schließen wir uns, ganz im Sinne Schopenhauers[3], hier nicht an.[4]
Ähnlich wie bei Humor, erweist sich auch bei dem Begriff der Komik ein definitorischer Eingrenzungsversuch als sehr schwierig. Laut Siegfrid J. Schmidt zeige sich bei dem Definitionsversuch des Komischen „deutlich, daß es sich hier um ein prinzipiell zum Scheitern verurteiltes Unterfangen handelt. Ein kontextdeterminierter pragmatischer qualitativer Begriff wie ,Komik' ist aus logischen Gründen nicht ahistorisch definierbar" (Schmidt 1976, 169). Dennoch ist auch hier für den weiteren Verlauf der Arbeit eine begriffliche Eingrenzung notwendig. Dabei soll es aber nicht um spezifische Kommunikationsformen gehen, die Komik generieren bzw. um die Frage, was oder warum etwas komisch ist - die Antwort auf diese Frage versucht Kapital 3 im Hinblick auf verschiedene, ausgewählte Komiktheorien zu leisten - sondern um eine allgemeine Begriffsbestimmung und Betrachtung der etymologischen Wortherkunft.
Es lässt sich problemlos sagen, dass Komik vom griechischen Wort komikos, was übersetzt scherzhaft bedeutet, abgeleitet wurde (vgl. Duden 2007, Lemma Komik). Daraus entwickelte sich der französische Begriff comique, welcher schließlich zu der allgemeinen Bedeutung im deutschen Sprachgebrauch geführt hat (vgl. Kablitz 2000, 289). Komisch sind nach Kablitz „Gegenstände, Ereignisse, Sachverhalte und Äußerungen, die Lachen verursachen, bzw. die Eigenschaft, die diese Wirkung erzeugt" (ebd.). Auf die Funktion des Lachens wird in Kapitel 2.3 nochmal gesondert eingegangen, dennoch sei bereits hier erwähnt, dass Komik weder zwangsläufig das Lachen zur Folge haben muss, noch, dass der Vorgang des Lachens immer eine Reaktion auf etwas Komisches ist (vgl. Zehrer 2001, 26). Die Form der Komik kann dabei sowohl eine konkrete sprachliche Äußerung sein, allerdings auch ein abstrakter Vorgang, wie eine Bewegung, eine Situation oder eine Idee (vgl. Knop 2007, 75). Dabei ist Komik immer die „reale Erscheinungsform" (Lopez 2005, 91) einer „ästhetische Kategorie, die den Widerspruch von Ideal und Wirklichkeit sowie den von Schein und Sein wertet und sinnfällig macht" (zit. nach Lopez 2012, 85).
Es wird sich hier primär einer Kombination aus pragmatisch orientiertem und sozio-anthropologischem bzw. psychologischem Definitionsansatz angeschlossen. Der pragmatische Ansatz besagt: „Komisch ist, worüber gelacht wird" (Zehrer 2001, 20). Erneut mit der Einschränkung, dass Komik und Lachen nicht zwangsläufig Hand in Hand gehen müssen.
Darüber hinaus ist Komik keine absolute, am Objekt orientierte Kategorie, sondern stets abhängig von der subjektiven Rezeption. Denn laut Janetzky „gibt [es] nur das von einem Subjekt aus Komisierte, das komisch Gefundene, Gesehene, Gestaltete, in die komische Perspektive Gerückte" (zit. nach Müller-Kampel 2011, 22). Intendierte, aber nicht...