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Kommerzielle Aktivitäten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland und marktkonformes Verhalten

AutorJürgen Beckmann
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl81 Seiten
ISBN9783640697434
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis31,99 EUR
Masterarbeit aus dem Jahr 2010 im Fachbereich Medien / Kommunikation - Rundfunk und Unterhaltung, Note: sehr gut (17 Punkte), Johannes Gutenberg-Universität Mainz (Rechts- und Wirtschaftwissenschaften; Mainzer Medieninsitut), Veranstaltung: Masterstudiegang Medienrecht, Sprache: Deutsch, Abstract: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk bewegt sich nicht nur im hoheitlichen Bereich. Die ihm für die Erfüllung seiner Aufgaben zustehenden Produktionsfaktoren (in erster Linie personelle und technische Mittel) versuchte er schon früh erwerbswirtschaftlich zu nutzen, um die finanzielle Ausstattung zu verbessern. Die neben der Rundfunkgebühr bedeutendste und sicherlich (gerade auch derzeit) heftig diskutierte Einnahmequelle, die Ausstrahlung von Hörfunk- und Fernsehwerbespots zählt zu diesen Tätigkeiten. Es seien aber auch beispielhaft Rechteverwertungen, Merchandising und die Vermietung von Senderstandorten genannt, die zu weiteren kommerziellen Erträgen bei einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt führen. Das BVerfG hält solche (fiskalischen) 'Randnutzungen' für so lange verfassungsgemäß und von der Rundfunkfreiheit geschützt, soweit sie in einem Kontext zu ihrer hoheitlichen Aufgabe stehen. Die europäische Integration führt jedoch dazu, dass nun auch die Regeln im europäischen Kontext zu beachten sind. Trotz des 'EG-Protokolls über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in den Mitgliedsstaaten' hat das europäische Beihilferecht hier eine zentrale Bedeutung. Für die Zulässigkeit von Randnutzungen spielt nun nicht mehr nur die verfassungsrechtliche wichtige Differenzierung zwischen dem Auftrag dienenden oder nicht dienenden Tätigkeiten eine Rolle. Eine weitere zentrale Bedeutung für Zulässigkeit und Ausgestaltung der Tätigkeiten hat nun auch die im Beihilferecht wichtige Abgrenzung von kommerzieller und gemeinwirtschaftlicher Aktivität. Dies bestimmt eindeutig der sog.'Beihilfekompromiss' zwischen der EU-Kommission und Deutschland, der aufgrund der Klagen privater Konkurrenten vor der Kommission nötig geworden war. Die Umsetzung des Kompromisses erfolgte Ende 2008 im Wesentlichen durch den 12. RfÄStV. Letztendlich wird im Änderungsstaatsvertrag versucht die Logiken von deutschem Rundfunkrecht und europäischen Beihilferecht zu verknüpfen. Mit Inkrafttreten der Änderungen Staatsvertrags erfolgen die erwerbswirtschaftlichen Tätigkeiten also unter stark veränderten Bedingungen, die in der Abhandlung detailliert analysiert und im Lichte des Verfassungs- und Europarechts bewertet werden sollen. Desweiteren wird dargestellt, ob und unter welchen Voraussetzungen erwerbswirtschaftliche Tätigkeiten in der Anstalt verbleiben können und wann erwerbswirtschaftliche Tätigkeiten ausgegliedert werden müssen.

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Leseprobe

3 Europarechtliche Implikationen


 

Für erwerbswirtschaftliche Aktivitäten, die praktisch mit dem zumeist im europäischen Kontext gebrauchten Begriff der kommerziellen Aktivitäten gleichzusetzen sind, spielen auch eine Vielzahl europarechtlicher Regelungen eine Rolle. Diese ergänzen das nationale Rundfunkrecht oder überlagern es zumindest teilweise.[122] Im hier behandelten Zusammenhang spielt insbesondere der AEUV und die dort definierten Grundfreiheiten[123] sowie das ergänzende Protokoll von Amsterdam eine Rolle. Die Organe der EU haben dabei insbesondere die Aufgabe, die Wirtschaftspolitik in den Mitgliedstaaten – unter dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb[124] – zu koordinieren. Dazu dienen ihnen die Wettbewerbsregeln der Art 101 – 109 AEUV.

 

Dabei lässt der AEUV gem. Art. 345 die Eigentumsordnung in den verschiedenen Mitgliedstaaten unberührt. Die Union hat sich in ihren koordinierenden Maßnahmen gegenüber der einzelstaatlichen Eigentumsordnung neutral zu verhalten. Die Mitgliedstaaten können daher „über Art und Maß des öffentlichen und privaten Sektors in ihrer Wirtschaftsordnung nach ihren [eigenen] politischen Zielen bestimmen [… und] über Sozialisierungen und Privatisierungen […] entscheiden.“ Dabei sind sie an die Grundfreiheiten und die Wettbewerbsregeln gebunden.[125]

 

3.1 Medien und europäisches Recht


 

Ein eigenständiges europäisches Medienrecht gibt es aus kompetenzrechtlichen Gründen nicht. Für die Medien sind trotzdem Vorschriften der europäischen Union, insbesondere die des AEUV, von Bedeutung. [126]

 

3.1.1 Medienbezug im Primärrecht


 

Das Primärrecht der EU enthält keine ausdrückliche Ermächtigung zur Regelung der Medien. Die audiovisuellen Medien werden lediglich in Art. 167 AEUV erwähnt, womit deutlich gemacht wird, dass die audiovisuellen Medien zum kulturellen Erbe Europas zählen. Die EU darf im Bereich der Kultur jedoch nur fördernd und nicht harmonisierend wirken. Grundsätzlich bleiben für den Rundfunk also die Mitgliedstaaten zuständig. Die Union darf im Rundfunkbereich keine Regelungen erlassen, die im Schwerpunkt den kulturellen Bereich berühren und die sich außerhalb von Fördermaßnahmen bewegen.

 

Einen ersten Impuls zur gemeinschaftsrechtlichen Erfassung von Rundfunk gab der EuGH 1974. Das Gericht stellte fest, dass die Veranstaltung von Fernsehsendungen Dienstleistungen i.S.d. Art. 56 AEUV sind[127], die auch unter die Dienstleistungsfreiheit fallen.[128] Diese Tätigkeit ist beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit besonderen Gemeinwohlverpflichtungen (Grundversorgungsauftrag) durch hoheitliche Betrauung verbunden. Die Ausstrahlung eines ausgewogenen Rundfunkprogramms durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk wird daher als „Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“ bzw. „gemeinwirtschaftliche Dienstleistung“ eingestuft.[129]

 

Die Qualifikation als „gemeinwirtschaftlich tätiges Unternehmen“ gilt nicht pauschal für ein Unternehmen, sondern sie ist tätigkeitsspezifisch für die jeweilige Dienstleistung des Unternehmens zu ermitteln, so dass das gleiche Unternehmen auf unterschiedlichen Märkten anders behandelt werden kann.[130]

 

3.1.2 Das Protokoll von Amsterdam als Auslegungsmaxime


 

Auf ihre Zuständigkeit im Bereich der Rundfunkregulierung weisen die Mitgliedstaaten mit der „Protokollerklärung über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in den Mitgliedstaaten zum EG-Vertrag“ hin. [131] Gemäß Art. 51 EUV sind Protokolle Bestandteil des EUV und AEUV, der öffentlich-rechtliche Rundfunk wird somit auf die Ebene des Primärrechts gehoben. [132] Das Protokoll hat eine, die Verträge auslegende Funktion[133] und erklärt ausdrücklich die Kompetenz der Mitgliedstaaten, den Funktionsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunk festzulegen und dessen Finanzierung zu sichern. Die Anwendung des Wettbewerbsrechts wird nach dem Wortlaut des Protokolls aber nur relativiert und nicht ausgeschlossen. Die Organe der EU können somit wettbewerbsrechtliche Aktivitäten entfalten[134], sie haben die Wettbewerbsnormen aber gem. des Protokolls auszulegen.

 

Aus dem Protokoll geht hervor, dass die EU die Finanzierung nur dann nicht als wettbewerbskonform ansehen darf, wenn sie im Rahmen ihrer Prüfung zu der Erkenntnis gelangt, dass (1) der Auftrag nicht den demokratischen, kulturellen und sozialen Bedürfnissen der Gesellschaft entspricht, (2) die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht dem festgelegten Auftrag dient (Beauftragung) und (3) die Finanzierung die Kostenlast, die durch die Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags entsteht, übersteigt (Verhältnismäßigkeit).[135]

 

3.1.3 Medien und das europäische Wettbewerbsrecht


 

Das europäische Kartell- und Fusionskontrollrecht sowie das Beihilferecht sind gemäß der Amsterdamer Protokollerklärung auch auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk anwendbar. Das europäische Wettbewerbsrecht kann damit auch im Rundfunkbereich der Ermöglichung von wirksamem und unverfälschtem Wettbewerb dienen. [136]

 

3.1.3.1 Wettbewerbsrecht im Allgemeinen

 

Bei der Anwendung des europäischen Wettbewerbsrechts auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunks spielt Art. 106 Abs. 2 AEUV eine besondere Rolle. Danach sind die Wettbewerbsvorschriften dann nicht auf gemeinwirtschaftlich tätige Unternehmen anzuwenden, wenn diese durch deren Anwendung nachhaltig behindert werden.[137] Das bedeutet i.S.d. Amsterdamer Protokolls, dass das Wettbewerbsrecht dann nicht anzuwenden ist, wenn die „Erfordernisse der Erfüllung des […] Auftrags“ nicht nur unwesentlich beeinträchtigt werden. Hinsichtlich der kommerziellen Betätigungen käme ein Ausschluss des europäischen Wettbewerbsrechts somit nur in Betracht, wenn die dadurch entstehenden Einnahmeausfälle dazu führten, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk Schwierigkeiten in der Auftragsumsetzung bekommt.[138] Die Abwägung zur Anwendung des Wettbewerbsrechts im eigentlichen Auftragsbereich ist schwieriger.

 

3.1.3.2 Beihilferecht im Speziellen

 

Das Beihilferecht (Art. 106 – 108 AEUV) hat dabei die größte Bedeutung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Es dient im Allgemeinen dazu, den Binnenmarkt vor Wettbewerbsverzerrungen durch staatlich finanzierte Unternehmen zu schützen. Art. 107 Abs. 1 AEUV definiert in diesem Zusammenhang, dass [1] „staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen, gleich welcher Art, die durch [2] Begünstigung bestimmter Unternehmen […] den [3] Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar“ sind. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des EuGH legt die Kommission den Beihilfebegriff weit aus und versteht darunter „Maßnahmen gleich welcher Art, die mittelbar oder unmittelbar Unternehmen begünstigen.“[139] Eine Beihilfe ist also ausgeschlossen, wenn dem gewährten Vorteil eine angemessene Leistung gegenüber steht. Eine Begünstigung bzw. Beihilfe liegt nicht vor, wenn der Staat einem Unternehmen Mittel unter Marktbedingungen zur Verfügung stellt. [140]

 

Art. 107 Abs. 2f. AEUV definiert einige generelle Ausnahmen von einer nicht zulässigen Beihilfe, bspw. wird die Kulturförderung genannt. [141] Solche Einzelfälle legt die Kommission allerdings eng aus.[142] Kommt die Kommission im formellen Beihilfeverfahren nach Art. 108f. AEUV zu dem Schluss, dass die Beihilfe bzw. ein Teil der Beihilfe unzulässig gewährt worden ist, verlangt sie, dass der Mitgliedstaat die Beihilfe vom Unternehmen zurückfordert.

 

3.2 Öffentlich rechtlicher Rundfunk und das Sekundärrecht der EU


 

Es war bzw. ist lange strittig gewesen, welche Sekundärrechtsakte auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk angewendet werden müssen. Zentrale Fragestellungen waren bzw. sind hier, ob öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten aus staatlichen Mitteln finanziert werden und ob eine Begünstigung i.S.d. Beihilferechts vorliegt.

 

Wesentliche Relevanz haben die Fernseh- bzw. AVMD- und die Transparenzrichtlinie sowie die Rundfunkmitteilung. Während erstere für öffentlich-rechtlichen wie privaten Rundfunk gilt, also einen generellen Rahmen für die Rundfunkveranstaltung z.B. hinsichtlich des Verbraucherschutzes oder der europäischen Integration...

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