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Kommunikation über Inkontinenz – ein Thema zwischen alten Patienten, Ärzten und Pflegenden?

AutorKatja Kummer
VerlagHogrefe AG
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl264 Seiten
ISBN9783456947174
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis26,99 EUR
Es gibt Behandlungsbereiche, da scheint Sprachlosigkeit zwischen den Professionellen und Patienten zu herrschen. Inkontinenz als eine Erkrankung des Urogenital- und Analbereichs stellt nicht nur ein gesellschaftliches Tabu dar, sondern wird oft auch in Gesprächen zwischen inkontinenten Patienten und Ärzten sowie Pflegenden gemieden. Dies, obwohl Kommunikation mit Patienten als eine wichtige Kernkompetenz der Professionellen gilt und sie unerlässlich für die Anamnese, die Diagnoseübermittlung, Therapieplanung und -durchführung sowie für den Erfolg medizinischer und pflegerischer Maßnahmen ist.
Diese Arbeit untersucht die Kommunikation über Inkontinenz mittels teilnehmender Beobachtungen und leitfadengestützter Interviews; dabei wird eine geschlechterspezifische Differenzierung vorgenommen. Gezeigt wird, wie Betroffene ihren Verlust der Kontinenzfähigkeit wahrnehmen und ihre Patientenrolle empfinden. Zudem wird geschildert, wie die Betroffenen die Kommunikation mit den Ärztinnen und Ärzten sowie Pflegenden beurteilen. Weiter werden die unterschiedlichen Sichtweisen der Professionellen auf dieses gesundheitliche Problem dargestellt.

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Kapitelübersicht
  1. Inhalt
  2. Zusammenfassung
  3. 1 Einleitung
  4. TEIL I: THEORETISCHE UND DEFINITORISCHE VORAUSSETZUNGEN
  5. 2 Inkontinenz
  6. 3 Theoretischer Rahmen: Kommunikationsprozesse und soziale Rollen
  7. TEIL II: FORSCHUNGSSTAND, FORSCHUNGSFRAGE UND METHODIK
  8. 4 Empirische Befunde und Ableitung der Forschungsfrage
  9. 5 Methodisches Vorgehen
  10. TEIL III: ERGEBNISSE DER FALLSTUDIE UND DISKUSSION
  11. 6 Institutionelle Rahmenbedingungen
  12. 7 Inkontinenz als Problem
  13. 8 Kommunikation über die Inkontinenz
  14. 9 Im Gespräch mit den Betroffenen
  15. 10 Die Geschlechterfrage
  16. 11 Methodische Einschränkungen der Studie
  17. 12 Zusammenführung der Ergebnisse und Rückführung auf den theoretischen Rahmen
  18. 13 Zusammenfassung und Implikationen
  19. 14 Literaturverzeichnis
  20. 15 Anhang
Leseprobe
1 Einleitung

Der Zusammenhang von Alter, Gesundheit und Krankheit hat in den vergangenen Jahren national wie international an Bedeutung gewonnen. Kausal dafür sind der demografische Wandel sowie die eng daran geknüpfte Veränderung des Krankheitspanoramas (Kuhlmey, 2008). Die durchschnittliche Lebenserwartung ist in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich gestiegen – so wurden Frauen 1950 im Durchschnitt 68,5 Jahre alt und in 2008 82,4 Jahre. Männer erreichten 1950 ein durchschnittliches Alter von 64,6 Jahren, 2008 wurden sie 77,2 Jahre alt (Statistisches Bundesamt, 2009a). Eine heute 60-jährige Frau könnte statistisch betrachtet noch 24,7 Jahre leben, einem gleichaltrigen Mann könnten 20,9 Jahre bevorstehen (Statistisches Bundesamt, 2009c). Damit steigt auch der Anteil älterer Menschen: So sind heute 20 % der deutschen Bevölkerung 65 Jahre und älter, 2060 werden sie einen Anteil von 34 % darstellen (Statistisches Bundesamt, 2009b).

Lange zu leben also wird immer häufiger zur individuellen wie gesellschaftlichen Realität. – Die Befundlage verweist jedoch darauf, dass das demografische Altern nicht allein mit einem Zuwachs an Lebensjahren einhergeht, sondern ebenso Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen hat: Es steigt die Wahrscheinlichkeit gesundheitlicher Beeinträchtigungen. So bringt die gestiegene Lebenserwartung einerseits eine längere Vitalität älterer Menschen und eine Zunahme an gesunden Lebensjahren mit sich, andererseits korreliert sie eng mit einem Anstieg chronischer Erkrankungen, psychischer Leiden und Pflegebedürftigkeit, zudem wächst die Gefahr der Multimorbidität (Kuhlmey, 2008; Kuhlmey & Schaeffer, 2008).

Vor diesem Tatbestand ist es als gesamtgesellschaftliche Notwendigkeit zu verstehen, die Probleme des Alter(n)s in den Fokus zu rücken, das heißt auch, die Phänomene des Alter(n)s wissenschaftlich mit dem Ziel zu beleuchten, Wege und Möglichkeiten aufzuzeigen und in die Praxis zu transportieren, um die Versorgung sowie Lebensqualität älterer multimorbider Menschen zu sichern und zu verbessern.

Eine im Alter häufig auftretende Erkrankung, die für betroffene Personen nicht allein physische Einschränkungen bedeutet, sondern insbesondere auch vielfältige psycho-soziale Belastungen mit sich bringt, ist Inkontinenz. Inkontinenz heißt der unfreiwillige Verlust von Harn und/oder Stuhl und ist eine Erkrankung im Urogenitalund Analbereich eines Menschen. Eben diese Körperregion sowie auch die Ausscheidung als intime Handlung gehören zur klassischen Zone der Intimität. Intimität umschreibt einen schutzwürdigen Raum, der dem Zugriff und der Neugier anderer unzugänglich sein soll (Lockot & Rosemeier, 1983). Die Ausscheidung von Harn und Stuhl wird „heimlich“, vor Blicken Fremder abgeschirmt, verrichtet. Durch den unfreiwilligen Kontrollverlust über die Ausscheidungen wird Intimes für andere sichtbar; Schamund Ekelgefühle der betroffenen Person selbst sowie anderer sind die Folge. Die Betroffenen fürchten Stigmatisierung und Diskriminierung (Ashworth & Hagan 1993, Ahnis & Knoll 2008).

Personen, die an Inkontinenz leiden, fällt es oft schwer, darüber zu sprechen und sich professionelle Hilfe zu suchen. Sie wissen und fürchten es zugleich, dass diagnostische und therapeutische Maßnahmen im urethralen und analen Bereich einen direkten Eingriff in ihren Intimbereich darstellen und von ihnen ein einseitiges Sichöffnen erfordern (Lockot & Rosemeier, 1983). 001) und auch Ärzte nicht routiniert den Kontinenzstatus erfragen (Cohen et al., 1999). Es wird eine „doppelte Sprachlosigkeit“ (Schlenger, 2003) konstatiert. Neben Ärzten greifen auch Pflegekräfte im Rahmen ihrer pflegerischen Handlungen, wie dem Wechsel von Inkontinenzmaterial, dem begleiteten Toilettengang, der Kathetersowie Intimpflege, direkt in den Intimbereich einer Person ein – deren Kontrollverlust so öffentlich wird, nicht mehr abgeschirmt von Fremden sein kann.

In der Beziehung zwischen Pflegekräften und Patient sowie Arzt und Patient stellt Kommunikation das vermittelnde Kernstück dar und wirkt sich grundlegend auf das Erleben, das Verhalten und die Genesung des Patienten sowie die Diagnosestellung, Behandlung und Therapie aus (Darmann, 2000; Schmid Mast et al., 2004).

Ziel der Dissertation ist es, die Kommunikation zwischen Ärzten und Pflegenden mit Patienten, die an Inkontinenz erkrankt sind, zu beschreiben. Damit wird ein Beitrag zur Enttabuisierung von Inkontinenz geleistet sowie Wege für eine angemessene Ansprache und gelingende Kommunikation aufgezeigt. Wird die Inkontinenz im medizinischen bzw. pflegerischen Setting angesprochen? Wer spricht sie an: der Professionelle oder der Betroffene? Welche Relevanz hat die Inkontinenz für Ärzte und Pflegekräfte? Wie gestalten sich die Gesprächssituationen und wie nehmen insbesondere die betroffenen Personen das Kommunikationsverhalten der professionellen Akteure wahr? ieweit das Geschlecht der Akteure einen Einflussfaktor auf die Ansprache der Inkontinenz sowie die Kommunikation darüber darstellt und ob sich geschlechterspezifische Kommunikationsweisen der Akteure abbilden. Zudem stellt sich die Frage nach weiteren Einflussfaktoren auf die Kommunikation der Ärzte, Pflegenden und älteren inkontinenten Patienten.

Die Dissertation gliedert sich in drei Teile. Der erste Teil bietet einen Einstieg in das Thema: Zunächst wird ein Überblick über die Prävalenz von Inkontinenz und die psycho-sozialen Belastungen der Erkrankung gegeben (Kapitel 2). Auf die Beschreibung der Inkontinenzformen, ihrer Ursachen, Diagnostik und Therapiemöglichkeiten wird verzichtet, da die Ausführungen dazu keine Relevanz für die zentrale Fragestellung der Arbeit haben. Daran schließt sich die Darstellung des theoretischen Rahmens der Forschungsarbeit (Kapitel 3) an, diesen stellen der Symbolische Interaktionismus und die Rollentheorie dar.

Im zweiten Teil wird der Forschungsstand zu den zentralen Themenbereichen der Arbeit präsentiert, woraus die Fragestellung der Dissertation abgeleitet wird (Kapitel 4). Im sich anschließenden Kapitel 5 werden das qualitative Design vorgestellt und die einzelnen Methoden der Triangulation erläutert. Daran schließt sich der dritte Teil der Arbeit, in dem die Ergebnisse der Fallstudie präsentiert und diskutiert werden (Kapitel 6 bis Kapitel 10). Die Integration von Ergebnisdarstellung und Diskussion bot sich in der vorliegenden Arbeit an, um Redundanzen und Verdoppelungen zu vermeiden.

Im Kapitel 12 erfolgt eine Zusammenführung der Ergebnisse sowie deren Rückkoppelung auf den theoretischen Rahmen der Arbeit. Die Dissertation schließt mit einer Zusammenfassung ab (Kapitel 13), in der konkrete Implikationen für die Versorgungspraxis älterer inkontinenter Personen sowie die Forschung angeführt werden. Ergebnisse und Schlussfolgerungen dieser Forschungsarbeit lassen es zu, bereits an dieser Stelle mit einem Statement vorweg zu greifen. n sowie ein wenig Verständnis dafür, dass sie sich von den psycho-sozialen Belastungen der Inkontinenz oft mehr geplagt fühlen als beispielsweise von der Fraktur, die insbesondere für das ärztliche Personal, Behandlungsschwerpunkt in der geriatrischen Rehabilitation darstellt.
Inhaltsverzeichnis
Inhalt6
Zusammenfassung14
1 Einleitung20
TEIL I: THEORETISCHE UND DEFINITORISCHE VORAUSSETZUNGEN24
2 Inkontinenz24
2.1 Definition24
2.2 Prävalenz, Geschlecht und Alter25
2.2.1 Prävalenz25
2.2.2 Inkontinenz – typisch weiblich?26
2.2.3 Inkontinenz – eine typische Alterserscheinung?26
2.3 Inkontinenz und Intimität27
2.4 Psycho-soziale Aspekte der Inkontinenz28
3 Theoretischer Rahmen: Kommunikationsprozesse und soziale Rollen32
3.1 Herleitung des theoretischen Rahmens32
3.2 Kommunikation im Symbolischen Interaktionismus33
3.2.1 Definition: Kommunikation34
3.2.2 Kommunikationsprozess35
3.3 Rollenzuschreibungen38
3.3.1 Grundgedanken38
3.3.2 Arzt und Pflege als Berufsrollen41
3.3.3 Krankenrolle48
3.3.4 Geschlechterrolle51
3.4 Zusammenführung54
TEIL II: FORSCHUNGSSTAND, FORSCHUNGSFRAGE UND METHODIK58
4 Empirische Befunde und Ableitung der Forschungsfrage58
4.1 Empirische Befunde58
4.2 Forschungsfrage70
5 Methodisches Vorgehen72
5.1 Sicherung der Qualität72
5.1.1 Gütekriterien der Studie72
5.1.2 Ethische Aspekte73
5.2 Überblick zum Forschungsablauf74
5.3 Eine Klinik für Geriatrische Rehabilitation als Untersuchungsfeld76
5.3.1 Feldzugang76
5.3.2 Charakterisierung des Untersuchungsfeldes78
5.3.3 Die Forscherin im Untersuchungsfeld80
5.4 Durchführung der Fallstudie81
5.4.1 Methodenwahl81
5.4.2 Methodenerläuterung86
5.4.3 Auswertung90
5.4.4 Deskription der Studienteilnehmer93
TEIL III: ERGEBNISSE DER FALLSTUDIE UND DISKUSSION96
6 Institutionelle Rahmenbedingungen96
6.1 Ankunft der Patienten und ihre Aufnahme durch das Pflegepersonal97
6.2 Die ärztliche Anamnese100
6.3 Zusammenfassung106
7 Inkontinenz als Problem108
7.1 Patienten: Stellenwert und Belastungserleben108
7.2 Ärzteschaft: Verschiebung der Zuständigkeiten114
7.3 Pflegekräfte: Die Versorgung im Pflegealltag118
7.4 Zusammenfassung122
8 Kommunikation über die Inkontinenz126
8.1 Die ärztliche Perspektive: Routine und bio- medizinischer Zugang126
8.1.1 Im ärztlichen Gespräch126
8.1.2 Die körperliche Untersuchung140
8.1.3 Zusammenfassung147
8.2 Die pflegerische Perspektive: Zwischen Kompensations- maßnahmen und Lebensqualität148
9 Im Gespräch mit den Betroffenen158
9.1 Ärztliche Kommunikation: Kompetenzzuschreibung158
9.2 Pflegerische Kommunikation: Beziehungsorientierung167
9.3 Kommunikation der Ärzte und Pflegenden: Gemeinsamkeiten und Unterschiede175
10 Die Geschlechterfrage178
10.1 Aus Sicht der Ärzte178
10.2 Aus Sicht der Pflegenden184
10.3 Aus Sicht der Patienten187
10.3.1 Ärztin, Arzt oder egal?188
10.3.2 Schwester, Pfleger oder egal?195
10.3.3 Zusammenfassung201
11 Methodische Einschränkungen der Studie202
12 Zusammenführung der Ergebnisse und Rückführung auf den theoretischen Rahmen206
13 Zusammenfassung und Implikationen216
14 Literaturverzeichnis232
15 Anhang244

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