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Kompetenz-Bildung

Soziale, emotionale und kommunikative Kompetenzen von Kindern und Jugendlichen

AutorCarsten Rohlfs, Christian Palentien, Marius Harring
VerlagVS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV)
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl365 Seiten
ISBN9783531909097
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis26,99 EUR
Vor dem Hintergrund veränderter Bedingungen des Aufwachsens wird in der fachöffentlich geführten Bildungsdiskussion der Förderung sozialer, emotionaler und kommunikativer Kompetenzen von Kindern und Jugendlichen eine zunehmende Bedeutung zugemessen. Studien zeigen, dass die Förderung dieser Kompetenzen eine Verbesserung des sozialen Klimas in einer Klasse oder Schule sowie des Leistungsverhaltens zur Folge haben kann. Ist aber Schule der richtige Ort, um soziale, emotionale und kommunikative Kompetenz aufzubauen? Dieser Frage gehen die interdisziplinären Beiträge des Bandes nach.

Dr. Carsten Rohlfs ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich Erziehungs- und Bildungswissenschaften der Universität Bremen.
Dipl.-Päd. Marius Harring ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich Erziehungs- und Bildungswissenschaften der Universität Bremen.
Dr. Dipl.-Päd. Christian Palentien ist Professor für das Arbeitsgebiet 'Bildung und Sozialisation' am Fachbereich Erziehungs- und Bildungswissenschaften der Universität Bremen.

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Leseprobe
2 Kompetenzdiskurs (S. 12)

Das eingangs beschriebene Humboldtsche Bildungsideal findet sich in der skizzierten Diskussion kaum wieder. Bildung ist in aller Munde, ja, doch sind es vor allem die mess- und vergleichbaren fachlichen Kompetenzen, die sog. „hard skills", die im Mittelpunkt des Interesses stehen. Dies erstaunt umso mehr, als in der schulischen Praxis nicht zuletzt vor dem Hintergrund bemerkenswerter gesellschaftlicher Veränderungen den überfachlichen Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern in zunehmendem Maße Bedeutung beigemessen wird – wie etwa die Einführung (und bisweilen kurz darauf folgende Wiederabschaffung) der umstrittenen Kopfnoten zeigt.

Unter „Bildung" aber wird gegenwärtig anderes verstanden. Der Begriff scheint verengt, und pointiert formuliert stehen die überfachlichen Kompetenzen im Dienst der fachlichen, Persönlichkeitsentwicklung geschieht nicht auch um seiner Selbst willen, sondern als Mittel zum Zweck, zur Erhöhung der Effizienz schulischen Unterrichts. Und das Bedürfnis, selbst diese messen, benoten und vergleichen zu wollen, entspricht dem Zeitgeist.

Gleichermaßen werden im öffentlichen Diskurs um die Anforderungen des Arbeits- und Ausbildungsmarkts an die Schulabsolventinnen und -absolventen neben Fachkompetenzen zunehmend auch die sog. „soft skills" in den Blick genommen: Teamfähigkeit, Kompromissfähigkeit, Kooperationsfähigkeit, Flexibilität, emotionale Belastbarkeit, (interkulturelle) Kommunikationsfähigkeit – dies sind nur einige der oft als „weiche Kompetenzen" bezeichneten Fähigkeiten und Fertigkeiten, an die, so heißt es, in einer veränderten Arbeitswelt erhöhte Ansprüche gestellt werden.

Hier rücken gegenwärtig vor allem Defizite – etwa von Auszubildenden – in den Blickpunkt insbesondere der medialen Berichterstattung wie bspw. mangelnde Gewissenhaftigkeit und Verantwortungsbereitschaft, nicht vorhandene Ausdrucksfähigkeit, Unpünktlichkeit, fehlende Motivation, unzureichende Teamfähigkeit etc. Die Stärken junger Berufsanfänger im Kontext ihrer überfachlichen Kompetenzen bleiben meist im Hintergrund verborgen.

Ob nun auf ihre Bedeutung für die hard skills, auf Benotung und Vergleich oder allgemein beklagte Inkompetenzen verengt, die Diskussion der soft skills ist noch immer eine Diskussion von Sekundärkompetenzen. In einer sich kontinuierlich wandelnden Gesellschaft, in der auch Fachkompetenz und allgemeines Wissen einem steten Wandel unterliegt und demgegenüber „weiche Kompeten- zen" von weit beständigerem Charakter zu sein scheinen (vgl. auch Franke in diesem Band), sollte Bildung nicht reduziert werden auf fachliche Fähigkeiten und Fertigkeiten, sondern wieder Raum geben für die Entwicklung der gesamten Persönlichkeit.

Hier schließt der vorliegende Band an und möchte die Diskussion um Bildung und Kompetenzen nicht verengt führen, sondern einen umfassenden, interdisziplinären und – dem Paradigma der aktuellen Bildungsdiskussion entsprechend – formale, informelle und non-formale Bildungsorte und -prozesse einbeziehenden Blick auf die überfachlichen Kompetenzen von Kindern und Jugendlichen in ihren wichtigsten Facetten eröffnen.

Eine Einbindung auch des Diskurses um fachliche Kompetenzen ist sowohl strukturell notwendig als auch inhaltlich sinnvoll, ohne allerdings die soft skills allein in ihren Dienst zu stellen. Persönlichkeitsentwicklung darf und muss stets auch Selbstzweck sein. Grundlegend für die Diskussion ist insbesondere Franz E. Weinerts Definition des Kompetenzbegriffs als „die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können" (Weinert zit. nach Klieme 2004).

Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Kompetenzbegriff „außerhalb der Linguistik (Kompetenz vs. Performanz) in den Sozialwissenschaften gegenwärtig nicht im Konsens definiert" ist (Lexikon Pädagogik 2007, 413).
Inhaltsverzeichnis
Inhalt5
Bildung, Kompetenz, Kompetenz-Bildung – eine Einführung in die Thematik9
1 Bildungsfragen9
2 Kompetenzdiskurs12
3 Die Beiträge14
Literatur16
Bildung sozialer, emotionaler und kommunikativer Kompetenzen: ein komplexer Prozess19
1 Individuelle oder kollektive Fähigkeiten?19
2 Soziale Kompetenz im Spannungsfeld von Gleichaltrigenkultur und schulischer Ordnung23
3 Familiäre und schulische Einflüsse26
4 Bildung sozialer, emotionaler und kommunikativer Kompetenzen: ein komplexer Prozess28
Literatur32
Soft skills: destruktive Potentiale des Kompetenzdenkens35
1 Einleitend35
2 Was sind soft skills?37
3 „Soft skills“, „hard skills“ und die viel missbrauchte Eisbergmetapher39
4 Die Attraktivität von Kompetenzmodellen: Kompetenzidealismus43
5 Zur Ideologie des Kompetenzdenkens46
6 „Replace the Negative with the Positive“ – zur Moral der soft skills48
Literatur51
Veränderte Bedingungen des Aufwachsens53
1 Die „Doppelrolle“ der Familie54
2 Der wachsende Stellenwert der Schule55
3 Freizeit als Konsumzeit56
4 Partnerschaften und Sexualität im Jugendalter56
5 Problemverhalten und Entwicklungsprobleme58
6 Fazit65
Literatur65
„Freizeit“ und „Kultur“ als Bildungsorte – Kompetenzerwerb über non- formale und informelle Praxen von Kindern und Jugendlichen69
1 Bildung ist mehr als Schule69
2 Bildung, Freizeit und kulturelle Praxen von Kindern und Jugendlichen – Hinweise und Vergewisserungen71
3 Kompetenzerwerb in informellen und non-formalen Praxen und Kontexten73
4 Blick für informelle und non-formale Formen des Kompetenzerwerbs sensibilisieren – Ausblick84
Literatur89
Der Wandel familialen Zusammenlebens und seine Bedeutung für die ( schulischen) Bildungsbiographien der Kinder95
1 Familien heute sind auch alternative Familien98
2 Familien sind Scheidungsfamilien?102
3 Kinder sind heute geschwisterlose Kinder?104
4 Familie ist heute Mehrgenerationenfamilie107
5 Mütter sind heute berufstätige Mütter110
6 Familien sind auch arme Familien113
7 Familie sind mediatisierte Familien116
8 Familie ist Aushandlungsfamilie119
9 Eine kurze abschließende Bemerkung121
Literatur122
Facetten Frühkindlicher Bildung in Familie und Kindergarten127
1 Die Bedeutung des Mitziehspiels für den Zugang des Kindes zur Welt128
2 Theorien der Kinder über das Funktionieren der Welt129
3 Der Kindergarten als Türöffner für schulische Bildung132
4 Erwartete und nachweisliche Wirkungen Frühkindlicher Bildungsangebote135
5 Modelle früherer Einschulung und anschlussfähiger Übergänge137
6 Zusammenfassung139
Literatur140
Vom Lehren zum Lernen, von Stoffen zu Kompetenzen – Unterrichtsentwicklung als Schulentwicklung145
1 Zur Richtung der Unterrichtsentwicklung (UE)145
2 „Grammatik von Schule“ als Reformbremse147
3 UE ist mehr als Modernisierung des eigenen Unterrichts148
4 Reflektorische UE153
5 Ein komplexer Ansatz: Kreislauf von UE164
Literatur167
Arbeitsmarktkompetenzen im sozialen Wandel169
1 Ausgangssituation in der beruflichen Bildung169
2 Ausprägungen des sozialen Wandels: vier Beispiele172
3 Systematisierung und Ausblick185
Literatur188
Emotionale, soziale und kommunikative Bildung durch Teilhabe an Verantwortung191
1 Wie muss Schule sich ändern?192
2 Und die Schülerinnen und Schüler?193
3 Verantwortungen194
4 Schluss206
Literatur206
Umgang mit Heterogenität – Stärkung der Selbstund Sozialkompetenz von Kindern in Risikolagen209
1 Lehrerkompetenzen für den Umgang mit Heterogenität210
2 Die Bedeutung von Selbst- und Sozialkompetenzen und ihre sozialschicht- abhängige Entwicklung212
3 Salutogene Ansätze zum Aufbau von Schutzfaktoren bei Kindern in Armut214
4 Selbst- und Sozialkompetenz stärkende Schulkonzepte216
5 Zusammenfassung und Fazit221
Literatur222
Soziale, emotionale und kommunikative Kompetenzen zulassen – ein konsequentes Modell der Öffnung von Unterricht225
1 Schule zwischen Wunsch und Wirklichkeit226
2 Die Grundstrukturen müssen sich ändern – und zwar massiv227
3 Die Ausgangssituation: Tausende emotionale, soziale und kommunikative Kompetenzen auf einem Fleck228
4 Eine Art des Umgangs mit unterschiedlichen emotionalen, sozialen und kommunikativen Kompetenzen231
5 Eine (ganz) andere Art des Umgangs mit unterschiedlichen emotionalen, sozialen und kommunikativen Kompetenzen233
6 Ergebnisse im sozialen Bereich235
7 Ergebnisse im fachlichen Bereich236
8 Was ist guter Unterricht?236
Literatur237
Die Förderung der Selbstregulation durch Hausaufgaben: Herausforderungen und Chancen239
1 Einleitung239
2 Der Status Quo240
3 Elemente von Selbstregulation244
4 Förderung einer selbstregulierten Hausaufgabenpraxis246
5 Ausblick249
Literatur249
(Des-)Integration jugendlicher Migrantinnen und Migranten – Schule und Jugendverbände als Vermittler sozialer Kompetenzen253
1 Einleitung253
2 Ausgangslage – Desintegrationsprozesse von Jugendlichen mit einem Migrationshintergrund in drei Lebenskontexten255
3 Die „neue“ Rolle der Schule264
4 Kooperation zwischen Jugendverbänden und Schulen – ein Plädoyer265
5 Die Rolle der Jugendverbände bei der Vermittlung sozialer Kompetenzen267
6 Fazit271
Literatur272
Was wissen wir über die Kompetenzentwicklung in Ganztagsschulen?275
1 Bildungsqualität und Wirkung außerunterrichtlicher Angebote – ein Modell276
2 Prozessqualität der außerunterrichtlichen Angebote278
3 Nutzung der Angebote280
4 Kontextmerkmale281
5 Empirische Befunde zur Wirkung außerunterrichtlicher Angebote282
Literatur286
Kompetenzentwicklung – zur Förderung sozialer, emotionaler und kommunikativer Kompetenzen von Kindern und Jugendlichen durch Mentoring289
1 Mentoring290
2 Mentoring-Projekte für Schülerinnen und Schüler – eine Auswahl293
3 Das Projekt „Diagnose, Förderung, Ausbildung“ (DINA)296
4 Ein erstes Resümee303
Literatur304
Persönlichkeits- und Kompetenzentwicklung im Kasseler Schülerhilfeprojekt307
1 Lehramtsstudierende brauchen Kontakt zu Kindern307
2 Versuche, das Lehrerstudium mit Leben zu erfüllen308
3 Ein Praxisprojekt als Mitte des Studiums310
4 Die Verschiedenartigkeit von Kindern erfahren311
5 Persönlichkeits- und Kompetenzentwicklung stehen in einem Wechselverhältnis zueinander314
6 Persönlichkeits- und Kompetenzentwicklung müssen ausbalanciert werden314
7 Die Rekrutierung über die Schule präformiert die Erwartungen der Beteiligten316
8 Betreuende Studierende in einer Übergangsposition317
9 Erfahrungen in Ernstsituationen als Grundlage der Bewusstseinsbildung318
10 Lernen in persönlichen Bedeutungszusammenhängen319
11 Mit Kindern ihre Welt entdecken321
12 Die Bedeutung der Patenschaftserfahrungen für Studium und Beruf322
Literatur324
Auswahl von studentischen Arbeiten325
Das Schülerhilfeprojekt Halle als Ort sozialen Lernens327
1 Ziele des Schülerhilfeprojekts Halle328
2 Struktur des Schülerhilfeprojekts330
3 Verankerung des Projekts in theoretischen Diskursen334
4 Aktueller Stand und Entwicklungsperspektiven des Projekts336
5 Zum Schluss338
Literatur338
Zur Förderung sozialer Kompetenzen – eine bindungstheoretische Reflexion des Essener Schülerhilfeprojektes341
1 Konzeptionelle Grundlagen des Schülerhilfeprojektes341
2 Das Schülerhilfeprojekt aus bindungstheoretischer Perspektive344
3 Kompetenzentwicklung aus schulischer Sicht346
4 Reflexionen zur Intensität der emotionalen Bindung349
Literatur350
„Schule für alle“ – ein Projekt zur Förderung fachlicher und überfachlicher Kompetenzen353
1 Das Projekt354
2 Johannes und Wisham355
3 Chancen359
4 Fazit360
Literatur361
Autorinnen und Autoren363

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