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Konflikte innerhalb der Kooperation von Jugendhilfe und Schule. Für ein besseres Verständnis zweier eigenständiger Institutionen

AutorMartina Broek
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl54 Seiten
ISBN9783668030282
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis16,99 EUR
Bachelorarbeit aus dem Jahr 2015 im Fachbereich Soziale Arbeit / Sozialarbeit, Note: 2,0, Evangelische Hochschule für Soziale Arbeit & Diakonie - Das Rauhe Haus, Sprache: Deutsch, Abstract: Die Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Schule gewinnt zunehmend an Bedeutung. Ihr wird ein hohes Potential an Lösungsmöglichkeit für bestehende Probleme zugesprochen. Dies spiegelt sich unter anderem seit 2005 in den Kinder- und Jugendberichten des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend wider. Durch die Entwicklung hin zu Ganztagsschulen verbringen Kinder und Jugendliche deutlich mehr Zeit an Schulen. Daraus ergibt sich gegenüber diesen Kindern und Jugendlichen eine deutlich höhere Verantwortung und ein breiteres Spektrum an Aufgaben, welche zunehmend nicht mehr alleine von Schule bewältigt werden können. Die Kooperation von Jugendhilfe und Schule bietet ein enormes Potenzial für Spannungen und Konflikte. Was passiert, wenn zwei so unterschiedlich geprägte eigenständige Institutionen aufeinander treffen, um dann mit dem gleichen Klientel, aber anderen Vorstellungen und Zielsetzungen miteinander kooperieren wollen? Wie klein muss die Schnittmenge mindestens sein, damit es noch sinnvoll ist, miteinander zu kooperieren und wo liegt auf der anderen Seite der große Gewinn einer solchen Kooperation? Diesen Fragen soll in dieser Arbeit nachgegangen werden.

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Leseprobe

4. Die „Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen“


 

Innerhalb der „Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen“ (StEG, Deutsches Jugendinstitut 2012) kooperieren vier Forschungseinrichtungen miteinander: das „Deutsche Institut für Internationale Pädagogische Forschung“ (DIPF), das „Deutsche Jugendinstitut“ (DJI), das „Institut für Schulentwicklungsforschung“ (IFS) der Technischen Universität Dortmund sowie die Justus-Liebig-Universität Gießen.

 

Bereits abgeschlossen ist die 1. Projektphase (2005-2009). Bundesweit gab es drei Befragungen an mehr als 300 Ganztagsschulen. Befragt wurden Schüler_innen, Eltern, Schulleitungen, Lehrkräfte und weiteres pädagogisches Personal.

 

Seit 2012 findet die 2. Projektphase der Befragung bis voraussichtlich 2015 statt. Inhalt der Befragungen sind übergeordnet die Wirkungen von Ganztagsschulen auf Schüler_innen, Eltern, Lehrkräfte und Pädagog_innen. Ziel der gesamten Studie ist es u.a. herauszufinden, unter welchen Bedingungen Kinder und Jugendliche gut lernen können. Neben dem kognitiven Lernen geht es um die Sozialfähigkeiten der Kinder und Jugendlichen (vgl. Steiner 2012,14). Am Ende der Studie sollen langfristige Ergebnisse aufgezeigt werden. Diese sollen u.a. Aussagen treffen, inwieweit eine Ganztagsschule in diesem und weiteren Bereichen Unterschiede zu existierenden Halbtagsschulen verzeichnen können (DJI 2012). 

 

Ganztagsschulen sollen Kindern und Jugendlichen einen größtmöglichen Freiraum für eine eigenständige Gestaltung durch z.B. Sportaktivitäten, Kochkurse, Theater-AGs usw. bieten. Hierbei kommt der Kooperation der Schule mit verschiedenen außerschulischen Partnern (u.a. der Kinder- und Jugendhilfe) eine große Bedeutung zu. Die hieraus entstandene Vielfalt soll dem erweitertem Bildungsanspruch Rechnung tragen (vgl. Steiner 2012, 14). Nach ersten Ergebnissen zeigt sich, dass die Kooperationspartner durch Angebote an Ganztagsschulen mehr Kinder und Jugendliche erreichen als zuvor und die Jugendhilfe somit von der Kooperation profitiert (vgl. Holtappels, u.a. 2007, 370).

 

Neben positiven Aspekten werden auch Unzufriedenheiten innerhalb der Studie deutlich (vgl. Züchner 2014, 14ff). Wesentlich gelten hierbei die unterschiedlichen Kooperationsbeziehungen zwischen den Lehrkräften und Sozialpädagog_innen. Dabei geht es sowohl um inhaltliche und finanzielle Themen, wie auch um ablaufbezogene Erwartungen, die nicht ausreichend erfüllt wurden. Die geforderte Kooperation „auf Augenhöhe zwischen Schulen und Partnern“ wurde strukturell als kaum umsetzbar benannt (vgl. ebd. 15).

 

Steiner (vgl. ebd.) bezieht sich in seinem Artikel u.a. auf Ditton, der sich mit der Schulqualitätsforschung befasste. Die Schulqualitätsforschung benennt, dass kooperative Arbeitsbeziehungen und positive Sozialbeziehungen ein gutes Schulklima hervorrufen und „anregende schulische Bedingungen die individuelle Kompetenzentwicklung der Schüler und Schülerinnen“ fördern (vgl. ebd.). Hier wird die Wichtigkeit einer hohen Zufriedenheit unter den Kooperationspartnern deutlich. Sie spiegelt sich nicht zuletzt in der pädagogischen Qualität von Angeboten wieder - einem weiteren Indikator für eine mögliche positive Entwicklung von Schüler_innen im Kontext von Ganztagsschulen (vgl. Steiner 2012, 16). Die Studie zeigt außerdem, dass die Zufriedenheit der Sozialarbeiter_innen mit der Mitwirkung an Gremien (Ganztagsgremien oder die Beteiligung an Lehrer_innenkonferenzen) steigt. Zudem war eine hohe Zufriedenheit zu verzeichnen, wenn sich die Partner (in dem Fall die Jugendhilfe) als gleichberechtigt innerhalb der Schule wahrnehmen konnten. Die am häufigsten genannte Problemstellung war die Einschätzung des Verhaltens von Schüler_innen. Deutlich wurde auch, dass sich die Jugendsozialarbeit bei den Studien unter allen Trägern am flexibelsten zeigte, was die Erweiterung eines Angebotsspektrums, die Erschließung neuer Arbeitsfelder und die Veränderung von Arbeitsweisen betraf. Unter allen Trägern waren sie am ehesten zur Anpassung bereit (vgl. Züchner 2014, 16), ob dies positiv oder negativ zu werten ist, bleibt zunächst offen.

 

Laut Züchner übernimmt die Jugendsozialarbeit im Kontext von Ganztagsschule häufig die Funktion eines „Generalanbieters“ (vgl. ebd.). Züchner fragt abschließend, ob sich daraus schließen lässt, dass die Jugendsoziarbeit, neben anderen Partnern an einer Ganztagsschule (bspw. Sportvereine und Kunstvereine) eine Art „Premium-Partner“ ist oder aufgrund der Aufgabenübernahme und geringerer Spezialisierung eher zu einem „Mädchen für alles“ wird (ebd. 16–17). Auch in anderen literarischen Kontexten sind solche oder ähnliche Bezeichnungen für die Jugendhilfe an Schulen zu finden. Wie ein solches Bild von Jugendarbeit an Schulen entsteht, bleibt Thema dieser Arbeit.

 

Unterschiedliche Autoren sehen in diesen und ähnlichen konfliktbeladenden Themen der Kooperationsbeziehung den Ursprung in ihrer historischen Entwicklung. Sie benennen die Trennung der beiden Institutionen um 1920, aus denen die zwei unterschiedlichen und selbstständigen Institutionen entstanden sind (vgl. Krüger/Stange 2008, 13).

 

Immer wieder entstehen in diesem Zusammenhang Fragen der eigenen Identifizierung und Abgrenzung. Gerade aber die Abgrenzung beider Institutionen voneinander kann sich negativ auswirken. Hierauf wird im späteren Verlauf der Arbeit näher eingegangen werden. Die Jugendhilfe hat Sorge, dass „fünfte Rad am Wagen“ zu werden (vgl. Böllert 2012, 38). Diese Befürchtung nährt sich u.a. in den Erfahrungen mit der Schulsozialarbeit, die des häufigeren noch immer mit dem Status eines „Anhängsels“ von Schule zu kämpfen hat (vgl. ebd.). Damit einher geht der Bedeutungsverlust von der bspw. offenen Kinder- und Jugendarbeit. Wenn der gesamte Tag von dem Bereich Schule abgedeckt wird, wo bleibt Zeit für frei gestaltete Arbeitsbereiche der Jugendarbeit (vgl. Forum-Redaktion 2012, 24)? Es wird argumentiert, dass die Offene Kinder- und Jugendarbeit in keinem Fall der Schule als „Juniorpartner“ dienen darf (vgl. Daum/Kaempf 2009, 61). Deutlich ist also die Frage nach Anerkennung und Wertschätzung für die außerschulischen Bildungsprozesse gestellt (vgl. Böllert 2012, 38).

 

Auf fünf unterschiedliche Konfliktfelder in der Kooperation von Jugendhilfe und Schule wird im Folgenden eingegangen. Diese werden dann in Bezug zu dem Kooperationsverständnis nach van Santen und Seckinger gestellt.

 

4.1 Unterschiedliche Informationsstände


 

Die historische Trennung von Jugendhilfe und Schule brachte einen verringerten Wissensstand über die jeweilige andere Institution mit sich. Wenn Krüger von der heutigen Zeit schreibt, benennt er, von der Jugendhilfe ausgehend, dass sie sich kaum mit Schule und Schulpädagogik befasst (vgl. Krüger 2008, 163). Krüger geht davon aus, dass Sozialpädagog_innen ihr Wissen häufig aus eigenen Schulerfahrungen oder als Elternteil im Kontext Schule beziehen und im ungünstigsten Fall eigene negative Schulerfahrungen im beruflichen Kontext abarbeiten (vgl. ebd.). Wissensbestände sind meist laienhaft und wenig fundiert. Um dies zu kompensieren, verfallen die Sozialpädagog_innen in den Rückzug oder aber sie stabilisieren ihr eigenes Selbstbild, indem sie den Lehrkräften oder dem System Schule Defizite und Schwächen nachweisen (vgl. Olk 2004, 76). Selten wird gesehen, dass Schule mittlerweile weit mehr ist, als nur ein Ort der Wissensvermittlung und für Kinder und Jugendliche ein zentraler Ort der Anerkennung und der sozialen Kontakte ist (vgl. Lang/Wahl 2010, 23).

 

Andersherum verfügt aber auch Schule über wenig Wissen über das Jugendhilfesystem bzw. Verfahren innerhalb der Sozialarbeit (vgl. Krüger 2008, 163). Aufgrund der Vielfalt von Jugendarbeit ist diese für Schule meist undurchschaubar und verwirrend (vgl. Lang/Wahl 2010, 23).

 

So kommt es im Berufsleben häufig zu falschen Erwartungen. Seitens der Lehrerschaft werden den Sozialpädagog_innen idealistische und realitätsferne Vorstellungen von Kindern und Jugendlichen zugeschrieben, welche mit schulischen Anforderungen und Abläufen kaum zu vereinbaren sind (vgl. Olk 2004, 76). Darüber hinaus entsteht in der Praxis häufig eine Erwartung, dass Sozialpädagog_innen Kinder und Jugendliche mit sozialen Auffälligkeiten wieder zu lernfähigen Schüler_innen machen soll. Jugendhilfe kann somit als „Krisenfeuerwehr“ und „Reparaturdienst“ missverstanden werden (vgl. Olk 2004, 73). Speck (2006,359) benennt in diesem Zusammenhang, dass solche Zuschreibungen zu einem „doppelten Mandat“ (ebd.) innerhalb der Jugendhilfe führen können. Denn die Funktion eines „Pannenhelfers“ kann durchaus zur Anerkennung bei den Lehrkräften führen, was jedoch den Nachteil mit sich bringen würde, dass man ein hierarchisches Kooperationsmodell im System Schule schaffen würde. Dies ist aber nicht im Sinne der Kooperation. Zudem könnte dies ein Vertrauensbruch bei den problembeladenen Kindern und Jugendlichen bedeuten, da die Schüler_innen womöglich in dieser Art von Allianz innerhalb der Kooperation eine Gefahr wahrnehmen und sich nicht mehr anvertrauen. Versteht sich die Jugendhilfe hingegen ausschließlich als Anwalt des Kindes oder Jugendlichen und solidarisiert sich mit diesem, kann dies die...

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