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E-Book

Konzepte zur Sprach- und Schriftsprachförderung: Praxiserfahrungen

VerlagKohlhammer Verlag
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl174 Seiten
ISBN9783170344822
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis28,99 EUR
Dieser Band demonstriert anhand einiger Beispiele die konkrete Arbeit mit Konzepten der Sprach- und Schriftsprachförderung im Elementar- und Schulbereich. Autorinnen und Autoren aus exemplarischen BiSS-Verbünden, in denen mehrere Kitas oder Schulen zusammen arbeiten, erläutern, welche Ziele der jeweilige Verbund mit seinem Konzept verfolgt und über welche Wege diese Ziele erreicht werden sollen. Ausführlich wird dabei auf Vorgehensweisen und Instrumente (Tools) eingegangen, die im Bereich Diagnostik, Förderung und Professionalisierung zum Einsatz kommen und auch darauf, was die Autorinnen und Autoren als Belege für den Erfolg der eigenen Arbeit bewerten. Erläutert wird außerdem, wie die Kitas oder Schulen eines Verbundes ihre Kooperation organisiert haben.

Die Herausgeberinnen und der Herausgeber sind am Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) in Frankfurt am Main tätig.

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Leseprobe

Kapitel 2:
»Was passiert denn hier?« – Alltagsintegrierte sprachliche Bildung – Professionalisierung und Lerntransfer gestalten


Sarah Girlich & Christine Steinmetzer


Im Rahmen der Bund-Länder-Initiative »Bildung durch Sprache und Schrift« (BiSS) schließen sich unterschiedliche Bildungseinrichtungen zu Verbünden zusammen. Ziel ist es, Konzepte zur sprachlichen Bildung und Förderung gemeinsam zu erproben und weiterzuentwickeln. Der sächsische Kita-Verbund der Kindertageseinrichtungen des AfJFB (Amt für Jugend, Familie und Bildung) Leipzig arbeitet zusammen mit dem LakoS (Landeskompetenzzentrum zur Sprachförderung an Kindertageseinrichtungen in Sachsen) an dem Schwerpunkt »gezielte alltagsintegrierte Sprachbildung«.

Im Verbund werden u. a. Strategien zur alltagsintegrierten sprachlichen Bildung in Form einer Professionalisierungsmaßnahme an pädagogische Fachkräfte vermittelt, in den Kitas erprobt und im Nachhinein reflektiert. Im Beitrag wird beispielhaft die konzeptuelle Entwicklung und Vermittlung eines Curriculums zur alltagsintegrierten sprachlichen Bildung dargestellt. Bei der Entwicklung des Curriculums wurde darauf geachtet, die »Transferlücke« zwischen Fortbildung und dem Arbeitsalltag der pädagogischen Fachkräfte zu schließen, um die Nachhaltigkeit des Themas sowohl auf Ebene der Fachkräfte als auch in den Einrichtungen zu gewährleisten. Dabei wurde sich auf kompetenzorientierte Professionalisierungsmaßnahmen (Fröhlich-Gildhoff, Nentwig-Gesemann & Pietsch, 2011) und evidenzbasierte Transferfaktoren (Grossman & Salas, 2011) gestützt. Neben der Vermittlung des Fachwissens zur alltagsintegrierten Sprachbildungsarbeit und der Erweiterung und Festigung von vorhandenen Kompetenzen wurde der Transfer in den Arbeitsalltag u. a. durch geschaffene Ressourcen zur Bearbeitung (z. B. kinderfreie Verfügungszeit sowie Sachmittel für Technik und Material), Praxisaufträge und anschließende einrichtungsübergreifende Gelegenheiten zum Praxisaustausch gesichert.

Einleitung


Stellen Sie sich vor, Sie sind Wissenschaftlerin oder Wissenschaftler und möchten eine Ihnen völlig unbekannte Sprache erforschen. Hierfür begeben Sie sich in die Lebenswelt der Sprecher dieser Sprache und beobachten alle nonverbalen und verbalen Äußerungen. Plötzlich läuft ein Hase an Ihnen vorbei und alle um Sie herum rufen: »Gavagai«. Was könnte dieses Wort bedeuten? Vielleicht ist es sogar ein Satz? Ist es ein Teil des Hasen oder vielleicht heißt es auch »Schau mal!«? Könnte es »hüpfen« oder gar »Heute um zwölf gibt es Spaghetti!« bedeuten? Die Zahl der Bedeutungsmöglichkeiten scheint unbegrenzt.

Dieses an Quine (1960) angelehnte Gedankenexperiment soll ein kurzes Gefühl vermitteln, wie es Kindern beim Erwerb einer Sprache ergehen muss. Obwohl nicht alle sprachlichen Äußerungen immer eindeutig sind, müssen die Kinder dennoch herausfinden, was diese Lautkombinationen bedeuten. Selbst wenn Sie als »Forscherin bzw. Forscher« Ihr Wissen um die eigene Sprache mitbringen, kann dies eine Herausforderung sein. Kinder scheinen in den frühen Lebensjahren keine Probleme zu haben, Sprache(n) zu erwerben. Scheinbar mühelos werden aus dem »Sprachstrom« anderer Personen einzelne Phoneme (Laute der Sprache) herausgehört und auf allen linguistischen Ebenen Strategien gefunden, um die Umgebungssprache zu verstehen und selbst zu sprechen.

Was genau während des kindlichen Spracherwerbs geschieht, wird in der Spracherwerbsforschung in unzähligen Studien untersucht. In den letzten Jahrzehnten haben sich auf theoretischer Ebene zwei Hauptansätze hervorgetan. Der nativistisch/generativistische Ansatz (u. a. Chomsky 1986, 1988) und der konstruktivistisch/usage-based Ansatz (u. a. Tomasello 2000, 2003). Im Rahmen des hier vorgestellten Konzeptes wurde in der Arbeit mit den pädagogischen Fachkräften ein eher konstruktivistischer Ansatz verfolgt. In diesem wird (im Gegensatz zum nativistischen Ansatz) nicht davon ausgegangen, dass Kinder ein angeborenes Wissen um grammatikalische Kategorien, wie bspw. das Verb, haben. Im konstruktivistischen Denken erwerben Kinder Sprache und solche grammatikalischen Kategorien erst durch das Generalisieren, d. h. Verallgemeinern, der gehörten Sprache, die sie umgibt. An dieser Stelle wird deutlich, wie wichtig der sprachliche Input des Umfeldes für den Spracherwerb der Kinder ist. Spracherwerb wird hier zusammen mit der kognitiven Entwicklung gesehen. Auch der Drang der Kinder selbst nach Kommunikation, und danach, andere verstehen zu wollen und sich selbst auszudrücken, formt die Sprachentwicklung der Kinder (u. a. Tomasello, 2003).

Der Zusammenhang zwischen sprachlichem Input und der Sprachentwicklung der Kinder gibt pädagogischen Fachkräften die Möglichkeit, durch ihr eigenes sprachliches Handeln die Entwicklung der Kinder mit zu beeinflussen. Hierbei steht nicht nur die Quantität der sprachlichen Äußerungen im Vordergrund, sondern vor allem die Qualität des sprachlichen Angebots und der sprachlichen Interaktionen zwischen Kind und Fachkraft. Durch Qualifizierungs- und Fortbildungsmaßnahmen können Fachkräfte an ihren vorhandenen Kompetenzen ansetzen und die Interaktionsqualität zwischen Fachkraft und Kind beispielsweise mit Hilfe sprachbildender und -förderlicher Strategien verbessern.

Um eine Veränderung im (professionellen) Handeln zu erwirken, reicht es nicht, die jeweiligen Methoden und Strategien nur theoretisch zu vermitteln und auf einen Übertrag in den Alltag zu hoffen. Es stellt sich die Frage, welche Bedingungen und Faktoren erfüllt sein müssen, um einen Transfer von in Fortbildungen vermitteltem Wissen und Kompetenzen in den Arbeitsalltag der Fachkräfte stattfinden zu lassen (Grossman & Salas, 2011). Ziel des hier vorgestellten Konzeptes war es u. a., diese Transferlücke durch den Einbezug der konkreten Arbeitswelt der pädagogischen Fachkräfte zu schließen.

1          Die Konzeption eines Curriculums zur sprachlichen Bildung


Zur Umsetzung des Konzepts der alltagsintegrierten sprachlichen Bildung in den Kindertageseinrichtungen des sächsischen Verbundes entschieden sich die Koordinatorinnen des LakoS gemeinsam mit dem Träger der Einrichtungen zur Professionalisierung ausgewählter pädagogischer Fachkräfte aus den teilnehmenden Kindertageseinrichtungen durch ein Fortbildungscurriculum. Maßgeblich für die konzeptuelle und inhaltliche Erarbeitung des Curriculums war es, kompetenzorientierte Module im Bereich alltagsintegrierter sprachlicher Bildung und ausgewählter Schnittstellen (u. a. Zusammenarbeit mit Familien, Besonderheiten mehrsprachigen Aufwachsens, Vorstellen ausgewählter Sprachstörungen im Kindesalter) zu entwickeln. Die Fortbildung sollte auf die jeweiligen Handlungsanforderungen, die im Alltag auf die Fachkräfte warten, ausgerichtet sein. Leitend war dabei das Ziel, pädagogische Fachkräfte zu unterstützen und anzuleiten, ihr neu erworbenes Fachwissen und die vermittelten Kompetenzen dauerhaft, sicher und gezielt in ihr pädagogisches Handeln im Arbeitsalltag zu übertragen und zu reflektieren. Aus diesem Grund wurde ein Schwerpunkt bei der Gestaltung der Module auf unterschiedliche Möglichkeiten des Lerntransfers (also der Übertragung der Fortbildungsinhalte auf den Kita-Alltag) und der Implementierung des Erlernten in die pädagogische Praxis gelegt.

1.1         Ziele


Die Sicherung und Weiterentwicklung von Qualitätsstandards in den Kindertageseinrichtungen sind im § 22a Sozialgesetzbuch (SGB VIII, 2017) geregelt und liegen im Verantwortungsbereich der Träger der freien Jugendhilfe. Konkret für das Land Sachsen, formuliert im Gesetz über Kindertageseinrichtungen (SächsKitaG, 2009, online-Quelle ohne Seitenangaben), heißt es im § 21 Abs. 1: »Die Qualität der Arbeit in den Einrichtungen wird durch die Träger mittels geeigneter Maßnahmen sichergestellt und weiterentwickelt. Die Qualitätssicherung soll in den Konzeptionen festgeschrieben werden.« Um diesem Auftrag gerecht zu werden, wurde der Verbund des Amtes für Jugend, Familie und Bildung der Stadt Leipzig mit dem übergeordneten Ziel gegründet, geeignete Maßnahmen zur nachhaltigen Implementierung von Fachwissen und Kompetenzen im Bereich der alltagsintegrierten sprachlichen Bildung zu erproben und daraus Rückschlüsse für die Qualitätsentwicklung und -sicherung sowie für die Konzeptionsarbeit zu ziehen.

Ebene der Institution


In Sachsen wurde im Rahmen des Landesmodellprojekts Sprache fördern (2007-2011) ein...

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