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Kooperatives Verhalten in Spielshows. Eine Analyse auf Basis von Golden Balls

AutorGabriele Alheid
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl63 Seiten
ISBN9783656888369
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis23,99 EUR
Masterarbeit aus dem Jahr 2014 im Fachbereich Psychologie - Sonstiges, Note: 1,3, Universität Kassel (Volkswirtschaftslehre), Sprache: Deutsch, Abstract: Laborexperimente gelten seit jeher als Grundlage wissenschaftlicher Untersuchungen. Ihre Etablierung in den Wirtschaftswissenschaften, insbesondere im Bereich der Verhaltensökonomik, resultiert aus den daraus gewonnenen Einblicken in menschliche Verhaltensweisen, die mit anderen Mitteln nur schwer beobachtbar wären. Wegen ihres künstlichen Charakters, den geringen monetären Anreizen sowie den homogenen Stichproben wird die Sinnhaftigkeit von Laborexperimenten in der ökonomischen Forschung jedoch häufig in Frage gestellt. Insbesondere eine Verallgemeinerung der erzielten Ergebnisse auf die Grundgesamtheit wird oftmals, aufgrund ihrer geringen externen Validität, angezweifelt. Um dieser Problematik zu entgehen, werden vermehrt Feldexperimente herangezogen.Da auch diese Nachteilen in Form von höherem Zeit- und Kostenaufwand sowie einer zu geringen internen Validität unterliegen, greifen Ökonomen in den letzten Jahren vermehrt auf sogenannte natürliche Experimente zurück. In diesem Zusammenhang hat sich insbesondere die Analyse von Fernsehspielshows etabliert, denn diese weisen Merkmale und Abläufe auf, die denen eines ökonomischen Experiments gleichen. Sie bieten wirksame Möglichkeiten, die Beständigkeit und Realitätstreue der vorhandenen Ergebnisse aus Laborexperimenten zu prüfen. Die vorliegende Arbeit untersucht kooperatives Verhalten in der britischen Fernsehspielshow Golden Balls und geht dabei zwei wesentlichen Fragestellungen nach: Zum einen soll untersucht werden, welche Variablen das Kooperationsverhalten der Kandidaten in der Sendung beeinflussen. Zum anderen soll analysiert werden, inwiefern sich das Kooperationsverhalten von Kandidaten einer Spielshow im Vergleich zu jenem von Probanden eines Laborexperiments unterscheidet. An dieser Stelle soll insbesondere der Frage nachgegangen werden, ob die Unterschiede in den Ergebnissen derart gravierend sind, dass sie Fragen nach der Sinnhaftigkeit von Laborexperimenten aufwerfen. Die Sendung Golden Balls eignet sich aus zwei Gründen besonders gut für die Analyse des Kooperationsverhalten von Kandidaten: Einerseits stellt die Finalrunde der Show spieltheoretisch ein Gefangenendilemma dar. Andererseits stellt Golden Balls hohe Gewinnsummen für die Probanden bereit. Da die geringen monetären Anreize in Laborexperimenten oft zum Anlass genommen werden, die Güte von empirischen Studien auf Basis solcher Experimente zu hinterfragen, hat diese Analyse für beide Fragestellungen der Arbeit einen hohen Stellenwert.

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Leseprobe

3. Literaturüberblick


 

Wie die empirische Forschung des letzten Jahrzehnts zeigen konnte, weisen Menschen unterschiedliche Muster von kooperativem Verhalten in sozialen Dilemmata[6] auf. Kooperatives Verhalten liegt vor, wenn Individuen die Maximierung des gemeinsamen Ertrags über die des individuellen Ertrags stellen (vgl. Brosig, 2002, S.275), während soziale Dilemmata Situationen darstellen, in denen Individuen einen Konflikt zwischen der Maximierung ihres persönlichen Gewinns und dem kollektiven Interesse sehen (vgl. Ledyard, 1995, S.112; Dawes, Messick, 2000, S.111; Shankar, Pavitt, 2002, S.251; Balliet et al., 2011). Dem renommierten Psychologen Robyn Mason Dawes (1980) zufolge definieren sich soziale Dilemmata wie folgt: „Such dilemmas are defined by two simple properties: (a) each individual receives a higher payoff for socially defecting choice (e.g. having additional children, using all the energy available, polluting his or her neighbors) than for socially cooperative choice, no matter what the other individuals do, but (b) all individuals are better off if all cooperate than if all defect” (Dawes, 1980, S.169). Eine Vielzahl experimenteller Studien konnte nachweisen, dass Menschen in Dilemmasituationen entgegen der Prognose der ökonomischen Standardtheorie handeln, welche den Annahmen entspricht, dass Individuen sich stets nach dem Vorbild des rational und egoistisch handelnden Homo Oeconomicus verhalten. Die Ergebnisse deuten durchweg auf eine signifikant positive Kooperationsbereitschaft, obwohl Defektion die dominante Strategie wäre (vgl. Brosig, 2002, S.275; van den Assem et al., 2012, S.2 f.). Diesbezügliche Ergebnisse lassen sich beispielsweise aus Labor- und Feldexperimenten ableiten. Zudem werden mittlerweile vermehrt Daten ausgewertet, die sich aus Fernsehspielshows ableiten lassen. Diese bieten den Vorteil einer neuen Perspektive auf wichtige wirtschaftliche Phänomene in Verbindung mit hohen Gewinnsummen, die sich im Labor nur schwer untersuchen lassen. Neben Golden Balls existieren zwei weitere Sendungen, deren Finalrunde in einem Gefangenendilemma mit schwach dominanten Strategien endet: zum einen die US-Spielshow Friend or Foe und zum anderen die niederländische Spielshow Will (s)he share or not? (Originaltitel: Deelt ie ‘t of deelt ie ‘t niet?). Demzufolge weisen die finalen Runden aller drei Sendungen deutliche Überschneidungen auf, weswegen sich im Folgenden ein direkter Vergleich anbietet.

 

Die amerikanische Fernsehspielshow Friend or Foe besteht aus vier Runden, in denen die Kandidaten paarweise Fragen beantworten müssen. Die Gewinnsummen liegen zwischen $200 und maximal $22.000 und sind im Vergleich zu Golden Balls bedeutend geringer. In der finalen Runde müssen beide Kandidaten simultan darüber entscheiden, ob sie ihren Mitspieler zum Freund (friend) oder Feind (foe) erklären. Im Gegensatz zu Golden Balls scheidet die Möglichkeit der vorherigen Kommunikation allerdings aus. Die Auszahlungsstruktur gleicht allerdings der von Golden Balls: Kooperieren beide Spieler, wird der Jackpot aufgeteilt, defektieren beide, verfällt der Gewinn. Ernennt ein Spieler seinen Mitspieler zum Feind, während der andere ihn als Freund ansieht, erhält Ersterer die volle Gewinnsumme (vgl. List 2004, 2006; Oberholzer-Gee et al. 2003, 2010).

 

Will (s)he share or not? beginnt mit fünf Kandidaten, die sich durch die Beantwortung von Quizfragen, einen Jackpot erspielen können. Die Gewinnsummen variieren zwischen €300 und €27.000 und liegen ebenfalls unter denen von Golden Balls. Am Ende jeder der insgesamt drei Runden muss der Spieler mit dem höchsten erspielten Geldbetrag einen der verbleibenden Spieler nominieren, der das Spiel verlassen soll. Im Gegensatz zu Golden Balls wird die Entscheidung, wer das Spiel verlassen soll, lediglich von einem Spieler getroffen. Die anderen Spieler haben hingegen kein Mitspracherecht. Am Ende der dritten Runde sucht sich der Spieler mit dem höchsten Geldbetrag seinen finalen Gegner aus den beiden verbliebenen Kandidaten aus. Der finale Jackpot ergibt sich aus der Summe der Geldbeträge der beiden Finalisten. Auch hier müssen beide Spieler gleichzeitig eine Entscheidung darüber treffen, ob sie das Geld aufteilen (share) oder nicht (grab). Entscheiden sich beide Kandidaten dafür zu teilen, erhalten beide die Hälfte des Jackpots, entscheidet sich lediglich ein Spieler dazu zu teilen, bekommt sein Gegenspieler den gesamten Jackpot. Entscheiden sich jedoch beide Kandidaten gegen das Aufteilen der Geldsumme, erhalten sie eine Auszahlung von Null. Die Auszahlungsstruktur gleicht ebenfalls der eines schwachen Gefangenendilemmas, bei der grab die schwach dominante Strategie ist. Bevor die Kandidaten eine endgültige Entscheidung treffen müssen, haben sie wie bei Golden Balls die Möglichkeit, sich zu besprechen. Auch hier handelt es sich spieltheoretisch gesehen um Cheap Talk, da sämtliche Versprechungen nicht bindend sind und infolgedessen keinen Einfluss auf die Auszahlung haben (vgl. Belot et al., 2010, S.397 ff., Belot et. al., 2012a, S.248 f.; Belot et al., 2012b, S.854 f.).

 

Zu Golden Balls existieren derzeit drei Studien, die im Laufe der Arbeit stets zum Vergleich herangezogen werden. Die Studien unterscheiden sich hinsichtlich der Stichprobengröße sowie der zu testenden Variablen[7] (vgl. hierzu Darai, Grätz, 2011; van den Assem et al., 2012, Burton-Chellew, West, 2012).

 

Der nachfolgende Abschnitt bietet einen Überblick über jene Variablen, denen in der Literatur ein Einfluss auf die Kooperationsbereitschaft im sozialen Dilemma zugesprochen wird.

 

3.1 Demographische Merkmale


 

Die Beziehung zwischen demografischen Merkmalen und kooperativem Verhalten wurde bereits in diversen experimentellen Studien untersucht, wobei dem Merkmal des Geschlechts dabei die größte Aufmerksamkeit zuteilwurde[8]. Studien der experimentellen Ökonomik, der Psychologie oder der Politikwissenschaft legen nahe, dass das Geschlecht eine wichtige Determinante für strategisches Verhalten von Individuen darstellt (vgl. Croson, Buchan, 1999, S.386). Bereits Charles Darwin stellte 1874 fest, dass Frauen im Vergleich zu Männern weniger egoistisch handeln, Männer jedoch wetteifernder agieren (Darwin, 1874, S.586). Gefangenendilemma-Spiele bieten eine gute Grundlage zur Analyse geschlechterspezifischer Unterschiede (vgl. Ortmann, Tichy, 1999, S.328). Die Ergebnisse der Studien in diesem Zusammenhang weisen jedoch Diskrepanzen auf: Während einige schlussfolgern, dass sich Männer in einer Dilemmasituation kooperativer verhalten als Frauen (vgl. Rapoport, Chammah, 1965; Kahn et al., 1971; Mack, et al., 1971), können andere keinen signifikanten Einfluss des Geschlechts auf die Kooperationsbereitschaft erkennen (vgl. Dawes et al., 1977; Caldwell, 1976; Goehring, Kahan, 1976; Sell et al., 1993; Orbell et al., 1994; Simpson, 2003). Ein Großteil der ökonomischen Arbeiten kommt jedoch zu der Erkenntnis, dass sich Frauen in einem Gefangenendilemma-Spiel signifikant kooperativer verhalten als Männer (vgl. Sibley et al., 1968; Fisher, Smith, 1969; Smith et al., 1975; Frank et al, 1993; James et al., 2001; Hu, Liu, 2003; Kümmerli et al., 2007; Molina et al., 2013). Begründet wird dies oft mit unterschiedlichen Neigungen der Geschlechter. Während Frauen eher zu sozial-orientierten, selbstlosen und großzügigen Verhaltensweisen tendieren, sind Männer oftmals von Egoismus und Konkurrenzbewusstsein geprägt (vgl. hierzu u.a. Eckel, Grossman, 1998, S.726; Croson, Buchan, 1999, S.387; Camerer, 2003, S.64; Carpenter et al., 2008, S.296; Croson, Gneezy, 2009, S.448). Ortmann und Tichy (1999) konnten in ihrem Laborexperiment zum Gefangenendilemma stark signifikante Unterschiede in der Kooperationsbereitschaft von männlichen und weiblichen Probanden aufzeigen (p = 0,021). Die durchschnittliche Kooperationsrate der Frauen lag mit 62% deutlich über jener der Männer, welche bloß 41% betrug. Wie sich allerdings herausstellte, nahm die signifikant höhere Kooperationsbereitschaft der Frauen mit Anzahl der Runden ab. Die Autoren vermuten, dass Frauen und Männer die anfängliche Laborsituation unterschiedlich wahrnehmen. Werden jedoch mehrere Runden gespielt, konvergieren die Kooperationsraten, da sowohl Männer als auch Frauen konditional kooperieren. Das heißt, beide Geschlechter nutzen ihre Erfahrungen aus vorangegangen Runden, um Rückschlüsse auf die Kooperationsbereitschaft ihrer Mitspieler zu ziehen und passen ihre Strategien daran an, ob ihr Gegenspieler kooperiert oder defektiert (vgl. Ortmann, Tichy, 1999, S.334 ff.).

 

Auch in natürlichen Experimenten auf Basis von Spielshows wurde der Effekt des Geschlechts auf die Kooperationsbereitschaft bereits untersucht: Analysen des Gefangenendilemmas bei Friend or Foe ergaben, dass Männer im Vergleich zu Frauen sowohl egoistischer als auch risikogeneigter agierten und durchschnittlich einen um 70% höheren Gewinn erzielten. Frauen waren eher geneigt, den gemeinsam erspielten Gewinn mit ihrem Quizpartner zu teilen (vgl. List, 2006, S.465; Oberholzer-Gee et al., 2010, S.183 f.). Bei der Fernsehspielshow Will (s)he share or not? konnte ebenfalls nachgewiesen werden, dass die Wahrscheinlichkeit, dass weibliche Teilnehmer ihren Gewinn...

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