Zu den Zielen des Sozialgesetzbuches gehört es u. a., soziale Sicherheit zu verwirklichen und dazu Sozialleistungen zu gestalten (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 SGB I). Das Krankengeld ist eine Leistung, die dazu beiträgt, soziale Sicherheit in den Fällen herzustellen, in denen es dem Einzelnen aus bestimmten Gründen nicht möglich ist, den Lebensunterhalt sicherzustellen. Einer dieser Gründe ist die Arbeitsunfähigkeit im Sinne des Sozialgesetzbuchs. Daneben sind aber auch andere Tatbestände denkbar, die den Einzelnen daran hindern, eine Arbeitsleistung zu erbringen und so den Lebensunterhalt sicherzustellen. Wenn das Sozialgesetzbuch dazu eine Rechtsgrundlage enthält, besteht ein Anspruch auf Krankengeld.
Leistungsgründe für den Anspruch auf Krankengeld ergeben sich aus §§ 24b, 44, 44a und 45 SGB V.
Es besteht ein Anspruch auf Krankengeld, wenn Versicherte wegen einer wegen Krankheit erforderlichen Sterilisation oder wegen eines nicht rechtswidrigen Abbruchs der Schwangerschaft durch einen Arzt arbeitsunfähig werden (vgl. § 24b Abs. 2 Satz 2 SGB V). Der Anspruch richtet sich nach § 24b SGB V, wenn und soweit der Eingriff nicht Krankheit zur Folge hat.
Nicht rechtswidrig ist
eine Sterilisation, wenn sie medizinisch erforderlich ist und nach freier Entscheidung der/des Betroffenen vorgenommen wird,
ein Schwangerschaftsabbruch, wenn Gefahr für das Leben oder Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren besteht oder wenn dringende Gründe für die Annahme sprechen, dass das Kind, wenn es zur Welt käme, an einer nicht behebbaren Gesundheitsschädigung leiden würde (medizinische oder eugenische Indikation) oder
ein Schwangerschaftsabbruch bis zum Ende der 12. Woche nach der Empfängnis z. B. aufgrund einer Vergewaltigung, einer sexuellen Nötigung oder eines sexuellen Missbrauchs von Kindern oder Widerstandsunfähigen (ethische oder kriminologische Indikation).
Beim Schwangerschaftsabbruch ist zwischen einem nicht rechtswidrigen und einem rechtswidrigen, aber straffreien Schwangerschaftsabbruch (soziale Indikation) zu unterscheiden.[4] Der Abbruch einer Schwangerschaft aufgrund einer sozialen Indikation findet innerhalb von zwölf Wochen nach der Empfängnis durch einen Arzt statt, wenn die schwangere Frau den Abbruch verlangt und dem Arzt durch eine Bescheinigung nachgewiesen hat, dass sie sich mindestens drei Tage vor dem Eingriff von einer anerkannten Beratungsstelle hat beraten lassen.
Ein Anspruch auf Krankengeld besteht nur bei medizinischer, eugenische, ethischer oder kriminologischer Indikation. Bei einem Abbruch aufgrund einer sozialen Indikation besteht kein Anspruch auf Krankengeld.
Spender von Organen oder Geweben (vgl. § 27 Abs. 1a SGB V) haben Anspruch auf Krankengeld, wenn sie durch eine im Rahmen des Transplantationsgesetzes erfolgende Spende von Organen oder Geweben arbeitsunfähig sind (vgl. § 44a SGB V)[5]. Die Spende muss an den Versicherten einer gesetzlichen Krankenkasse erfolgen. Das Krankengeld wird dem Spender von der Krankenkasse des Empfängers in Höhe des vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit regelmäßig erzielten Nettoarbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens bis zur Höhe des Betrages der kalendertäglichen Beitragsbemessungsgrenze geleistet. Ansprüche nach dieser Vorschrift haben auch nicht gesetzlich krankenversicherte Personen.
Wenn eine Krankheit die Ursache für Arbeitsunfähigkeit ist, richtet sich der Anspruch auf Krankengeld nach § 44 Abs. 1 SGB V. Das gilt gleichfalls, wenn Versicherte auf Kosten der Krankenkasse stationär behandelt werden. Stationäre Behandlung kann als
Krankenhausbehandlung (vgl. § 39 Abs. 1 SGB V),
stationäre Vorsorgeleistung (vgl. § 23 Abs. 4 SGB V),
Vorsorgeleistungen für Mütter oder Väter (vgl. § 24 Abs. 1 SGB V),
stationäre Rehabilitationsleistung (vgl. § 40 Abs. 2 SGB V) oder
Rehabilitationsleistungen für Mütter oder Väter (vgl. § 41 Abs. 1 SGB V)
durchgeführt werden. Werden die Kosten einer stationären Behandlung nicht von der Krankenkasse getragen, besteht nur dann ein Anspruch auf Krankengeld, wenn der Versicherte während der Maßnahme arbeitsunfähig krank ist (vgl. Bsp. 1).
Bsp. 1: Anspruch auf Krankengeld während stationärer Behandlung
Eine Arbeitnehmerin ist seit Jahren versicherungspflichtig beschäftigt und Mitglied einer Krankenkasse. Der Rentenversicherungsträger erbringt in der Zeit vom 19. Juli bis zum 9. August 2012 stationäre Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Die Versicherte wird daraus am 9. August 2012 entlassen und ist bis auf Weiteres arbeitsunfähig krank. Die Arbeitsunfähigkeit trat bereits am 5. August 2012 ein.
Die Versicherte hat zunächst (ab 19. Juli 2012) keinen Anspruch auf Krankengeld, da sie nicht auf Kosten der Krankenkasse, sondern auf Kosten des Rentenversicherungsträgers stationär behandelt wird und auch nicht arbeitsunfähig krank ist. Durch den Eintritt von Arbeitsunfähigkeit am 5. August 2012 hat sie jedoch die Voraussetzungen für den Anspruch auf Krankengeld von diesem Zeitpunkt an erfüllt.
Anmerkung: Für die tatsächliche Zahlung von Krankengeld ist u. a. zu prüfen, wann der Anspruch auf Krankengeld entstanden ist, ob der Arbeitgeber Entgeltfortzahlung leistet oder ob der Rentenversicherungsträger Übergangsgeld zahlt. Während der Zahlung von Arbeitsentgelt oder Übergangsgeld ruht der Anspruch auf Krankengeld.
Anspruch auf Krankengeld besteht schließlich, wenn ein versichertes und erkranktes Kind zu beaufsichtigen, zu betreuen oder zu pflegen ist und der Versicherte deshalb der Arbeit fernbleiben muss (vgl. § 45 Abs. 1 SGB V).
Krankengeld wird hauptsächlich aus Anlass einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit oder während einer stationären Behandlung auf Kosten der Krankenkasse gezahlt. Voraussetzungen des Anspruchs sind
ein Versicherungsverhältnis,[6] das den Anspruch auf Krankengeld einschließt,
Krankheit und
Arbeitsunfähigkeit oder stationäre Behandlung auf Kosten der Krankenkasse.
2.2.1.1 Allgemeines
Anspruch auf Krankengeld haben nur Versicherte einer Krankenkasse (vgl. § 44 Abs. 1 SGB V). Der Anspruch ist unabhängig von der Art des Versicherungsverhältnisses (Versicherungspflicht oder Versicherungsberechtigung). Damit besteht ein Anspruch auf Krankengeld, wenn der Anspruch darauf während der Versicherung entsteht (vgl. Bsp. 2; vgl. 2.4.4).
Bsp. 2: Voraussetzungen für den Anspruch auf Krankengeld
Ein Arbeitnehmer nimmt am 1. April 2012 eine versicherungspflichtige Beschäftigung auf. Er erkrankt am 5. Mai 2012 und begibt sich in ärztliche Behandlung. Die Krankheit verursacht vom 21. Mai 2012 an Arbeitsunfähigkeit. Die Voraussetzungen für den Anspruch auf Krankengeld sind vom 21. Mai 2012 an erfüllt.
Es ist allerdings auch denkbar, dass die Arbeitsunfähigkeit vor dem Beginn des Versicherungsverhältnisses eintritt. In diesem Fall sind die Voraussetzungen für den Anspruch auf Krankengeld frühestens mit dem Beginn des Versicherungsverhältnisses erfüllt (vgl. Bsp. 3).
Bsp. 3: Arbeitsunfähigkeit vor Beginn des Versicherungsverhältnisses
Sachverhalt: Die versicherungspflichtige Beschäftigung eines Arbeitnehmers sowie dessen Mitgliedschaft bei einer Krankenkasse enden mit dem 31. Januar 2012. Aufgrund eines Arbeitsvertrages soll am 1. März 2012 eine neue versicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen werden. Dazu kommt es nicht, weil der Arbeitnehmer am 10. Februar 2012 auf unabsehbare Zeit arbeitsunfähig krank wird. Der neue Arbeitgeber leistet deswegen vom 29. März bis zum 9. Mai 2012 Entgeltfortzahlung (vgl. § 3 Abs. 1, 3 EFZG).
Versicherungsverlauf: Der Arbeitnehmer steht aufgrund der versicherungspflichtigen Beschäftigung bis zum 31. Januar 2012 in...