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E-Book

Krankenhausmanagement

Organisatorischer Wandel und Leadership

VerlagKohlhammer Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl332 Seiten
ISBN9783170241299
FormatePUB/PDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis69,99 EUR
Der Gesundheitsbereich unterliegt seit Jahren vielfältigen Veränderungsprozessen, die Auswirkungen haben auf Ziele, Strukturen und Führung. Die Spannweite der unterschiedlichen Begrifflichkeiten und Modelltheorien sind dabei differenziert zu betrachten, abzugrenzen und anwendungsorientiert auf die Praxis zu gestalten. Das vorliegende Werk ergänzt die sach-rationale Perspektive der Krankenhausmanagementlehre um die sozio-emotionale Dimension des Organisatorischen Wandels und Leadership - denn ein erfolgreiches Management bedarf des Leadership. Die Beiträge umfassen die Bereiche Gesundheitsökonomie, Krankenhausmanagement, Interessengruppen, Strukturen, Funktionen, Professionen und den Leistungserstellungsprozess und wurden von zahlreichen namhaften Autoren verfasst. Sie widmen als Wegbegleiter, Kollegen, Freunde und Schüler das vorliegende Werk Frau Professorin Barbara Schmidt-Rettig, die im Sommer 2014 nach 28 Jahren die Hochschule Osnabrück verließ.

Prof. Dr. Winfried Zapp lehrt an der Hochschule Osnabrück Allgemeine Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Rechnungswesen, insbesondere Controlling im Gesundheitswesen.

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Leseprobe

1         Gesundheitsökonomische Rahmenbedingungen des Krankenhausmanagements


1.1        Gesundheitsökonomie und Gesundheitspolitik im Wandel


Manfred Haubrock


Vom Gesundheitssystem zur Gesundheitswirtschaft


Der russische Wirtschaftswissenschaftler Nikolai Kondratieff (Kontratjew; 1892–1938) fand im Rahmen von wissenschaftlichen Untersuchungen über die Dauer von Konjunkturzyklen heraus, dass es drei Arten von Zyklen gibt: Der kurze Zyklus dauert bis zu drei Jahre, der mittlere bis zu elf Jahre und die lange Konjunkturwelle hat eine Dauer von 40 bis 60 Jahren, wobei die langen Wellen die mittleren und die kurzen überlagern. Nach Kondratieffs Tod griff Joseph A. Schumpeter dessen Erkenntnisse auf und entwickelte sie weiter. Schumpeter prägte 1939 den Namen »Kondratieff-Zyklus«. Er kam zu der Erkenntnis, dass grundlegende technische Innovationen, die die Produktionsabläufe und Organisationsstrukturen fundamental verändern, die Basis für den Beginn einer neuen langen Welle darstellen. Für diese Innovationen prägte Schumpeter den Begriff »Basisinnovationen«. In den 1970er- und 1980er-Jahren haben in Deutschland im Wesentlichen die Forschungsarbeiten von Leo A. Nefiodow die Kenntnisse über den 5. und den 6. Kondratieff-Zyklus nachhaltig beeinflusst. Seiner Auffassung zufolge befinden wir uns derzeit am Ende des 5. Kondratieff-Zyklus. Anders als in den ersten vier Zyklen haben im 5. Zyklus nicht mehr die materiellen Basisinnovationen die nächsten Wachstumsphasen eingeleitet, sondern seit 1990 die Gewinnung, Verarbeitung und Bereitstellung von Informationen. Somit bestimmen erstmals immaterielle Basisinnovationen das wirtschaftliche Wachstum. Nach Nefiodow befinden wir gegenwärtig in der Übergangsphase vom 5. zum 6. Kondratieff-Zyklus. Ihm zufolge basiert der 6. Kondratieff-Zyklus auf der steigenden Nachfrage nach psychosozialen Gesundheitsleistungen, sodass der Gesundheitsmarkt zukünftig weltweit die Rolle eines Wachstums- und Beschäftigungsmotors übernehmen wird (Nefiodow 2011).

Dieser »neue« Gesundheitsmarkt ist jedoch nicht zu vergleichen mit dem traditionellen Gesundheitssystem, es ist vielmehr die Gesundheitswirtschaft. In Deutschland setzte der Paradigmenwechsel vom Gesundheitssystem zur Gesundheitswirtschaft vor ca. zehn Jahren ein. 2004 wurden seitens der Bundesregierung die sogenannten Branchenkonferenzen eingerichtet, um den neuen Bundesländern die Möglichkeit zu geben, jene Wirtschaftszweige zu fördern, die für die jeweilige Entwicklung der Bundesländer relevant sind. Vor diesem Hintergrund hat die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern 2004 die Gesundheitswirtschaft zu einem Entwicklungsschwerpunkt des Landes erklärt und in Kooperation mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, dem Bundesministerium für Gesundheit und dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung im Jahre 2005 die erste Branchenkonferenz »Gesundheitswirtschaft« durchgeführt. Die Teilnehmer verständigten sich auf Empfehlungen, um die Branche »Gesundheitswirtschaft« zukünftig weiterzuentwickeln (Projektbüro Gesundheitswirtschaft 2006). Aus diesen Empfehlungen lässt sich ableiten, dass die bislang überwiegend sozialpolitisch geprägten Steuerungsansätze des Gesundheitswesens um wettbewerbspolitische Aspekte ergänzt werden sollen. Aufgrund des aufgezeigten Paradigmenwechsels werden z. B. die bereitgestellten Gelder für die Finanzierung der Gesundheitsgüter nunmehr als »Treibstoff« für den Innovationsmotor Gesundheitswirtschaft und als Basis einer »Jobmaschine« gesehen. Zukünftig wird u. a. die Gesundheitsbranche sowohl durch staatliche Sicherungs- bzw. Versorgungsaufträge als auch von wettbewerblichen Instrumenten gesteuert. Dieser Paradigmenwechsel, der durch einen steigenden Bedarf an gesundheitsbezogenen Sachgütern und Dienstleistungen auf der einen Seite und einer finanziellen Engpasssituation der Sozialversicherungen und der öffentlichen Kassen auf der anderen Seite ausgelöst worden ist, verdeutlicht den Wandel vom Gesundheitswesen zur Gesundheitswirtschaft, der auch Auswirkungen auf die Berufsbilder in den Gesundheitsmärkten haben wird.

Die Gesundheitswirtschaft gliedert sich in zwei Gesundheitsmärkte mit jeweils unterschiedlichen Akteuren. Der primäre Gesundheitsmarkt ist der klassische Gesundheitsversorgungskern. Dieses traditionelle Gesundheitssystem umfasst alle Organisationen und Personen, Einrichtungen, Regelungen und Prozesse, deren Aufgabe es ist, die Förderung und Erhaltung der Gesundheit sowie die Vorbeugung und Behandlung von Krankheiten und die Wiedereingliederung in die soziale Teilhabe zu ermöglichen. Somit baut dieses Gesundheitssystem, auch als Gesundheitswesen bezeichnet, auf die staatlichen und nicht staatlichen Institutionen sowie auf die relevanten Berufsgruppen auf, die für die Gesundheit der Bevölkerung ein Geflecht von gesundheitsbezogenen Dienstleistungen und Sachgütern bereitstellen und finanzieren. In diesem Gesundheitssystem dominieren die Sozialversicherungen, die auf dem Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes basieren und solidarisch organisiert sind, zur Finanzierung von Gesundheitsleistungen. Im Sinne eines Umlageverfahrens zwischen den Versicherten wird der größte Teil der benötigten Finanzmittel zur Verfügung gestellt. Seit einigen Jahren kommen Steuerzuschüsse des Bundes und Selbstbeteiligungsanteile der Versicherten hinzu.

Der sekundäre Gesundheitsmarkt ist privatwirtschaftlich geprägt und beinhaltet die Gesamtheit von privat finanzierten Gesundheitsgütern, wie z. B. individuelle Gesundheitsleistungen, Fitness und Wellness, Gesundheitstourismus sowie Sport, Ernährung und Wohnen. Die Gesundheit gewinnt in allen Lebensbereichen an Bedeutung, sodass sich durch die steigende Nachfrage neue gesundheitsbezogene Teilmärkte und Geschäftsmodelle entwickeln. Dies wiederum hat auch Auswirkungen auf die beteiligten Berufsgruppen. Dieser zweite Markt ist ein Wettbewerbsmarkt, in dem die Steuerung der Gesundheitsversorgung durch den Preiswettbewerb erfolgen wird. Beide Märkte sind miteinander verbunden, es bestehen somit Wechselwirkungen, die sich z. B. in der Existenz von Gesundheitsregionen, die durch ihr integratives Prinzip auf Vernetzung und Kooperation abzielen, zeigen (Hensen 2011). Dieser zukünftige Megamarkt Gesundheit wird folglich nicht nur solidarisch finanziert werden, zusätzlich hat sich ein »Selbstzahlermarkt« etabliert. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der neue Gesundheitsmarkt die Regenerationsplattform der Menschen und damit die Basis für die wirtschaftliche Existenz einer Informationsgesellschaft sein wird. Folglich werden Leistungen des Gesundheitsmarktes die Wertschöpfungsfaktoren für das wirtschaftliche Wachstum sein. Trotz der Kritik an diesem Paradigmenwechsel stellt das Konzept der langen Wellen die Argumentationsgrundlage von gesundheitsökonomischen und -politischen Verlautbarungen dar. Eine Aussage von Ulf Fink in einem Interview mit der Ärztezeitung belegt dies: »Vor zehn Jahren stand das Thema Kostendämpfung im Mittelpunkt. Wir haben damals das Thema Gesundheitswirtschaft in die Debatte eingeführt und gesagt: Das Gesundheitswesen ist nicht ein Kostenfaktor, sondern ein Wirtschaftszweig mit großen Wachstums- und Beschäftigungschancen … Immer deutlicher wird doch, dass die Menschen bereit sind, auch außerhalb des Kollektivsystems etwas für ihre Gesundheit zu tun. Der zweite Gesundheitsmarkt wächst und erreicht ein Volumen von über 60 Milliarden Euro« (Fink 2008).

Bedarfsgerechte Versorgung als hoheitliche Aufgabe der Gesundheitswirtschaft


Eine zentrale Funktion beider Gesundheitsmärkte besteht darin, die Angebots- und Nachfrageströme so zu steuern, dass eine optimale Ressourcenallokation erreicht wird. Das bedeutet, die knappen Gesundheitsgüter so einzusetzen, dass der bestehende Bedarf optimal befriedigt werden kann. Allokation bezeichnet in der Ökonomie die Verteilung knapper Ressourcen auf alternative Verwendungszwecke. Unter Ressourcen kann sowohl die Zahl der beschäftigten Personen (Humanressource) als auch die Geldmenge (Finanzressource) verstanden werden. Nach dem Konzept der Wettbewerbswirtschaft soll die Steuerung von Angebot und Nachfrage über den Preis erfolgen. Die Steuerung des zweiten Gesundheitsmarktes erfolgt über den Preiswettbewerb. Auf der Individualebene treffen die Versicherten, die Leistungsanbieter und die Krankenversicherungen zusammen. Zur Steuerung werden auf dieser Ebene Einzel- bzw. Selektivverträge geschlossen. Eine Analyse der Steuerung von Angebot und Nachfrage im ersten Gesundheitsmarkt zeigt jedoch, dass der Preiswettbewerb nahezu ausgeschaltet ist. Bei der Gründung der Bundesrepublik Deutschland ist die Steuerung des ersten Gesundheitsmarktes bewusst als hoheitliche Aufgabe definiert worden, die von Gebietskörperschaften bzw. von Körperschaften des öffentlichen...

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