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Kreatives Schreiben. Historische Entwicklung, didaktische Diskussion und die Umsetzung in der Unterrichtswirklichkeit

Auf der Grundlage einer empirischen Untersuchung

AutorMaximilian Frisch
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl86 Seiten
ISBN9783656443698
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Bachelorarbeit aus dem Jahr 2012 im Fachbereich Didaktik - Deutsch - Pädagogik, Sprachwissenschaft, Note: 1,0, Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt (Lehrstuhl für Didaktik der deutschen Sprache und Literatur), Sprache: Deutsch, Abstract: Was aber ist nach aller Kritik am Aufsatzunterricht, nach Forschung und didaktischer Diskussion in der Unterrichtswirklichkeit angekommen? Welche Konzepte und Methoden werden heute genutzt und tragen sie der didaktischen Entwicklung Rechnung? Dieser Fragestellung widmet sich die vorliegende Arbeit. Das Erkenntnisinteresse liegt hierbei auf der Schreibdidaktik, die im Unterricht tatsächlich angewendet wird. Als Referenz dient dabei ein Methoden- und Konzeptbereich, der in der neueren Schreibdidaktik von Anfang an diskutiert und erweitert wird: Das Kreative Schreiben. Da gerade das Kreative Schreiben (neben dem Freien Schreiben) seit den 80er Jahren für den Wandel von der traditionellen Aufsatzdidaktik hin zu einer kreativitäts-, subjekt- und letztlich prozessorientierten Schreibdidaktik steht, soll überprüft werden, inwiefern es in Lehrplänen und offiziellen Handreichungen, in Schulbüchern und schließlich im Unterricht Niederschlag gefunden hat. Dabei wird zunächst der Begriff Kreatives Schreiben vor dem Hintergrund seiner historischen und didaktisch-wissenschaftlichen Entstehung beleuchtet und für diese Arbeit definiert. Anschließend soll festgestellt werden, welche Konzepte und Methoden für das Kreative Schreiben im Unterricht entwickelt wurden und wie diese in der Theorie angewendet werden sollen. In einem letzten Teil wird schließlich untersucht, inwiefern diese Methoden sich in Vorgaben des bayerischen Kultusministeriums, also in Lehrplänen und Handreichungen für den Deutschunterricht, wiederfinden und wie die Lehrwerke und Schulbücher der Verlage dies umsetzen. Eine empirische Untersuchung stellt abschließend vor, wie Lehrer hinsichtlich der Schreibförderung vorgehen und inwiefern Kreatives Schreiben hierbei eingesetzt wird. In der Schlussbetrachtung wird schließlich sichtbar, ob das Kreative Schreiben als ein Konzept der Schreibdidaktik in der unterrichtlichen Wirklichkeit einen Stellenwert erreicht, der dem hier aufgezeigten Bedeutungswandel des Schreibens im Unterricht entspricht.

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Leseprobe

3. Konzepte kreativen Schreibens


 

3.1 Kreatives Schreiben als Medium des „subjektiven Selbstausdrucks“[160]


 

Was verbirgt sich nun hinter dem Begriff „Kreatives Schreiben“? Es gibt nicht „die“ Definition des Konzepts. Daher sollen im Folgenden einige der meistdiskutierten und elaboriertesten Konzepte kreativen Schreibens kurz zusammengefasst werden. Im Anschluss daran ist dann eine Untersuchung im Hinblick auf das Vorhandensein dieser Konzepte „in der Praxis“ möglich.

 

Kaspar Spinner greift 1980 in seinem Beitrag „Identitätsgewinn als Aspekt des Aufsatzunterrichts“[161] den damals neuen Ansatz des „personalen Schreibens“ auf. Die Aufsatzdidaktik geht zu dieser Zeit verstärkt vom Schreibenden aus, vom Schüler also, und nicht mehr so sehr von funktionalen und textsortenorientierten Vorgaben. Spinner geht noch weiter und macht eine Möglichkeit zur Identitätsbildung im Aufsatzunterricht aus. Schreiben ist nicht mehr nur „unreflektierter Gefühlsausdruck“ sondern das „Entdecken und Modellieren eigener Subjektivität“.[162] Unterricht soll als Prozess der Sinnbildung aufgefasst werden, und Schülertexte als Vermittlung zwischen Subjekt und Außenwelt.[163] Im Rahmen dieser Auffassung von Unterricht im Allgemeinen und Schülertexten im Besonderen als Ausdruck und Mittel von Identitätsbildung soll diese gefördert werden und damit einhergehend muss auch der Aufsatzunterricht neu ausgerichtet werden.[164] Spinner fordert folgerichtig neue Schreibanlässe, die die Erlebnisse und Wünsche der Schüler berücksichtigen, die die Reflexion „des eigenen Bedürfnis- Ich“ ermöglichen. Gerade fiktionale Textformen sind es nach Ansicht Spinners, in denen „die Schüler verschlüsselt von sich selbst reden und in solcher Projektion manches sagen, was sie sonst verschweigen“.[165] Der traditionelle Aufsatzunterricht verhindert die Expression des Schülers nicht per se, aber er gibt eine objektive Textform vor, die zum einen sehr wohl individuelle Äußerungen einschränkt, zum anderen diese nicht explizit fördert.[166] Der Lehrer ist es, der Themen so vorgeben und Aufgaben so stellen muss, dass Schüler persönliche Elemente in Texte einfließen lassen können und Sinnbildungsprozesse stattfinden können. Es ist aber nicht nur die reine basale Aufgabenstellung, die geändert werden soll. Auch die „Austauschformen“ müssen andere sein: Schreibarrangements müssen den Austausch zwischen den Schülern fördern, das Diskutieren, das Äußern, Fragen und Antworten, kurzum: Selbst und Fremdreflexion innerhalb der eigenen sozialen Gruppen.[167] Das auch die Beurteilung solcher Aufsätze eine andere sein muss als früher - auch darauf verweist Spinner bereits 1980. Gerade dieses Problem wird allerdings auch 2010 noch diskutiert. Die Lehrperson kann nicht mehr nur einfach korrigieren, sondern muss vielmehr reagieren; schriftlich oder mündlich. Spinner fordert Notengebung schließlich ganz direkt als „interpretierenden Akt“ und nicht als „Fehler- und Punktearithmetik“.[168] 1993 legt Kaspar Spinner schließlich mit dem Basisbeitrag in „Praxis Deutsch“ das Grundkonzept des kreativen Schreibens vor, dass bis heute eine wichtig Grundlage für Untersuchungen und neue Beiträge zu diesem Thema ist. Die „wichtigste Leistung des kreativen Schreibens besteht darin, dass es mehr als andere Zugänge zum Schreiben die ganze Person erfasst“, stellt Spinner fest.[169] Er betrachtet das Kreative Schreiben als grundlegenden Zugang zum Schreiben, weil es die „in der Regel vorhandene Schreibfreude“ gezielt zur Entfaltung bringt. Das geschieht durch einige für das Kreative Schreiben (nach Spinner) wesentliche Charakteristika: Zu allererst nennt Spinner die Aktivierung der Imaginationskraft, von Spinner kurz als Prinzip der Imagination beschrieben. Mit Imagination meint Spinner die Verbindung von schöpferischer und kognitiver Kraft. Die Einbildungskraft ist dabei mehr als nur das subjektive Denken und Empfinden und ermöglicht gerade den Standortwechsel, die Erweiterung des Blickwinkels. Eben nicht Aufsatzsorten oder Kommunikationssituationen stehen im Vordergrund, sondern das Schöpferische, das sich möglichst frei entfalten können soll.[170] Als Verfahren dazu dienen das Automatische Schreiben, das Clustering, das Schreiben zu künstlerischen Ausdrucksformen wie Bildern, Musik. Hier sind viele Bezüge zur Psychologie erkennbar, die im vorhergehenden Kapitel bereits in Teilen beleuchtet worden sind.[171] Allerdings ist wichtig, dass beim kreativen Schreiben diese einzelnen Methoden zu etwas hinführen, etwas konstruieren. Arrangements sind vonnöten, ganz im Gegensatz zum freien Schreiben, bei dem davon ausgegangen wird, dass „schon etwas da ist, über das man schreiben möchte“.[172] Es geht darum, kreative Prozesse zu begünstigen, sie auszulösen, zu motivieren. Nicht die Form oder Norm, die der Schreibende erfüllen soll, steht also am Anfang, sondern die Motivation durch geeignete Reize. Ein weiterer Methodenbereich ist die Nutzung eigentlich literarischer Techniken. Kreatives Schreiben steht hier an einer Art Scharnierstelle und kann sowohl von Schreib- als auch Literaturdidaktik genutzt werden. Kreatives Schreiben will nicht „zu gültiger Dichtung“ führen, aber doch die Prozesse, die auch Literaten erleben, spielerisch nachvollziehen.[173]

 

Wichtig ist Spinner die „literarische Geselligkeit“[174]. Wie schon in seinem Aufsatz zur Identitätsgewinnung im Aufsatzunterricht unterstellt Spinner hierbei, dass der Austausch in der Gruppe ganz neue Optionen für den Schreibenden schafft. Das gemeinsame Planen von Texten, und noch mehr das gegenseitige Vorlesen oder das Korrigieren durch Schülergruppen, sind hier als Methoden zu nennen. Da nicht mehr nur Aufsatznormen erfüllt werden müssen, sondern die Persönlichkeit des Schreibers im Text vertreten wird, ist das „Echo“ anderer nötig. Dieses soziale Lernen fördert und begrenzt „Therapieerwartungen“ und die Äußerung der Persönlichkeit im Unterricht. Neben der Imagination nennt Spinner (nicht nur für das Kreative Schreiben, sondern für den ganzen „kreativen Deutschunterricht“) noch die Prinzipien der Irritation und der Kognition. Mit Irritation ist das Ausbrechen aus bekannten Mustern und Bahnen gemeint, dass eben über Sprachspiele, Schreiben zu surrealen Texten und ähnlichen Methoden erreicht wird.[175] Auch über das Erfinden alternativer Enden oder Anfänge von literarischen Texten führt das Prinzip der Irritation zu unerwarteten und daher kreativen Gedanken und letztlich Texten. Divergentes Denken, kreatives Problemlösen, muss zwischen „strukturschaffenden und struktursprengenden Komponenten“[176] verlaufen - kreative Schreibaufgaben müssen daher (nach Böttcher) die Balance zwischen diesen Polen halten. Auf Beispiele für solche Schreibaufgaben wird später im Laufe der Schulbuchuntersuchung eingegangen werden. Das Prinzip der Expression spielt wiederum stark auf den Aspekt der Identitätsgewinnung bzw. Identitätsäußerung an. Der Schreiber entdeckt, entfaltet und reflektiert über sich, über seine Individualität. Hier werden meditative Zugänge eingesetzt wie Fantasiereisen, Schreiben zu Musik.[177] In einer Verbindung von Expression und Irritation eröffnet das Prinzip der Imagination “neue und unerwartete Räume“[178]. Für Spinner ist Kreatives Schreiben damit eine nicht grundlegend bessere aber eine grundlegend andere Art des Schreibens als der traditionelle Ansatz des Aufsatzunterrichts.

 

3.2 Kreatives Schreiben als durchgängige Methode der Wissensbildung im Unterrichtsalltag


 

Ingrid Böttcher verweist darauf, das Kreatives Schreiben bei Spinner als Konzept eher den Charakter eines „Sammelbegriffs“ aufweist.[179] Kreatives Schreiben ist dann gegeben, wenn identifikationsstiftende und persönlichkeitsbildende Prozesse beim Schreiben im Vordergrund stehen; im Gegensatz zu neueren Ansätzen, die an pragmatischfunktionalen Aspekten des Schreibens orientiert sind, diese aber durchaus mit Methoden des kreativen Schreibens zu fördern versuchen. Der Vorwurf eines Sammelbegriffs lässt sich allerdings auch gegen Böttcher vorbringen, sie hat in der Erprobung an der Grundschule eine systematische Strukturierung in sechs Gruppen erarbeitet, die auch für die Primar- und Sekundarstufe geeignet sind.[180] Auf diese Methoden wird im entsprechenden Kapitel eingegangen.

 

Böttcher nennt einige grundlegende Vorstellungen zur „Organisation und Struktur“ eines kreativen Schreibunterrichts. Die von Böttcher vorgestellten Organisationsformen wurden von ihr für den Grundschulunterricht entwickelt, sind aber durchaus auf Primar- und Sekundarstufe übertragbar. Zum einen sind hier die Schreibwerkstatt zu nennen, zum anderen die „Schreibecke“. Erstere ist nach Böttcher die „optimale Realisierungsmethode des kreativen Schreibens“[181]. Werkstatt meint das handwerkliche und erlernbare am Schreiben, während es gleichzeitig das Schreiben aus dem Leistungsund Prüfungskontext des Unterrichts herausheben kann - das Schreiben wird ernstgenommen, aber eben in einer „angstfreien und lustbetonten Atmosphäre“.[182] Durch eine räumliche Abgrenzung zum alltäglichen Unterricht und eine andere beziehungsweise freie Sitzordnung und einen anderen Zeittakt wird eine neue Situation geschaffen. Alle Materialien für die Methoden des kreativen Schreibens, also technische Hilfsmittel, wie Stifte, aber auch Stimuli, so beispielsweise Musik oder...

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