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Kreditderivate. Instrumente zur Risikosteuerung von Kreditportfolios

AutorClemens Pudewill
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl77 Seiten
ISBN9783656481737
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Bachelorarbeit aus dem Jahr 2013 im Fachbereich BWL - Bank, Börse, Versicherung, Note: 1,3, Leuphana Universität Lüneburg (Institut für Bank-, Finanz- und Rechnungswesen), Sprache: Deutsch, Abstract: 'JP Morgan erschüttert die Wall Street' titelte die Financial Times in ihrer Online-Ausgabe vom 11. Mai 2012 und rückte damit den Einsatz von Kreditderivaten erneut in den Blick der Öffentlichkeit. Doch was genau war passiert? Die Londoner Investmentsparte der Bank hatte im Handelsgeschäft mit Kreditderivaten über zwei Milliarden Dollar verloren. Die Ursache für die hohen Verluste lag in dem spekulativen Investment von komplexen Kreditausfallderivaten. Grundsätzlich widersprechen reine Spekulationsgeschäfte jedoch dem eigentlichen Gedanken, Kreditderivate zur Absicherung von Kreditportfolios einzusetzen. Vor dem generellen Hintergrund einer zunehmenden Globalisierung mit einem verstärkten Wettbewerbsdruck und den sich verändernden wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen sind Banken heute einem permanenten Anpassungsprozess unterworfen. Insbesondere die Verluste im Kreditgeschäft, die durch die Turbulenzen auf den Finanzmärkten der letzten Jahre entstanden sind, verlangen von den Banken eine stetige Weiterentwicklung des Kreditrisikomanagements, um auch zukünftig erfolgreich am Markt bestehen zu können. Der Risikosteuerung von Kreditportfolios und dem Einsatz risikooptimierender Finanzprodukte kommt hierbei unter dem Risiko-Rendite-Aspekt eine grundlegende Bedeutung für das Kreditgeschäft zu. In der Vergangenheit war die Risikosteuerung aufgrund der wenigen gegebenen Möglichkeiten, wie z.B. dem Kreditverkauf oder der Kreditversicherung durch eine reine Buy-and-Hold-Strategie geprägt. Dies änderte sich jedoch Mitte der neunziger Jahre mit der Entwicklung der Kreditderivate, wodurch es möglich wurde, Kreditrisiken von der zugrunde liegenden Kreditposition zu isolieren, handelbar zu machen und auf Dritte zu übertragen. Damit boten sich die Kreditderivate unter Beibehaltung der originären Kreditbeziehung sowohl zur Absicherung gegen Zahlungsausfälle als auch zur gezielten Übernahme von Risikopositionen im Rahmen eines aktiven Kreditrisikomanagements an.

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Leseprobe

3. Kreditderivate


 

In der Vergangenheit stellten der gelegentliche Verkauf von Krediten am Kapitalmarkt und die Streuung der einzelnen Kreditpositionen die wesentlichen Handlungsoptionen im Kreditrisikomanagement dar. Die hierauf aufbauenden Risikostrategien waren jedoch nicht effizient, da das Kreditrisiko nicht von der ursprünglichen Kreditposition getrennt werden konnte.[41] Dies wurde erst durch die Entwicklung der Kreditderivate möglich. Die Deutsche Bundesbank definiert Kreditderivate als „Finanzierungsinstrumente, die das Kreditrisiko von einem zugrunde liegenden Finanzierungsgeschäft separieren und anschließend dessen isolierte Übertragung an Investoren ermöglichen“[42]. Insofern nehmen die Kreditderivate neben den herkömmlichen Risikotransferinstrumenten eine bedeutende Rolle im Risikomanagement der Finanzinstitute ein.

 

3.1. Grundstruktur und Vertragselemente eines Kreditderivates


 

Wie bereits erwähnt, können Kreditrisiken durch den Einsatz von Kreditderivaten isoliert und übertragen werden. Dies geschieht, indem der Sicherungsnehmer (Protection Buyer, Risikoverkäufer) das Kreditrisiko an den Sicherungsgeber (Protection Seller, Risikokäufer) veräußert. Für die Übernahme des Kreditrisikos erhält der Sicherungsgeber ein Entgelt bzw. eine Prämie vom Sicherungsnehmer.[43] Bei den durch Kreditderivate abzusichernden Positionen kann es sich um einzelne Kredite, Kreditportfolios oder Teile von Portfolios (Baskets) und Indizes handeln, welche als Referenzaktivum bezeichnet werden. Es ist jedoch anzumerken, dass das Referenzaktivum nicht zwingend mit der abzusichernden Vermögensposition übereinstimmen muss.[44] Hier bietet sich die Unterscheidung zwischen Referenzaktivum und Risikoaktivum an. Das „Referenzaktivum dient als Maßstab für den Eintritt eines definierten Kreditereignisses“[45], welches zur Ausgleichszahlung seitens des Sicherungsgebers führt, wohingegen das Risikoaktivum die abzusichernde Kreditposition darstellt.[46]

 

So kann z.B. die Anleihe eines mit einem Rating versehenen börsennotierten Unternehmens als Referenzaktivum dienen, um das Kreditrisiko eines Kredites an ein mittelständisches Unternehmen abzusichern. Das dahinter stehende Prinzip ist, dass das aus der originären Kreditbeziehung entstehende Risiko durch das Kreditrisiko von einem mit einem Rating versehenen Referenzschuldner ersetzt wird. Eine stark positiv korrelierte Bonitätsentwicklung beider Schuldner ist dabei die Voraussetzung. Anwendung findet diese Methode vor allem dann, wenn es sich bei dem Kreditnehmer um ein kleines und mittelständisches Unternehmen ohne Rating handelt, bei dem das kreditgebende Institut nur wenige Informationen über das Unternehmen hat.[47]

 

Wie in Abb.4 dargestellt, entsteht durch den Verkauf des Kreditrisikos zur originären

 

 

Abb. 4: Grundstruktur eines Kreditderivates[48]

 

Kreditbeziehung zwischen dem Kreditgeber und Kreditnehmer zusätzlich eine synthetische Kreditbeziehung zwischen dem Risikokäufer und dem Kreditnehmer.

 

Während der Kreditgeber als Sicherungsnehmer weiterhin durch die originäre Kreditbeziehung Eigentümer des vergebenen Kredites bleibt, tritt durch die indirekte, synthetische Kreditbeziehung der Sicherungsgeber als Risikokäufer in der Funktion eines Garanten auf, der die Verluste übernimmt, wenn der Kreditnehmer seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen kann.[49]

 

Kreditderivate sind individuelle Verträge zwischen dem Risikoverkäufer als Sicherungsnehmer und dem Risikokäufer als Sicherungsgeber. Als zugrundegelegtes Referenzaktivum kann hierbei eine einzelne Kreditposition, aber auch ein gesamtes Kreditportfolio oder ein auf eine Gruppe von Referenzschuldnern gebildeter Kreditindex gewählt werden. Zu den wichtigsten Vertragsbestandteilen der Kreditderivate gehören das Kreditereignis, die Ausgleichzahlung, die Prämie sowie die Laufzeit.

 

Dem Kreditereignis (Credit Event) kommt hierbei im Rahmen der Vertragsgestaltung eine besondere Rolle zu, da von diesem später abhängt, ob der Sicherungsgeber zur Leistung einer Ausgleichszahlung verpflichtet ist. Gemäß der International Swaps and Derivatives Association (ISDA 2003 Credit Derivatives Definitions, Article IV) werden sechs generelle Kategorien von Kreditereignissen unterschieden:[50]

 

- Bankruptcy: Unternehmensinsolvenz, ein Konkursverfahren wird gegen

 

den Referenzschuldner eröffnet.

 

- Failure to Pay: Zahlungsversäumnis, fällige Zinszahlungen finden nicht statt.

 

- Obligation Default: Verbindlichkeitsverzug, wobei das Referenzaktivum vorzeitig fällig gestellt werden kann.

 

- Obligation Acceleration: Kreditereignis einer anderen Zahlungsverpflichtung des Referenzschuldners führt zur Fälligstellung des Referenzaktivums.

 

- Repudiation / Moratorium: Nichtanerkennung bzw. Zahlungseinstellung, Verweigerung der Zahlungsverpflichtungen seitens des Referenzschuldners.

 

- Restructuring: Schuldenrestrukturierung, Zahlungsverpflichtungen werden reduziert oder zeitlich verzögert, Neuverhandlung des Kreditvertrages.

 

Bei der vertraglichen Abgrenzung des Kreditereignisses können sich die Vertragsparteien zum einen an den ISDA-Definitionen orientieren, zum anderen können die Vertragspartner aber auch andere Geschehnisse individuell als auslösendes Kreditereignis definieren.

 

Mit Eintritt des Kreditereignisses ist der Sicherungsgeber seinem Vertragspartner gegenüber zur vertraglich festgelegten Ausgleichszahlung verpflichtet. Bei den Ausgleichzahlungen kann zwischen der physischen Lieferung (Physical Settlement) und dem Bargeldausgleich (Cash Settlement) unterschieden werden.[51] Bei einem Physical Settlement liefert der Sicherungsnehmer dem Sicherungsgeber das Risikoaktivum. Dieser kauft den ausfallbehafteten Kredit, wobei der Sicherungsnehmer eine Zahlung in Höhe des aktuellen Nominalwertes vom Sicherungsgeber erhält.[52] In diesem Fall gehen der Kredit und die damit verbundenen Forderungen auf den Sicherungsgeber über. Dies erlaubt „die Mitwirkung [des Sicherungsgebers] am Insolvenzverfahren, so dass er gegebenenfalls einen (...) Restwert erstreiten kann“ [53], der höher ist, als der kurz nach dem Kreditereignis ermittelte Restwert. Bei der zweiten Variante, dem Cash Settlement, erhält der Sicherungsnehmer einen Bargeldausgleich. Bei dem Bargeldausgleich wiederum handelt es sich um die Differenz zwischen dem ursprünglichen Nominalbetrag des Risikoaktivums und dem nach dem Kreditereignis eingetretenen Rest-Marktwert.[54] Mittels einer Umfrage bei verschiedenen Banken (Dealer Poll), kann der vorliegende Restwert der Referenzeinheit bestimmt werden.[55]

 

Für die Übernahme des Kreditrisikos erhält der Sicherungsgeber eine Prämie, die einmalig zum Vertragsabschluss oder in periodischen Abständen anfällt.[56] Die Prämie hängt von der Ausfallwahrscheinlichkeit und der Recovery Rate[57] ab und wird zumeist in Basispunkten pro Jahr auf den Nominalwert berechnet.[58]

 

Die Laufzeit eines Kreditderivates kann seitens der Vertragsparteien frei vereinbart werden. So kann diese bspw. mit der Laufzeit der originären Kreditbeziehung übereinstimmen, jedoch auch von kürzerer Dauer sein.[59] Die Laufzeit des Kreditderivates endet prinzipiell zum vertraglich vereinbarten Zeitpunkt oder mit dem Eintritt des Kreditereignisses.[60]

 

Vertragsabschlüsse bei Kreditderivaten zeichnen sich des Weiteren dadurch aus, dass die Vertragsbedingungen individuell zwischen den Vertragsparteien ausgehandelt werden können, da Kreditderivate überwiegend außerbörslich als Over-the-counter-Produkte (OTC-Produkte) gehandelt werden.[61] Besonders hervorzuheben ist, dass die an den Börsen festgelegten rechtlichen Voraussetzungen nicht beachtet werden müssen, wodurch die einzelnen Interessen der beiden Vertragspartner besonders berücksichtigt werden können.[62]

 

3.2. Systematisierung der Kreditderivate


 

Die Systematisierung der Kreditderivate ist aufgrund ihrer verschiedenen Ausprägungen nicht einheitlich definiert. Einerseits kann eine Unterteilung in Kreditderivate im engeren Sinne und Kreditderivate im weiteren Sinne erfolgen. Als Kreditderivate i.e.S. werden Credit Default Swaps, Total Return Swaps und Credit Spread Options bezeichnet. Bei den Credit Default Linked Notes und den synthetischen CDOs handelt es sich um Kreditderivate i.w.S.[63] Andererseits können die Kreditderivate ebenso nach der Art des durch sie abgesicherten Kreditrisikos differenziert werden. In diesem Fall wird zwischen Produkten unterschieden, die das...

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