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Krieg. Eine Neudefinition

Eine Neudefinition

AutorFrank Stadelmaier, Markus Scholze, Philipp Schweers
VerlagScience Factory
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl80 Seiten
ISBN9783656483922
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Was ist Krieg? Diese Frage ist im 21. Jahrhundert nicht mehr im territorialen Sinn zu beantworten. Spätestens seit dem 11. September 2001 ist klar, dass sich die globale Sicherheitslage entscheidend verändert hat. Der 'Feind' ist keine Nation mehr, er hat viele Gesichter und ist überall und nirgendwo. Daher widmet sich dieser Band der Neudefinition des Begriffes 'Krieg'. Wie sieht die veränderte Sicherheitslage aus und welche Folgen hat diese für die Verteidigung eines Landes? Aus dem Inhalt: Definition des Begriffs 'Krieg', Veränderung des Krieges, Globalisierung der Sicherheitsprobleme, der internationale Terrorismus.

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Leseprobe

Zusammenfassung:


Angesichts des vermehrten Auftretens von Forschungsarbeiten über neuartige Erscheinungsformen des „Chamäleons Krieg“, die diverse Autoren unter den Begriff „neue Kriege“ subsumieren, stellen sich einige forschungsstrategische Folgefragen für den Bereich der Kriegsursachenforschung. Abgesehen von der noch umstrittenen Frage der Evidenz der Beobachtungen, die hier weitgehend vorausgesetzt wird, betreffen diese hauptsächlich das Problem der Erfassung und Einordnung solcher entstaatlichter Kriege. Die vorliegende Arbeit fragt nach Klassifikationen und operationalen Definitionen von Krieg, die die Wandlungen aufnehmen und insbesondere die Problematik der Staatlichkeit als primärer Orientierungsgröße berücksichtigen. Zwar können einzelne Reaktionen auf die neuen Entwicklungen in der Forschung festgestellt werden, doch bedürfen Klassifikationen wie operationale Definitionen verschiedener Forschungsprojekte noch intensiver Überarbeitung.

Einleitung


In der Kriegsursachenforschung, wie sich der Fachbereich der Kriegsforschung im deutschsprachigen Raum etwas einschränkend nennt, zeichnet sich seit geraumer Zeit ein Konsens darüber ab, welche Änderungen das Kriegsgeschehen seit 1945 durchlaufen hat. Demnach hat die Zahl der weltweit geführten Kriege bis zum Beginn der Neunziger Jahre kontinuierlich zugenommen und verbleibt seitdem auf einem etwas niedrigeren Niveau; im Verhältnis zu den seltener werdenden zwischenstaatlichen Kriegen dominieren seit dem Ende des 2. Weltkriegs die innerstaatlichen Kriege, die in der überwiegenden Mehrzahl (über 90%) in der sogenannten Dritten Welt stattfinden und eine deutlich längere Dauer als frühere Kriege aufweisen und außerdem schwerer zu befrieden sind (vgl. z.B. Schlichte 2002: 115). Innerstaatliche Kriege der „Dritten Welt“ haben demnach den europäischen Staatenkrieg als dominante Form abgelöst.

Seit einigen Jahren mehren sich die Stimmen in der Kriegsursachenforschung, in dem Fachgebiet der Internationalen Beziehungen, aber auch in benachbarten Disziplinen, die darüber hinaus von einem Wandel des Krieges sprechen. Unter anderem werden Beobachtungen vorgetragen über den Rückzug staatlicher Akteure zugunsten privater „Gewaltunternehmer“, über die zunehmende Bedeutung ökonomischer Faktoren, hinter die politische Ziele zurücktreten, und über die Weltmarktintegration der lokalen Kriegsökonomien durch illegale, aber auch offizielle Geschäftsbeziehungen. Bisher gibt es verschiedene Dimensionen und Erklärungsansätze in dieser Debatte, die zum Teil miteinander verknüpft werden, aber noch zu keinem ganzheitlichen Bild geführt haben und im Detail wie auch in ihrer Gesamtheit noch umstritten sind. Nichtsdestotrotz scheint die Grundannahme sich mehrheitlich durchzusetzen, dass der Krieg – zumindest in seinen Formen und in einigen Regionen – im Wandel begriffen ist und dies neuartige wissenschaftliche Interpretationsmuster und politische Bearbeitungsstrategien verlangt.

Die gewaltsam ausgetragenen Konflikte neuer Art, die „neuen Kriege“ (Kaldor 2000, Münkler 2002), wie auch ich sie zunächst nennen will (der Begriff passt in seiner amorphen Beschaffenheit vor allem gut zum Stand der Forschung), werfen in der Kriegsursachenforschung einschneidende theoretische und vor allem auch konzeptionelle Probleme auf. Das betrifft sowohl qualitative als auch quantitative Ansätze, die beide gleichermaßen vor neuen forschungsstrategischen Fragen stehen; angefangen mit der Beurteilung des vorgetragenen Phänomens, gegebenenfalls über dessen konzeptionelle Einordnung in die eigenen Forschungsmodelle, bis hin zur Bildung adäquater operationaler Definitionen und ordnender Kriterien.

Die klassischen Klassifikationen von Krieg etwa setzen Staatlichkeit als Ordnungsgröße voraus und beziehen sich auf diese. Da aber Staatlichkeit sowohl als empirische wie normative Orientierungsgröße ihre zentrale Stellung in vielen der Neuen Kriege, die im Rahmen „schwacher Staatlichkeit“ vor sich gehen, verloren hat, kann sie möglicherweise auch als analytische Kategorie nicht mehr ordnend wirken. Vor diesem Hintergrund müssen die Klassifikationen und Typenbildungen der Kriegsursachenforschung in den Internationalen Beziehungen kritisch untersucht werden.

Von besonderer praktischer Bedeutung sind außerdem die operationalen Kriegsdefinitionen, die die Kriterien bestimmen, nach denen einzelne empirische Gewaltphänomene als Kriege erfasst und in wissenschaftliche Bilder des Krieges und des globalen Kriegsgeschehens aufgenommen werden. Es hängt von der Beschaffenheit der Kriegsdefinitionen ab, wieweit und ob überhaupt die Neuen Kriege statistisch und analytisch in das Bild der Kriegsursachenforschung Eingang finden.

Ich erläutere zunächst die Beschaffenheit der Neuen Kriege als neuartige Form der kriegerischen Gewalt im Spiegel der einschlägigen Literatur und versuche, ihren analytischen Kern einzugrenzen, um dann die forschungsstrategischen Implikationen des als existent und signifikant angenommenen Wandels näher zu untersuchen: Dabei geht es darum, inwieweit die führenden Kriegsforschungsinstitute auf die Neuen Kriege eingehen, indem sie Klassifikationen und operationale Definitionen so gestalten, dass sie eine systematische wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem neuartigen Phänomenen ermöglichen.

Die Neuen Kriege


Das bisher vorliegende Konzept der Neuen Kriege ist noch kein theoretisch untermauertes und analytisch durchdrungenes, auch kein systematisch vollends verknüpftes. Daher will ich versuchen, mich in thematischen Schritten den Hauptbefunden zu nähern und so eine Momentaufnahme der wissenschaftlichen Bestandsaufnahmen zum Wandel des Krieges abzubilden. Mehr oder weniger hinreichend beschriebene und analysierte, jedenfalls jeweils von vielen Autoren artikulierte Aspekte sind die strukturelle Bedeutung schwacher Staatlichkeit als Vorbedingung der Neuen Kriege, die zunehmende Dominanz privater Akteure, die Verstetigung des Krieges durch Tendenzen der Ökonomisierung, die zunehmende Transnationalisierung der Konflikte und ihrer Ökonomien sowie die Entregelung und Brutalität des Kriegsgeschehens. Im Anschluss an die Erläuterung dieser Dimensionen des Wandels werde ich Gegenargumente diskutieren, die einen Wandel abstreiten und versuchen, einen analytischen Kern der diffusen Neuen Kriege auszumachen.

Zunächst jedoch scheint es angemessen, den Begriff „Krieg“, um den es im Weiteren gehen soll, wenn nicht zu klären, so doch zumindest zu problematisieren. Der theoretische Begriff des Krieges ist ein schwieriges Thema. Er soll hier nicht aus sich selbst heraus und umfassend thematisiert werden, sondern, weil und soweit sich mit Hilfe seiner Problematisierung ein erster Einblick in das Thema der neuartigen Kriegsformen andeuten lässt.

Der Begriff des Krieges


Innerhalb wie außerhalb der Internationalen Beziehungen existieren eine Fülle von Definitionen und Konzepten des Krieges, wie Vasquez (1993: 14-50) exemplarisch zeigt. Sie alle sind abhängig von theoretischen oder schon disziplinär bedingten Vorannahmen und stehen in besonderem Verhältnis zu der Zeit, aus der sie stammen. Das berühmte Clausewitzsche Diktum etwa, Krieg sei die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln, erfasste in seiner klassischen Konnotation mit souveränen Staaten als Akteuren eines verregelten Krieges (kritisch hierzu: Chojnacki/Daase 2003: 16-18) die Kriege der Nationalstaaten des 19. Jahrhunderts sowie auch die Kabinettskriege vor der Französischen Revolution recht gut, greift in dieser Form aber spätestens nach dem Zweiten Weltkrieg und dem vermehrten Auftreten innerstaatlicher Kriege zu kurz. (Ganz abgesehen davon, dass durch diese klassische Kriegsdefinition sogenannte extrasystemische Kriege an den Peripherien des europäisch geprägten, staatszentrierten internationalen Systems gegen „Eingeborene“ oder aufständische Kolonialvölker nie als „echte“ Kriege galten.)

Eine häufig zitierte und gebrauchte neuere Kriegsdefinition liefert Hedley Bull: „War is organized violence carried on by political units against each other“ (Bull 1977: 184). Diese Definition löst den der Clausewitz-Rezeption innewohnenden Bezug zum Staat auf und ermöglicht so, auch innerstaatliche Kriege (mit oder ohne Staatsbeteiligung) oder solche zwischen nicht-staatlich verfassten Gemeinschaften und einer externen Staatsmacht als veritable Kriege anzusehen; jedenfalls soweit political units nicht ausschließlich als Staaten verstanden werden, sondern auch als organisierte Guerillaverbände, Milizen oder ähnliche politische Organisationen, die in der Lage sind, kollektive Gewalt auszuüben. Damit wird dieser Kriegsbegriff den typischen innerstaatlichen Entkolonialisierungs-, Revolutions-, und Sezessionskriegen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gerecht, in denen nichtstaatliche Akteure politische Ziele mit organisierter militärischer Gewalt verfolgten. Des Weiteren birgt Bulls Definition den Vorteil, dass auch die Art der Gewalt und ihre Organisation nicht einschränkend vorbestimmt sind; die Gewalt muss lediglich organisiert sein, wie dies geschieht, spielt keine Rolle.[1]

Trotzdem ergeben sich für den Kriegsbegriff Bulls Schwierigkeiten, sobald versucht wird, ihn auf die Neuen Kriege anzuwenden. Zwar berücksichtigt er durch seine Indifferenz gegenüber staatlicher Verfasstheit, dass die Neuen Kriege innerstaatlicher Natur sind, ja sogar sich gar nicht zwangsläufig um Staatlichkeit drehen, wie es die typischen innerstaatlichen Kriege zur zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts taten. Auch kommt den neuen Kriegsformen die Unbestimmtheit der...

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