Nachdem die Grundlagen mit Hilfe der relevanten Standards definiert worden sind, ist Gegenstand des vorliegenden Kapitels, ein Grundverständnis für dieKlassifikation, denAnsatz, dieBewertung und denAusweis von finanziellen Vermögenswerten nach IFRS 9 zuvermitteln.Zudemsoll dieses Kapitel genügend „Zündstoff“ für eine spätere kritische Würdigungliefern und mit ihrden Schwerpunkt für die vorliegende Arbeit bilden.
Das bilanzierende Unternehmen hat den IFRS 9, die auf alle Posten innerhalb des Anwendungsbereichs von IAS 39 Finanzinstrumente: Ansatz und Bewertung, anzuwenden.[58]
Die Vorschriften zum Ansatz von Finanzinstrumenten gemäß IFRS 9.3.1.1 haben sich zum IAS 39.14 nicht verändert. Das bilanzierende Unternehmen hat ein Finanzinstrument nur dann in seiner Bilanz anzusetzen, wenn es Vertragspartei im Sinne des IFRS 9.B3.1.1 und IFRS 9B3.1.2 wird.[59] Danach hat das bilanzierende Unternehmen auch vertragliche Rechte und Pflichten, die sich aus Derivaten ergeben, als Vermögenswerte oder Verbindlichkeiten in der Bilanz anzusetzen. Eine Ausnahme hiervon bilden Derivate, die verhindern, dass die Übertragung eines finanziellen Vermögenswerts als Verkauf bilanziert werden,und somit nicht ausgebucht werden muss. In diesem Fall wird der übertragene Vermögenswert beim Empfänger in der Bilanz nicht als Vermögenswert angesetzt.[60] Beim erstmaligen Ansatz klassifiziert das bilanzierende Unternehmen einen finanziellen Vermögenswert nach den Regelungen des IFRS 9.4.1.1-IFRS 9.4.1.5 und bewertet ihn gemäß IFRS 9.5.1.1- IFRS 9.5.1.2.[61] Zu beachten ist dabei, dass ein marktüblicher Kauf oder Verkauf eines finanziellen Vermögenswertes entweder zum Handels- oder zum Erfüllungstag anzusetzen bzw. auszubuchen ist.[62]
Die Klassifikation von finanziellen Vermögenswerten wurde durch IFRS 9 grundlegend überarbeitet. Das IASB verfolgt mit dieser Überarbeitung das Ziel, eine Komplexitätsreduktion und eine prinzipienbasierte Bilanzierung zu kodifizieren.[63]Für die Klassifikation der einzelnen finanziellen Vermögenswerte,wurde aus den zuvor vierKategorien[64]nach IAS 39, eine Reduzierung auf zwei Kategorien gemäß IFRS 9 vorgenommen. Diese Kategorien sehen vor, finanzielle Vermögenswerte nur noch
zu fortgeführten Anschaffungskosten (Amortised Cost) oder
zum beizulegenden Zeitwert (Fair Value)über die GuV erfolgswirksam zu bewerten.[65]
Von der erfolgswirksamen Bewertung zum beizulegenden Zeitwert, können Eigenkapitalinstrumente unter bestimmten Voraussetzungen ausgenommen werden, welche inKapitel 3.5.5 näher beschrieben ist.Wobei zu beachten ist, dass bilanzierende Unternehmen eine Bewertung zu fortgeführten Anschaffungskosten der Bewertung zum beizulegenden Zeitwert vorziehen. Auf die Gründe wird im Rahmen der Gesamtergebnisrechnung in Kapitel 3.5.2näher eingegangen.
In IFRS 9.4.1 wird genau dargelegt unter welchen Bedingungen eine Klassifikation in einer der beiden Kategorien zu erfolgen hat. Demnach ist ein finanzieller Vermögenswert dann und nur dann zu fortgeführten Anschaffungskosten zu bewerten, wenn die nachfolgenden Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:
Der Vermögenswert wird im Rahmen eines Business Model gehalten, dessen Zielsetzung darin besteht, finanzielle Vermögenswerte zur Vereinnahmung der vertraglichen Cashflows zu halten.
Die vertraglichen Bestimmungen des finanziellen Vermögenswerts führen zu festgelegten Zeitpunkten zu Cashflows, die ausschließlich Tilgungs- und Zinszahlungen auf den ausstehenden Kapitalbetrag darstellen.[66]
Ist eine der beiden Voraussetzungen nicht erfüllt, so ist der finanzielle Vermögenswert zwingend zum beizulegenden Zeitwert zu bewerten.[67] Dem bilanzierenden Unternehmen wird gemäß IFRS 9.4.1.5 bei der Bewertung zu fortgeführten Anschaffungskosten auch einmalig das Wahlrecht eingeräumt, seine finanziellen Vermögenswerte zum beizulegenden Zeitwert zu kategorisieren.Ein solches Wahlrecht wird nur zur Vermeidung bzw. Verringerung von Inkongruenzenhinsichtlich der Bewertung oder beim Ansatz auftretenden Rechnungslegungsanomalien (sog. Accounting Mismatch)gewährt. SolcheRechnungslegungsanomalien treten auf, wenn die Bewertung von finanziellen Vermögenswerten oder finanziellen Verbindlichkeiten oder aber auch die Erfassung von sich daraus ergebenden Gewinnen und Verlusten auf unterschiedlicher Basis erfolgt.[68]Dieses Wahlrecht wird Kapitel 3.5.3 näher beschrieben.
Der IFRS 9 macht keine genauen Angaben über die Reihenfolge der Prüfung, d.h. ob zuerst die Bedingung für das Business Model oder die der vertraglichen Cashflows zu prüfen ist. Jedoch ist das IASB der Auffassung, dass es für ein bilanzierendes Unternehmen effizienter sei, die Bedingung des Business Modelsfür eine Bewertung zu fortgeführten Anschaffungskosten zuerst zu prüfen.[69]
Im Gegensatz zum IAS 39, ist die Reklassifizierung der finanziellen Vermögenswerte gemäß IFRS 9 nur noch sehr eingeschränkt möglich. Hieraufwird in Kapitel 3.3 näher eingegangen.
Was genauunter einem Business Model zu verstehen ist und welche Eigenschaften im Detail die Cashflows für eine Bewertung zu fortgeführten Anschaffungskosten aufbringen müssen, wird in den nachfolgenden Kapiteln erörtert.
Wie im vorangegangen Kapitel erläutert, ist gemäß IFRS 9.4.1.2die erste Voraussetzung, die für eine Klassifikation der finanziellen Vermögenswerte zu fortgeführten Anschaffungskosten von Bedeutung ist,nurdann erfüllt, wenn das bilanzierende Unternehmen ein Business Model verfolgt, dessen Absichtes ist,die finanziellen Vermögenswerte zu halten und deren vertraglichen Cashflows zu vereinnahmen. Das heißt, nach den Vorschriften des erstmaligen Ansatzesin IFRS 9.3.1.1, ist bereits bei Zugangeinfinanzieller Vermögenswert nach den Vorschriften des IFRS 9.4.1.1-IFRS 9.4.1.5 zu klassifizieren und es muss somit bei Zugangdie Absicht, diesenzur Vereinnahmung der vertraglichen Cashflows zu halten.Jedoch ist nach einer bereits erfolgten Klassifikation in die Bewertungskategorie fortgeführte Anschaffungskosten einevorzeitige Veräußerung nicht ausgeschlossen. Unter bestimmten Voraussetzungen kann eine solchefrühzeitige Veräußerung eines Finanzinstruments für das Business Model mit Halteabsicht unschädlich sein.[70]In Kapitel 3.2.2.5 wird aufdieses Thema nähereingegangen.
Das Business Model sollte nach IFRS 9 BC4.20 aus der realen Geschäftes- bzw. Managementtätigkeit abgeleitet werden können.Für die Bestimmungdes Business Modelsist allein das Management in Schlüsselposition gemäß IAS 24 verantwortlich.[71] Demnach sind im Sinne des IAS 24.9 unter Management in Schlüsselpositionendie Personengemeint, die für die Planung, Leitung und Überwachung der Tätigkeiten des Unternehmens direkt oder indirekt zuständig und verantwortlich sind. Hierzu gehörenMitglieder aus derGeschäftsführung- und Aufsichtsorgane. Zu beachten ist, dass bei der Festlegung einesBusiness Models die Absichten des Managements nicht von einzelnen Finanzinstrumentenabhängen, sondern eine Beurteilung vielmehr auf einer übergeordneten Aggregationsstufeerfolgen muss.[72]Hierbei legt der IFRS 9 nicht genau fest was unter einer übergeordneten Aggregationsstufe verstanden werden kann.[73] Für die vorliegende Arbeit soll der Begriff des Portfolios für die Aggregationsebene, auf der das Kriterium angewandt wird, genutzt werden. Dabei ist ein Portfolio eine Zusammenfassung der darin enthaltenen Finanzinstrumente und ist dem Business Model zuzuordnen, welches in gleicher Weise gesteuert wird. In IFRS 9 ist ebenfalls nicht genau bestimmt worden, wie viele Portfolien innerhalb eines Business Models bestehen dürfen. Denkbar ist auch die Konstellation, dass ein Portfolio genau einem Business Model entspricht. Schlussfolgernd kann angenommen werden, dass in einem Business Model zwischen 1 und n Portfolien enthalten sein können.[74]
Hinsichtlich der Anpassung eines Business Models an die Vorschriften des IFRS 9, werden im Konkreten keine genauen Angaben darüber gemacht. IFRS 9.4.1.2 sagt nur aus,dass die Bedingung bei einem Business Model für die Bewertung zu fortgeführten Anschaffungskosten genau dann erfüllt ist, wenn der Vermögenswert im Rahmen eines Business Model gehalten wird, dessen Zielsetzung darin besteht, finanzielle Vermögenswerte zur Vereinnahmung der vertraglichen Cashflows zu halten....