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Kritische Soziale Kulturarbeit mit dem Medium Film

Potenziale des Mediums unter Berücksichtigung von Ästhetik und Theorie nach Theodor W. Adorno und David Lynch

AutorPhilipp Rösel
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl135 Seiten
ISBN9783656076032
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis20,99 EUR
Masterarbeit aus dem Jahr 2011 im Fachbereich Soziale Arbeit / Sozialarbeit, Note: 1,0, Fachhochschule Regensburg, Sprache: Deutsch, Abstract: Gegenstand der hier vorliegenden Arbeit soll sein, eine theoretische sowie praktikable Darstellung des Ansatzes Kritischer Sozialer Kulturarbeit [KSK] nach den theoretischen Vorlagen Theodor W. Adornos und den Werken des Regisseurs David Lynch zu leisten. Der Ansatz soll folglich Inhalte der Sozialen Kulturarbeit mit jenen der Kritischen The-orie [KT] sowie Werken Lynchs verbinden. Hierfür sollen sowohl Berührungspunkte (z.B. Ästhetik und Gesellschaftskritik) wie auch Unterschiede aufgezeigt werden. Das zugrunde liegende Medium des hier dargestellten und erarbeiteten Konzeptes ist - be-zogen vor allem auf David Lynch - der Film. Zunächst soll jedoch der Ansatz der KSK allgemein dargestellt und begründet werden, was eine grundlegende Erläuterung zentraler Begrifflichkeiten wie Soziale Kulturarbeit und Kulturkritik voraussetzt. Weiter werden anschließend die relevanten, theoretischen Überlegungen von Theodor W. Adorno erläutert, kritisch reflektiert, auf ihre Aktualität hin geprüft und ggf. an die somit neuen Anforderungen und Gegebenheiten angepasst. Hierzu sei bereits an früher Stelle angemerkt, dass viele der in dieser Master-Thesis aufgeführten Begriffe - wie beispielsweise jene der Kulturindustrie, der Kulturkritik und andere theoretische Ausführungen der Frankfurter Schule - zumindest in Teilen einer an die Gegenwart angepassten Neubeurteilung bedürfen, da sie heute teilweise umstritten sind, bzw. als veraltet gelten. Die Frage, ob die Rhetorik von Adorno, Ben-jamin und Horkheimer etwa noch zeitgemäß und für moderne Kulturarbeit anwendbar ist, scheint daher durchaus berechtigt. Dennoch sei bereits in den hier einleitenden Ge-danken angemerkt, dass sowohl Kulturkritik wie auch Kulturindustrie gerade in Zeiten der Ökonomisierung sämtlicher Schutzbereiche der Kultur durchaus die Chance einer Renaissance eingeräumt werden sollte. Zusätzlich zu Adornos theoretischer Grundlage wurde als methodisches Element der Film und im Genaueren - als Inspirations- und Ideenquelle - das Werk des amerikani-schen Regisseurs David Lynch ausgewählt. Wieso gerade Lynch sich für KSK eignet, wird daher ebenfalls beleuchtet. Sowohl was die Behandlung der Frage nach der Ästhe-tik wie auch der Gesellschafts- bis Kulturkritik anbelangt, kann vermutet werden, dass sich sowohl in Lynchs Werken wie auch in Adornos Theorie durchaus Parallelen finden lassen, die für den hier zu erarbeitenden Ansatz wertvoll sind. [...]

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Leseprobe

3 Kritische Theorie


 


Im nun folgenden Teil der Arbeit soll sich detailliert mit der zugrunde liegenden Theorie der Frankfurter Schule auseinander gesetzt werden. Herangezogen werden hierfür vor allem die Werke von Adorno, Horkheimer und am Rande Benjamin und Habermas zu den Themen der Kulturkritik, Aufklärung und schließlich der Ästhetischen Theorie. Anzumerken ist, dass – wie bereits unter 2. erklärt – der historische Kontext dieser Schriften von Bedeutung ist. So entstand Horkheimers und Adornos „Dialektik der Aufklärung“ beispielsweise im US-amerikanischen Exil und wurde somit durch die Schrecken des Zweiten Weltkrieges und der sich abzeichnenden Niederlage Nazideutschlands in erheblichem Maße beeinflusst. Wie in der Methodenreflexion bereits ausführlich erläutert, ist also zu bedenken, dass sämtliche Schriften die in diesem Zusammenhang analysiert und dargestellt werden, stets vor ihrem historischen Hintergrund zu sehen sind, bei der methodischen Verwertung an dieser Stelle außerdem stets kritisch betrachtet und aktualisiert werden.

 

3.1 Die Dialektik der Aufklärung


 


„Dialektik der Aufklärung“ [DdA] gilt als eines der zentralen Werke der KT überhaupt. Das Buch entstand - wie eingangs erwähnt - in Zusammenarbeit von Max Horkheimer und Theodor W. Adorno im Exil und erschien erstmals im Jahre 1947. Der historische Kontext kann als stark beeinflussender Faktor angesehen werde, weshalb Horkheimer und Adorno dieses Werk so verfassten. Vor dem Hintergrund der Verbrechen Nazideutschlands beschreibt DdA den Rückfall der zivilisierten Menschheit in eine neue Form der Barbarei. Bereits in der Vorrede des Werkes wird verdeutlicht, weshalb die Aufklärung somit quasi gescheitert ist, Zusammenhänge zwischen Naturbeherrschung, Mystik und ökonomischen Zwängen sowie Fragen nach Kultur, Zivilisation und Fortschritt werden aufgeworfen.[35] Für Soziale Kulturarbeit in diesem Kontext stellt sich zunächst die Frage, welchen Begriff der Aufklärung man der KT entnehmen kann?

 

3.1.1 Adornos und Horkheimers Begriff der Aufklärung


 


Adorno und Horkheimer stellen sich im ersten Abschnitt ihres Werkes der begrifflichen Definition des Terminus Aufklärung. Man könnte es auch als das Dilemma der Aufklärung bezeichnen, was nach Horkheimer und Adorno die Dialektik ausmacht: Der befreite, aufgeklärte Verstand des Menschen der die Welt vom Mythos und Zauber in rational fassbare Gedanken einordnen kann, wird selbst patriarchalisch und kennt hierbei auch kaum Grenzen mehr. Sämtliches Wissen, Technik und andere Errungenschaften dienen doch letztendlich nur als Mittel der Herrschaft und in Folge dessen dem Kapital. Somit hat die Aufklärung als der Weg des Menschen aus seiner eigenen Unmündigkeit – wie es Kant sinngemäß formulierte[36] – in dieser Zwiespältigkeit ihr eigenes Scheitern verursacht, da sie nur wieder neue Unmündigkeit hervorbringt. Adorno und Horkheimer beschreiben dies als ein Vorgehen der Aufklärung gegen sich selbst, wobei im Ergebnis nur die Beherrschung und nicht das Ideal des mündigen Bürgers steht.[37]

 

„Was die Menschen von der Natur lernen wollen, ist, sie anzuwenden, um sie und die Menschen vollends zu beherrschen.“ [38]

 

Bereits bei der begrifflichen Grobeinordnung der Kritik am Terminus der Aufklärung zeigen sich zwei wesentliche Punkte, die für KSK zu beachten sind. Zum einen ist der Grundtenor der Kritik durchaus in seiner Aktualität zu bestätigen. Unterstellt man einen unweigerlichen, stetigen Fortschritt der Aufklärung, ist auch aus heutiger Sicht eine Dialektik und Widersprüchlichkeit kaum von der Hand zu weisen. Zum Einen kann eine laufende Fortentwicklung der Wissensgesellschaft konstatiert werden, zum anderen jedoch produziert dieser Prozess kontinuierlich Verlierer eben jener, die nichts als Objekte von Beherrschung und Unterdrückung zu werden drohen. In diesem Kontext ist aus sozialpädagogischer Perspektive von nichts anderem als von den Exkludierten die Rede, jene „Überflüssigen“, die am Fortschritt der Wissensgesellschaft scheitern und als quasi entmündigte Objekte abseits des über die Erwerbsrolle definierten Bereichs der inkludierten Gesellschaft am Rande zurückbleiben. Steinert beschreibt diese Problematik in seiner Kritik am Terminus der Überflüssigen, wobei jedoch auch das Grundproblem der Wissensgesellschaft und jener, die von ihr nicht profitieren können, angesprochen wird.[39]

 

Die Verlierer der Wissensgesellschaft sind nur ein denkbares unter vielen Beispielen, die Adornos und Horkheimers Thesen aktualisiert in die heutige Zeit als immer noch haltbar erscheinen lassen. Weitere Beispiele wären die ökonomische Ausbeutung der Dritten Welt oder aber die schleichende Abschaffung des Datenschutzes und der Bürgerrechte durch die Anwendung moderner Technologien im IT- und Kommunikationsbereich. In all diesen Fällen steht Wissen, Technik, Fortschritt etc. konträr zu den Idealen der Aufklärung. Kritisch reflektiert werden muss bei der Lektüre der DdA jedoch die teilweise marxistisch gefärbte Rhetorik. Zum einen ist festzuhalten, dass weder Kapital noch Arbeiterklasse heute ausreichend deskriptive Reichweite für die moderne Gesellschaft besitzen. Zum anderen ist eben jene marxistische Grundlage ohnehin aus gegenwärtiger Sicht in großen Teilen zwar nicht vollkommen falsch, jedoch auch teilweise widerlegbar. Nichtsdestotrotz ist es wichtig, anzumerken, dass weder Adorno noch Horkheimer als klassische Marxisten zu bezeichnen wären. Adorno bleibt Dialektiker und unterzieht auch Marx und Engels kritischer Betrachtungen.[40] Darüber hinaus ist klar festzuhalten, dass Adorno als entschlossener Verfechter der individuellen Freiheit als besonders hohes Gut, dem diktatorischen Sozialismus/Kommunismus in keiner Weise nahe stand.[41] Würde man die KT also als negativistischen Ableger des Marxismus bezeichnen, so täte man ihr Unrecht.

 

Im Kern wird der Aufklärung ein Hang zum Totalitarismus unterstellt. Sie unterdrückt durch diesen jegliches gegen sie gewandte Meinungsgut und akzeptiert keine Alternativen, die sie schließlich nur mit dem Label der Mystik als voraufklärerisches Halbwissen abtut. In diesem Punkt verbirgt sich eine weitere wichtige Erkenntnis aus der Kritik der Frankfurter Schule. Bereits Adorno und Horkheimer beschrieben es als einen Zwang zu Nützlichkeit und Berechenbarkeit. Alles außerhalb dieser Grenzen gilt als verdächtig. Dabei ist die Aufklärung den Mythen – Götterglaube, Dämonologie, Zauberei, Magie etc. –, die sie in ihren Ursprüngen verteufelte, nur scheinbar unähnlich. Beide Ansichten der Welt sind in ihren Ergebnissen und Intentionen durchaus verwandt, indem sie gleichsam die Beherrschung – z.B. der Natur – anstreben, bzw. bezwecken. Nur ist es einerseits das Rationale, Empirische und andererseits die Allmächtigkeit des Übernatürlichen, Mythischen, welches die Herrschaft rechtfertigt. Weitere Unterschiede zeigen sich z.B. in Subjektivierungs- hin zu Objektivierungstendenzen, die jedoch im Ergebnis vergleichbar sind: Auch das Tier im wissenschaftlichen Sinne als Objekt erfährt Beherrschung durch den Menschen. Das Besondere im Falle der Aufklärung ist, dass sie selbst erneut Mythen schafft und rechtfertigt, die zwar zunächst im Widerspruch zu ihr stehen, sich jedoch im Endergebnis komplementär verhalten. Aufklärung erkennt sich demzufolge selbst wider in den Mythen. Wiederum bekennt sich der Mythos in seinem Widerstand, indem er seine Thesen als Argumente vorträgt, zum Prinzip rationalem, aufklärerischem Handelns und macht sich damit spiegelbildlich zu dem, was der Aufklärung eigentlich vorgeworfen wird.[42]

 

Aus heutiger Sicht kann hieraus nach wie vor viel Nützliches geschlossen werden, wenngleich auch in diesen Punkten eine Aktualisierung und vorherige Betrachtung der Thesen von Adorno und Horkheimer vor dem historischen Hintergrund wichtig sind. Klar ist zunächst, dass die Beherrschung der Natur als oberstes Leitziel modernem, wissenschaftlichem Handelns wie teilweise in DdA umschrieben nicht komplett von der Hand zu weisen ist. Der Mensch versucht durch Technik seit jeher, die Natur zu überlisten, bzw. sie sich nutzbar oder Untertan zu machen. Die Verwandtschaft zum Mythos und der Religion ist somit klar vorhanden. Jedoch muss aus heutiger Sicht auch klargestellt werden, dass ein Großteil der Menschen ein anderes Verhältnis zu eben jener Fragestellung hat. Die Beherrschung aller Dinge kann kaum mehr als Leitmotiv der aufgeklärten Öffentlichkeit angesehen werden. Kritische Stimmen zu Kernenergie, Klimapolitik bis hin zu Tierexperimenten und dem Konsumverhalten vieler Menschen belegen dies. Wesentlich interessanter – vor allem für Soziale Kulturarbeit – ist die These des Zwangs zur Effizienz, Nützlichkeit, Berechenbarkeit etc. :

 

„Was dem Maß von Berechenbarkeit und Nützlichkeit sich nicht fügen will, gilt der Aufklärung als verdächtig.“ [43]

 

Seinen Ursprung nimmt dieser Zwang in der Tendenz der Aufklärung, metaphorisch ausgedrückt, die eigenen Kinder zu verspeisen. So wendet sich die Aufklärung seit dem 18. Jahrhundert verstärkt gegen die innere Natur des Menschen und unterwirft ihn dem totalitären Dogma der Rationalität. Das damit vorangetriebene, ausschließlich...

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