Wie schon in Abschnitt 2.2. dargestellt, besteht die Hauptaufgabe bzw. das Hauptziel der Beschaffung in der kostengünstigen Versorgung des Unternehmens. Dies umfasst nicht nur die termin- und bedarfsgerechte Bereitstellung von Materialien und Endprodukten, sondern auch die Erfüllung interner und externer Qualitäts-anforderungen.[64] Unternehmen tragen durch die „Produkthaftung“ Verantwortung gegenüber ihren Kunden und riskieren bei Qualitätsmängeln nicht nur die Gefahr steigender Reklamationen, sondern auch den Einbruch von Verkaufserlösen. Daher wird dem Thema Qualitätssicherung eine hohe Bedeutung zugemessen. Letztlich beeinträchtigt eine unzureichende Qualität des verwendeten Materials sowohl den Umsatz als auch das Gewinnergebnis einer Unternehmung.[65]
Doch mit Hilfe welcher Hebel ist es der Beschaffung möglich, einen nachhaltigen Beitrag zur Verbesserung der Kosten- und Gewinnsituation zu leisten? Und welche Rolle spielen dabei Maßnahmen zur Optimierung von Lagerbeständen? Diese Fragen versucht das Kapitel zu beantworten. Unter Hebeln versteht man allgemein Maßnahmen, die von der strategischen Beschaffung ergriffen werden, um eine Ergebnisverbesserung zu erreichen.[66] Dies lässt sich mit Hilfe eines einfachen Beispiels aufzeigen. Bereits heute werden 70 % der Gesamtaufwendungen eines Einzelhandelsunternehmens durch den Bereich Beschaffung verursacht. Die durchschnittlichen Materialkosten des verarbeitenden Gewerbes in Deutschland liegen bei gut 65 %. Schon eine minimale Reduzierung des Materialaufwands führt zu einem positiven Effekt, der sich im Unternehmensergebnis widerspiegelt.[67]
Als Beispiel sei ein kleines Großhandelsunternehmen mit folgenden fiktiv gewählten Kennziffern angeführt:
Jahresumsatz: 5 Mio. Euro
Umsatzrendite: 4 % (200.000 Euro)
Beschaffungskosten am Umsatz: 50 % (2,5 Mio. Euro)
Annahme 1: Senkung der Beschaffungskosten um 2 %
Annahme 2: Senkung der Beschaffungskosten um 4 %
Abbildung 4: Einfluss der Beschaffung auf die Rendite[68]
Mit Hilfe der in Abb. 4 dargestellten Formel nach Arnolds kommt man zu dem Ergebnis, dass bereits eine 2%ige Reduzierung der Beschaffungskosten zu einer Ergebnis-verbesserung um 25 % bzw. 50.000 Euro führt. Demzufolge wird durch Erreichung einer 4%igen Senkung der Beschaffungskosten eine Ergebnisverbesserung um 50 % bzw. 100.000 Euro erzielt. Damit sich der gleiche Effekt in Form einer Absatzsteigerung erzielen lässt, müsste der Umsatz in Anlehnung an Annahme 1 um 25 % auf 7,5 Mio. Euro steigen. Ein derartiger Anstieg des Umsatzes wird jedoch in der heutigen Zeit schwieriger zu realisieren sein als eine 2%ige Einsparung der Beschaffungskosten. Dieses Beispiel verdeutlicht, dass Kosteneinsparungen nicht immer mit einem Abbau von Arbeitsplätzen verbunden sein müssen. Des Weiteren lässt sich widerlegen, dass eine Reduzierung von Beschaffungskosten negativ auf die Qualität der Produkte wirkt. Denn partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen dem Unternehmen und seinen Lieferanten fördert eher das Qualitätsbewusstsein und kann zu einer Verbesserung von Qualität, Kosten und Zeit führen, wobei der Zeitaspekt als Wettbewerbsvorteil zu verstehen ist.[69]
Nachdem der vorherige Abschnitt allgemein die Auswirkung sinkender Beschaffungs-kosten auf den Gewinn verdeutlicht hat, folgen nun zwei wesentliche Hebel, die aufgrund ihrer Eigenschaften direkten Einfluss auf Kosten und Einstandspreise von Beschaffungsgütern nehmen. Ein in vielen Unternehmen unausgeschöpftes Potenzial stellen Volumenbündelungen dar. Darunter ist allgemein das Zusammenfassen von Einzelbedarfsmengen zu einem Gesamtbedarf zu verstehen.[70] Die Beschaffung kann mit Hilfe von Bündelungen einem Lieferanten eine größere Bestellung in Aussicht stellen und wird dies nutzen, um bessere Einstandspreise und damit verbunden eine Senkung der Materialkosten zu erreichen.[71] Doch nicht nur die Kostensenkung stellt einen positiven Aspekt von Volumenbündelungen dar. Hat ein Unternehmen bisher ähnliche Artikel wie z.B. Schrauben von diversen Lieferanten bezogen, so lässt sich durch Bündelungsmaßnahmen ggf. die Lieferantenanzahl reduzieren und ein Hauptlieferant anhand von internen Kriterien (Produkt- oder Warengruppe) bestimmen.[72] Zudem erlangt das Unternehmen gegenüber diesem Hauptlieferanten eine bessere Verhandlungsposition um weitere Kostensenkungen zu erschließen.[73] Kleine und mittelständische Großhandelsunternehmen, die alleine nicht über eine derartige Machtposition gegenüber ihren Lieferanten verfügen, haben die Möglichkeit, durch externe Einkaufskooperationen diesen Nachteil in einen Vorteil umzuwandeln.[74] Durch den Verbund mit anderen Unternehmen der Branche lassen sich das Beschaffungsvolumen und die Machtpositionen vergrößern. Letztlich wirken sich diese Effekte in mehrfacher Hinsicht positiv aus. Neben den finanziellen Vorteilen durch Einsparungen bei den Einstandspreisen bietet sich die Chance der Produkt-standardisierung. Zudem lassen sich auch Einkaufsprozesse vereinheitlichen und Aufwendungen der Beschaffungsmarktforschung auf ein Minimum begrenzen. Als Nachteile ergeben sich der Verlust des Einkaufs-Know-how und die Offenlegung betrieblicher Geheimnisse.[75]
Unter E-Procurement versteht man internetbasierte Tools, die zur Unterstützung im Beschaffungsprozess verwendet werden.[76] Diese fördern eine schnelle und kostengünstige Beschaffung und führen zur Steigerung der Produktivität.[77] Essig betont dies mit folgender Aussage: „Without doubt, it will dramatically change the way purchasing is done in the near future.“[78] Mit E-Procurement lässt sich einerseits eine Verbesserung von internen Arbeitsprozessen erzielen, andererseits besteht das Potenzial der Kostensenkung von Einstandspreisen. Trotz dieser Vorteile konnte sich E-Procurement bisher nicht als branchenübergreifender Standard durchsetzen. Besonders kleinen und mittelständischen Unternehmen fehlen die Risikobereitschaft und der finanzielle Spielraum für Investitionen. Denn ist der Unternehmensumsatz zu gering wird sich eine solche Investition nicht rechnen. Schließlich soll das aufgewendete Kapitel schnellstmöglich über Umsatzerlöse in das Unternehmen zurückfließen. Der Faktor Wirtschaftlichkeit nimmt daher erheblich Einfluss auf eine Investitionsentscheidung.[79] Es gibt eine Vielzahl internetbasierter Lösungen zur Abwicklung von Beschaffungsaufgaben. Im Weiteren folgen Beispiele, die einen klassischen Bezug zum Begriff E-Procurement darstellen.
Elektronischer Katalog
Ein elektronischer Katalog ist beispielsweise ein digitaler Produktkatalog eines Lieferanten, der Informationen über das Sortiment, Artikel, Preise und Lieferkonditionen etc. bereithält. Diese Art von Katalog steht entweder integriert in einer unternehmenseigenen Softwarelösung (Intranet) zur Verfügung oder der Zugriff erfolgt extern über die Website des Lieferanten, der seinen Produktkatalog online bereitstellt.[80] Besonders für den Erwerb geringwertiger, standardisierter Güter wie z.B. Gebrauchs- und Verbrauchsmaterialien die ein niedriges Beschaffungsrisiko aufweisen, eignet sich die Verwendung elektronischer Kataloge. Diesen Nutzen haben vor allem große Unternehmen erkannt. So setzen heute fast 90 % von ihnen elektronische Kataloge zu Beschaffungszwecken ein.[81] Auf diese Weise lässt sich nicht nur die Bestellabwicklung beschleunigen, auch prozessbedingte Kosten können gesenkt werden.[82] Die Bestellung wird dabei direkt durch den Bedarfsträger am Desktop (Desk Top Purchasing) ausgelöst, was sowohl Zeit spart als auch den Bestellprozess vereinfacht. Für die Bedarfsträger gilt es jedoch zunächst Nutzerprofile zu erstellen, die je nach Abteilung, Position und Freigabestufe variieren.[83] Bei Erreichung einer Freigabestufe erhält der Vorgesetzte automatisch eine Information über die Bestellung. Nach erfolgreicher Genehmigung kann im Anschluss der Lieferant durch Übermittlung der Bestellung über den Bedarf informiert werden. Gabath zufolge liegen die Einsparungen durch den Einsatz elektronischer Kataloge im zweistelligen Prozentbereich.[84] Darüber hinaus ist es möglich, durch die Bevorzugung eines Lieferanten das Bestellvolumen zu bündeln, was Kosten spart und als zusätzlicher positiver Effekt zu werten ist.[85]
Elektronische Ausschreibung
Eine weitere onlinebasierte Beschaffungsmöglichkeit stellen elektronische Ausschreibungen dar. Dabei veröffentlichen Unternehmen detaillierte Informationen über das benötigte Produkt, wie z.B. Zeichnungen oder technische Besonderheiten.[86] Lieferanten können dann anhand der vorliegenden Daten ein Angebot abgeben. Die elektronische Ausschreibung führt zu einer großen...