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Kulturbezogenes Lernen in asynchroner computervermittelter Kommunikation

Eine empirische Untersuchung von Online-Diskussionen im universitären Landeskundeunterricht

AutorChristine Becker
VerlagNarr Francke Attempto
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl346 Seiten
ISBN9783823300847
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis51,20 EUR
Viele Studien belegen den Nutzen von asynchroner computervermittelter Kommunikation für das Fremdsprachenlernen. Ein Teilbereich des Fremdsprachenunterrichts, die Landeskunde, wurde jedoch bislang kaum berücksichtigt. Diese Studie nimmt daher das landeskundliche Lernen in den Blick und untersucht anhand von Daten aus einem kulturwissenschaftlich orientierten universitären Seminar zur DaF-Landeskunde, welches Potenzial, aber auch welche Probleme Forumsdiskussionen für kulturbezogenes Lernen bergen. Die Analyse zeigt dabei unter anderem welche Aufgabenformate im untersuchten Setting fruchtbar sind und bietet so Impulse für den sinnvollen Einsatz von Forumsdiskussionen im Rahmen von Fremdsprachenstudiengängen.

Dr. Christine Becker lehrt Deutsch als Fremdsprache an der Universität Stockholm, Schweden.

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Leseprobe

2 Theoretischer Hintergrund


2.1 Fremdsprachenlernen mit digitalen Medien


Seit dem Aufkommen der digitalen Medien1 werden diese auch für das Fremdsprachenlernen genutzt, wobei zunächst grob zwischen folgenden Verwendungsformen von digitalen Medien bzw. E-Learning2 im Fremdsprachenunterricht unterschieden werden kann: der „Verteilung (Distribution) von Lernmaterial, [und der] Kommunikation zwischen Lernenden und Lehrenden sowie zwischen Lernenden bzw. Lehrenden untereinander“ (Rösler 2010a, 9)3. Beide Verwendungsformen sind derzeit für das Fremdsprachenlernen gleichermaßen relevant und es lässt sich folgender Trend beschreiben: Während auf der einen Seite eine „Tendenz zur weitgehenden Individualisierung des Lernens“ festzustellen ist, da Lerner durch digitale Medien z.B. die Möglichkeit haben, individuelle Lernpfade zu beschreiten, kann zudem eine „weitere Verbreitung kooperativen Lernens“ beobachtet werden (Rösler 2010b, 1210), das z.B. durch asynchrone computervermittelte Kommunikation ermöglicht wird.

Als Beispiele für die Verwendung digitaler Medien für das Fremdsprachenlernen4 lassen sich erst einmal das Bearbeiten von automatisch korrigierten Lückentexten auf zu Lehrbüchern gehörenden CD-ROMs oder einschlägigen Internetseiten sowie das Üben von Vokabeln und grammatischen Strukturen auf Smartphones5 nennen, wobei diese Einsatzmöglichkeiten meist unter die Kategorie CALL fallen. CALL steht für Computer-Assisted Language Learning und prägte vor allem die Anfangsjahre von computergestütztem Fremdsprachenlernen.6 Seitdem vielen Fremdsprachenlernern auch mobile Endgeräte zur Verfügung stehen, könnte man jedoch von einem Revival von CALL sprechen: Apps wie Duolingo werden für das Selbstlernen angeboten und haben den instruktionalen Charakter, der typischerweise mit CALL verbunden wird.7

Zum kooperativen Arbeiten mit digitalen Medien gehören u.a. das gemeinsame Verfassen von Texten, das Erstellen von Podcasts oder Filmen, oder das, was unter computervermittelter Kommunikation (CMC: Computer-Mediated Communication)8 verstanden wird, wie das Diskutieren von Kurzgeschichten im didaktischen Chatraum, der interkulturelle Austausch in virtuellen Welten, im Chat oder durch die App WhatsApp, oder eben auch die Auseinandersetzung mit landeskundlichen Themen in Online-Foren.

Entsprechend des Bewusstseins, dass „[d]er Einsatz von digitalen Medien nur dann sinnvoll [ist], wenn er sinnvoll ist“ (Rösler 2006a, 69), versucht die fremdsprachendidaktische Forschung Klarheit in die Frage zu bringen, welchen Sinn bzw. Mehrwert digitale Medien für das Fremdsprachenlernen haben. Reinmann (2005, 7678) erörtert ausgehend von Hauptfunktionen9 das Potenzial digitaler Medien für Lernumgebungen im Allgemeinen, die im Folgenden auf das Fremdsprachenlernen zugeschnitten werden sollen (vgl. Biebighäuser 2014, 98), mit besonderem Fokus auf das Potenzial für landeskundliches Lernen:

Distribution, Repräsentation und Exploration: Distribution meint die „zeit- und ortsunabhängige Verfügbarkeit von Informationen und Materialien“ (ebd., 98), dank derer Lernende und Unterrichtende Zugang haben zu z.B. Zusatzmaterialien zu Lehrwerken auf den Seiten der Verlage und zu unter Umständen tagesaktuellen authentischen10 Materialien aus der fremdsprachigen Lebenswelt. Dass digitale Medien hier nicht nur ein Potenzial besitzen, sondern es auch problematisch sein kann, wenn Lernende beispielsweise im Rahmen von eigenständigen Recherchen landeskundliche Informationen googeln, zeigt anekdotisch das kleine Experiment von Koreik, der im Suchfenster der Google-Bildersuche „deutsche Jugend“ eingibt:11

Von den ersten zehn Einträgen […] stammten vier aus der NS-Zeit, drei waren der Neonazi-Szene zuzuordnen, einer zeigte ein Plattencover der FDJ […], in einem Fall wurde eine Karikatur gezeigt, auf der als Ausländer skizzierte Jugendliche vor der Schule offensichtlich einen deutschen Schüler verprügeln […]. (Koreik 2011, 597)

Eine weitere Hauptfunktion digitaler Medien ist die Repräsentation, d.h. die Möglichkeit, „Informationen in verschiedenen Symbolsystemen darzustellen, Text, Bild und Animation zu kombinieren“ (Reinmann 2005, 76); jedes Symbolsystem schult dabei die entsprechende rezeptive Fähigkeit. Durch die multimediale Präsentation von Lerngegenständen können verschiedene Lernertypen angesprochen werden und durch die Kombination Synergieeffekte erzielt werden. Die mehrkanälige Repräsentation ist zudem heutzutage die authentische Form der Informationsvermittlung, so dass ein handlungsorientierter Sprachunterricht als sinnvoll betrachtet werden kann, wenn er „Sprache und Kultur in der Vielfalt ihrer natürlichen vorkommenden Medien“ (Roche 2010, 1244) vermittelt. Zugleich können Lernende durch digitale Medien die Produkte ihrer Arbeit in verschiedenen Symbolsystemen präsentieren, z.B. als Podcasts, Filme oder Blogs, wie im landeskundlichen Blog der Göteborger Deutsch-Studenten (vgl. Havermeier/Junker 2013).

Die Funktion der Exploration benennt die Möglichkeit der Interaktion des Lerners mit dem Material, z.B. im Rahmen von interaktiven Selbstlernmaterialien, Planspielen oder Simulationen, was schon darauf hinweist, dass dem Faktor der Interaktivität eine wichtige Rolle beim Lernen mit digitalen Medien zukommt (vgl. Zeyer/Stuhlmann/Jones 2016) und zu den anderen beiden Hauptfunktionen Kommunikation und Kollaboration überleitet, die in dieser Arbeit im Zentrum stehen:

Digitale Medien ermöglichen die (computervermittelte) Kommunikation zwischen Lehrenden und Lernenden oder Lernenden untereinander, wobei diese asynchron, d.h. zeitversetzt, oder synchron, d.h. (nahezu) zeitgleich, stattfinden kann, sowie mündlich oder schriftlich. So besteht beispielsweise die Möglichkeit, E-Mail-Klassenpartnerschaften zu pflegen und so das interkulturelle Lernen12 zu fördern (vgl. besonders O’Dowd 2007) oder mit L1-Sprechern in Kontakt zu treten und die Fremdsprache in authentischen Situationen zu verwenden. Nach Rösler (2010a, 50f) liegt das Hauptpotenzial des asynchronen Modus somit darin, dass – rein praktisch – bei raumüberschreitenden Projekten verschiedene Zeitzonen keine Rolle mehr spielen und dass die Lernenden mehr Zeit zur Reflexion haben. Synchrones Arbeiten hingegen erlaubt es, dass man z.B. in einer Videokonferenz direkt miteinander redet. Funktionierende Kommunikation ist zudem die Voraussetzung für Kollaboration, das gemeinsame Arbeiten mehrerer Lernender, indem sie beispielweise in virtuellen Welten kollaborativ landeskundliche Aufgaben bearbeiten (vgl. Biebighäuser 2014).

Die fünf Hauptfunktionen digitaler Medien sind jedoch nur aus analytischen Gründen voneinander getrennt; werden digitale Medien in den Fremdsprachenunterricht integriert, sind je nach Unterrichtsphase oder Aufgabensequenz alle oder mehrere Funktionen unterschiedlich gewichtet. In dem im Rahmen dieser Arbeit untersuchten Unterricht beispielsweise steht die Kommunikation zwischen Studierenden im Mittelpunkt, wobei dadurch, dass die Diskussion auf der Lernplattform gespeichert wird, die Funktion der zeit- und ortsunabhängigen Distribution eine wesentliche Rolle für das Lernpotenzial spielt, ebenso wie die Studierenden oftmals vor dem Verfassen ihrer Beiträge selbständig Recherchen anstellen. Ausgangspunkt der Diskussionen sind darüber hinaus in verschiedenen Symbolsystemen repräsentierte Informationen, vor allem Texte, Videos und Fotografien.

Diese knappe Darstellung der verschiedenen Hauptfunktionen digitaler Medien zeigt, dass es eine große Bandbreite an verschiedenen Einsatzmöglichkeiten für das Fremdsprachenlernen gibt. Im Folgenden steht das gesteuerte Fremdsprachenlernen im Fokus. Digitale Medien können in diesem Zusammenhang nicht nur in Selbstlern- oder Kooperationsphasen des Unterrichts integriert werden, sondern gesamte Lehrveranstaltungen modifizieren. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn alle zwei Wochen stattfindender Präsenzunterricht mit dazwischenliegenden Online-Phasen kombiniert wird, in denen die Lernenden allein oder in Kooperation Aufgaben bearbeiten. Dabei sind Integration und Modifikation als Enden eines Kontinuums zu verstehen, wobei vollvirtuelle Online-Kurse, die ohne physischen Kontakt aller Beteiligten ablaufen, am einen Ende des Kontinuums zu verorten sind.

Während solche Distanzlernangebote (vgl. Platten 2010, 1192f) für gewisse Kontexte durchaus sinnvoll sind, zeigt sich jedoch nach einer anfänglichen Begeisterung um vollvirtuelle Lernangebote, dass das Konzept des Blended Learning als relevanter angesehen wird: Blended Learning „ist aus der Einsicht erwachsen, dass die traditionellen Lehr-/Lernformen mit ihren bekannten Schwächen und Engpässen sich eben doch nicht so ohne Weiteres durch eLearning-Maßnahmen ersetzen lassen“ (Kohn 2006, 286).

Da das im Rahmen dieses Forschungsprojekts untersuchte Seminar im Blended-Learning-Modus...

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