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Kunduz

Ein Erlebnisbericht über einen militärischen Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan im Jahre 2008

AutorRainer Buske
VerlagMiles-Verlag
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl224 Seiten
ISBN9783945861004
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
Insgesamt neun Monate des Jahres 2008 führte Oberst Rainer Buske das Provincial Reconstruction Team KUNDUZ in Afghanistan. Die Einsatzzeit hatte Folgen für ihn und für seine Soldaten. Zwei seiner Männer, die unter seinem Kommando dienten, kehrten nicht lebend zurück. Viele andere wurden an Leib und Seele verletzt oder verstümmelt. Dieses Buch ist ein Erlebnisbericht über einen Auslandseinsatz der Bundeswehr. Es schildert authentisch, was tatsächlich in 2008 in KUNDUZ geschah. Der Autor, damals seit bereits 34 Jahren Berufssoldat, gibt seine ganz persönlichen Eindrücke wieder. Die Lebensbedingungen in Afghanistan, die Einsatzvorbereitung als auch die Eigentümlichkeiten des Einsatzes werden genauso offen angesprochen wie der Umgang mit Tod und Verwundung, der Umgang mit Medien und politischen Repräsentanten bis hin zu Anforderungen an militärische Vorgesetzte in einem derart sensiblen Umfeld, wie es KUNDUZ nun einmal war. Die Sinnhaftigkeit des Einsatzes wird kritisch hinterfragt bis hin zur für Oberst Rainer Buske entscheidenden Frage: Hat es sich gelohnt? Sind die beiden Soldaten, die am 20. Oktober 2008 bei KUNDUZ fielen, gar umsonst gestorben? Der Leser erhält einen Einblick in Einsatzrealitäten, wie sie bisher in den Medien so noch nie veröffentlicht wurden.

Insgesamt neun Monate des Jahres 2008 führte Oberst Rainer Buske das Provincial Reconstruction Team KUNDUZ in Afghanistan. Die Einsatzzeit hatte Folgen für ihn und für seine Soldaten. Zwei seiner Männer, die unter seinem Kommando dienten, kehrten nicht lebend zurück. Viele andere wurden an Leib und Seele verletzt oder verstümmelt. Dieses Buch ist ein Erlebnisbericht über einen Auslandseinsatz der Bundeswehr. Es schildert authentisch, was tatsächlich in 2008 in KUNDUZ geschah. Der Autor, damals seit bereits 34 Jahren Berufssoldat, gibt seine ganz persönlichen Eindrücke wieder. Die Lebensbedingungen in Afghanistan, die Einsatzvorbereitung als auch die Eigentümlichkeiten des Einsatzes werden genauso offen angesprochen wie der Umgang mit Tod und Verwundung, der Umgang mit Medien und politischen Repräsentanten bis hin zu Anforderungen an militärische Vorgesetzte in einem derart sensiblen Umfeld, wie es KUNDUZ nun einmal war. Die Sinnhaftigkeit des Einsatzes wird kritisch hinterfragt bis hin zur für Oberst Rainer Buske entscheidenden Frage: Hat es sich gelohnt? Sind die beiden Soldaten, die am 20. Oktober 2008 bei KUNDUZ fielen, gar umsonst gestorben? Der Leser erhält einen Einblick in Einsatzrealitäten, wie sie bisher in den Medien so noch nie veröffentlicht wurden.

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Leseprobe

7. Leben und Lebensbedingungen in Kunduz


Kunduz, das Feldlager, liegt auf einem Hochplateau, nur einen Steinwurf vom Flughafen entfernt, den alle Soldaten nutzen, um nach Kunduz rein- oder wieder wegzukommen. Das Feldlager besteht aus einer Reihe von Atrien, Rundbauten im Bungalowstil, mit einem unbebauten Innenhof, der mit Pflanzen hübsch verziert ist. Jedes Atrium verfügt über eine Vielzahl von Zwei- oder Mehrbettzimmern, Gemeinschaftssanitäreinrichtungen wie Klo, Waschsaal und Dusche. Frauen bewohnen im Regelfall ein eigenes Atrium, getrennt von der Vielzahl der Männer, die zuweilen eine derartige Geschlechtertrennung als Makel empfanden. Die Atriumbauweise hatte dem Feldlager vor der Zeit der Raketenangriffe den fragwürdigen Beinamen „Bad Kunduz“ verliehen, eine Bezeichnung, die man angesichts der allgegenwärtigen Gefahren heute besser nicht mehr benutzt. Die Atrien sind auch deswegen gebaut worden, um sie später, nach Abzug der Bundeswehr, an die Afghanen als Grundstock einer möglichen Universität zu übergeben, d.h. zu schenken. Davon waren wir in 2008 noch weit entfernt.

Ich verfügte als Einziger, zusammen mit dem zivilen Leiter des PRT, über ein Einzelzimmer, mit einem hübschen Teppich ausgelegt, einem Feldbett, einem Holzspind, einem Schreibtisch nebst Stuhl sowie einem Kühlschrank. Letzteren habe ich eigentlich nie benötigt, aber man glaubte wohl, es dem PRT-Kommandeur so angenehm wie möglich gestalten zu müssen. Zudem verfügte ich über ein Telefon, mittels dessen mich der Gefechtsstand jederzeit erreichen konnte, selbst wenn ich mich spät in der Nacht zum Schlafen hinlegte. Das kam leider nur zu oft vor. Jedes Zimmer verfügte über ein Fenster, das wir tunlichst bei Tage geschlossen hielten, weil die unvermeidbaren Sandstürme Afghanistans sonst aus dem Bettlaken eine Wüstendüne gemacht hätten. Mit zunehmendem Aufwuchs des PRT musste die Masse der Soldaten allerdings in Zeltunterkünften leben. Jede Kompanie hatte sein Areal an Zelten, die wir mit Schutzwällen umbauten, damit Einschläge von Raketen und deren Splitter keine tödliche Wirkung entfalten konnten. Die Zelte waren zwar klimatisiert, was angesichts der bis zu –25° C im Winter und bis zu + 50° C im Sommer lebensnotwendig war, doch herrschte hier notwendiger Weise bei voller Belegung mit 10 Mann samt deren Ausrüstung eine unvorstellbare Enge. Ein Privatleben existierte eigentlich überhaupt nicht mehr. Man konnte sich nie zurückziehen, sondern blieb immer präsent. Hieran muss man sich erst einmal gewöhnen, und so manche Streitigkeit, die eigentlich lächerlicher Natur war, flammte unter diesen Bedingungen schnell auf. Kameradschaft und Rücksichtnahme waren daher lebensnotwendig.

Von „Bad Kunduz“ konnte nun wirklich keine Rede sein. Ich stand im Regelfall so gegen 06:00h auf, ging Duschen und mich Rasieren inklusive des obligaten Abstechers aufs Klo, zog mich an und marschierte zur Truppenküche. Hierunter stellt man sich am besten eine Großraumküche vor, die ehemals für ca. 400 Mann ausgelegt war, nun aber bis zu 800 Mäuler stopfen musste. Gelobt seien die Feldküchentrupps und ihr Personal, denn sie kochten meisterhaft. Miserable Verpflegung ist einer der größten Motivationskiller im Einsatz! Am Eingang des Speisesaals musste man sich die Hände desinfizieren, danach nahm man sich sein Tablett und marschierte schnurstracks ans Frühstücksbuffet. Es war schon unglaublich, was alles serviert wurde. Es fehlte an nichts, und so manch einer musste gewaltig aufpassen, sich nicht eine Wampe anzufuttern. Vor allem am Abend wurden Süßigkeiten, Kuchen und Pudding als Nachspeise serviert, um die ich leider nicht oft genug einen Bogen machen konnte.

Solcherart gestärkt ging ich dann meist noch kurz bei der Firma ECOLOG vorbei, die in einem Container hauste und Schmutzwäsche annahm. Das Verfahren ist genial einfach und funktioniert reibungslos. In einem Wäschesack gibt man seine Wäsche morgens zum Waschen ab. Der Wäschesack verfügt über eine Kordel, in der eine Plastikmarke mit Nummer eingewoben ist. Anhand dieser Nummer lässt sich einfach verfolgen, wem die Wäsche gehört. Meistens konnte man noch am gleichen Abend, spätestens am nächsten Morgen, seine gereinigte Wäsche wieder abholen. Bei den unglaublichen Temperaturen in Kunduz schwitzte man pro Tag eine Garnitur durch. Hiervon brauchte man eigentlich nur drei Stück. Eine hat man an, eine ist zum Wechseln da und eine ist in der Wäsche. Das reicht vollkommen aus. Dann noch ein paar Sportklamotten, Privatzeug wird sowieso nicht getragen, und mehr muss nicht in den Seesack. Ich hatte – wie alle anderen eigentlich auch – viel zu viel mitgenommen, alles Ballast, wie sich herausstellen sollte. Der örtliche Repräsentant von ECOLOG war ein Albaner, der mich jedes Mal überschwänglich begrüßte und zu Tränen gerührt war, als ich ihm später zum Abschied ein Barett der deutschen Panzergrenadiertruppe schenkte.

Nach meinem Kurzbesuch bei ECOLOG ging ich schnurstracks zum Gefechtsstand und ließ mich dort in die wesentlichen Ereignisse der abgelaufenen Nacht einweisen. Danach verschwand ich in mein Büro, schaltete meinen Computer ein und checkte meinen E-Mail Account. Zusätzlich nahm ich via Internet Verbindung mit meiner Ehefrau auf, ein Ritual, das mir unendlich wichtig war. Diese fünf Minuten am Morgen gehörten nur mir, und das ließ ich mir nicht nehmen. Mein Vorzimmerfeldwebel hatte bereits Vorlagemappen für mich bereitgelegt, die ich schnell durchsah, und schon war es 07:30h, Zeit für meine erste Besprechung. Es trat zunächst der kleine Führungskreis zusammen. Das sind der Zivile Leiter, mein Stellvertreter und mein Chef des Stabes. In dieser kleinen Runde besprachen wir den vor uns liegenden Tag in groben Zügen. Dann gesellten sich weitere Abteilungsleiter dazu, die sich in diesen Meinungsaustausch mit einbrachten. Kurz darauf ging es zur Morgenlage, an der alle Abteilungsleiter und alle Kompaniechefs bzw. Führer von Dienststellen, die im Feldlager ihre Heimat gefunden hatten, teilnahmen. Eine Morgenlage kann man sich am besten als Abteilungsleiterbesprechung vorstellen. Immer fingen wir mit einer aktuellen Presseauswertung durch den Pressestabsoffizier an. Nachrichten aus Deutschland sind ungeheuer wichtig, auch wenn sie noch so banal sind.

Fußballergebnisse nach dem Spieltag der Bundesliga am Wochenende waren je nach Geschmack und Vorliebe für einen spezifischen Verein immer ein Quell der Freude, vor allem, wenn mein Lieblingsverein Bayern München gewann oder auch verlor, zur größten Schadenfreude aller anderen! Ich nutzte die Morgenlage außerdem, um entweder zu loben oder kritische Punkte anzusprechen. Die unterschiedlichsten Führer von Kompanien und Abteilungen sollten meine klaren Vorstellungen erfahren und diese kommunizieren, sonst braucht man gar nicht erst zusammen zu kommen. Der unvermeidlichen Gerüchteküche konnte so am besten vorgebeugt werden (man glaubt ja gar nicht, auf welche unglaublichen Ideen Soldaten in derartigen Lagen kommen und wie schnell sich ein noch so albernes Gerücht verbreitet!). Wir beendeten die Lagebesprechung mit einem Terminabgleich des aktuellen Tages und einem Ausblick auf die anstehende Woche. Ich verließ dann diese Runde, und mein Chef des Stabes behielt noch die Abteilungsleiter zurück, die ihrerseits nun ihre Detailaufträge für die anstehende Stabsarbeit erhielten.

Im Regelfall war ich dann so gegen 09:00 Uhr frei, um Außentermine wahrzunehmen. Hierbei wurde ich – so gut wie immer – vom Zivilen Leiter begleitet. Wir hatten Routinetermine wahrzunehmen wie die Sicherheitsbesprechungen („Security Meetings“) unter Leitung der jeweiligen Gouverneure der Provinzen Kunduz oder Takhar. Dann trafen wir in schöner Regelmäßigkeit alle möglichen Repräsentanten des öffentlichen Lebens in Afghanistan. Ethnische Führer, geistliche Führer, Mullahs, Maliks, Bürgermeister, Dorfälteste, Schulleiter, Distriktmanager, Polizeiführer, Vertreter der afghanischen Armee (ANA) oder Polizei (ANP), des afghanischen Geheimdienstes (NDS), die Vertreterin der Vereinten Nationen (UNAMA) in Kunduz und viele andere mehr. Wir fuhren entweder zu ihnen hin oder luden sie ins Deutsche Haus ein, den Sitz von Vertretern der Durchführungsorganisationen des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung wie der GTZ, dem DED oder EON in Kunduz und zugleich Zweitamtssitz des Zivilen Leiters. Hier war er Hausherr, und das war auch gut so. Seltener lud ich afghanische Vertreter direkt ins PRT ein. Diese Ehre verwaltete ich doch restriktiv. Wenn größere militärische Operationen durchgeführt wurden, blieb ich natürlich bei der Truppe. Stets fuhr ich mit meinem „Close Protection Team“, meinen Personenschützern, durch die Gegend. Dieses waren sechs speziell ausgesuchte Feldjäger, die mit drei gepanzerten Jeeps gleicher Bauart unterwegs waren. Diese Männer arbeiteten aufopferungsvoll für mein Wohlbefinden und meine Sicherheit. Der Zivile Leiter saß grundsätzlich neben mir in meinem Jeep. Er genoss den gleichen Status. De facto waren wir Schutzbefohlene meiner...

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