Sie sind hier
E-Book

Kunststoff - Material der Stunde?!

Möbeldesign und Wohngestaltung mit Kunststoffen um 1968

AutorElke Beilfuß
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl111 Seiten
ISBN9783638058384
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis27,99 EUR
Magisterarbeit aus dem Jahr 2001 im Fachbereich Design (Industrie, Grafik, Mode), Note: 2,0, Universität Bremen, 115 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Um 1968 wurden zahlreiche Entwürfe für Möbeldesign und Wohngestaltung mit Kunststoffen verwirklicht. Anhand unterschiedlicher Beispiele aus Möbeldesign und Kunst wird gezeigt, dass Kunststoff als Material in diesen Gestaltungslösungen eigenständig präsent ist. Seine plastische Eigenschaft, die freie Formbarkeit, wurde kreativ genutzt. Kunststoffe eroberten die gesamte Wohnung. In den fünfziger Jahren zog Kunststoff wegen seiner praktischen Aspekte in die Haushalte ein. Eimer, Schüsseln und Oberflächen aus Plastik waren leicht, unzerbrechlich und abwaschbar. Repräsentativ waren diese alltäglichen Haushaltsgegenstände jedoch nicht. Sie wurden vielmehr in den Küchenschränken und in der Besenkammer versteckt. Um 1968 hatte sich das Bild gewandelt. Das Material Kunststoff wurde für Möbel und Designobjekte neu entdeckt. Es war noch unberührt. Daher bot es sich zur Gestaltung von Möbeln an, die eine veränderte, freiere Lebensauffassung vermitteln sollten. Ein Bedeutungswandel der Stoffe, den Jean Baudrillard mit dem Begriff »Polymorphismus« umschrieben hat, war für das Material Kunststoff möglich. Die Entwürfe wurden dem Material Kunststoff gerecht. Sie gaben ihm einen neuen Sinn, das Material selbst wurde mit neuer Bedeutung aufgeladen. Vom künstlichen Stoff, der den natürlichen imitierte, avancierte Plastik in den sechziger Jahren zum eigenständigen Material in Möbeldesign und Wohngestaltung. Abstract in english: Around 1968 several ideas for furniture design and interior design were made out of plastics. The text gives exampels to show, that the material was used in an creative and new way in the field of design especially in the sixties and seventies of the 20th Century.

Kaufen Sie hier:

Horizontale Tabs

Leseprobe

Einleitung


 

Zeitreisen

 

 

1 Anzeige, 2001

 

»Die Retro-Masche. Mit Vollgas zurück« titelte die Zeitschrift „Design Report" im Juni 1999. Nicht nur das Automobildesign von New Beetle über Chrysler PT Cruiser bis Jaguar S-Typ erinnert an Vorbilder aus vergangenen Zeiten; dieselben Kühlschränke, wie sie bereits in den Fünfzigern den Sound einer zuklappenden Autotür der „Ami-Schlitten" nachahmten, sind wieder gefragt und designed. Zur Jahrtausendwende ist aus jeder Phase des 20. Jahrhunderts etwas dabei. Die Sixties und Seventies sind in, aber ebenso Design aus Bauhaus und Ulm. Entweder werden die Produkte mit der Anmutung einer vergangenen Zeit gestaltet oder getreu nach den Original entwürfen neu aufgelegt. Auch die Achtziger[1] rücken wieder näher und versetzen uns zurück in alte Erinnerungen. Im Jahr 2000 trat Stefan Raab beim „Grand Prix d'Eurovision« mit seiner Gruppe noch als Abba-Verschnitt aus den Siebzigern auf und ein Jahr später kann man schon wieder in der Popper-Disco (Abb. 1) tanzen.

 

Als Gründe für den Retro-Look und das Retro-Design führt Kai-Uwe Scholz (1999, 19) in der Zeitschrift „Design Report" den Verlust von Identitäts- und Heimatgefühlen beim Käufer an sowie des sen Wunsch nach „guten alten Bekannten" und „Vertrauten" in Zeiten fortschreitender Veränderung von Technologie und Nutzungsmöglich keiten: »Nicht technisch, aber ästhetisch scheint der Fortschrittszwang des Projekts Moderne abgeschafft und selbst der Postmoderne [ist] längst die Puste ausgegangen. Zugleich kommen die technologischen Innovationsschübe immer schneller. Da geraten sogar Wirtschafts-magazine über sozialpsychologische Zusammenhänge ins Grübeln. Die globale Fusionswelle tilge selbst so bekannte Namen wie Daimler-Benz, die Kunden und Arbeitnehmer über Jahrzehnte Identitäts- und Heimatgefühle gegeben hätten.«

 

Eine Zeitreise ist natürlich nicht möglich. All jene, deren Zeit es war, können sich zwar bruchstückhaft oder auch ganz persönlich und emotional erinnern, aber der Gedanke, eine Epoche zu rekonstruieren, ist absurd. Vielmehr scheint, wie Susanne Holschbach (1995, 163) es beschreibt, das Alte neue Aussagen bereitzuhalten, es wird neu bewer tet: »[Die Mode] kann aber auch für die Neubewertung „abgelegter" Dinge und Stile sorgen - die „Revival-Bewegungen" legen hierfür Zeugnis ab (in der Wiederholung im „Revival" ändern die jeweiligen Phänomene dabei jedoch ihre ursprüngliche Bedeutung).« In gewisser Hinsicht bezieht sich das auch auf diese Arbeit, die ihre heutige Perspektive nicht verleugnen will. Die zeitgenössischen Tendenzen und Blickwinkel haben mich zum einen bewogen, über Möbelentwürfe und Wohngestaltung mit dem Material Kunststoff um 1968 zu schreiben. Zudem ist es auch die Zeit, in die ich selbst 1965 hinein geboren wurde und die mich unbewußt und bewußt in meiner Kindheit geprägt hat: Mit dem Material Plastik, mit poppigen Farben und Mustern und mit den Tendenzen der sechziger und siebziger Jahre bin ich wie selbst verständlich aufgewachsen.

 

 

2 Verner und Marianne Panton in ihrem Privathaus 1973

 

Die einzelnen Designobjekte, die heute Klassiker sind und als her ausragend für die Zeit um 1968 angesehen werden, können zwar etwas über den Zeitgeist der Sechziger aussagen. Diese Objekte wieder zu entdecken, sie auszustellen, sie zu sammeln, sie erneut zu produ zieren und die eigene Inneneinrichtung mit ihnen zu bereichern, ent springt jedoch dem Zeitgeist und der Kultur der Neunziger. Ein Blick ins Internet, auf die Seiten des Online-Auktionshauses eBay unter www.ebay.de zeigt die Trends. Mit den Suchbegriffen „Design" und „Kunststoff" lassen sich vor allem Kunststoffobjekte und Möbel fin den, die vermutlich in den 1960er und 1970er Jahren entworfen wur den. Für die Suche nach Objekten aus dieser Zeit eignet sich auch der Name des Designers „Panton" hervorragend, wenngleich die meisten der gefundenen Artikel nicht von Verner Panton (Abb. 2) entworfen sind. In den Überschriften heißt es beispielsweise »quietschgelber Panton-Art Kinderstuhl« oder »Designer Stuhl, der PANTON-CHAIR«, obwohl im Text nachzulesen ist, daß der Designer Ernst Moeckl den angebotenen Stuhl gestaltete. Hier zeigt sich, daß Panton mittlerweile zum Inbegriff eines Designstils wurde, den man sich heute gerne aneignen möchte. Dieser Trend könnte, entsprechend der Recherchen bei eBay, auch mit „space-age-design" bezeichnet werden. Der Begriff „space age" wurde in vielen der gefundenen Anzeigen benutzt und deutet die Wünsche nach dem Einrichtungsstil heute an. Einen »Panton Plastik Space Age 70er ... Hocker !!!« bot ein Verkäufer namens tinid zum Startpreis von 1,- DM an. Spezialist auf dem Gebiet des Space-Design scheint der Verkäufer mit dem schönen Namen angel.s zu sein, er schrieb »don't forget: space age macht sexy!«. Zu einem angebotenen Stuhl des Designers Helmut Starke textet er: »enjoy your bid and have a lucky space age day!« Auf der Space-Age-Welle schwimmt auch der kommerzielle Anbieter von Designklassikern retromodern.com mit. Die Firma aus Atlanta, USA, zeigt die virtuelle Ausstellung „Transmitting from Space: Electronics Design from the 1960s/70s" der Sammlung Karl Taps X, New York.[2]

 

 

3 Super-Luftkissen- Trockenhaube HLH 10,1971/1975 Jurgen Greubel ABS, PVC

 

 Zahlreiche Ausstellungen der letzten Jahre präsentierten herausragen des Design aus den sechziger Jahren. Erinnern wir uns an die Objekte und Einrichtungsgegenstände, die uns selbst damals umgaben, so sind von diesen Designklassikern möglicherweise nur wenige oder über haupt keine dabei. Ein Gegenstand, eine Trockenhaube der Firma Braun, hat mich in den Siebzigern besonders fasziniert. Entgegen her kömmlicher Trockenhauben, die an einem Ständer hängen und mit glühenden Drähten beheizt werden, wird die Super-Luftkissen-Trockenhaube HLH1 (Abb. 3)[3] mit warmer Luft aufgeblasen. Die Haube wird direkt auf die Haare oder die Lockenwickler gesetzt, seitlich und hinten ist der Kopf von einer Plastikfolie umgeben, die sich durch die warme Luft kissenartig aufbläst. Mit diesem Objekt verbinde ich Wärme und Weichheit. An die heute viel zitierten Designklassiker, die in meiner Kindheit neu auf den Markt kamen, erinnere ich mich aber kaum, vielleicht noch an das ein oder andere Küchengerät von Braun. Das läßt sich leicht erklären: Meine Eltern waren zwar, entsprechend der damaligen Zeit, mit farbigen Mustertapeten und Polstermöbeln mit Schaumstoffkern eingerichtet, aber nicht nach Anregungen der Zeitschrift „Schöner Wohnen". An teuren Designartikeln waren meine Eltern nicht interessiert. Das lag daran, daß sie sich nach ihrer Heirat Mitte der Sechziger Jahre zwar zeitgemäß, aber eher praktisch einge richtet hatten. Die Möbel sollten vor allem robust, bequem und lange haltbar sein. Mein Vater betrachtete fast alles, auch das Mobiliar, aus der Sicht des Ingenieurs. Er legte daher in erster Linie auf Funktion und Technik Wert, weniger auf Modisches. Häufiger Tapetenwechsel, durch mehrere Umzüge, brachte allerdings doch die Moden und den Stil der Siebziger in unser Zuhause. Bunte, poppige, klein oder groß gemusterte Tapeten waren besonders bei meiner Schwester und mir sehr beliebt.

 

Ein anderes Beispiel von Wohnkultur oder auch Anti-Design-Kultur aus den sechziger Jahren liefert Volker Albus. Er berichtet unter dem Titel »Auf Matratzenhöhe. Oder: Warum das „68er-Design" eine Erfin dung der 90er Jahre ist« (Kat.-Ausst. Berg. Universität/GH Wuppertal o.J., 176-179, Albus) über seine persönlichen Erfahrungen in einer Szene, die um 1968 mehr nach den Meinungen und Haltungen der Einzelnen fragt und diese zum Unterscheidungskriterium erhebt, gestylte Äußerlichkeiten jedoch eher ablehnt. Für Volker Albus (Jahrgang 1949) veranschaulichen die selbstgebauten Matratzenlager in den Wohnungen von Freunden und Altersgenossen jene Haltung dieser Zeit: »Die Matratze war mehr als nur die einfachste Möglichkeit, die Bedürfnisse nach einer Sitz- und Liegegelegenheit auf billigste Art und Weise zu erfüllen. Sie war eine Art Chiffre für einen ganz bestimmten Lebensstil. Sie war sozusagen die Couchgarnitur der Jugend dieser Jahre.« (ibid., 178). Auch über die mit Freunden eröff nete Kneipe, das Null, sagt Volker Albus, daß diese ebenso wie die pri vaten Wohnräume, quasi nicht designed wurde: »Die Wände wurden irgendwie dunkel angestrichen, ich glaube braun und rot, das war aber auch schon alles. Genau genommen blieb alles beim Alten. Ungestaltet. Ein Irgendwie von Tischen, Bänken, Stühlen und Flippern.« (ibid., 179).

 

Um 1968 - Zeit und Ort

 

Das Jahr '68 gilt als das Revolutionsjahr der Studenten in der westli chen Welt: Die Flower-Power-Bewegung des Woodstock-Festivals und die Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg prägten das Bild in Amerika; in der Bundesrepublik begannen die Studenten, sich gegen eine vermeintliche Idylle [4], der ein allgemeines Verdrängen des...

Blick ins Buch

Weitere E-Books zum Thema: Architektur - Baukunst

Der Ingenieur und seine Designer

E-Book Der Ingenieur und seine Designer
Entwurf technischer Produkte im Spannungsfeld zwischen Konstruktion und Design Format: PDF

Design und Konstruktion entscheiden über den wirtschaftlichen Erfolg neuer technischer Produkte. Nicht allein die 'Aufmerksamkeitsökonomie' ist dafür ausschlaggebend; der Wert langlebiger Güter wird…

Der Ingenieur und seine Designer

E-Book Der Ingenieur und seine Designer
Entwurf technischer Produkte im Spannungsfeld zwischen Konstruktion und Design Format: PDF

Design und Konstruktion entscheiden über den wirtschaftlichen Erfolg neuer technischer Produkte. Nicht allein die 'Aufmerksamkeitsökonomie' ist dafür ausschlaggebend; der Wert langlebiger Güter wird…

Software-Architektur

E-Book Software-Architektur
Format: PDF

Als Architekt arbeiten Sie in einem sehr vielfältigen und dynamischen Umfeld. Neue Technologien drängen auf den Markt, neue Werkzeuge versprechen Effizienz- und Produktivitätssteigerungen und neue…

Öffentlicher Personennahverkehr

E-Book Öffentlicher Personennahverkehr
Herausforderungen und Chancen Format: PDF

Das Buch zur gleichnamigen ifmo-Konferenz enthält Beiträge zur künftigen Entwicklung, zu Auswirkungen und Herausforderungen im Zusammenhang mit dem öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) sowie…

Öffentlicher Personennahverkehr

E-Book Öffentlicher Personennahverkehr
Herausforderungen und Chancen Format: PDF

Das Buch zur gleichnamigen ifmo-Konferenz enthält Beiträge zur künftigen Entwicklung, zu Auswirkungen und Herausforderungen im Zusammenhang mit dem öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) sowie…

Weitere Zeitschriften

arznei-telegramm

arznei-telegramm

Das arznei-telegramm® informiert bereits im 53. Jahrgang Ärzte, Apotheker und andere Heilberufe über Nutzen und Risiken von Arzneimitteln. Das arznei-telegramm®  ist neutral und ...

Burgen und Schlösser

Burgen und Schlösser

aktuelle Berichte zum Thema Burgen, Schlösser, Wehrbauten, Forschungsergebnisse zur Bau- und Kunstgeschichte, Denkmalpflege und Denkmalschutz Seit ihrer Gründung 1899 gibt die Deutsche ...

Correo

Correo

 La Revista de Bayer CropScience para la Agricultura ModernaPflanzenschutzmagazin für den Landwirt, landwirtschaftlichen Berater, Händler und am Thema Interessierten mit umfassender ...

küche + raum

küche + raum

Internationale Fachzeitschrift für Küchenforschung und Küchenplanung. Mit Fachinformationen für Küchenfachhändler, -spezialisten und -planer in Küchenstudios, Möbelfachgeschäften und den ...

Gastronomie Report

Gastronomie Report

News & Infos für die Gastronomie: Tipps, Trends und Ideen, Produkte aus aller Welt, Innovative Konzepte, Küchentechnik der Zukunft, Service mit Zusatznutzen und vieles mehr. Frech, offensiv, ...

Der Steuerzahler

Der Steuerzahler

Der Steuerzahler ist das monatliche Wirtschafts- und Mitgliedermagazin des Bundes der Steuerzahler und erreicht mit fast 230.000 Abonnenten einen weitesten Leserkreis von 1 ...

DULV info

DULV info

UL-Technik, UL-Flugbetrieb, Luftrecht, Reiseberichte, Verbandsinte. Der Deutsche Ultraleichtflugverband e. V. - oder kurz DULV - wurde 1982 von ein paar Enthusiasten gegründet. Wegen der hohen ...

Euphorion

Euphorion

EUPHORION wurde 1894 gegründet und widmet sich als „Zeitschrift für Literaturgeschichte“ dem gesamten Fachgebiet der deutschen Philologie. Mindestens ein Heft pro Jahrgang ist für die ...