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E-Book

Lachnummer BER

Das Debakel um den Hauptstadtflughafen, Eine Chronik

AutorRainer W. During
VerlagRotbuch Verlag
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl239 Seiten
ISBN9783867895750
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis6,99 EUR
Noch immer ist der neue Berliner Flughafen nicht in Betrieb. Missmanagement, Überforderung, fragwürdige Personalpolitik und lasche Kontrolle ließen das Großprojekt BER zur Lachnummer werden. Die negativen Folgen für die regionale Wirtschaft sind enorm, das Renommee der Stadt massiv beschädigt. Doch selbst nach mehrfachen peinlichen Verschiebungen des Eröffnungstermins und anhaltender Kostenexplosion ist weiterhin unklar, wann am BER der reguläre Flugbetrieb aufgenommen werden kann. Experte Rainer During analysiert systematisch das Debakel von seinen Anfängen bis heute. Wer war wann für welche Entscheidungen verantwortlich? Warum fiel die Standort-Wahl auf Berlin-Schönefeld? Sind die Dimensionen des Projektes richtig bemessen? Ausgehend von den letzten Jahren der Teilung über die euphorischen Planungen nach dem Mauerfall bis zum aktuell desaströsen Zustand zeichnet er kenntnisreich alle wesentlichen Projektstadien nach. Er skizziert die wichtigsten Planungsänderungen und welche politischen, wirtschaftlichen und verkehrstechnischen Gründe ihnen zugrunde lagen. In Interviews äußern sich Beteiligte und Verantwortliche zu den strittigsten Punkten. Faktenbasiert, kompakt und mit Insiderwissen!

Rainer W. During ist gebürtiger Berliner, begann seine Journalistenkarriere bei der damaligen Tageszeitung Spandauer Volksblatt und beschäftigt sich seit mehr als vier Jahrzehnten mit dem Luftverkehr. Seit 1994 arbeitet er als freier Journalist unter anderem für den Tagesspiegel und ist bei der Fachzeitschrift Flieger Revue für den Bereich Luftverkehr zuständig. During leitet den Berliner Regionalkreis des Luftfahrt Presse Clubs (LPC) und ist Autor verschiedener Bücher, zuletzt 'Fliegen für die Zukunft - Die Forschungsflotte des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt' (2013, Aviatic Verlag).

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Leseprobe

PROLOG –
DIE AUSGANGSLAGE


Berlin, 1988. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde die im Herzen der Sowjetischen Besatzungszone liegende Hauptstadt Berlin von den Siegermächten in vier Sektoren geteilt. Ostberlin, der sowjetische Sektor, bildet die Hauptstadt der DDR, das seit 1961 eingemauerte Westberlin setzt sich aus dem amerikanischen, britischen und französischen Sektor zusammen. Im Westsektor haben noch immer die Stadtkommandanten der drei Westmächte die Oberhoheit, machen davon aber nur noch selten Gebrauch. Nur beim Luftverkehr, dem einzigen nicht von der DDR und der Sowjetunion kontrollierten Zugangsweg, gelten nach wie vor die Bedingungen, die von den Alliierten 1946 ausgehandelt wurden. Danach führen drei jeweils 32 Kilometer breite Luftkorridore, deren Nutzung nur Luftverkehrsgesellschaften aus Frankreich, Großbritannien und den Vereinigten Staaten gestattet ist, von Hamburg, Bückeburg und Frankfurt am Main aus zur Berliner Kontrollzone, die sich um das alliierte Kontrollratsgebäude im Kleistpark erstreckt. In diesem befindet sich als letzte Viermächteeinrichtung noch das Berlin Air Safety Center (BASC), von dem alle Flüge freigegeben werden müssen.

In Westberlin gibt es in jedem der drei Sektoren einen Airport: den Zentralflughafen Tempelhof im amerikanischen, den reinen Militärflugplatz Gatow im britischen und den während der Berlin-Blockade für die Luftbrücke gebauten Flughafen Tegel im französischen Sektor. Alle drei Plätze dürfen nur von Luftverkehrsgesellschaften der drei Westmächte angesteuert werden. Für den Ostberliner Flughafen Schönefeld gelten diese Beschränkungen nicht, weil er außerhalb des Stadtgebietes liegt. Deshalb dürfen ihn alle Airlines einschließlich der DDR-Fluggesellschaft Interflug benutzen. Eine Tatsache, von der aber nur wenige westliche Luftverkehrsgesellschaften Gebrauch machen. Nach Schönefeld führt eine einzige Luftstraße, sie überquert die DDR in Nord-Süd-Richtung von der Ostsee bis zur tschechoslowakischen Grenze mit einem Abzweig nach Osten.

Seit einem Jahr nimmt der Flugverkehr von und nach Westberlin einen gewaltigen Aufschwung. Immer mehr alliierte Luftverkehrsgesellschaften wollen die Stadt anfliegen. Das Passagieraufkommen steigt um 14,7 Prozent auf 5,27 Millionen. Während in Tempelhof neben den Militärflügen der USA nur noch ein bescheidener Regionalverkehr stattfindet, nutzt das Gros der Reisenden das 1974 eröffnete Terminal in Tegel-Süd, dessen Kapazität bei 5,5 Millionen Fluggästen pro Jahr liegt.

Vor diesem Hintergrund beschließt der schwarz-gelbe Senat unter dem Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) am 13. Januar 1988, den Flughafen Tegel in drei Stufen auszubauen. Binnen sieben Monaten entstehen durch den Umbau der nach einem Raketenforscher benannten Nebel-Halle neben der Haupthalle weitere Abfertigungspositionen. Bis 1989 soll der westlich der Zufahrt gelegene Parkplatz P 2 überbaut werden. Ferner sind die Aufstellung von Bürocontainern für die Airlines und zusätzliche Flugzeugabstellplätze geplant. Und bis zum Ende des Jahres 1991 soll für 230 Millionen D-Mark ein zweites Terminal entstehen, um die Kapazität auf acht Millionen Passagiere zu erhöhen. Doch bereits zu diesem Zeitpunkt läuft es nicht wie geplant. In den folgenden Monaten lehnt das Bezirksamt Reinickendorf als zuständige Baugenehmigungsbehörde wiederholt die zweite Ausbauphase ab.

Im Januar 1989 finden in Westberlin Abgeordnetenhauswahlen statt. Überraschend ergibt sich eine Mehrheit für die SPD und die Alternative Liste. Obwohl die Passagierzahlen weiter steigen und in diesem Jahr allein in Tegel 5,89 Millionen Reisende gezählt werden, beschließt der neue rot-grüne Senat unter dem Regierenden Bürgermeister Walter Momper (SPD), den weiteren Ausbau von Tegel zu stoppen und das Volumen des Westberliner Luftverkehrs auf das Niveau von 1987 zurückzufahren. Das führt zu heftigen Kontroversen, nicht nur mit der Berliner Flughafen-Gesellschaft und deren Aufsichtsrat. Die Forderung des Senats nach einer Reduzierung von Flügen wird von den bei den jeweiligen Botschaften in Bonn angesiedelten alliierten Zivilluftfahrtattachés als Genehmigungsbehörde ignoriert und von der Bundesregierung als Vernachlässigung der Berliner Interessen bezeichnet. Auf Drängen des französischen Stadtkommandanten – für Flugsicherung und Flugbetriebsflächen in Tegel ist die Armée de l’Air verantwortlich – muss der Senator für Bau- und Wohnungswesen, Wolfgang Nagel (SPD), das Bezirksamt Reinickendorf im Rahmen der Dienstaufsicht anweisen, die Einrichtung von drei zusätzlichen Flugzeugabstellplätzen zu genehmigen.

Zwar hatte US-Präsident Ronald Reagan den Generalsekretär des Zentralkomitees der KPdSU, Michail Gorbatschow, bereits 1987 in seiner legendären Rede vor dem Brandenburger Tor aufgefordert: »Reißen Sie diese Mauer nieder!«, doch trotz des von Gorbatschow mit der Perestroika eingeleiteten Endes des Kalten Krieges kommt noch niemand auf die Idee, dass die Mauer tatsächlich bald fallen könnte. Am 4. April 1989 meldet sich David Anderson mit einem aufsehenerregenden Gastkommentar in der Westberliner Tageszeitung Volksblatt zu Wort. Der ehemalige US-Diplomat, der 1971 zur amerikanischen Delegation bei der Ausarbeitung des Vier-Mächte-Abkommens über Berlin gehörte, war von 1978 bis 1981 ziviler Gesandter der amerikanischen Militärregierung in Berlin und somit stellvertretender Stadtkommandant. Er hat gerade die Leitung der Berliner Dependance des Aspen Institute übernommen, einer internationalen, gemeinnützigen Organisation zur Förderung der wertebasierten Führungsqualitäten, zur Pflege zeitloser Ideen und beständiger Werte sowie für einen offenen Dialog über Fragen der Zeit. Er präsentiert weitsichtig den damals nur auf den ersten Blick noch unrealistisch wirkenden Vorschlag, einen neuen Großflughafen für beide Teile Berlins auf DDR-Gebiet zu bauen.

Er sei anlässlich des 40. Jahrestages der Luftbrücke, bei der die Westmächte Westberlin während der sowjetischen Blockade 1948/49 ausschließlich per Flugzeug versorgten, zu dem Schluss gekommen, dass die Rahmenbedingungen für die zivile Luftfahrt in Berlin nicht mehr den Anforderungen der Stadt gerecht werden: »Wenn die Stadt ihr Luftfahrtproblem nicht sehr bald löst, dann wird Berlin den Anschluss verlieren – und zwar nicht nur auf diesem speziellen Gebiet«, begründet Anderson (gestorben 1997) seine These. Dabei geht es ihm nicht nur um die Bewältigung des permanent steigenden Passagieraufkommens, er hat auch die Bedeutung des Standortes als ideales Drehkreuz für den Nord-Süd- ebenso wie für den Ost-West-Verkehr erkannt. Ost- und Westberlin, so seine Überzeugung, brauchten als Großstädte noch vor dem Jahr 2000 einen neuen Großflughafen.

Der neue Airport, so Andersons Vorschlag, solle am Rande der Stadt gebaut und durch ein Hochgeschwindigkeitseisenbahnsystem für Passagiere, Gepäck und Fracht mit dem östlichen ebenso wie mit dem westlichen Stadtzentrum verbunden werden. In der Diskussion ist ein unkontrollierter Korridor nach dem Beispiel des Flughafens Basel-Mülhausen, der auf französischem Gebiet liegt, von der Schweiz aus aber über eine zollfreie Straße erreichbar ist. Auch einen möglichen Standort kann der Ex-Diplomat, ein exzellenter Kenner der speziellen Situation Berlins, bereits nennen: den noch von den sowjetischen Militärs genutzten Flugplatz Oranienburg nördlich der Stadt.

Die Erweiterung der Anlagen sowohl in Tegel als auch in Schönefeld stellt für Anderson keine Alternative dar. Sinnvoller ist es aus seiner Sicht, angesichts der immensen Kosten, die Mittel gleich in den Bau eines Flughafens zu investieren, der auch den zukünftigen Anforderungen Berlins gerecht wird. Dieser soll parallel zum Fortbestand der alliierten Lufthoheit entstehen und – so wie Schönefeld – nicht unter deren Beschränkungen fallen. Die beiden alten Plätze sollen für Notfälle im kommerziellen Luftverkehr, Tegel zudem für Militärflüge der drei Westmächte, erhalten bleiben. Auch die Luftkorridore und deren Kontrolle durch die alliierte Luftsicherheitszentrale will Anderson nicht antasten, um den freien Zugang von und nach Westberlin auch weiterhin zu gewährleisten. Die Flugplätze Gatow und Tempelhof dagegen könnten dann geschlossen werden, hält er fest. Das würde viele Berliner vom Fluglärm entlasten, Sicherheitsrisiken ausschließen und Westberlin neue Areale für den Wohnungsbau liefern.

»Die Ost-West-Beziehungen ändern sich, und da sollte die Ausarbeitung von praktischen Lösungen und Vereinbarungen die Klugheit von intelligenten Diplomaten und von Luftfahrt- und Transport-Experten nicht überfordern«, so Anderson, der somit zu Recht als Urvater des Gedankens an den Flughafen Berlin Brandenburg betrachtet werden kann. Auch mit der Mentalität der Westberliner, die nach dem Mauerfall den Weg nach Schönefeld als zu weit ablehnen werden, setzt sich der Aspen-Direktor auseinander: »Ich höre meine Westberliner Freunde schon darüber klagen, dass die...

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