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E-Book

Laufen bis es knallt

Pleiten, Pech und Pannen eines Ultraläufers

AutorJoe Kelbel
Verlagmainbook Verlag
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl218 Seiten
ISBN9783946413585
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Als Joe Kelbel klar wurde, dass Fortbewegung auf zwei Beinen eine hochkomplexe Angelegenheit ist, war er schon längst auf der Marathonpiste. Seine künftigen Konkurrenten hingegen gaben sich unbequemen Laufseminaren, Kompressionsstrümpfen und Fitness-Armbändern hin. So kommt es, dass die Pleiten, Pech und Pannen, von denen Joe in diesem Buch berichtet, sich für den normalen Läufer zunächst skurril anhören. Doch 'Laufen bis es knallt' ist das zweite Buch von Joe, wo die Probleme eines Marathons oder Ultralaufes durch Joes Schreibweise und besondere Perspektive aufs Laufen zur Nebensache werden: Er schaut auf das große Ganze. Er schaut dahinter. Er schaut genau. Von Kenia über die Philippinen, Portugal bis nach Marokko - Vielläufer, Pfundskerl und lebende Lauflegende Joe Kelbel, in der Laufszene bekannt wie ein bunter Hund, berichtet in diesem Buch über 18 Läufe aus aller Welt, unterlegt mit über 60 Bildern. Das macht Lust aufs Laufen - trotz einiger 'Getränkeengpässe', 'Hindernisse' und 'Beschwerlichkeiten'.

Joe Kelbel zeigte 1964 in Bonn erstes Interesse am Laufen. Das Schreiben lernte er 1970, doch erst 30 Jahre später gelang ihm der Durchbruch mit Reiseberichten aus Indonesien. 19 Jahre auf dem glatten Frankfurter Börsenparkett perfektionierten seinen Laufstil. Seit 2008 schreibt Kelbel nahezu wöchentlich Berichte über seine Reisen, die er laufend glücklich absolviert. Mit über 300 Marathon-und Ultramarathonläufen ist Kelbel der aktivste laufende Journalist der Welt. Von Kelbel ebenfalls bei mainbook erschienen: '100 km für ein Bier'. Mehr auf: laufjoe.blogspot.com

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Leseprobe

1Mit Blaulicht durch die Ewige Stadt


Rom-Marathon (2009)


Was für ein herrlicher Sonntagmorgen. Grell leuchtet die Frühlingssonne über dem dunklen Grün der Pinien, dahinter die imposante Kulisse des Kolosseums, dessen hohle Fenster mit dem stechenden Frühlingsblau eines makellosen Himmels gefüllt sind.

Ich stehe fröstelnd auf dem Balkon, genieße den Anblick. Ist es die Kühle des Morgens oder die göttliche Erhabenheit dieses Startplatzes, wo jahrhundertelang die Gladiatoren ihren Kampf antraten, der mich zittern lässt?

Mein Blick schweift nach links, Richtung Circus Maximus, wo sich bunte Läuferpunkte auf bleichem Grün wie auf einer Ameisenstraße bewegen. Ich schließe meine Augen, die durch die grell-bunte Blütenpracht der Balkonkästen brutal gefoltert werden und warte, bis der Kaffee endlich durchgelaufen ist.

Es ist Frühling in Rom! Der germanische Gladiator und Ultraläufer ist wieder auf Marathontour. Die gestern gekaufte Knieschiene gibt mir Sicherheit, und so springe ich fröhlich von Stufe zu Stufe, könnte glatt irgendeine Nationalhymne pfeifen. Unten angekommen reiße ich die schwere Holztür auf. Ein greller Lichtstrahl nimmt mir die Sicht. „Du ewige Stadt, ich trete an!“

Ich schiebe meinen durch das Mainhochwasser geschwärzten Laufschuh auf die erste Stufe, da haut es mich brutal vom Sockel: Zehn, fünfzehn lautstarke Italiener mit rosa-weißen Frotteepulswärmern und rosa-weißen Stirnbändern ziehen wie die Klasse 7b der Mädchenschule an meinen germanisch-kämpferischen Auge vorbei. Ein Zucchinibauer verzieht sich sogleich in die nahen Büsche des Palatino, weil die Aufgeregtheit seine Blase überreizt, das muss Abahachi sein, dann kann ja Winnetouch nicht weit sein. Tatsächlich läuft der wie von Sinnen mit einen Affenzahn zum McDonalds-Zelt, um sich für ein rotes Cap mit gelben Buchstaben anzustellen. Dieser Tag beginnt hochnotpeinlich! Ich bekomme erste Zweifel an meinem Vorhaben den Rom-Marathon zu finishen.

Um in den Startblock zu gelangen, muss man im Uhrzeigersinn um das Kolosseum herumgehen. Vor dem Konstantinbogen herrscht grandiose Stimmung: Eine gutgeformte Aerobic-Trainerin steht auf der Bühne und gibt den Takt für das Aufwärmprogramm vor. Unter ihr mehrere Reihen von Spinning-Fahrrädern, die von ebenso gutgebauten Hüpferinnen bearbeitet werden. Die grelle Schreierei jedoch ist grausam, dazu noch diese laute Musik, dieses Durcheinander und diese italienische Angeberei. Pacemaker versammeln sich für ein Gruppenfoto. Klasse, wie sich die bunten Luftballons vor der urigen Kulisse des Kolosseums abheben.

Ab 8 Uhr ist Eingang zu den Startblöcken. Man tut gut daran, sich frühzeitig dorthin zu begeben, denn wie Rinder, so werden wir durch lange, mit hohen Zäunen abgesperrte Korridore getrieben.

Im Startblock wird es schnell eng. Bunte Kleidungsstücke fliegen wie Blumensträuße über unsere Köpfe. Wortfetzen aus riesigen Lautsprechern und laute Musik machen schnell die Unterhaltung schwierig, da setzt sich die Menge auch schon in Bewegung.

Das Feld ist so eng, dass ich oft in tiefe Schlaglöcher trete, der Boden von Rom gibt nach, ich sehe nur Schuhe und Strümpfe. Panikartig rennen männliche Läufer nach rechts, um das anscheinend letzte Grün der Stadt zu bewässern. Jede Sekunde stolpert jemand, Flüche werden ausgestoßen. Dazwischen dieses typische italienische: „MAAMAAA!“ oder MAARIOOO!“ Mehrfach gibt es „Auffahrunfälle“ und Tritte in die Hacken.

Ich stolpere weiter Richtung Circus Maximus. Bei der ersten Getränkestation, bei km 5, bricht eine Art Weltuntergang aus. Ellbogen und Fäuste bahnen sich den Weg zum allerersten Tisch. Ich bin unglücklicherweise zu nahe dran, kann nicht gegen die quer laufenden Massen angehen, die Station ist zwar mindestens 500 Meter lang, doch hier am ersten Tisch werden die Läufer zu Bestien.

Irgendwie komme ich durch, wenn auch klatschnass. Bei km 6 fliegt ein deutscher Riese über einen querstehenden Handbiker. Mit gekonnter Rolle kommt er fast wieder auf die Füße, stark blutend und sichtlich wütend: „Arschloch, blödes!“

Mein Knie fängt an zu rebellieren, ich lasse mich zurückfallen und genieße, wie das Läuferfeld sich langsam auflockert. Bei Km 10, ich bin schon mehr als eine Stunde unterwegs, blockiert mitten auf der engen Tiberbrücke wieder ein Handbiker die Strecke. Viele Leute sind schon am Gehen und bei km 15 schließe ich mich nach kurzem innerlichen Kampf den „Walkern“ an.

Bei km 16 frage ich einen Ordner nach der nächsten Metrostation. Das war ein Fehler, denn nun beginnt ein gänzlich anderer Marathonbericht:

Der gelbe Ordner ruft per Funk die Sanitäter, daraufhin werde ich von vier dick-vermummten orangenfarbenen, total übergewichtigen Zivildienstleistenden eingekreist. Ich brülle laut nach einer Metrostation, da greifen diese acht fetten, orangen Spinnenarme nach mir, einige stützen, die meisten verhaften. Ich wehre mich so gut ich kann, was die Umklammerung verstärkt, mein Bein ist plötzlich schmerzfrei, doch ich kann mich nicht bewegen, eine orangene Spinne dreht mich in Silberfolie, als wäre ich Vorrat für den restlichen Winter. Das hochrote Gesicht meines Lateinlehrers erscheint mir vor meinen, um Gnade bettelnden Augen, dekliniere buoni, bene oder buona, ach was, ich hab doch nix, alles ist bene.

Ich will nur weg hier!

Man trägt mich auf einer Bahre zurück zu km 15 ins Sanitätszelt, wirft mich unsanft auf die Pritsche. Über mir wabert eine dicke Orange, droht mit Riesenspritze, als wolle sie mir einen Einlauf machen. Zweimal versuche ich aufzustehen, erst als ich die Spritze fotografiere, gelingt es mir auf die Beine zu kommen und Richtung Zeltausgang zu flüchten. Augenblicklich aber reißt mir jemand meine Startnummer ab. „NOME! TUO NOME!“ Mein Name wird in einem riesigen Formular festgehalten. Das Zelt füllt sich, ich rette mich ans Tageslicht, da steht der Klaus und schießt Fotos von mir. Oh Mann, was für ein scheiß Tag.

Die dicke Orange will mir einen Einlauf machen.

Mir erscheint das hochrote Gesicht meines Lateinlehrers.

Internationale Einigkeit unter „Schwerverletzten“.

Als ich ins Ziel humpele, habe ich meine Bestzeit um 20 Sekunden verpasst.

Die orangene Chefin ruft mich zurück ins Zelt, ich solle mich setzen, der Krankenwagen komme gleich. Dabei will ich doch nur zur Metrostation! Frieden! Bitte!

Mittlerweile sind alle Pritschen belegt, und ich versuche wieder zu flüchten, doch mit der Silberfolie um die Schultern bin ich zu auffällig zwischen all den fetten Orangen! Anderthalb Stunden studiere ich meine Mitleidenden und höre mir deren Krankheitsgeschichten an. Auch wenn ich kaum etwas verstehe, io capisco: Ich bin der einzig Normale hier.

Da kommt endlich ein Krankenwagen aus dem ersten Weltkrieg. Avanti! Avanti! Wir fünf „Verletzte“ werden blitzschnell reingeworfen, die Tür knallt zu. Ich klammere mich irgendwie an eine, an den Fahrzeugboden festgeschraubte Pritsche, als sich in der ersten Kurve sämtliche Schubladen an der Kabinenfront öffnen und mir zahllose Spritzen und spitze Operationsbestecke entgegenrasseln. Das Chaos wird perfekt, als Sauerstoffmasken aus den Fächern über unseren Sitzen fallen.

Mit Höchstgeschwindigkeit geht es am Ufer des Tibers mehrfach hoch und wieder runter, weil der Fahrer nicht über die Marathonstrecke findet. Ich versuche noch letzte Fotos aus den gestreiften Fenstern zu schießen, um zu beweisen, dass hinter uns vier Polizeimotorräder und vor uns zwei Streifenwagen unsere Irrfahrt begleiten, da bremst der Krankenwagen so krass, dass meine Nase gegen die Kamera, und die gegen die Trennscheibe donnert.

Man schiebt jemanden hinein, der bei der Geburt wohl zu wenig Sauerstoff bekam, der Quasimodo brüllt sogleich: „Crampo, Crampo“, als sei das wichtig, dann rollt er mir vor die Füße, weil der Fahrer des Krankenwagens auch ein Sauerstoffproblem hat und zu schnell anfährt.

Wir schleudern gegen die hintere Kabinenwand, während wir im Höllenspeed mit Blaulicht durch die Stadt rasen. Es gelingt mir, mich an einem Gitter hochzuziehen, um nach vorne Bilder zu schießen. Da ist die Marathonstrecke … der Piazza Venezia mit der riesigen Schreibmaschine … Tatüüüüü-Tatüüüüü-Tatüüüüü … Verrückt; wir waren doch fast wieder am Start … Es geht wieder über den Tiber … Da sehe ich die Kuppel des Vatikan … Was ist jetzt los? Wohin? Warum zurück? Ich will hier raus! Stau. Links, rechts durch die vier, fünf Reihen Autos … Tatüüüü-Tatüüüü-Tatüüüü!

Der...

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