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Legalisieren!

Vorträge zur Drogenpolitik

AutorGünter Amendt
VerlagRotpunktverlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl248 Seiten
ISBN9783858696090
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis16,99 EUR
Günter Amendt war eine der wichtigsten und einflussreichsten Stimmen in der drogenpolitischen Auseinandersetzung im deutschsprachigen Raum. Als einer der Ersten hat er erkannt, dass Prohibition und Kriege gegen Drogen zum Scheitern verurteilt sind, und er hat immer wieder plausibel begründet, weshalb das Drogenproblem durch eine kontrollierte Legalisierung zwar nicht gelöst, jedoch wesentlich entschärft werden könnte. Wie recht er damit hatte, wird heute am Beispiel Afghanistans oder Mexikos deutlich. Und selbst in den USA beginnt sich inzwischen die Einsicht durchzusetzen, dass die Freigabe des Cannabiskonsums nicht mehr aufzuhalten ist. In den letzten Jahren vor seinem Tod beschäftigte sich Amendt mit der Bedeutung legaler Drogen im postindustriellen Zeitalter: etwa dem Doping im Alltag und der leistungssteigernden Stimulierung des Hirns durch psychoaktive Substanzen. Günter Amendt war ein sprachlich präziser und beeindruckender Redner, der mit seinen Vorträgen Zuhörende in den Bann zog. Er wollte verstanden werden und überzeugen. Der Vortrag war für ihn immer auch eine Performance - eine Kunstform.

Günter Amendt wurde 1939 in Frankfurt am Main geboren. Nach dem Studium der Soziologie promovierte er zum Dr. phil. Seine Bücher Sexfront (1970) und Das Sex-Buch (1979) gelten heute als Klassiker der Aufklärungsliteratur. Seit Anfang der 1990er-Jahre beschäftigte er sich immer intensiver mit der Drogenfrage. Im März 2011 wurde Günter Amendt bei einem Autounfall getötet, der durch einen Raser verursacht worden war. Amendt lebte in Hamburg. Andreas Loebell (1956), Heraus­geber dieses Bandes, hat die publizistische Tätigkeit von Günter Amendt über lange Zeit aktiv verfolgt und war als Mitarbeiter an Amendts Sex-Buch (1979) beteiligt. Andreas Loebell ist Ethnologe und lebt in Bern.

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Leseprobe

Vorwort


Seit den frühen 1990er-Jahren mischte sich Günter Amendt in die Drogenpolitik ein. Wenn er bei Referaten oder auf Drogenpodien die ganze Aufmerksamkeit des Publikums auf einen Aspekt lenken wollte, der ihm besonders wichtig war, verlangsamte er das Tempo seiner Rede und wurde leiser. Er hatte ein feines Gespür dafür, wie sich die mit autoritärem Gehabe vorgetragenen »Lösungen des Drogenproblems« in drogenpolitischen Debatten oft bereits durch den Gestus und die Lautstärke als unglaubwürdig entlarvten.

Günter Amendt hat während vierzig Jahren so umfassend und radikal wie kaum ein anderer im deutschsprachigen Raum die gesellschaftlichen Entwicklungen von und um Drogen verfolgt. Und er hat sich als Drogenexperte, Buchautor, Sozialwissenschaftler und Publizist aktiv eingemischt. Zu Recht hat er für sich in Anspruch genommen, die drogenpolitische und drogentherapeutische Lage in der Schweiz, in der Bundesrepublik Deutschland und in Österreich zu überblicken. Während mehr als vier Jahrzehnten hat er als Referent und Diskussionsteilnehmer an Tagungen mitgewirkt, auf Podien oder als Gast in Talkshows gesessen und vor Parlamentsabgeordneten wiederholt als Gutachter Auskunft gegeben.

In seiner Beschäftigung mit Drogen hat Günter Amendt immer wieder plausibel die ernüchternde Feststellung begründet, dass das Drogenproblem durch eine kontrollierte Legalisierung zwar nicht gelöst, jedoch wesentlich entschärft werden könnte. Sein konsequentes Plädoyer für eine nüchterne Betrachtung der Drogenfrage trug einiges zur Versachlichung der Diskussion bei.

Amendt sprach Klartext. Politisch scharf durchdacht und präzise formuliert, brachte er die Dinge auf den Punkt. Etwa mit seinem Blick auf die Bruchstellen, wo sich drogenpolitische Dogmen – wie beispielsweise die Forderung nach Totalabstinenz – restlos von der Realität abgekoppelt hatten. Oder wenn er Drogenpolitik als Politik entlarvte, die mit Drogen Politik macht. Seine eloquente Argumentationsweise und seine rhetorische Sicherheit waren Teil seiner Überzeugungskraft und der Faszination, die er bei Zuhörenden auslöste. Durch eine Verdichtung der komplexen Drogenproblematik, befreit vom Ballast vieler Details, lenkte er den Blick auf das Wesentliche. Referate, öffentliche Diskussionen oder Lesungen aus seinen Büchern nutzte Günter Amendt immer auch als Gelegenheit, seine Argumentationen an seinem Publikum auszutesten, sie auf ihre Logik und ihre Verständlichkeit zu überprüfen und sie in der Auseinandersetzung mit seinen Kontrahenten weiter zu schärfen.

Sein erstes Buch zur Drogenproblematik veröffentlichte Günter Amendt bereits 1972, zusammen mit Ulli Stiehler. Unter dem programmatischen Titel Sucht, Profit, Sucht analysierte er die politische Ökonomie des Drogenhandels. Anfang der 1990er-Jahre wurde das Thema Drogen dann zu Amendts Hauptarbeitsgebiet; nicht zuletzt bestritt er damit von da an auch einen wesentlichen Teil seines Lebensunterhalts. Als kritischer Geist genoss er rasch breite Anerkennung in der »Szene«, und als kompetenter, redegewandter Referent wurde er auf Drogenpodien ein gefragter Gast. Für seine Vorträge und die Teilnahme an Tagungen bereitete er sich jeweils sorgfältig vor, überließ nichts dem Zufall. Er entwickelte eine ausgefeilte Dramaturgie seiner Argumentationslinien, bezog aktuelle Kontexte – etwa die Räumung der offenen Drogenszene am Platzspitz in Zürich oder den Krieg in Afghanistan – mit ein und bemühte sich immer, die berufs- und interessenspezifischen Erwartungen seines Publikums anzusprechen. Als erfahrenem Redner war ihm dabei bewusst, dass Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Drogentagungen nebst dem Erkenntnisinteresse immer auch ihre Partikularinteressen an der »Lösung des Drogenproblems« mitbrachten: als Politikerinnen genauso wie als Sozialarbeiter oder Therapeutinnen, Richterinnen, Ärzte oder Behördenvertreter.

Die Schweizer Drogenpolitik beobachtete Günter Amendt mit besonderem Interesse. Der Schweiz attestierte er – etwa im Vergleich zu Deutschland – ein hohes Niveau der öffentlichen Debatte. Amendt bezeichnete Kleinstaaten wie die Schweiz, aber auch die Niederlande, als Inseln drogenpolitischer Vernunft, von denen Anfang der 1990er-Jahre wichtige neue Anstöße ausgingen.

Ausgestattet mit einem fundierten Innen- und Außenblick hob er gegenüber seinem deutschen Publikum die Eigenständigkeit der Schweiz hervor, die früh eine kontrollierte Drogenabgabe einführte, welche sich später europaweit als Politik der Schadensminderung durchsetzte. Auch die Drogenlegalisierungsinitiative »Droleg« war für Amendt ein Beispiel, wo in der Schweiz früh Denkprozesse in Gang kamen, die in anderen Ländern noch lange ein Tabu blieben.

Die Besonderheit der schweizerischen Drogenpolitik leitete Günter Amendt aus der räumlichen Nähe der Ereignisse in dem kleinen und reichen Land ab. Das Drogenelend am Platzspitz (für Amendt ein »gesamtschweizerisches Open-Air-Kino mit gigantischer Projektionsfläche«) gleich neben dem Bankenplatz und nicht weit vom Standort weltweit tätiger Pharmakonzerne entfernt, hatte nach seiner Einschätzung eine soziale Verdichtung und Schärfung des Problembewusstseins zur Folge, was es schwieriger als in anderen Ländern machte, dieses gesellschaftliche Problem unter den Teppich zu kehren.

Amendt hatte die Fähigkeit, sein Publikum in den Bann zu ziehen. Dabei verstand er sich in der drogenpolitischen Auseinandersetzung nie als Interessenvertreter oder gar als Prophet. Bereits Anfang der 1990er-Jahre ging er davon aus, dass die Drogenprohibition früher oder später aufgehoben würde. Eine Prognose über den Zeitpunkt traute er sich dabei aber nicht zu. Aktuelle Debatten und jüngste rechtliche Entwicklungen geben ihm recht: Mit Uruguay, Bolivien und Colorado/USA haben sich erste Staaten und ein amerikanischer Bundesstaat vom totalen Prohibitionsdogma verabschiedet. Wolfgang Nešković zeichnet in seinem Beitrag zu diesem Buch ein Bild der aktuellen Debatten in Deutschland und anderen Ländern.

Günter Amendt in seinen Vorträgen zu Wort kommen zu lassen, erlaubt, vierzig Jahre internationale und europäische Drogenpolitik Revue passieren zu lassen. Es ist eine eigentliche Zeitreise zurück in die jüngere Drogengeschichte. Die vorliegende Auswahl aus über hundert Vorträgen, die Amendt zwischen 1992 und 2010 zur Drogenthematik hielt, habe ich gemeinsam mit Alfred von Meysenbug getroffen. Wir haben darauf geachtet, alle wichtigen Etappen der drogenpolitischen Debatte und alle wichtigen Diskussionsschwerpunkte wiederzugeben, die Amendt an der »Drogenfront« analysiert und politisch formuliert hat: das Scheitern der repressiven Drogenpolitik, der Prohibition und des »Kriegs gegen die Drogen«. Die Entwicklung einer akzeptierenden Drogenarbeit. Die Dämonisierung von Cannabis und LSD. Den inneren Zusammenhang zwischen der Entwicklung der Produktivkräfte und den Präferenzen für bestimmte Drogen. Die Globalisierung des Drogenhandels und ihre Folgen für die Drogenproduktion. Die Zunahme von Partydrogen, vom täglichen Doping bis hin zur Pharmakologisierung des Alltags.

Für die Auswahl war uns wichtig, das weite Feld sichtbar zu machen, das Amendt in Bezug auf die Drogenproblematik abgesteckt hat. Ihn interessierte, wer am Suchtgeschäft verdient, wie sich der gesellschaftliche Status von Drogen verändert, in welcher Situation sich Drogenabhängige befinden, und er kannte die therapeutische und medizinische Optik. Er wusste aufzuzeigen, wie politische Diskurse von Lobbyisten und Wirtschaftsinteressen gelenkt werden, er verfolgte kritisch die problematische Rolle der Medien und kannte die rechtlichen Spannungsfelder, in denen Drogen stehen. Gleichzeitig reflektierte er immer auch seine eigenen beruflichen, Lebens- und Drogenerfahrungen.

Die in diesem Band publizierten Vorträge werden weitgehend ungekürzt und in chronologischer Reihenfolge abgedruckt. Weggelassen wurden nur einige wenige aktualitätsbedingte Einschübe. Die Zwischentitel stammen von den Herausgebern. Das unterschiedliche Publikum der Vorträge ist repräsentativ für das breite Spektrum von Amendts Zuhörerinnen und Zuhörern: Aktivistinnen, Sozialarbeiter, Therapeuten und Ärztinnen, Juristen, Politikerinnen oder Fachleute aus Behörden.

Das Buch wird durch eine Auswahl von Vorträgen als Tondokumente ergänzt, die auf der beigefügten CD zu hören sowie als download unter www.rotpunktverlag.ch/590 zu finden sind. Sie vermitteln einen Eindruck davon, dass der Vortrag für Günter Amendt immer auch eine Performance war – eine Form von Kunst.

Mit seinen öffentlichen Auftritten und seinem Eintreten für ein Ende der repressiven Drogenpolitik hat Amendt in vielen Städten der Schweiz, in Deutschland, in Österreich und in Südtirol und in Luxemburg Impulse gegeben und bestehende Initiativgruppen in ihrem Einsatz für eine kontrollierte Drogenabgabe und eine akzeptierende Drogenarbeit bestärkt. In Bielefeld genauso wie im Schweizer Sarganserland. In Zürich, in...

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