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E-Book

Lehrbuch Osteopathie

VerlagHaug
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl736 Seiten
ISBN9783132407886
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis99,99 EUR
Das Lehrbuch bietet den Überblick über die allgemeinen Untersuchungs- und Behandlungsprinzipien der Osteopathie. Es vermittelt die medizinischen Grundlagen und die osteopathische Sichtweise zu parietaler, viszeraler und kraniosakraler Osteopathie. Das ist gerade für Einsteiger wesentlich. Die Komplexität der Osteopathie wird didaktisch übersichtlich aufbereitet. Lernende finden eine die Ausbildungsinhalte abdeckende und pragmatische Einführung in die Osteopathie. Ein Extrakapitel zu Faszien befasst sich mit den bindegewebigen Strukturen, die in der Osteopathie von großer Bedeutung sind. Das Lehrbuch liefert diagnostisches und therapeutisches Wissen, und osteopathische Zusammenhänge werden klar. Besonders ausgeprägt ist die Praxisrelevanz! Gut illustrierte Anleitungen beschreiben Tests und Techniken. Differenzialdiagnostische Überlegungen und viele anschauliche Fallbeispiele führen Sie an die osteopathische Arbeitsweise heran. Fragen zur Selbstüberprüfung stärken den Lernerfolg, und die Inhalte sind abgestimmt auf die Ausbildungsinhalte. Die Autoren kommen von verschiedenen Osteopathie-Instituten.

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Leseprobe

1 Geschichte der Osteopathie


Wim Hermanns

Irgendwo nimmt alles seinen Anfang. Wim Hermanns zeichnet in diesem Kapitel die Geschichte der Osteopathie in den USA und in Europa nach und stellt ihre Entstehung in den Kontext der Zeit.

1.1 Die Begründer der Osteopathie


1.1.1 Andrew Taylor Still


1.1.1.1 Der Ursprung

Die Evidence-based Medicine, das große Schlagwort des 21. Jahrhunderts, hat seinen Begründer in Andrew Taylor Still. Still wurde als Sohn eines Methodistenpredigers im Jahr 1828 geboren und verbrachte seine Jugend im sogenannten Durchgangsland („the Frontierland“), dem unberührten Westen der USA. Dieses Gebiet in Tennessee war damals die Grenze der Zivilisation. Durch die Beobachtung der Natur und ihrer Vorgänge eignete sich Still einen Schatz an funktionellem anatomischem Wissen an. So entstand neben seinem vom Vater geprägten strengen Glauben eine starke Naturverbundenheit.

Doch die menschliche Natur beinhaltet nicht alleine ein physisches Konzept, sondern auch – wie bei den Ärzten aus der griechischen Antike – psychologische und philosophische Komponenten. Im späten christlichen Mittelalter verschwanden letztgenannte Aspekte gänzlich aus der medizinischen Landschaft. Die Ärzte befassten sich mit dem Körper, die Kirche wachte über den Geist. Heilung lag in den Händen Gottes. Die Klostermedizin ließ keine non-theologische Krankheitsursache zu.

Paracelsus (1493–1541) lebte im inquisitatorischen Europa gefährlich, als er neben dem „Ens die“, die durch Gottes Wirken verursachten Krankheiten, auch andere Ursachen für Leiden nannte. So konnten auch die Gestirnkonstellation (Ens astrale) oder Gifte (Ens veneri) oder die Vorherbestimmung (Ens naturale) Einfluss auf die Entstehung von Krankheiten haben ▶ [27]. Dass es jedoch psychosoziale oder psychosomatische Ursachen für Krankheiten geben könnte, wurde von der katholischen Kirche vehement abgestritten.

Descartes (1596–1650) ging sogar noch weiter und trennte Geist und Körper in einem dualistischen Konzept ▶ [24]. Der Lebensgeist lebe in der körperlichen Maschine. Er trenne das Dasein in einen Res extensae, eine Objektenwelt, und einen Res cognitantes, eine Gedankenwelt.

Auch in Amerika bestand in der Mitte des 19. Jahrhunderts eine von Europa geprägte Organmedizin. Die Ausleitungsverfahren, die Galen lehrte, fanden „heroisch“ ihre Anwendung: Aderlass, Brechmittel, phytotherapeutische und mineralische Betäubungsmittel ▶ [1] ▶ [28]. Die Spagyrik, eine Paracelsus-Medizin, blühte jedoch erneut auf ▶ [16], die Homöopathie fand ihren Weg, elektromedizinische Verfahren fanden immer mehr Anhänger.

In Amerika stand A.T. Still, wie auch einige andere Ärzte, der erfolgsarmen europäischen Medizin kritisch gegenüber. Doch es gab keine Alternative. Die Medizin hatte sich in den sechs Jahrhunderten seit dem Mittelalter nicht grundlegend verändert. Im Nachfolgenden werden wir sehen, wie Still sich kompromisslos gegen seine Kollegen und ihre „trügerischen Theorien“ ▶ [9] kehrt, und die Prinzipien der Evidence-based Medicine dabei beherzigt: „Der erfolgreiche Mann verfolgt nicht nur die Theorie. Sein Motto heißt ausschließlich beweisen!“ ▶ [9]

Still war neun Jahren alt, als sein Vater als Missionar nach Nord-Missouri berufen wurde. Hier erfuhr er das harte Pionierleben, das aus Schule, Haus- und Feldarbeit und Jagd bestand. Die Wildnis war sein Lehrmeister, und beim Häuten von Eichhörnchen, Hirschen und anderen wilden Tieren lernte Still nach und nach immer mehr über funktionelle Anatomie und die Natur, mehr als ihn ein Lehrbuch hätte lehren können. Aus dieser Zeit berichtete Still von seiner ersten Entdeckung in der Wissenschaft der Osteopathie. Er war zehn Jahre alt, als er plötzlich starke Kopfschmerzen und Verstimmungen bekam. Er band ein Seil zwischen zwei Bäume, legte ein Tuch darüber, legte sich ausgestreckt auf den Boden und nutzte das Seil als schwebendes Kissen. Nach einem leichten Schlaf wachte er ohne Kopfschmerzen auf. Auch die begleitenden Magenschmerzen waren verschwunden. Zu dieser Zeit machte sich Still keine Gedanken über den Mechanismus dieses Erfolges. Doch später war er davon überzeugt, dass die Arterien den Fluss des Lebens, der Heilung und der Linderung darstellen, und ihre Verstopfung oder Verletzung Krankheit zur Folge haben (Arterial Rule).

1.1.1.2 Stationen/Biografie

Die Indianer

Im Jahre 1844 zerstritt sich die Kirche, für die Stills Vater, Abraham Still, als Prediger tätig war. Die Methodistenkirche Süd war davon überzeugt, dass die Bibel die Sklaverei rechtfertigte. Stills Vater glaubte nicht daran, dass Sklaverei von Gott gewollt war und verweigerte sich der neuen Kirche. Er predigte, dass Sklaverei eine Sünde sei. Bedroht mit dem Tod sah er sich gezwungen, der Abberufung von seiner Kirche in das Revier der Shawnee-Indianer in Kansas Folge zu leisten. A.T. Still behandelte hier in der Wakarnsa-Mission zusammen mit seinem Vater die Indianer. Zwar lernte er vieles von den Indianern, ihre Sprache, ihre Heilkunde, Kräuter und ihren Glauben, doch sah er, dass ihre Medizin der großen Choleraseuche genauso hilflos gegenüberstand wie seine eigene. Viele Indianer starben. Und Still wurde, wie er selber beschreibt, zu einem Dieb im Namen der Wissenschaft ▶ [9]. Er exhumierte Indianerleichen, um die Toten zu studieren, damit die Lebenden davon profitieren konnten: „Die größte Studie des Menschen ist der Mensch“ ▶ [9]. In dieser Zeit lernte Still mehr über Anatomie und Funktion des Körpers, als ihm die Schulmedizin der Universität beigebracht hatte.

Der Krieg

In der Zeit um 1857–1860 spitzte sich die Sklavereifrage nicht alleine in der Kirche zu, sondern auch politisch, und A.T. Still wollte auf der politischen Ebene für seine Ideale einstehen. 1857 wurde er als Repräsentant von Douglas County, Kansas, in die Legislative gewählt. 1860, in dem Jahr, als Abraham Lincoln zum Präsidenten gewählt wurde, brach der Rebellionskrieg aus. Einige Südstaaten wollten die Abspaltung von den Vereinigten Staaten. Während seiner gesamten Amtszeit als US-Präsident sah sich Abraham Lincoln gezwungen, einen Bürgerkrieg zur Wiederherstellung der Union zu führen. Dabei stand er im Wesentlichen vor vier großen Aufgaben: Er musste den Krieg militärisch gewinnen, bei der Bevölkerung des Nordens die Kampfbereitschaft aufrechterhalten, die Einmischung europäischer Mächte zugunsten der Konföderierten verhindern und schließlich die Abschaffung der Sklaverei betreiben, um die Ursache des Konflikts ein für allemal zu beseitigen ▶ [2]. Still schrieb sich im September 1861 als Freiwilliger in der Kavallerie der Nordstaaten ein. Als Major blieb er bis zum Kriegsende 1864 Soldat.

Die „neue“ Sklaverei

Am Ende des Krieges sah Still jedoch eine neue Sklaverei das Land regieren: Die Sucht nach Medikamenten und Alkohol als Folge ärztlicher Behandlungen. Still sah in der Ignoranz der „Schulmedizin“ die Ursache dieser neuen Sklaverei, welche tyrannischer herrschte als die alte. Er meinte spöttisch, dass eines Chirurgen Ausrüstung komplett wäre, wenn sie Kalomel, Chinin, Whisky, Opium und ein Messer enthielte. Auf diese Weise würde die Liebe zu starken Getränken genährt werden. Der Krieg hatte Stills Familie geschont, doch ein neuer Feind kam auf die Bühne, und der war nicht gnädig. Eine Meningitis-Epidemie überzog das Land, und seine Familie wurde getroffen. Die Ärzte, die Still konsultierte, konnten seine Familie nicht retten. Drei von seinen vier Kindern starben. Still hatte in dieser Zeit großes Vertrauen in die Ehrbarkeit der Ärzte und Pfarrer. Sie täten ihr Bestes. Und obwohl in einer solchen Zeit viele Menschen sich von Gott abwenden würden, wurde Still in seinem Glauben gestärkt. Er kam zu dem Entschluss, dass Gottes Gesetz absolut und animalisch ist. Gott hat den Körper in Perfektion geschaffen und ihm zugleich Heilungskräfte gegeben. Es ist nicht Gott, der die Krankheiten bestimmt, sondern die Natur. Gott, als liebender, intelligenter Schöpfer des Menschen hat Medikamente in genügender Menge im menschlichen Körper bereitgestellt, um alle Krankheiten zu heilen. Das macht alle von außen kommenden Medikamente, die homöopathischen inklusive, überflüssig. Der Arzt, als ordnende Person, sollte die Medikamente (Selbstheilungskräfte) im Körper des Menschen finden und freisetzen, wie bei einer Maschine, die gewartet werden muss.

Still war ein vielseitig interessierter Zeitgenosse, und die Mechanik von Maschinen war sein Steckenpferd. So war er beteiligt an der Entwicklung der Mähmaschine und er erfand eine Buttermaschine. Fasziniert von den Hebeln, Dreh- und Schwungrädern übersetzte er die mechanischen Prinzipien auf den menschlichen Körper. Nun muss man bedenken, dass eine Maschine in dieser Zeit mit Respekt betrachtet wurde. Der Mensch, der Erfinder, und die Maschine, das zweckmäßig Erfundene, waren eng miteinander verknüpft. Alle Komponenten der menschlichen Maschine – Sehnen, Muskeln, Nerven, ihre Versorgung mit Blut und Energie, ihre Arbeit zum Erhalt der Gesundheit oder ihre Blockaden – weckten Stills Interesse. Er sah Fieber, Ischias, Rheuma, Koliken, Gicht oder Husten nicht als Krankheiten an, sondern als Symptome einer fehlgesteuerten...

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