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E-Book

Lernstrategien im Grundschulalter

Konzepte, Befunde und praktische Implikationen

VerlagKohlhammer Verlag
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl228 Seiten
ISBN9783170295223
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis22,99 EUR
Die Vermittlung von Lernstrategien gilt als wichtiges Bildungsziel und relevanter Bildungsauftrag der Grundschule. Erfolgreiche Lernstrategien bei Schülerinnen und Schülern bilden letztlich die Grundlage und Voraussetzung für gelingende Lehr- und Lernprozesesse in den einzelnen Unterrichtsfächern. Das Buch liefert erstmalig eine Zusammenschau von theoretischen Konzepten und Forschungsergebnissen zur Entwicklung, Erkennung und Förderung von Lernstrategien bei Kindern im Grundschulalter. Dabei wird nicht nur ein Überblick über Befunde aus der pädagogischen und psychologischen Lehr-Lernforschung geboten; ausführlich wird auch auf die praktischen Implikationen für die einzelnen Unterrichtsfächer und Lernfelder eingegangen.

Prof. Dr. phil. Frank Hellmich lehrt Schulpädagogik an der Universität Paderborn. Stephan Wernke ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Pädagogik (Arbeitsgruppe Empirische Lehr-Lernforschung) an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg.

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Leseprobe

Was sind Lernstrategien … und warum sind sie wichtig?


Frank Hellmich & Stephan Wernke

Die Vermittlung von Lernstrategien gehört zu einer der wesentlichen Aufgaben im Rahmen des Grundschulunterrichts. Sie wird dabei in neueren Konzeptionen zur Erklärung der Qualität von Grundschulunterricht als eine entscheidende Zieldimension bestimmt (vgl. hierzu z. B. Helmke, 2006) und sowohl fachbezogen als auch fachübergreifend als bedeutsam für die Lernentwicklung von Kindern im Grundschulalter erachtet: Kinder sollen nach Möglichkeit bereits auf frühen Stufen ihrer Entwicklung lernen, das eigene Lernen selbst in die Hand zu nehmen, Lerngegenstände eigenständig zu durchdringen, sich selbstständig Ziele zu setzen und auch dann erfolgssicher im Unterricht mitzuarbeiten, wenn auf den ersten Blick keine Lösungsideen parat sind und diese erst noch entwickelt werden müssen.

Die Intention dieses Beitrags ist es, eine begriffliche Klärung des Begriffs Lernstrategien im Kontext von Formaten selbstregulierten Lernens vorzunehmen und die Relevanz einer Vermittlung von Lernstrategien im Grundschulunterricht zu erörtern, gerade und insbesondere auch in Hinblick auf das Lernen an den weiterführenden Schulen. Mit dem vorliegenden Beitrag wird auf diese Weise das Ziel verfolgt, die im vorliegenden Buch zusammengetragenen Beiträge einerseits vor dem Hintergrund des Bildungsauftrags der Grundschule einordnen und andererseits die einzelnen im Detail dargestellten Forschungserträge theoretisch verorten zu können.

1 Lernstrategien als Bildungsziel der Grundschule


Weitgehend Einigkeit besteht darin, dass die Vermittlung von Lernstrategien als ein wichtiges Bildungsziel der Schule im Allgemeinen und der Grundschule im Speziellen betrachtet wird. Lernstrategien werden dabei gerade im Kontext lebenslangen Lernens als wichtig erachtet – analog dem Motto „Was heute als richtig und wichtig angesehen wird, kann morgen schon überholt sein“ (Moschner & Wagener, 2006, S. 48). Es wird vermutet und aus theoretischer Perspektive scheint dies zweifellos plausibel, dass Menschen, die sich eigenständig Wissen und Fähigkeiten aneignen können, in verschiedenen, manchmal auch schwierigen Situationen handlungsfähig sind und Herausforderungen aufgrund ihres Know-hows geeignet und zuversichtlich begegnen können.

Die Relevanz einer Förderung von Lernstrategien in der Grundschule lässt sich dabei grundlegend auf der Basis verschiedener Argumente stützen: Auf der einen Seite ist – wie noch weiter auszuführen sein wird – die Förderung von Lernstrategien in verschiedenen Konzeptionen zum Bildungsauftrag der Grundschule und auch in verschiedenen bildungspolitischen Erlassen zum Unterrichten in der Grundschule, wie zum Beispiel in den Bildungsstandards für den Primarbereich (vgl. Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, 2004a/b) verankert. Auf der anderen Seite wird die Bedeutung einer Vermittlung von Lernstrategien gestützt durch Befunde aus verschiedenen empirischen Untersuchungen, bei denen gezeigt werden konnte, dass Unterschiede in den von Kindern erbrachten Schulleistungen erklärt werden können durch Unterschiede in der Verfügbarkeit ihres habituellen Lernstrategieneinsatzes (vgl. z. B. van Kraayenoord & Schneider, 1999). Darüber hinaus lässt sich eine Förderung von Lernstrategien aber auch lehr-lerntheoretisch begründen. Gerade in den letzten Jahren wurde mit dem Ziel der Begegnung heterogener Lernausgangslagen bei Schülerinnen und Schülern im Grundschulalter auf individuelles und zugleich selbstreguliertes Lernen in nahezu konstruktivistischen Lehr-Lernumgebungen gesetzt, bei denen der Anwendung von Lernstrategien seitens der Schülerinnen und Schüler häufig ein hohes Maß an Selbstregulation und die Verwendung von Lernstrategien beim Aufgaben- oder Problemlösen vorausgesetzt werden. Vor diesem Hintergrund hat die Vermittlung von Lernstrategien unweigerlich auch eine Bedeutung für Gelingensprozesse eines als modern zu bezeichnenden Grundschulunterrichts, bei dem auf eine anspruchsvolle individuelle Förderung von Kindern auf frühen Stufen ihrer Entwicklung gesetzt wird.

Die Relevanz einer Förderung von Lernstrategien in der Grundschule lässt sich damit detailliert und zusammengefasst an den drei im Folgenden beschriebenen Ebenen festmachen:

1.1 Lernstrategien im Kontext des Bildungsauftrags der Grundschule

Besonders im Zeitalter grundschulbezogener Schulleistungsstudien (z. B. Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung, IGLU; vgl. z. B. Bos, Hornberg, Arnold, Faust, Fried, Lankes, Schwippert & Valtin, 2007), Bildungsstandards für den Primarbereich (vgl. Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister, 2004a/b) und Vergleichsarbeiten (z.B. VERgleichsArbeiten in der Grundschule, VERA; vgl. z. B. Groß Ophoff, Koch, Helmke & Hosenfeld, 2006) gewinnt die Frage, wie Kompetenzerwerbsprozesse von Kindern bereits auf frühen Stufen ihrer Entwicklung optimiert werden können, an Bedeutung. Wenn auch tendenziell im gesamten Bildungswesen der Bundesrepublik Deutschland – analog zur Steuerung institutioneller Bildungsprozesse in anderen Ländern – besonderes Augenmerk auf Output-Orientierungen bei der Entwicklung von Schülerkompetenzen gelegt wird, dürfen gerade in der heutigen Zeit Fragen in Bezug auf die Gestaltung von Lehr-Lernprozessen sowie die Förderung von Fähigkeiten und Fertigkeiten, die Lernen und Wissenserwerbsprozesse begünstigen, nicht aus dem Blick geraten. Während in Zeiten der Output-Orientierung zentrale Kompetenzen bei Schülerinnen und Schülern am Ende der Grundschulzeit in den Unterrichtsfächern Deutsch und Mathematik angebahnt werden sollten, muss bzw. sollte im Sinne einer Input-Orientierung überlegt werden, welche bedeutsamen überfachlichen Kompetenzen Schülerinnen und Schüler unter Standard bezogenem Gesichtspunkt entwickeln sollten, die sich zum einen in Hinblick auf ihre Kompetenzentwicklung positiv auswirken und zum anderen die Entwicklung ihrer Persönlichkeit begünstigen. Insbesondere der Förderung von Lernstrategien im Grundschulalter werden in Zeiten sich ständig verändernder Technologien sowie neuer Informations- und Kommunikationsmedien eine Schlüsselrolle zugesprochen. Der Erwerb zielführender Lernstrategien gewinnt vor diesem Hintergrund eine zentrale Bedeutung im Kontext lebenslangen Lernens. Die Schule und insbesondere die Grundschule können den Boden für die Anbahnung von Lernstrategien bereiten. Gerade im Unterricht an den weiterführenden Schulen stellen Qualifikationen, die vor allem die Organisation und Gestaltung eigenständiger Lehr-Lernprozesse betreffen, voraussichtlich eine wichtige proximale Bedingung dar, um auch mit schwierigen und herausfordernden Problemstellungen umgehen zu können. Die Relevanz einer Förderung von Lernstrategien in der Grundschule wird dementsprechend auch im Rahmen des von der UNESCO-Kommission entwickelten Papiers „Education for the 21st century“ hervorgehoben (vgl. Delors, 1998). Als eine von vier grundlegenden Säulen der Bildung im Grundschulalter wird dabei die Vermittlung und Förderung von Lernstrategien in der Grundschule genannt. Kinder sollen lernen, wie und auf welche Weise Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten erworben werden können (vgl. Valtin, 2006, S. 8). Hierbei wird im Speziellen auf die Vermittlung metakognitiver Kompetenzen sowie den Erwerb bereichsübergreifender Methodenkompetenz gesetzt (vgl. Valtin, 2006, S. 8). Das gezielte Üben und Reflektieren eigener Lernprozesse und -fortschritte sowie die Aneignung gezielter Lernmethoden werden als bedeutsam erachtet, um Schülerinnen und Schülern im Grundschulalter Transparenz in Bezug auf die Gestaltung eigener Lernprozesse zu verschaffen. Besonders in den letzten Jahren wurde die Förderung bereichsspezifischer Kompetenzen in den Unterrichtsfächern Deutsch, Mathematik und dem naturwissenschaftlichen Lernen im Rahmen des Sachunterrichts als relevant herausgestellt. Dass der Grundschulunterricht auf diese fachgebundenen Lernziele verkürzt werden darf, wird dabei von verschiedenen Vertreterinnen und Vertretern aus der Disziplin Grundschulpädagogik hervorgehoben (vgl. hierzu Valtin, 2006; Hellmich & Kiper, 2006, S. 90). In dem vom Grundschulverband im Jahr 2002 im Zusammenhang mit der Einführung von Bildungsstandards formulierten Positionspapier „Bildungsansprüche von Grundschulkindern – Standards zeitgemäßer Grundschularbeit“ wird beispielsweise hervorgehoben, dass der Bildungsauftrag und vor allen Dingen die Anbahnung von Basiskompetenzen in der Primarstufe nicht beschränkt sein dürfe auf das Lernen in den einzelnen Unterrichtsfächern; gerade die Förderung überfachlicher Aspekte wie u. a. Methoden- und Verfahrensweisen sowie die Genese geeigneter Einstellungen und Haltungen in Bezug auf das Lernen seien für die Lernentwicklungen von Schülerinnen und Schülern im Grundschulalter bedeutsam. In ähnlicher Weise formulierte auch Weinert (2000, 2001) überfachliche Bildungsziele, die aus seiner Sicht wesentliche Bestandteile des Bildungs- und Erziehungsauftrags der Schule darstellen. Als eines von sechs essentiellen Bildungszielen nannte er dabei den Erwerb der Lernkompetenz, der es Schülerinnen und Schülern ermöglicht, im Laufe ihrer Schulzeit Expertise über das eigene Lernen zu entwickeln und vor diesem Hintergrund auf der einen Seite eine wesentliche und nicht zu vernachlässigende Basiskompetenz darstellt sowie auf der anderen Seite selbstverständlich als Schlüsselkompetenz zu verstehen ist, die eigenverantwortliches und selbstgesteuertes Lernen erst ermöglicht.

1.2 Ergebnisse aus der empirischen Lehr-Lernforschung

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