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E-Book

Lesereise Paris

Das Parfum einer Stadt

AutorBettina de Cosnac
VerlagPicus
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl132 Seiten
ISBN9783711753755
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Paris hat einen ganz eigenen Duft - so riecht es etwa nach Macarons und Madeleines, nach charmanten Hinterhöfen zum Flanieren, nach traditionsreichen Buchhandlungen oder nach der Lebensader Seine. Bettina de Cosnac besucht den Élysee-Palast und dessen exzentrische Bewohner, macht sich auf die Suche nach der verlorenen Poesie eines Café-Besuchs und ergründet die Strukturen der konservativen Académie Française. Sie geht in berühmte Fotostudios und erzählt von einer historischen Weihnacht in den Tui­lerien, trifft Pariserinnen, die den richtigen Riecher haben, und liest Modemagazine für Männer, und sie staunt, nicht nur über die immerwährende Modernität des Eiffelturms.

Bettina de Cosnac kam für das ZDF-Korrespondentenbüro Südwesteuropa 1995 nach Paris - und blieb. Sie lebt mit Aussicht auf den Eiffelturm und die Skyline der Hauptstadt. Ganz nach angelsächsischer Tradition verfasst die vielseitige, promovierte Romanistin Biografien, Bühnenstücke, Romane und sinnliche Coffee-Table-Books. Ihre Biografien über die Dynastie der Grimaldi, die Familie 'Haribo' und die deutsch-französische Fotografin Gisèle Freund sind Standardwerke und Bestseller. In Paris hat sie ihr Herz verloren und dennoch einen kritischen Blick gewahrt.

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Leseprobe

Paris. Das Parfum einer Stadt


Vorwort


Mein Parfum heißt Paris. Längst bevor teure Düfte im Flakon Städtenamen wie New York, Berlin oder Paris erhielten. Das Parfum Paris durchwehte neben Heugeruch von österreichischen Bauernhöfen und winterlichem Mimosenduft der Riviera meine Jugend. Irgendwann, Anfang zwanzig, wechselte ich das Parfum – wie es jede Frau tun sollte – und entdeckte andere Städte und Länder, kehrte aber mit neunundzwanzig Jahren in der außenpolitischen Redaktion des Fernsehsenders France 2 nach Paris zurück. Erneuter Duftwechsel, bevor ich das Parfum Paris Mitte der neunziger Jahre endgültig adoptierte. Als abenteuerlustige Journalistin blickte ich nach vorn und ließ auch keinen Koffer in Berlin zurück. Recht so: Das Parfum Paris ließ mich – wie viele andere Wahlpariser – seitdem nicht mehr los. Korrespondentin, Heirat, Kinder, Feste und Bücher. Eigene und fremde Bücher. Vieles änderte sich für mich. Auch das Parfum Paris änderte sich mit der Reife und den Erfahrungen. Und schärfte meinen Blick auf die Lieblingsstadt der Verliebten.

Das Parfum Paris erfand sich mit den Jahren und Jahreszeiten immer wieder neu und anders. Manchmal konnte ich es einfach nicht mehr riechen. Aber die Duftwolke hielt an mir fest. Und Freunde, die sie schnupperten, seufzten entzückt: »Paris! Wie herrlich, wie süß.« Der Paris-Mythos bleibt unerklärlich, die Sehnsucht auch. Die Freunde und Bekannten wussten nichts vom Alltag, nichts von den dunklen Seiten der Stadt des früheren Sonnenkönigs und der heutigen Präsidenten. Gewiss, im Mai und Juni komponieren die Rosenblüten in den Lustgärten der Tuilerien und die Frische der plätschernden Springbrunnen ein exquisites Parfum, das kein Pariser, kein Verliebter, kein Romantiker missen will. Im Winter allerdings mischt sich herber Benzingeruch in die klare Würze der kalten Winterluft. Paris hält dann den Atem an, eingehüllt in eine Smogwolke, immer öfter auch in den heißen Monaten. Das Pariser Leben pulsiert nur noch halbherzig. Die Lebenserwartung der Pariser ist um zehn Jahre geringer als im Rest Frankreichs.

Auch die Parfumeure, die meinen Parisduft komponierten, änderten sich im Laufe der Jahre. Nach der sozialistischen Sphinx François Mitterrand kam der rechte und recht joviale Jacques Chirac, ein Afrikakenner und Charmeur, gefolgt von Nicolas Sarkozy und dem in die französischen Geschichtsbücher wohl als eher blasse Präsidentennummer eingehenden François Hollande. Wieder ein Sozialist. Links, rechts, links in der Regierung zeugt von politischer Unentschlossenheit.

Zugegeben, François Hollande hatte verschärfte Umstände, etwa die weltweite Wirtschaftskrise, den sich verbreitenden Terrorismus und das übliche französische Chaos. Aber wie kein Präsident zuvor schaffte er es, sich mit seinen amourösen Eskapaden lächerlich zu machen, auf dem roten Teppich Angela Merkels in Berlin – ausgerechnet Angie, der Mutter der deutschen Nation – schmerzhaft auf die Füße zu treten, in Paris, der Stadt der Mode, in zu eng und zu kurz geschneiderten Anzügen vor den Kameras der Welt aufzutreten und in Russland mit einer Schapka auf dem Kopf wie ein deplatzierter Bauernsohn aus einem Puschkin-Roman zu lächeln. Gewiss, die Mütze wärmte, aber das Bild ging um den Globus und das Herz der grande nation erfror.

Während François Hollandes Regierungszeit verlor Frankreich – und Paris – gewaltig an Gesicht und Ansehen. Die Franzosen bereuten ihre Wahl zutiefst. Doch was konnten sie tun? Sie höhnten, resignierten oder griffen zu noch mehr Antidepressiva als gewohnt. Was viel heißen will, denn die Franzosen sind europaweit führend im Konsum von Arzneidrogen. Es ist eine verborgene Statistik.

Und plötzlich kam Hoffnung! Ein neuer betörender Duft schwebte über Stadt und Land. Er wehte von unten herauf, kam zu Fuß, en marche. Aus scheinbar heiterem – französischen – Himmel raste Emmanuel Macron schnell wie ein Komet an die Macht. Er war ein »Jupiter«, wie ihn die französische Presse taufte, am Firmament eines seit der Revolution 1789 scheinbar unregierbaren Landes. Ein Deus ex Machina. Mit dem biblischen Namen Emmanuel gesegnet, ist er ein vergleichsweise junger Adonis, den Talent, Klugheit, Reformeifer, politische Erfahrung als Finanzminister und gesunder Menschenverstand auszeichnen. Zudem verfügte er über Erfahrungen in der Privatwirtschaft, hat er doch, wie einst Staatspräsident Georges Pompidou, erfolgreich bei der Bank Rothschild gearbeitet. Macron hat auch Ambitionen. Mit ihm ergriff ein ebenfalls junges Regierungsteam, jenseits alter Oligarchien und obligater Elitehochschulen, die Macht.

Das Parfum Paris glich 2017 einer von einem Tornado aufgewirbelten, undefinierbaren Staubwolke, die sich erst einmal setzen musste. Das Parfum Paris wurde gnadenlos aufgemischt, eifrig neu komponiert und mit modernen Noten durchsetzt. Ein frischer Duft durchwehte den Élysée-Palast. Es tat ihm und Frankreich gut. Die Frau an Jupiters Seite heißt Brigitte, wie die Bardot, aber ohne deren opulente Formen. Sie ist geschieden, Mutter von drei erwachsenen Kindern. Vor allem ist sie, wie die an Hofklatsch gewohnten Franzosen genüsslich spotten, zwanzig Jahre älter als ihr Mann. Aber sie ist sexy und klug. Die Lehrerin für Altphilologie wird von ihren ehemaligen Schülern gegen solch höhnische Angriffe solidarisch verteidigt. Auf sie, die Optimistische, lassen sie nichts kommen. Auch Emmanuel Macron war einst ihr Schüler. Er wurde ihr treuester Fan. Mutig führte er sie allen Unkenrufen zum Trotz vor den Altar. Der neue Präsident bewies Charakter. Offiziell darf sie nicht mitregieren. Eine première dame steht als Funktion nicht in der französischen Verfassung. Madame Macron hat wie ihre Vorgängerinnen keinen Status und keine definierten Aufgaben. Aber sie bekam ein Budget, das erstmals der Öffentlichkeit bekannt gegeben wurde, einen Berater und eine Sekretärin. Inoffiziell regiert sie, wie alle klugen und starken Frauen hinter einem starken Mann, nicht nur auf dem Kopfkissen mit. Brigitte mit der schlanken Figur, den gut geformten Beinen und den modischen Fast-Miniröcken, wurde schnell Liebling der Französinnen und beide Macrons Lieblinge der Welt. Das Präsidentenpaar brachte innen- und außenpolitische Hoffnung. Und Hoffnung brauchte das Land. Frankreich war aufgrund von politischen Querelen, programmatischer Verflachung, drohendem extremem Rechtsruck auf dem Präsidentenstuhl, fehlendem Reformmut, mangelndem Durchsetzungsvermögen und nachträglich aufgedeckter Korruption diverser Präsidenten und Minister in eine Sackgasse geraten. Die Liste der Missstände war lang. La grande nation lebte feudal und hoch verschuldet. Sie kämpfte mit veralteten, unrentablen Wirtschaftsstrukturen, teuren Netzwerken eines fast kommunistisch agierenden Sozialstaats und genoss eine ideologische Verkrustung, die notwendige Reformen erschwerten. Klein beigeben wollte das Land nicht, doch es ging auch nicht vorwärts. Parfum Paris roch muffig.

Aber nun, im Jahre 2017, gab es Jupiter und das Parfum Paris erinnerte an Mustang, wirkte feurig, verführerisch und verrückt. In Paris herrschte Aufbruchsstimmung. Die tendenziell missmutigen, gestressten Pariser Querulanten setzten ein Lächeln auf. Paris lachte zurück. Paris wurde wieder ein Flirt. Und das Küssen und Flanieren machte Spaß, trotz der patrouillierenden Soldaten mit Maschinengewehren, die seit den Terroranschlägen das Leben und Straßenbild der Hauptstadt mitbestimmen.

Das Parfum Paris lebt von starken Kontrasten. Von extremem Lärm und überraschender Stille. Von Luxus pur und noch immer stinkenden Plätzen, an denen trunkene Obdachlose ihre aus vielen Kartons und tiefer Desillusion gebaute nächtliche Bleibe sorgsam errichten. Sie wohnen inzwischen nicht nur in der métro, sondern auch im schicken seizième, dem sechzehnten arrondissement.

Das Parfum Paris steckt in einem ansehnlich designten Flakon, den Monumente wie das Sacré-Cœur, der Eiffelturm, die Invaliden und geordneten Parks à la française zieren.

Paris bietet eine heile, nie zerbombte Haussmann’sche Fassade und liftet sich ständig. Die französische Hauptstadt ist ewige Baustelle. Ästhetik und Chaos. Das Parfum Paris kennt nächtliche Sternstunden und täglichen Stau. Darin, in Sternstunden und Stau, gleicht die Stadt an der Seine vielen Metropolen der Welt.

Und doch: Paris bleibt Paris. Wenngleich das alte Paris, wie es die Lyrik von Rainer Maria Rilke, die Prosa von Klaus und Erika Mann, die Kurzgeschichten von Immigranten und Korrespondenten der Zwischenkriegszeit oder die Memoiren leidenschaftlicher Wahlpariser beschwören, in die unwiederbringliche Vergangenheit gehört. Das alte Paris ist eine Proust’sche Madeleine. Auch Paris ist in die Moderne gezogen.

Aber Paris bleibt doch Paris. Wenngleich geliebte französische Institutionen wie das bistrot Opfer der Globalisierung werden, wenngleich die viel gepriesene französische...

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