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Lesesozialisation und Leseförderung

AutorKatja Dreißig
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2007
Seitenanzahl69 Seiten
ISBN9783638594882
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Studienarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich Pädagogik - Pädagogische Soziologie, Note: 1,0, Hochschule Mittweida (FH), 46 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Medienberichte und Untersuchungen à la PISA, die darauf aufmerksam machen, wie schlecht es um das Leseverhalten der deutschen Kinder und Jugendlichen bestellt ist, plädieren für die Notwendigkeit dieser Überzeugungsarbeit. Das antiquierte Medium Buch scheint im Wettbewerb mit den neuen, elektronischen Medien und dem wachsenden Angebot an anderen Freizeitaktivitäten das Nachsehen zu haben. Der Kontakt mit Büchern und Literatur beschränkt sich teilweise nur noch auf die Schule. In vielen Haushalten sind Bücher Mangelware. Und das obwohl das Lesen nicht nur als unverzichtbare Schlüsselqualifikation gilt, um am gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Leben teilnehmen zu können, ferner leisten Bücher auch einen wichtigen Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung eines Kindes. Das erste Kapitel gibt zunächst einen Überblick zum Thema Sozialisation und legt im zweiten Kapitel den Fokus auf den Prozess der Lesesozialisation. Es wird erläutert, welche Funktionen das Lesen erfüllt und welche Rolle die Sozialisationsinstanzen, besonders die Eltern, bei der Lese(r)entwicklung spielen. Denn ob jemand gerne, viel oder kaum liest, ist wesentlich darin begründet, wie sein Kontakt und Umgang mit dem Medium Buch in der Kindheit verläuft. Unter Einbeziehung des Datenmaterials verschiedener aktueller Studien zum Medien-, Freizeit- und Leseverhalten der jungen Generation soll dann geklärt werden, inwieweit die geäußerten Prognosen vom Untergang der deutschen Lesekultur tatsächlich gerechtfertigt sind. Das letzte Kapitel widmet sich abschließend der Thematik Leseförderung und zeigt unter anderem die verschiedenen Möglichkeiten, Kinder für das Medium Buch und das Lesen zu begeistern.

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Leseprobe

2 Lesen & Lesesozialisation


 

Nachdem erörtert wurde, auf welche Art und Weise und unter welchen Bedingungen die Persönlichkeitsentwicklung und die Integration des Heranwachsenden in die Gesellschaft abläuft, erfolgt nachfolgend die Auseinandersetzung mit einem speziellen Bereich der Sozialisation, der Lesesozialisation.

 

Es wurde gezeigt, dass zahlreiche Faktoren der äußeren und inneren Umwelt eines Kindes über seine Möglichkeiten im gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben entscheiden. Dabei beanspruchen vor allem die Medien einen immer größeren Einflussbereich. Ein wesentliches Medium, das die Sozialisation lebenslang begleitet, stellt das Buch dar. Mit seiner langen Tradition gerät dessen Stellenwert im Zeitalter der neuen Unterhaltungs- und Informationselektronik aber zusehends ins Wanken.

 

Welche Vorteile, Funktionen und Bedeutung das Lesen hat und unter welchen Voraussetzungen und Instanzen eine erfolgreiche Lesesozialisation verläuft, soll das folgende Kapitel zeigen.

 

2.1 Lesen


 

Um eine Basis für das weitere Verständnis zu schaffen, muss zunächst geklärt werden, was der Begriff „Lesen“ impliziert.

 

Der Blick in das Lexikon verrät folgende Definition:

 

„Lesen - in sich strukturierter Verstehensvorgang, bei dem durch Analyse und Synthese und Hypothesenbildung die sprachlichen Zeichen geschriebener (gedruckter) Texte wahrgenommen, die Bedeutung von Zeichenreihen (Wörtern) und die Semantik komplexer Texte (Sätze) erfasst und verarbeitet werden. Dieser Verstehensvorgang vollzieht sich im Zusammenhang mit wertenden und interpretierenden Komponenten (Sinnkonstruierung).“[63]

 

Damit wird klar, dass das Lesen als ein aktiver und individueller Rekonstruktionsprozess[64] stets die Eigenaktivität des Lesers erfordert.

 

In der Lesesozialisationsforschung wird vom Lesen als Tun ausgegangen, dass sich zwischen Handeln und Verhalten bewegt. Die Professoren und Wissenschaftler Bettina Hurrelmann und Michael Hammer fassen dies wie folgt zusammen: „Es handelt sich um ein ‚Tun’, das Intentionalität, unbewusste Motivation und die Übernahme kultureller Muster in unterschiedlicher Mischung vereinigt.“[65]

 

Dabei ist die verfolgte Absicht - die Ausbildung eines stabilen Leseverhaltens und positiven Gratifikationsspektrums - nicht identisch mit der Motivation des Lesenden. Besonders Kindern ist nicht bewusst, wieso und wofür sie lesen. Ihr Leseverhalten ist nicht ausschließlich durch die Umwelt geregelt. Vielmehr beruht ihr Interesse auf den jeweiligen Themen, Inhalten und ihren individuellen Identifikationsbedürfnissen.

 

Im Zusammenhang mit dem Lesen treten des Weiteren die Begriffe Lesefertigkeit, Lese-kompetenz und literarische Rezeptionskompetenz auf.[66]

 

Ist von Lesefertigkeit die Rede, wird zwischen Lesern und Nicht-Lesern unterschieden. Damit einher geht die Vermittlung des Schriftsystems. Die Lesefertigkeit ist abhängig vom jeweiligen Alter, dem individuellen Entwicklungsstand sowie dem Geschlecht. Die Konsequenzen fehlender Lesefertigkeiten äußern sich als Analphabetismus, wobei gerade in der heutigen Zeit die Verbreitung des sekundären Analphabetismus[67] zunimmt - 20 Prozent aller 15-jährigen Jugendlichen werden bereits als gefährdet eingestuft.[68]

 

Im Gegensatz dazu beschreibt Lesekompetenz die Fähigkeit, „geschriebene Texte unterschiedlicher Art in ihren Aussagen, ihren Absichten und ihrer formalen Struktur zu verstehen und in einen größeren Zusammenhang einordnen zu können, sowie in der Lage zu sein, Texte für verschiedene Zwecke sachgerecht zu nutzen.“[69] Daraus folgt die Differenzierung nach geübten und ungeübten Lesern.

 

Die literarische Rezeptionskompetenz bezeichnet darüber hinaus die Fähigkeit einen Leseprozess zu initiieren und durchzustehen.[70] Dies erfordert literarisches Wissen und Lektürepraxis ebenso wie Lesemotivation; es ermöglicht dadurch die Teilhabe an einer literarischen Kultur.[71]

 

2.1.1 Merkmale und Funktionen des Lesens


 

Lesen, Schreiben und Rechnen - diese drei Grundkompetenzen lernt jedes Kind in der Regel als Erstes in der Schule bzw. im Kindergarten. Dies ist erforderlich, um den Alltag bewältigen zu können. Schließlich ist unsere Umwelt eine Schriftumwelt und der Großteil der täglichen Kommunikation läuft über Sprache ab.

 

In der Konsequenz bedeutet das, dass ohne Lesefähigkeit und -kompetenz eine Teilnahme am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben nicht möglich ist. „Lernen, Bildung, die Entwicklung der Persönlichkeit bleiben auch in der modernen Gesellschaft an die Schrift und an das Lesen gebunden.“[72]

 

Die Leistungen des Lesens und der Literatur spielen sich vor allem auf kognitiver, emotionaler, sozialer und sprachlicher Ebene ab. Welche Funktionen im Einzelnen erfüllt und gefördert werden, zeigt der folgende Überblick:

 

 Lesen fördert die Allgemeinbildung.

 

„Die Bücher sind die Speichermedien für jegliches Weltwissen.“[73] konstatierte Bischof Huber in seiner Eröffnungsrede der Buchhändlertage 2006. Wissen ist an Worte gebunden und kann nicht über Bilder transportiert werden. Denn gerade in unserer heutigen Informations-gesellschaft ist und bleibt das Lesen die Voraussetzung, sich selbstständig Wissen anzueignen und sich weiterzubilden. Madeleine Willing formuliert im Elternratgeber des Loewe Verlags hierzu ganz treffend: „Gute Leser sind bessere Lerner, haben einen größere Allgemeinbildung und dadurch größere Vorteile in der Schule!“[74]

 

Letztlich leistet das Lesen einen wichtigen Beitrag zur Meinungsbildung, schärft das eigene Urteilsvermögen und spornt zum „Selberdenken“ an.

 

Das Lesen vermittelt aber nicht nur neue Kenntnisse, sondern knüpft an die vorhandenen Wissensbestände an. Durch das alleinige Decodieren der Schrift wird sich noch kein Textverständnis ergeben. Erst in der aktiven Auseinandersetzung mit dem Inhalt und durch eine „Wechselwirkung zwischen Text(-Information) und Rezipienten/innen(-Wissen)“[75] kann der Sinn des Gelesenen erschlossen und letztlich gezielt Informationen entnommen werden. Lesen ist somit „eine unersetzbare, konzentrierte Übung des Denkens.“[76]

 

 Lesen fördert sprachliche und geistige Fähigkeiten.

 

Die Sprachentwicklung des Kindes ist eng mit dem Lesen verbunden. Die von der Sprachwissenschaft inspirierte amerikanische Emergent-Literacy-Forschung brachte wesentliche Erkenntnisse in diesem Bereich: Die Forschungsgruppe um Jerome Bruner (1978) kam zu dem Schluss, dass das Lesen und besonders das Vorlesen in den ersten Lebensjahren positiv auf den Spracherwerb des Kindes wirken. Kein anderes Medium kann diese Leistung erbringen. „Lesen ist somit vermutlich die ergiebigste Quelle des Begriffslernens und ein exklusives Übungsfeld für den Umgang mit elaborierter Sprache.“[77]

 

Neben der Erweiterung des Wortschatzes und der Eloquenz, werden die Konzentrations-fähigkeit und Ausdauer verbessert.

 

 Lesen fördert Phantasie und Kreativität.

 

Das Lesen, besonders von Prosa, vollzieht sich nicht ausschließlich auf der kognitiven Ebene. Ferner spielen emotionale Vorgänge eine Rolle. Die psychische Basis des Lesens beruht auf einer Unterbrechung der Handlungspraxis, das heißt aus den geschriebenen Worten müssen Bilder im Kopf entstehen, um sich das Beschriebene vorstellen zu können. Das Gelesene wird mit selbst Erlebtem in Beziehung gesetzt und rekonstruiert. Man tritt sozusagen aus der Realität heraus in „das Reich des bloß Möglichen“[78].

 

All diese Prozesse fördern im Endeffekt Phantasie, Kreativität, das abstrakte Denken und die Vorstellungskraft des Kindes.

 

 Lesen ist Ergebnis und Voraussetzung der Persönlichkeitsentwicklung.[79]

 

Zum einen erweitert sich mit der Lesefähigkeit erheblich die Bewegungsfreiheit des Kindes.[80] Es ist fähig, seine Umwelt eigenständig begreifen zu können, indem es Straßenschilder, Werbeplakate oder Gebrauchsanleitungen entschlüsseln und verstehen kann.

 

Zum anderen ist es in der Lage, die von der Erlebnisgesellschaft geforderte emotionale Kompetenz zu vermitteln. „Die durchgestaltete Schrift-Versprachlichung von Emotionalität, wie Bücher sie primär leisten, dürfte die kognitive Präzisierung von Seelenzuständen und damit auch die Demonstration von emotionaler Flexibilität und Differenziertheit erleichtern oder aber auch andersartige, spezifische Erlebnismöglichkeiten von Gefühlen zugänglich machen.“[81]

 

In den Lesephantasien kann das Kind ohne Gefahr seinen Wünschen und Bedürfnissen nachgehen, in fremde Welten eintauchen und neue soziale...

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