Sexualität wird als Teil der persönlichen Identität angesehen und durchläuft somit die Entwicklung und das Lernen einer Person mit. Dieser Prozess hat zu Folge, dass es zu einer unterschiedlichen Dynamik im Persönlichkeitsbereich kommen kann. Sexualität ist demnach stark individuell geprägt und kann als eine Lebensaufgabe betrachtet werden (vgl. Salomon 2015, S.37). Sexualität gehört zum Menschsein dazu. Sie ist ein natürlicher Bestandteil und sollte als solcher anerkannt werden. Sexualität entsteht nicht etwa erst im Erwachsenenalter. Die Grundfähigkeit zu sexuellem Erleben existiert bereits von Geburt an und bleibt bis ins hohe Alter bestehen. Obwohl Sexualität auch negative Ausprägungen wie sexualisierte Gewalt haben kann, sollte dennoch die Möglichkeit bestehen, sexuelle Erfahrungen sammeln zu können, um eine eigene sexuelle Identität entfalten und leben zu können (vgl. Winkler 2015, S.5).
Sexualität erstreckt sich über die gesamte Lebensdauer und wird durch das Umfeld und die gelebten Erfahrungen stark beeinflusst. Aus diesem Grund wird der Jugend oft angelastet, ein anderes Bild von Sexualität als das der Erwachsenen der Gesellschaft zu haben. Oftmals werden sie als „Generation Porno“ bezeichnet und mit sexueller Verwahrlosung in Verbindung gebracht. Man unterstellt jugendlichen Personen keine gesunde oder „normale“ Sexualität entwickeln zu können, wodurch der allgemeine Entwicklungsprozess gefährdet sein soll (vgl. Stecklina 2015, S.26). „Wichtig ist allerdings, im Hinterkopf zu behalten, dass jede Zeit ihren eigenen Wertekanon hat, was sexuell ungewöhnlich bzw. ausschweifend oder der Norm entsprechend ist“ (Wöhrle/Wöhrle 2014, S.95) Besonders auf dem Gebiet der Sexualität ist es demnach wichtig, Sex nicht ohne den vorherrschenden Zeitgeist in einer Gesellschaft zu betrachten. Zusätzlich zur zeitlichen Dimension kommen auch kulturelle Unterschiede hinzu, welche wiederum das Individuum und dessen Vorlieben prägen (vgl. ebd. 2014, S.95).
In den folgenden Kapiteln wird Sexualität speziell im Jugendalter beschrieben, näher auf die Entwicklungsschritte und Funktionen eingegangen, sowie über Jugendschutzbestimmungen informiert.
Das Thema Sexualität ist für Jugendliche in der Zeit ihrer Entwicklung von großem Interesse. Sie wollen ihren Körper kennenlernen, Informationen über Geschlechtsverkehr bzw. diverse sexuelle Praktiken einholen und sich somit für das „Erste Mal“ rüsten (vgl. Wöhrle/Wöhrle 2014, S.68). Auffallend ist, dass junge Menschen in der heutigen Zeit aufgeschlossener hinsichtlich ihres Körpers und dessen biologischen Funktionen sind als frühere Generationen. Obwohl sie Wissen über verschiedene Sexualpraktiken haben möchten, stellt sich wiederum eine enorme (Wissens-)Lücke in Bezug auf die Biologie des Körpers bei sexuellen Vorgängen heraus (vgl. Grimm/Rhein/Müller 2011, S.222f.).
Jugendliche sind nahezu allgegenwärtig mit Sexuellem konfrontiert und daher ist eine Auseinandersetzung mit dieser Thematik fast zwingend und stellt eine enorme Entwicklungsaufgabe dar. Jugendsexualität kann auf zwei unterschiedliche Arten betrachtet und gehandhabt werden. Auf der einen Seite kann Jugendlichen ihre Sexualität abgesprochen werden, indem man diese ignoriert. Auf der anderen Seite können junge Menschen als Sexualwesen angesehen werden, deren Sexualität anerkannt und akzeptiert wird. Bei dem zuletzt genannten Punkt ist es möglich, Jugendliche in ihrer sexuellen Entwicklung unterstützend zur Seite zu stehen und sie auf diesem Weg zu begleiten (vgl. Starke 2010, S.80).
Jugendsexualität hängt des Weiteren stark von den Umwelteinflüssen und der umgebenden Gesellschaft ab. Die Veränderungen stehen immer im Kontext der verschiedenen Einflüsse junger Menschen (vgl. Gernert 2010, S.71). Jugendliche haben mehrere Lebenswelten die nebeneinander existieren, welche sich zwar nicht immer vollständig voneinander abgrenzen lassen, doch durch die jeweiligen Regeln klar strukturiert sind. Es gibt vier zentrale Lebenswelten, die für Jugendliche in ihrer Entwicklung ausschlaggebend sind. Als erste Lebenswelt ist die Herkunftsfamilie zu nennen, welche besonders prägend für Strukturen und Regeln ist und als Vorbereitung für das spätere Leben angesehen werden kann. Die zweite Lebenswelt ist die Peergroup, die für die Ablöse aus der Herkunftsfamilie, zum Erforschen der Umwelt und knüpfen neuer Kontakte dient (vgl. Czok et.al 2014, S.90ff.). Als dritte Lebenswelt definiert man die Schule beziehungsweise die Arbeitsstelle. Hier sollen die Jugendlichen lernen, eine eigene Perspektive zu entwickeln und sich somit in die Gesellschaft zu integrieren.
Zu diesen drei genannten Lebenswelten gesellt sich noch eine vierte hinzu, welche vor allem in den letzten Jahren an Bedeutung zugenommen hat: das Internet. Das Internet ist ein modernes Phänomen. Durch seine Interaktivität und räumliche Ungebundenheit ist es für Jugendliche über das Smartphone, den Laptop oder auch über ein Tablet jederzeit zugänglich (vgl. ebd. 2014, S.94ff.).
Ein weiteres erwähnenswertes Thema in Bezug auf Jugend und ihre Sexualität ist der Vorwurf, sie seien sexuell sehr freizügig und gar verwahrlost im Vergleich zu vorherigen Generationen. Die Anschuldigung, dass Jugendliche immer früher sexuelle Erfahrungen sammeln, ist allerdings haltlos, denn es gab schon in früherer Zeit einen nahezu konstanten Teil unter der Jugend, welcher früher als der Rest sexuell aktiv war (vgl. Starke 2010, S.86). Das Alter für das „Erste Mal“ liegt zwischen 16 und 19 Jahren, wobei Mädchen oftmals früher sexuell agieren als gleichaltrige Burschen (vgl. Grimm/Rhein/Müller 2011, S.92). Demnach hat sich das Alter für den ersten Geschlechtsverkehr über die Jahre lediglich minimal nach unten verschoben, was keine große Veränderung in der Jugend zur Folge hat (vgl. ebd. 2011, S.222). Konfrontiert man Jugendliche mit dem Begriff „Sexualität“, werden prompt einige Assoziationen dazu genannt. Auffällig ist es, dass besonders Gefühle und Emotionen damit in Verbindung gebracht werden. Obwohl Sexualität recht weit gefasst wird, verknüpfen Jugendliche den Begriff am häufigsten mit Liebe, Partnerschaft, Vertrauen, Nähe und Kommunikation. (vgl. Raithel/ Dollinger / Hörmann 2009, S.281) Wie sich daraus ableiten lässt, ist Sexualität besonders mit Beziehungen und Zärtlichkeiten verbunden und dient nicht nur der reinen Lust und Spaßfunktion. Die Vielzahl der ersten sexuellen Erfahrungen im Burschen Alter haben mit der sozialen Situation zu Hause und im Umfeld der Jugendlichen zu tun, sowie mit der jeweiligen Persönlichkeitsentwicklung. Grundsätzlich finden sexuelle Kontakte von Jugendlichen aus Liebe und in festen Beziehungen statt. Von sexueller Verwahrlosung auf Grund der Generation kann demnach nicht gesprochen werden (vgl. Starke 2010, S.86). Das macht deutlich, dass der Beziehungsaspekt für Jugendliche bedeutsam ist. Umgekehrt lässt sich auch sagen, dass für junge Menschen zu einer erfolgreichen Beziehung eine gemeinsame Sexualität mit seinem Partner oder Partnerin dazugehört. Sie sehen den Geschlechtsverkehr als etwas Natürliches und Notwendiges an, was wiederum die Nähe und das Vertrauen in der Paarbeziehung stärkt. Bezogen auf Mädchen könnte man bei Sexualität von einem affektiv-emotionalen Aspekt, gekennzeichnet von Liebe und Vertrauen sprechen und weniger von einem Trieb oder körperlichen Bedürfnis (vgl. Grimm/Rhein/Müller 2011, S.176). Bezüglich Geschlechtsverkehrs wird vor allem an heterosexuelle Handlungen gedacht. Unterscheidet man die Assoziationen nach dem Geschlecht so fällt auf, dass Mädchen Glück mit Sexualität verknüpfen und doppelt so oft (30%) „Zärtlichkeit“ nennen als Burschen. Geschlechtskrankheiten wie Aids werden gehäuft von Burschen genannt, wohingegen „ficken“ und „Pornografie“ ausschließlich bei männlichen Befragten mit Sexualität assoziiert werden. Küssen, Vertrauen, Leidenschaft und Spaß, sowie Wohlfühlen und Verhüttungsmittel werden in diesem Kontext auch als wichtig erachtet (vgl. Starke 2010, S.167). Entgegengesetzt dazu nahm in letzter Zeit der Pornokonsum von Mädchen zu. Anders als bei Burschen spielen Pornos zur Selbstbefriedigung und in der Zeit einer Beziehung allerdings keine Rolle (vgl. Grimm/Rhein/Müller 2011, S.179ff.). Jugendsexualität wird oftmals als pornobestimmt angesehen, denn viele Jugendliche nutzen diese Bilder und Videos neben der Selbstbefriedigung auch zum Kompetenzerwerb und wollen sich damit informieren. Durch dieses Material ist es ihnen möglich, sich Sex und Sexualpraktiken bildlich vorzustellen, um zu wissen, was sie erwartet. Demnach spielt Pornografie eine große Rolle im Jugendalter (vgl. Starke 2010, S.81). Aus diesem Grund besitzen Jugendliche theoretisches Wissen über Sexualität, doch haben sie zu diesem Zeitpunkt noch keine echten Erfahrungen gesammelt.
Oftmals haben junge Menschen bereits fixe Vorstellungen von dem Geschlechtsakt im Kopf, bevor sie überhaupt ihr „Erstes Mal“ hatten. Dadurch kann es vorkommen, dass die Jugendlichen unter Druck geraten. Burschen haben Angst, nicht die gewünschte Leistung erbringen zu können, wohingegen Mädchen vor allem durch die körperliche Perfektion der Frauenkörper und diverse gesehene Sexualpraktiken eingeschüchtert werden. Im Bereich der sexuellen Handlungen kommt es häufig zu Nachahmungsverssuchen, was unter anderem Analsex oder Gruppensex einschließt. Diese Imitationen stoßen in der Realität meistens...