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E-Book

Lieber nackt als gar keine Masche

AutorMicaela Schäfer
VerlagHeyne
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl208 Seiten
ISBN9783641139230
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
»Nacktmodel, Reality-Star, Berufsnudistin« - für Micaela Schäfer gibt es viele Berufsbezeichnungen. In ihrem Buch lässt die Deutsch-Brasilianerin nun alle Hüllen fallen und erzählt zum ersten Mal die ganze Geschichte: von ihrer Kindheit über die Teilnahme bei Germany's Next Topmodel, ihren Auftritten im Dschungelcamp bis zu ihrem Durchbruch als prominenter Nacktstar. Sie offenbart uns ihre aufregendsten Sexerlebnisse, heimliche Affären und erotische Fantasien und verrät, was hinter den Kulissen der TV-Shows tatsächlich passiert. Direkt, offen, emotional - Micaela provoziert und polarisiert, das ist ihr größtes Erfolgsrezept. Micaela Schäfer live - und zum Anfassen nah!

Micaela Schäfer, geboren 1983 in Leipzig, ist Erotik-Model und DJane. Bekannt wurde sie v.a. durch ihre Auftritte in den Sendungen Germany's Next Topmodel und Ich bin ein Star - Holt mich hier raus! Parallel startete sie erfolgreich ihre Modelkarriere und überzeugte mit Fotoserien in Playboy, Penthouse und Men's Health. Sie ist das Werbegesicht der Erotikmesse Venus und füllt als DJane LaMica die großen Clubs in Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie die Megaarena auf Mallorca. Micaela Schäfer wohnt in Berlin.

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Leseprobe

Wollte man sich den Stadtteil schöntrinken, in dem ich aufgewachsen bin, würde man wohl zwangsläufig schnell zum Stammgast bei den Anonymen Alkoholikern werden: Hellersdorf im Osten Berlins ist grau, Beton-bepflastert und vielerorts ähnlich kuschelig wie ein Kaffeekränzchen in der nordkoreanischen Sonderwirtschaftszone. Ich erinnere mich noch an die vielen Jugendlichen, die auf den Straßen herumlungerten, frustriert und chancenlos; an die Geschäfte, die nach und nach schließen mussten; an ein paar Hirnentkernte in Springerstiefeln, die ihre Amöben-dummen Parolen brüllten. Zusammen mit meiner Mutter Martina wohnte ich in einer Wohnung, die dem Klischee des trüben Ostens voll entsprach: Plattenbau, sechster Stock, kein Lift. Ein klitzekleines Wohnzimmer und ein ebenso kleines Schlafzimmer, das ich mir mit Mama teilen musste – fertig, mehr Platz gab es nicht in unserer Hobbithöhle. Linoleum auf dem Boden, ein alter Teppich darüber, dazu Möbel, die vielleicht einmal schick und schön gewesen waren, als die Menschen noch über die Mondlandung jubilierten. Nein, man kann wirklich nicht behaupten, dass ich in eine rosarote Welt hineingeboren wurde. Meine Welt bestand aus dem Nötigsten, und sie roch nach Bratkartoffeln mit Speck aus unserer Küche.

Mama studierte Bühnentanz an der Staatlichen Ballettschule Berlin, hatte ihre Ausbildung jedoch unterbrochen, als sie mit mir schwanger war. Als ich knapp drei Jahre alt war, verließ uns mein Vater. Er ist Brasilianer und hatte meiner Mama während des Studiums den Kopf verdreht. Drei Jahre waren meine Eltern zusammen, dann verschwand er plötzlich über Nacht – und mit ihm alle Erinnerung: Ich weiß nicht, wer er ist und wie er aussieht; ich kenne seinen Namen nicht. Meine Mama spricht so gut wie nie über ihn, und die wenigen Fotos, die von ihm existieren, hütet sie in einer stets verschlossenen Box aus dunkelgrünem Samt. Ich bin sicher, es gibt einen Grund, warum sie ihre Vergangenheit so sorgsam versteckt, obwohl sie behauptet, mein Vater sei ein fröhlicher, ausgelassener und abenteuerlustiger Mann gewesen. Eigentlich sollte ich wohl neugieriger sein, was ihn betrifft, doch da ist etwas in mir, das keine alten Wunden aufreißen will; das nichts ans Licht zerren möchte, was besser im Dunklen bleiben sollte. Vielleicht hat mein Vater Mama verletzt, vielleicht hat er ihr schlimme Dinge angetan … Ich weiß es nicht – und will es auch nicht wissen. Zumindest heute nicht mehr. Mama meint, früher hätte ich schon manchmal sehnsüchtig geguckt, wenn ich bei meinen Freundinnen das klassische Familienleben mitbekommen habe. Vater, Mutter, Kind – das gab’s ja bei uns nicht. Wir hatten nur dieses Zweierteam: Mama und ich. Mein Vater hat keinen Platz in meinem Herzen, er hatte ihn nie. Da ist kein Gefühl in mir, weder Liebe noch Hass. Er ist damals gegangen, vermutlich zurück in seine Heimat Brasilien, und hat alles zurückgelassen – es war ein Abschied für immer. Für Mama war die Trennung unendlich schwer, sie war ja erst 23 Jahre alt und musste nun alleine für mich sorgen. Mit gebrochenem Herzen. Und dem begrabenen Traum von Spitzentanz und Schwanensee und einer Karriere auf den großen Bühnen. Stattdessen studierte Mama Wirtschaftsökonomie und verdiente unseren Lebensunterhalt als Halbtagskraft in einer Bibliothek; heute ist sie 51 und geht noch immer sechs Stunden täglich zum Arbeiten in eine Berliner Bibliothek. Ich glaube, tief in ihrem Herzen hatte sie gehofft, dass ich in ihre Fußstapfen treten und Tänzerin werden würde. Nun, ich bin einen anderen Weg gegangen, und dies war sicher nicht ihre einzige unerfüllte Hoffnung in Bezug auf mich …

Ich weiß nicht, ob es daran lag, dass mir eine Vaterfigur fehlte, oder daran, dass meine Mutter ein eher stiller und vorsichtiger Mensch ist: Jedenfalls war ich ein Schneckenhaus-Mädchen, das nie viel gesprochen und sich oft unter dem Tisch versteckt hat, wenn Besuch kam. Da saß ich dann, in meinem rosa Rüschenröckchen und Mickey-Mouse-Shirt, und bin erst wieder herausgekrabbelt, wenn Tante Irene oder »die liebe Hanni« wieder gegangen waren. Auch fotografiert werden mochte ich nicht. Heute erscheint mir das kaum mehr vorstellbar, doch auf Bildern aus dieser Zeit stehe ich immer am Rand, irgendwie gerade noch sichtbar, eine Mütze oder ein Basecap tief in die Stirn gezogen. In die Ecke gesetzt und versehentlich vergessen – ein Schicksal, das mir glatt hätte widerfahren können. Am zufriedensten war ich eigentlich immer, wenn ich alleine war. Ich habe mich in meiner Ecke im Wohnzimmer eingeigelt, mit Comic-Heften, Sammelbildchen und Tierbüchern, die ich ganz besonders geliebt habe. Hunde, Katzen, Pferde – am liebsten waren mir allerdings Meerschweinchen. Seit ich sechs Jahre alt war, habe ich mich mit diesen kleinen Fellnasen beschäftigt. Insgesamt hatte ich 15 Stück, einmal waren es sogar sechs gleichzeitig. Ich habe sie gehegt und gepflegt und ihnen einen Bauklötzchen-Parcours quer durch die Wohnung gebaut. Wenn ich heute bei Mama zu Besuch bin, erinnere ich mich manchmal noch an das Geräusch vom feinen Trippeln der Pfötchen auf dem Linoleumboden im Flur. Vergangenheit, lange her.

Als 12- oder 13-Jährige habe ich dann eine neue zusätzliche Leidenschaft entwickelt: die Bildbände berühmter Modefotografen. Mario Testino, zum Beispiel. Oder Peter Lindbergh, seine Bücher habe ich wirklich verschlungen, Seite für Seite. Und mit jedem Umblättern erwachte eine neue Welt mehr und mehr zum Leben, wurde bunter, vielversprechender, aufregender; eine Welt voller schöner Menschen, voller scheinbar unbegrenzter Möglichkeiten – voller Glück. Claudia Schiffer, Naomi Campbell, Tatjana Patitz – so wie diese Supermodels wollte ich auch sein. Ich habe dann angefangen, mich zu Hause zu schminken und zu stylen – natürlich nicht ohne Mamas Kleiderschrank zu plündern –, dann bin ich stolz den Flur entlanggestöckelt. Meine Mutter war Fotografin und Publikum zugleich; sie hat geklatscht und gelacht und damals noch nicht geahnt, was da eines Tages auf sie zukommen würde. Irgendwann fing ich an, Fotos und Berichte von all diesen Models zu sammeln. Ich habe Hochglanzmagazine durchforstet, habe ausgeschnitten, in Alben geklebt, beschriftet und alles in meinem Zimmer gestapelt. Mama und ich sind hin und wieder auch zu Wohnungsauflösungen gegangen, haben in Kisten in den Kellern nach alten Zeitschriften gesucht, um irgendwelche Schnipsel für meine Modelalben aufzustöbern. Eines Tages bin ich sogar kriminell geworden, nur um meiner Beauty-Clique ein weiteres Mitglied zuzuführen: Mit einem Stein habe ich den Leuchtkasten an einer Bushaltestelle in Berlin eingeschlagen, um an ein H&M-Werbeplakat mit Tyra Banks zu kommen. Mica Langfinger und ihr bis dahin berüchtigtster Beutezug – ein bisschen schäme mich dafür noch heute …

Wenn ich abends in mein Bett geschlüpft bin, umgeben von Model-Postern an der Wand und einem lebensgroßen Pappaufsteller von Naomi Campbell am Kopfende, wenn mich die gedämpften Geräusche des Fernsehers im Wohnzimmer langsam in den Schlaf hinübertrugen, dann habe ich davon geträumt, nur einmal im Leben so auszusehen wie eines dieser Mädchen. Fast jeden Abend lief der gleiche Film in meinem Kopfkino: Ich auf dem Catwalk, Blitzlichtgewitter, tosender Beifall. Eine perfekte Glückswelle reißt alles mit, die Zweifel, die Ängste, die Scham Doch wenn ich meine Augen dann öffnete, war ich wieder Mini-Mica mit dem Mikro-Ego, die sich seufzend die Frottee-Bettdecke über die Nasenspitze zog. Wie stolz mussten diese Models auf sich sein. Wer so aussieht, den trägt das Leben auf goldenen Schwingen, dachte ich. Frei und unbeschwert, weit, weit nach oben. Doch wer so aussah wie ich, dem wuchsen keine Flügel. Ich hatte Pickel und eine Höckernase, ein fliehendes Kinn und eine Zahnspange – ich war so weit von Claudia-Naomi-Tatjana entfernt wie unsere Wohnung von Cinderellas Märchenschloss. Wie konnte das bloß sein: Bei anderen Mädchen brachte die Metamorphose der Pubertät die schönsten Schmetterlinge hervor. Oder wenigstens die süßesten Entlein im Teich, die stolz schnäbelnd ihr Gefieder zurechtzupfen. Doch was geschah mit mir? Gar nichts. Ich blieb Mica, die Graue. Jeder Kokon, den ich abstreifte, legte nur eine weitere Schicht Durchschnittlichkeit frei. Ich blieb, was ich bis dahin immer gewesen war: eine farblose Sozialphobikerin, optisch so aufregend wie eine Kleidermotte inmitten eines Schwarms von Pfauenaugen.

Mehr denn je galt mein Motto: wegducken und, wo immer es geht, unsichtbar machen! Auch in der Schule war das so. Ich ging mittlerweile in die 8. Klasse auf dem Jean-Paul-Sartre-Gymnasium und gehörte – was für eine Überraschung! – wieder zur Gruppe der absoluten Langweiler. Da gab es die coolen Bling-Bling-Tussis in Klamotten Marke mega-stylish, die auch schon mal geraucht und bei den Lehrern eine dicke Lippe riskiert haben. Und dann gab es uns, die jungfräulichen, krampfhaft-unauffälligen Klemmi-Mädchen. Wir trugen Schlabberpullis und kauten in der Pause Scheiblettenkäsestullen – während die Schmetterlinge an Energydrinks nippten und Croissants knabberten, die ganze Zeit scheinbar grundlos vor sich hin kicherten und die frech frisierten Köpfchen zusammensteckten. Mit uns haben sie sich nicht abgegeben. Da gab es kein Hallo, keine Gespräche, keine Einladung zu irgendeiner Party. Es gab überhaupt keinen Kontakt – weil uns schlicht und ergreifend niemand wahrgenommen hat. Für all die bunten Schmetterlinge waren wir einfach Luft – und für die Jungs sowieso. Einmal, es war kurz nach den Sommerferien, habe ich all meinen Mut zusammengerafft und bin zu einem Grüppchen Schmetterlinge rübergegangen. Sie sprachen gerade über irgendeinen Film, eine...

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