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E-Book

'Liebling, ich bin im Kino'

Texte über Filme, Schauspieler und Schauspielerinnen. Herausgegeben von Claudius Seidl

AutorMichael Althen
VerlagBlessing
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl352 Seiten
ISBN9783641140755
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis15,99 EUR
Die besten Texte des begnadeten Kritikers
Einen solchen Film- und Kunstkritiker gab es in Deutschland sonst kaum: einen, der nicht seine Brillanz und Pointensicherheit zur Schau stellte oder uns belehrte, sondern der uns ebenso passioniert wie charmant auf die kleinen Gesten aufmerksam machte, die uns bei großen Filmen bis ins Herz treffen können: Michael Althen, Filmredakteur erst der Süddeutschen Zeitung, dann der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Dieses Buch sammelt Texte, die über ihren unmittelbaren Anlass hinaus Bestand haben.

'Mittlerweile sind wir wahrscheinlich vollständig verdorben, aber das macht nichts, weil wir im Kino ein zweites Leben gefunden haben, das viel besser ist als das unsere und ihm doch aufs Haar gleicht. Darin liegt die doppelte Natur des Kinos: dass es stets Auskunft gibt über das, was ist, und das, was möglich wäre, darüber, wer wir sind und wer wir gerne wären.' MICHAEL ALTHEN

Michael Althen, 1962 in München geboren, lange Jahre Filmkritiker der Süddeutschen Zeitung, dann Redakteur bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. 2002 erschien bei Blessing Warte, bis es dunkel wird - Eine Liebeserklärung ans Kino. Michael Althen starb am 12. Mai 2011 in Berlin. Auf Grundlage seiner Kolumnen Heute morgen in der FAZ veröffentlichte der Blessing Verlag 2012 Mein Frau sagt... Geschichten aus dem wahren Leben. Zur Erinnerung an diesen Autor hat die FAZ den Michael-Althen-Preis für Kritik ausgeschrieben, der alljährlich vergeben wird.

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Leseprobe

Vorwort

Der Mann, der das Kino liebte

Das schönste Vorwort zu einem Buch von Michael Althen wäre selbstverständlich jenes, welches er selber geschrieben hätte.

Kaum einer verstand sich besser darauf, seine Leser in wenigen eleganten Sätzen zu verstricken und gleichsam übergangslos ihre ungeteilte Aufmerksamkeit zu erringen. So zum Beispiel: »Das Schöne am Kino ist, dass manchmal schon die Art, wie jemand an seiner Zigarette zieht, genügt, um sich in einen Film zu verlieben.«

Schon im Anklang der ersten Zeilen: eine lakonische Verführung, ein verspieltes Versprechen, eine ungewöhnliche Behauptung – Spieleröffnungen, die uns schnell bereit machten, ihm neugierig in jenen dunklen Saal zu folgen, in welchem sich dann ein Vorhang öffnete, hinter dem eine weiße Wand zum Vorschein kam, auf die ein Projektor in jeder folgenden Sekunde 24 Lichtbilder warf … und aus denen, immer wieder einem kleinen Wunder gleich, eine synthetische Welt hervortrat, verlebendigt im Narrativ.

So technisch die Darstellung des oben beschriebenen Vorgangs anmutet, so un- oder fast antitechnisch ist Althens Zugang zu dieser Apparatur und ihren Hervorbringungen gewesen. Jenes Medium, das es in den gut 120 Jahren seiner Existenz zur populärsten und einflussreichsten Kunstform gebracht hat, es ist die große ästhetische Liebe des Autors Michael Althen gewesen. Und dieses Buch will davon Zeugnis sein.

Michael Althen war Filmkritiker. Es ist anzunehmen, dass er sich gegen einen weiter gefassten Berufsbegriff gewehrt hätte, auch wenn seine schreibende Arbeit den Raum des Filmischen nicht selten verließ. Neben seinen vielen Texten zum Kino schrieb er Kulturessays und Alltagskolumnen, er rezensierte Bücher, Musik, Malerei, er schrieb über Mode und Stil, über seine Frau und seine Freunde, er interviewte Superstars und seine eigenen Kinder, er verfasste Reiseberichte, Festivaltagebücher, er kommentierte Sportereignisse und politische Wendepunkte. Spät entdeckte er als Autor auch das Gegenwartstheater für sich. Althen war ein Mensch, der einen Gutteil seiner Erfahrungen durch den kulturproduzierenden Filter schleuste, und für den die Aufgabe, künstlerische Kraftfelder zu erforschen und in eine sinnstiftende Perspektive zum Leben hin zu rücken, maßgeschneidert war.

Und doch war Althen vor allem Filmkritiker, und zwar einer, der das Leben und das Kino in Komplizenschaft verbunden las. Und der die Durchdringung unserer Gegenwartserfahrung von fiktionalen Abbildern eines Gestern, Heute und Morgen als konstitutiv für unser Selbst- und Weltverständnis anerkannte. Die fabrizierten und die realen Bilder, sie überlagern einander zunehmend, und Althen ist im Lauf seiner Zeit zum schreibenden Zeitzeugen der Explosion dieser Entwicklung geworden. Was wir über uns und das Leben da draußen denken, setzt sich aus vielen Puzzlestücken zusammen, von denen nicht wenige dem Kino und seinen unzähligen Ablegern und Abspielstätten gehören – allen voran natürlich das dritte Auge unserer Zeit, der Computer. Althens Interesse galt sämtlichen Spielarten, in denen das Filmische seine Spuren hinterließ. Und den alten Fragen, die sich dort immer wieder neu stellten.

»Was ist schön?« zum Beispiel ist eine Frage gewesen, die ihn (im Nachdenken über Catherine Deneuve) ebenso interessierte wie »Was ist cool?« (unbedingt Robert Mitchum) oder »Was ist komisch?« (bei Blake Edwards etwa) oder »Was ist böse?« (Bad Lieutenant natürlich). Und so weiter. Im Kino fand Althen die erstaunlichsten Antworten auf beinahe alle Fragen unserer Existenz.

Und so versucht dieses Buch gar nicht erst, das gesamte Spektrum des Althenschen Schaffens zu umreißen, sondern konzentriert sich in seiner Auswahl ganz bewusst auf Michael Althen, den Cinephilen: den Mann, der das Kino liebte.

In den knapp dreißig Jahren seiner aktiven Zeit als Journalist hat Althen in vielen hundert Texten die spezifische Faszination untersucht, welche sich im Erlebnis einer kinematographischen Erzählung entfaltet.

Er hat dabei mit niemals nachlassender Inbrunst und Sorgfalt dem nachgespürt, was dem Kino spezifisch zu eigen ist, was es also kennzeichnet, er hat versucht auszuloten, woher die Wucht stammt, mit der es uns als Resonanzkörper treffen und unsere Empfindungen durcheinanderwirbeln kann. Und er hat dies mit der paradoxen Methodik eines emphatischen Forschers getan, in einem ununterbrochenen Wechselspiel von Immersion und Abstand. Althen war so etwas wie ein analytischer Träumer, der ohne Scheu in Werke eintauchen und dann, quasi von innen, wieder auf Abstand zu ihnen gehen konnte. Und der dabei dezent, aber spürbar seine Subjektivität ins Spiel brachte, deren Anteil am kritischen Schreiben zu leugnen ihm unlauter erschien, der sie aber zugleich entschlossen zurückstellte, wo ihm Abstand geboten schien.

Ein paradoxes Modell der Annäherung, gewissermaßen eine Fusion von Closeup und Totale, aber eben auch die Beschreibung einer konstruktiven, weil zugewandt kritischen Beziehung zwischen dem Mann und seinem Medium.

Einen frischen Althen-Text in der Süddeutschen, der Frankfurter Allgemeinen, in Tempo oder Steadicam (um nur einige seiner journalistischen Stationen zu nennen) aufzuschlagen, das war eine ebenso jähe wie bezaubernde Transformation des Leseraums. Urplötzlich fühlte man sich nämlich, als würde man mit einem freundlichen, aber auch geheimnisvollen Bekannten in einem Café in der Abendsonne sitzen, ein gutes Getränk in der Hand, und ihm dabei zuschauen, wie er auf seinem Stuhl die Beine ausstreckt, eine Zigarette anzündet und beginnt, einen interessanten Gedanken zu spinnen.

In anmutigen, manchmal geradezu tänzerischen Sätzen bugsierte er sich dann behende an den Kern manch unerklärlich scheinenden Dings heran und achtete dabei behutsam darauf, dass jener Kern niemals ganz enthüllt wurde: wie eine aus der Tiefe des Ozeans gehobene Schatzkiste, die ungeöffnet bleibt. Denn knacken mussten wir die Truhe schon stets noch selbst.

Es waren zahllose Inseln aus Zelluloid, die er für uns betrat, auskundschaftete und uns Pfade durch ihr unwegsames Gebiet freilegte – bis die gemeinsame Entdeckungsreise im Mai 2011 so jäh endete, wie es sich nicht mal die abgefeimtesten Drehbuchautoren hätten ausdenken können.

Michael Althen starb, 48-jährig. Mittendrin, gefühlt auf halber Strecke.

»Das Glück ist ein Ding mit Flügeln«, schrieb er 1990, »es kommt und geht, wie es ihm passt. Man kann es zum Bleiben nicht zwingen. Schon gar nicht im Kino.«

Es war, als hätte ein Cutter einen falschen, verheerenden Schnitt gemacht oder ein Projektionist zwei Akte übersehen und von der Mitte eines Films gleich auf seinen Abspann überblendet.

Ein Verlust, der – wenn überhaupt an irgendwen – in seiner Tragweite an André Bazin erinnert, den Vordenker der Nouvelle Vague, der 1959 ähnlich abrupt aus dem Leben gerissen wurde – und an all die Inseln, deren geheime Pfade uns fortan verborgen bleiben werden.

Was bleibt, natürlich, ist ein Archipel, ein umfangreicher zum Glück.

Wir sind bereit, dankbar zu sein für die Hinterlassenschaft. Vollendet ist das Werk eines Schreibenden ohnehin niemals. Und doch vergeht kein Tag, an dem nicht der Wunsch in mir wach wird, von ihm an die Hand genommen und auf einen stets so naheliegenden wie unerwarteten Weg in ein Kunstwerk hinein geleitet zu werden.

»Alles verschwindet: Warum also nutzen wir nicht die Chance, das, was die Künstler sichtbar machen, in uns aufzunehmen, um dereinst Zeugnis ablegen zu können?« Diese Frage stellte er 1998 im Andenken an seinen Mentor und Freund, den Kritiker Peter Buchka, und es liest sich wie ein erneut und mit Nachdruck verinnerlichter Auftrag an sich selbst.

Jeder kennt jene eigentümliche Melange aus Beglückung und Verwirrung, die ästhetische Produktion auslösen kann, wenn sie uns mit genuin neuartigen Assoziationen beschenkt, uns wie verzaubert, irgendwie auch überrumpelt zurück lässt. Insbesondere das Kino kann uns dabei zuweilen der Worte berauben, weil es uns etwa mit der Macht seiner physischen Repräsentationen die Besinnung raubt.

Nach einer solchen Erfahrung einen Text von Michael Althen zu erwischen, der dieses Erlebnis zunächst mal in adäquate Worte kleidet, der es fassbar macht und mitteilbar, und der dann eine Lesart anbot, die den Geist sozusagen wieder wachküsste, das gehörte zu den glücksbringenden Eigenschaften, mit denen dieser Autor gesegnet war.

Sicher, Übersetzung liegt im Wesen von Kritik. Aber wie kompliziert das manchmal ist, lernt man von Althen im Erlebnisvergleich.

Nehmen wir, zum Beispiel, Irreversible, absichtlich einen besonders widerspenstigen Bock von einem Film, eine Arbeit, die durch ihre Drastik geradezu fordert, dass man zu ihr auf Distanz geht; ein Film, der durch die Unzumutbarkeit des Gezeigten zwangsläufig widerwillige und ablehnende Reflexe auslöst. So sehr man ahnen, ja wissen mag, dass es hier um mehr geht als das allzu deutlich Sichtbare – dies Wissen...

Blick ins Buch

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