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E-Book

Lockruf Feuerland

Mit dem Fahrrad ans Ende der Welt

AutorReinhard Rosenke
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl164 Seiten
ISBN9783741203022
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
Reinhard Rosenke (geb. 1940) reist Anfang Februar 2015 mit einem Containerschiff von Hamburg nach Buenos Aires, besteigt dort sein Fahrrad und kämpft sich bis zur Südspitze des amerikanischen Kontinents durch. Dort verkauft er das Rad, besucht per Bus und Flug einige eindrucksvolle Landschaften und zum Schluss Buenos Aires. Das Buch hat 164 Seiten, davon 60 Farbseiten, und zusätzlich zahlreiche Schwarzweiß-Bilder.

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Leseprobe

Überfahrt


Die „Cap San Nicola“


Wie es der Zufall will, beginnt meine Reise schon im Hamburger Hafen mit einem „Kap“. Denn die Reederei Hamburg Süd hat mir auf ihrem Containerfrachter Cap San Nicola, der im Jahre 2013 in Südkorea vom Stapel lief, einen Platz reserviert. Der Schiffsname bezeichnet ein Kap an der südamerikanischen Ostküste, und das 300 Meter lange Schiffchen wird mich nach Buenos Aires bringen, der Hauptstadt Argentiniens.

Jetzt stehe ich mit Fahrrad und Gepäck am Burchard Kai vor einer unendlich langen und stockwerkhohen, roten Wand, der Bordwand meines Schiffes. So reicht auch die Gangway in für mich schwindelnde Höhe. Dort hinauf mit Rad und Gepäck?? Das wird 'ne Schufterei! Plötzlich zeigt sich ein roter Overall mit blauem Helm. Ein asiatisches Gesicht grinst mich an. Wie bei einem indischen Seilkunststück senkt sich aus dem grauen Himmel vor meiner Nase ein dünnes Drahtseil herab. Schon liegt eine Plane bereit, nimmt die fünf Gepäckstücke - 25 Kilo - auf, wird mit dem Seil und dem Fahrrad umschlungen, und meine ganze Habe entfernt sich auf ein Zeichen des Overalls hin nach oben. Für mich habe ich selber zu sorgen, klimme voller Erwartung die Gangway hoch.

Dresdener Sächsisch empfängt mich freundlich in Gestalt eines hageren, jungen Mannes, er ist hier der Erste Offizier. Mit dem Lift fahren wir in die 7. Etage (G) des 40 Meter hohen Wohnturmes, wo mir der „Erste“ die Owners Cabine zuweist. Das klingt nach Luxus und ist es auch. Es ist die Suite des Schiffseigners. Ja, hier hat schon Dr. Oettger genächtigt, einer der Anteilseigner der Hamburg Süd. Mit einem Aufpreis von 400 Euro konnte ich diesen Platz ergattern, denn zur Zeit meiner Anmeldung waren die beiden Passagierkabinen schon vergeben.

Die Etage über mir ist dem Sport vorbehalten, wo die Besatzungsmitglieder an Geräten trainieren und Tischtennis spielen können. Darüber befindet sich „die Brücke“, die Befehlszentrale des Schiffes.

Meine Kabinenfenster eröffnen mir eine tolle Aussicht auf das Schiff und das Ladegeschehen. Der Kühlschrank ist mit Bier- und Wasserflaschen gefüllt. Kaffee, Tee und der zugehörige Wasserkocher stehen zum Gebrauch bereit. Nach Backbord und Steuerbord sind es vor der Tür nur wenige Schritte auf eine Plattform. Alle Plattformen sind durch Außentreppen miteinander verbunden. Natürlich kann man im Turm-Innern eine Treppe oder den Lift benutzen.

Meine Habe schwebt gen Himmel

Der Weg an Bord

Liegt ein Frachter im Hafen, dann ist das Leben an Bord dem schnellen Be- und Entladen vorbehalten. Die ganze Besatzung und besonders die Schiffsführung sind gefordert. Als ich mich abends in der Offiziersmesse zu meinem ersten Dinner einfinde, hat links von mir an dem großen, runden Tisch Martin W., ein Passagier aus Hamburg, schon Platz genommen. Der Kapitän - „Master“ - taucht nur kurz auf. Er wird von mir nicht als solcher wahrgenommen, ihm geht es um Schiff und Mannschaft, nicht um eitle Selbstdarstellung. Der mir schon bekannte Dresdener „Erste“ schlingt schnell ein paar Happen hinunter, bevor er wieder verschwindet. Der „Erste Ingenieur“, ein sympathisches Kraftpaket aus Bulgarien, trinkt eilig ein Glas Milch.

Am Nachbartisch lässt sich der polnische „Zweite Offizier“ blicken, dessen junge Frau und das kleine Töchterchen die zweite Passagierkabine für die Hin- und Rückreise bewohnen. Am selben Tisch erscheint dann noch eine junge Frau, die als Azubi für eine Offizierslaufbahn das Schiffsleben von der Pike auf hier kennenlernen soll. Über das Reich der Küche herrscht der philippinische Koch - ein sehr fähiger Mann, wie ich rückblickend sagen muss. Einer seiner Landsmänner fungiert als Steward, wie überhaupt der Großteil der Besatzung sich aus den allseits bewährten und begehrten Männern von den Philippinen zusammensetzt.

Bordleben


Begleitet vom Glitzerschein der Stadt Hamburg segeln wir um 22 Uhr los, zuerst mit Schlepperhilfe, dann, inmitten des Elbstroms langsam aus eigener Kraft. Martin und ich stehen oben auf der Außenbrücke über die Reling gelehnt, warm eingepackt. Es herrschen Gefriergrade. Vor uns liegen drei Wochen auf See, ich bin voller Anspannung und Freude. Zuerst passieren wir die Lichter von Blankenese, von weitem sehen wir den erhellten Himmel über Brunsbüttel. Um Mitternacht gibt es nur noch dieses Schiff, das kaum hörbar das vom Silbermond beschienene Wasser zerteilt.

Noch nicht richtig wach, schon nicht mehr schlafend durchfließt mich Wohligkeit an diesem nachtdunklen Wintermorgen. Kein Laut dringt in mein Schlafgemach, durch das Kabinenfenster sehe ich die Positionslichter unseres Schiffes. Die Gedanken kreisen um die aufregenden Stunden gestern und enden mit einem Seufzer: Alles ist gut… Nichts stört mich, das Hier und Jetzt ist vergleichbar mit einem „Inselgefühl“, was besagt: Hier ist meine heile Welt.

Plötzlich nistet sich ein Gedanke in meinen Kopf, der mein Behagen verdrängt: „Reinhard, raus aus den Federn, unten wartet der Swimmingpool auf dich!“ - „Iiii, jetzt in die kalte Brühe steigen? Keene Lust!“ - „Du Flasche, mach schon, du hattest es dir vorgenommen.“ - „Ja, verdammt, wo ist meine Badehose?“ So laufe ich lustlos fünf Stockwerke hinunter. Keine Seele begegnet mir. In dem kleinen Stahlbecken von drei mal vier Metern schwappen die Wellen nach allen Seiten. Das Wasser ist kalt, da hilft nur Bewegung, kein richtiges Schwimmen. Die Zeit will nicht vergehen. Was muss ich nicht alles tun, bis meine mir auferlegte halbe Stunde vorüber ist! Herrlich, die heiße Dusche!

Im Glauben, jetzt frisch und dynamisch zu sein, geht’s nach oben. Es folgt Nummer zwei der täglichen Körperertüchtigung. Nennen wir es „Treppensteigen“, wie ich es schon auf einer Reise nach Neuseeland praktiziert hatte. Es beginnt auf der Brücke mit einem Verweilen, Schauen und Begrüßen der aufgehenden Morgensonne. Natürlich gilt auch dem Wachhabenden mein „Guten Morgen“. Es folgt Deck für Deck der Abstieg auf den Außentreppen: 40 Meter hinunter bis zum „Upperdeck“.

Vom Morgentau oder Regen sind Stufen und Treppengeländer nass und glitschig. Ich darf nicht träumen, genieße den weiten Blick aufs Meer. Wie sich die Morgenwolken mit roten Farbtönen aufblähen! Wie der Horizont an Schärfe zunimmt! Wie der Wind sein Wellenspiel betreibt! Beim Hochsteigen ist Armarbeit angesagt. So geht das hoch und runter, vor dem Frühstück und am Vormittag, bis ich 25 „Treppen“ absolviert habe. Das sind täglich 1000 Meter „Bergsteigen“, ein gutes Mittel gegen „Dickbauch“ und für die Kondition.

Nautische Arbeit des Ersten Offiziers

Martin, der ehemalige Esso-Ingenieur, der beruflich die ganze Welt kennengelernt hat und fließend Englisch spricht, zeigt sich als ein netter und humorvoller Schiffskamerad. Uns beide drängt es nach dem üppigen Frühstück oft zu einem Marsch hin zum „Forecastle“, dem Vorschiff. So steigen wir denn hinunter zum Upperdeck und beginnen unsere Wanderung entweder entlang der Backbord- oder Steuerbordreling. Die Umlaufbahn um das 300 Meter lange Schiff besteht aus einem schmalen Hohlweg. Neben und über uns stapeln sich die Container. Aber das Auge hat ja Raum genug, um weit zu schweifen. Im Rhythmus des Auf und Ab, das die Dünung dem Schiff aufzwingt, ächzt und quietscht die schwere Last. Wenn nicht gerade das Deck geschrubbt wird, schaffen wir es mit trockenen Füßen bis zum Vorschiff. Eine hohe, rote Stahlwand trennt diesen Teil vom Ladebereich. Er ist allein der gewaltigen Ankerkette und den Oberarm dicken Festmachertrossen vorbehalten. Was uns hier fasziniert, ist die absolute Abschirmung von den Maschinengeräuschen. Schließt man die Augen, so hört man nur den Wind in der Takelage und das Rauschen der Bugwellen. Ganz wie auf einem Segelklipper… Wir stellen uns auf den Tritt an der Bugspitze und beobachten den stromlinienförmigen, raketenartigen Unterwasserbug, wie er mit 20 Knoten durch's Wasser schießt. Hier rauchen wir auch mal eine Zigarette und sinnieren im Dialog über alles, was uns so in den Sinn kommt.

Heute, am neunten Tag, nähern wir uns mit Kurs SW der westafrikanischen Inselgruppe der Kapverden. Wir stehen am Bug und schauen aufs Spiel der Wellen, da ertönt aus der Meerestiefe ein langgezogener, tiefer Grunzlaut. Dann ein stöhnendes, röchelndes Ein- und Ausatmen. Ein Rülpsen, ein anhaltendes Wimmern.

„Reinhard, das kann nur Neptun sein. Er will uns etwas mitteilen.“

„Martin, ich dachte auch sofort an ihn, wollte es bloß nicht aussprechen.“

„Der will was von uns, er leidet.“

„Kann sein, aber was könnte der von uns kleinen Menschenwürmern wollen?“ - „Fragen wir ihn doch mal!“ - „Soll ich grunzen?“

„Neptun, ist dir nicht wohl? Können wir dir helfen?“

Wir lauschen, das Meer rauscht, und dann aus der Tiefe: „Duuuuurst!!!“

„Der hat doch sein Meer!“ - „Nein, eben klang es nach „Whiiiiiisky“!

„Ach, der arme Kerl! Haben wir bei...

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