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E-Book

Luise

Die Königin und ihre Geschwister

AutorCarolin Philipps
VerlagPiper Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl464 Seiten
ISBN9783492968423
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Jung, anmutig und strahlend schön, gilt Luise von Preußen bis heute als die beliebteste deutsche Königin aller Zeiten. Doch wenig ist bislang über Luises Geschwister bekannt: Dabei waren sie es, die Luise von Kindheit an prägten, denen sie zeitlebens eng verbunden blieb. Carolin Philipps erzählt die Biografien der vier Schwestern und ihrer beiden Brüder als eine große dramatische Familiengeschichte, einfühlsam und dabei historisch genau.

Carolin Philipps, geboren 1954, studierte Englisch und Geschichte in Hannover und Bonn. Heute lebt sie als freie Autorin in Hamburg und hat sich auf historische Biografien starker Frauen spezialisiert. Zuletzt erschienen von ihr die erfolgreichen Bücher »Friederike von Preußen. Die leidenschaftliche Schwester der Königin Luise«, »Luise. Die Königin und ihre Geschwister« sowie »Anna Amalia von Weimar. Regentin, Künstlerin und Freundin Goethes«.

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Leseprobe

Ein Vater und zwei Mütter

»Von ihrer bescheidenen Mutter hat sie die Grazie, die Augen voller Geheimnis …«

So beschreibt Karl Ludwig Friedrich von Mecklenburg-Strelitz, der Vater der sechs Geschwister, seine Frau Friederike von Hessen-Darmstadt in einem Gedicht, das er ihr zur Hochzeit schenkte.1 In französischen Versen beschwört er die Szene der ersten Begegnung herauf: wie sie errötete, wie er sich fragte, ob sie das Feuer der Leidenschaft in ihm bemerkte, und wie sich dann ihre Blicke fanden. Bereits drei Monate nach dem ersten Treffen wurde im Mai 1768 die Verlobung gefeiert. Das Gedicht ist uns erhalten in einem Brief vom 18. September 1769, dem ersten Jahrestag der Hochzeit. Friederike hat es sorgfältig abgeschrieben und ihrem Mann geschickt, damit er sich »immer an die erinnert, der er das Gedicht geschenkt hat und die keine größere Freude in ihrem Leben kennt, als sein Leben zu sein«.

Zu diesem Zeitpunkt war sie bereits im siebten Monat schwanger. Auch die übrigen Briefe des Jahres zeigen, dass diese Ehe nicht nur aus rein machtpolitischen Erwägungen geschlossen wurde, wie das in Fürstenhäusern normalerweise geschah. Täglich erhielt Karl von ihr kleine Briefe, zum Teil von ihrem Bett an das seine, denn natürlich gab es im Palais zu Hannover, wo das junge Paar seinen Wohnsitz hatte, wie üblich getrennte Schlafräume. Wenn Karl auf seinen zahlreichen Dienstreisen unterwegs war, sandte sie ihm zärtliche Briefe mit gemalten Herzen und »100 000 000 000 000 000 Umarmungen« und schrieb dazu: »Ich träume von dir und beschäftige mich den ganzen Tag mit nichts anderem als mit dir. Deine dir zärtlichst zugetane treue Ehefrau.«2 In den späteren Jahren legte Friederike den Briefen Kinderzeichnungen bei und erste Krakelworte: »Chere Papa je t’aime.«3 Selbst nach zehn Ehejahren und acht Kindern findet sich in den Briefen an ihren »anbetungswürdigen Prinzen« die gleiche Zärtlichkeit und Leidenschaft wie zu Beginn: »Je fume pour vous.«4 Briefe von Karl an Friederike sind nicht erhalten, aber aus ihren Schreiben lassen sich Rückschlüsse ziehen auf seine Beziehung zu ihr. So bedankte sie sich bei ihm, weil er morgens »ohne Lärm zu machen« das Schlafzimmer verlassen hatte, damit sie, im dritten Monat schwanger, noch bis neun Uhr weiterschlafen konnte.5

Wer aber war nun Friederikes »anbetungswürdiger Prinz«?

Er wurde am 10. Oktober 1741 auf Schloss Mirow am gleichnamigen See im heutigen Mecklenburg-Vorpommern geboren als Sohn Karl Ludwig Friedrichs von Mecklenburg-Strelitz und seiner Frau Elisabeth Albertine von Sachsen-Hildburghausen. Nach dem Tod des Vaters übernahm sein älterer Bruder Adolf Friedrich die Regierung des Herzogtums mit Sitz in Neustrelitz. Karl, der noch weitere ältere Brüder hatte und damit eigentlich ohne Aussicht auf Macht und Thron war, blieb nur eine Karriere beim Militär daheim oder im Ausland. Da enge Beziehungen zum englischen Königshaus bestanden, wo die Kurfürsten von Hannover-Braunschweig auf dem Thron saßen, lag es nahe, für Karl eine Stelle in einem hannoverschen Regiment zu erwerben. Und so wurde er schon 1744 mit drei Jahren auf einer Leutnantsstelle eingetragen. Zunächst erhielt er aber eine standesgemäße Erziehung durch Hauslehrer, später konnte er neben seiner Offizierstätigkeit seine Bildung bei Reisen durch Europa und mit siebzehn Jahren durch den Besuch der Genfer Universität vervollständigen. Mit vierzehn Jahren hatte für Karl nämlich das eigentliche Soldatenleben schon begonnen: Im Siebenjährigen Krieg kämpfte er in den Schlachten bei Krefeld (1758) und Minden (1759) und avancierte zum Oberstleutnant.

Als der englische König Georg III. seine Schwester Charlotte Sophie heiratete, war seine Karriere endgültig gesichert. Sein Schwager machte ihn zum General und 1768 schließlich zum Militärgouverneur von Hannover, der traditionell im Alten Palais gegenüber dem Königlichen Leineschloss residierte.

Schon Mitte der Sechzigerjahre war der junge General mit siebenundzwanzig Jahren eine gute Partie auf dem Heiratsmarkt. Er galt nach zeitgenössischen Aussagen als »recht hübsche Erscheinung«, besaß »sanfte und gefällige Manieren«, war nicht sehr groß, aber mit »besonders schönen Augen und Zähnen« ausgestattet.6 So wurde er denn am Hof zu Darmstadt freundlich empfangen, als er dort erschien und sich ganz augenscheinlich in Friederike Karoline Luise verliebte, die älteste Tochter von Georg Wilhelm, dem Bruder des regierenden Landgrafen Ludwig IX. von Hessen-Darmstadt.

Friederike, zu der Zeit fünfzehn Jahre alt, hatte blonde Locken, blaue Augen und war »mit dem besten Herzen und dem besten Charakter ausgestattet«, wie ihre Tante, die »große Landgräfin« Karoline, es ausdrückte.7 Sie war an einem Hof in einem Elternhaus aufgewachsen, das sich in vielerlei Hinsicht von dem Karls unterschied: »Ich wünschte mir zur Würze meines Lebens keine andre Gesellschaft, als die mir Darmstadt darbot, wie dieser Ort auch überhaupt einer von denen wäre, worin ich meine Zelte für immer aufschlagen würde, wenn das Schicksal mich den Ort meines Aufenthalts frei wählen ließe.« So schrieb der sonst so kritische Johann Kaspar Riesbeck, der sich um das Jahr 1780 in Darmstadt aufhielt. »Es schwinden hier die Tage unter beständiger Abwechslung von stillen Vergnügungen. Die Zeit verfliegt unbemerkt bei so gesellschaftlichem Leben; denn in Wahrheit kann man unter seinesgleichen nicht viel gesellschaftlicher und ungezwungener leben als unter dieser zahlreichen fürstlichen Familie … Und wie diese fürstlichen Personen wechselweise miteinander umgehen, daran sollten sich viele Familien ein Beispiel nehmen. Es ist ein wahres Muster von freundschaftlichem und liebevollem Betragen, eine Folge der Güte des Herzens, womit diese Familie beglückt zu sein scheint.«8

Die Eltern von Friederike residierten seit 1762 im Alten Palais am Marktplatz. Prinz Georg Wilhelm, der vorher in österreichischen Diensten – zuletzt als Generalfeldmarschall – tätig gewesen war, hatte zusammen mit seiner Frau Maria Luise Albertine zu Leiningen-Dagsburg-Falkenburg und seinem Neffen, dem Erbprinzen Ludwig, die Repräsentation des Landes in der Residenz in Darmstadt übernommen, da sein Bruder, der amtierende Fürst, sich überwiegend in Pirmasens aufhielt. Das Stadtpalais, in dem sie lebten, setzte sich aus zwei Bürgerhäusern zusammen. Und eher bürgerlich-familiär, unbelastet durch die Etikette, die an anderen Höfen das Leben bis in kleinste Details hinein reglementierte, spielte sich ihr Leben in Darmstadt ab. In Berichten aus der Zeit wird immer wieder das intensive Zusammenleben der Familie hervorgehoben, ein Indiz dafür, dass es im Vergleich zu anderen fürstlichen Familien außergewöhnlich war. »Täglich ergötze ich mich an der Einigkeit, die in der zahlreichen Familie herrscht, erfreue mich an dem freundschaftlichen Betragen der Eltern mit ihren Kindern, der Kinder mit ihren Eltern. Das ist in Wahrheit recht erbaulich … Prinz Georg und seine Gemahlin … liebreich und menschenfreundlich … Es herrscht der glückliche Ton von Höflichkeit, die niemand lästig wird und jedermann zufrieden stellt.«9

Sommersitz der Familie wurde ab 1764 das Palais im Prinz-Georg-Garten. Abseits vom Hofleben war dies ein Ort, der besonders geeignet war für ein privates familiäres Miteinander. Neben einem Nutzgarten, in dem Gemüse und Kräuter, Obst und Beeren wuchsen, gab es eine Orangerie und einen Lustgarten mit Teehäuschen und Tempel, einem Heckentheater, Fontänenbassins, Sonnenuhren und Sitzecken in romantischen Nischen. Hier fanden kleinere Bälle statt, Konzerte und die beliebten Theateraufführungen, die die Familie selber gestaltete. 1793 wurde in diesem Garten auch die Doppelverlobung von Königin Luise und ihrer Schwester Friederike mit den beiden preußischen Prinzen gefeiert.

Vor allem die Geburtstage des Prinzen Georg Wilhelm waren immer ein Anlass für liebevoll einstudierte Theateraufführungen, so zum Beispiel am 14. Juli 1779 Georg Joseph Voglers Melodram Lampedo, eine Aufführung, die auch in der Fachwelt Aufsehen erregte: Im Mittelpunkt steht die Amazonenkönigin Lampedo, die den besiegten Skythenkönig nicht, wie eigentlich üblich, am Altar tötet, sondern ihn begnadigt und aus der blutigen Opferstätte eine Gedenkstätte der Eintracht und des Friedens macht.10

Hinter dem exotischen Stoff verbirgt sich ein Hauptthema des Menschen als Sozialwesen: das Individuum zwischen Pflicht und Neigung. Es ist bezeichnend, dass dieses Stück von der Familie ausgewählt wurde. Das Thema zieht sich nicht nur wie ein roter Faden durch die Abhandlungen der Philosophen seit der Zeit der Griechen und war durch die Diskussion zwischen Immanuel Kant und Friedrich von Schiller höchst aktuell – es prägte auch die Erziehungsmaximen der Familie und findet sich in vielen Briefen der Königin Luise und ihrer Geschwister wieder.

Zum Besitz des Prinzenpaars gehörten auch das Schloss Broich am Niederrhein und das Jagdschloss Braunshardt, anderthalb Stunden nordwestlich von Darmstadt. Auch hier verbrachte die Familie viele Wochen des Jahres, in deren Mittelpunkt fröhliche Feiern mit Spiel und Gesang standen. Ihr Lieblingslied, traditioneller Bestandteil jeder Familienfeier, lautete bezeichnenderweise: »Wo kann man besser sein als am Busen seiner Familie?«11 Es waren Orte, an denen später auch Luise und ihre Geschwister ihre...

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