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Lunge, komm bald wieder

Ein Lightfaden für Raucher, Ex-Raucher, Gelegenheitsraucher und notorische Rückfallkandidaten

AutorMicha Ebeling
VerlagSatyr Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl176 Seiten
ISBN9783944035345
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis6,99 EUR
Wenn ein Schriftsteller und zweifacher deutscher Poetry-Slam-Meister einen Nichtraucher-Ratgeber schreibt, dann ist eines schon klar: Dies wird keine dogmatische Entwöhnungsbibel, sondern eine erfrischende Mischung aus humorvoller Selbstreflexion und unorthodoxer Lebenshilfe. Micha Ebeling weiß um die Diskriminierung von Rauchern in der Öffentlichkeit und die gemeinschaftsstiftenden Aspekte des Rauchens ebenso wie um dessen Schädlichkeit und alle Schwierigkeiten aufzuhören. Pointiert und selbstironisch erzählt er aus seiner Raucherbiografie, polemisiert genussvoll gegen selbst ernannte Entwöhnungspäpste und nimmt Raucher, Ex-Raucher, Wiederholungstäter und notorische Rückfallkandidaten behutsam an die Hand und führt sie in eine Rauchpause. Denn Aufhören, sagt Micha Ebeling, das kann man trainieren.

Micha Ebeling, geboren 1965 in Magdeburg, lebt und arbeitet als Autor in Berlin. 2007 erschien sein erster Erzählungsband 'Restekuscheln' (Voland & Quist). Er liest bei der Berliner Lesebühne 'LSD - Liebe statt Drogen' und gewann zusammen mit Volker Strübing bei den deutschsprachigen Poetry-Slam-Meisterschaften zweimal den Teamwettbewerb.

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Leseprobe

Kapitel 1


WIE ALLES BEGANN


Meine ersten Erinnerungen an das Rauchen haben mit meinem Vater zu tun. Der war Raucher. Und zwar in erster Linie Pfeifenraucher. Es war die Zeit von: »Drei Dinge braucht der Mann. Feuer, Pfeife, Stanwell.«

Diese drei Dinge mochte mein Vater, genauso wie den dazugehörigen Quizmaster Hans-Joachim Kulenkampff, der damals Werbung machte für den Pfeifentabak Stanwell. Ebenso wie auch Loriot, an dessen Filmchen man sich auf YouTube noch heute erfreuen kann.

Gleich vorweg, ich will hier keinerlei Betrachtungen darüber anstellen, wie häufig statistisch gesehen Kinder von Rauchern Raucher werden. Das kann bei Bedarf und Interesse jeder für sich selbst vornehmen. In meinem Falle spielte es unterbewusst bestimmt eine Rolle.

Ich weiß jedenfalls noch genau, wie scharf ich immer darauf war, meinem Vater Feuer geben zu dürfen mit einem Streichholz. Anzünden, den herrlichen Schwefelqualm einatmen (ich rieche übrigens auch gerne Benzin, vielleicht besteht da ein Zusammenhang?), warten, bis sich das Flämmchen stabilisiert hat, und dann Vaters Saugen an der Pfeife, wobei die Streichholzflamme tief in die Pfeife reingezogen wurde. Ich hab mich immer gewundert über den gummiartigen Charakter der Flamme und darüber, dass sie bei diesem harten Ansaugen nicht ausging. Ging sie aber nicht. Dann der zufriedene Gesichtsausdruck des Vaters und der meist wohlriechende Duft des Tabakqualms. So fing das wohl an. Sonntags gab’s auch mal Zigarre. In den Westpaketen war extra für Vater immer Rauchware drin. Meist Pfeifentabak, oft Zigarillos oder Zigarren, seltener Zigaretten. Vater rauchte aber alles. Ein echter Allesraucher. Für uns Kinder hatte das einen gewissen Vorteil. Denn in den Westpaketen war natürlich auch immer Schokolade drin. Die mein Vater, obwohl er Raucher war, trotzdem gerne aß. Aber mit dem Hinweis, dass er dieses und jenes zum Rauchen bekommen hätte, konnten wir seinen Anteil an den ansonsten sehr gerecht auf alle anderen Familienmitglieder aufgeteilten Süßigkeiten recht klein halten. Oder er bekam lediglich die Bitterschokolade, die außer ihm keiner aß.

Am meisten rauchte Vater Pfeifentabak. Doch der aus den Paketen allein reichte nicht aus, sodass Vater dazukaufen musste. Meist kaufte er eine gelbe Packung, auf der »Cavendish« stand, deren Tabak herrlich roch, und den mein Vater immer mit einer Apfelscheibe frisch und feucht hielt. Wenn der Tabak brannte, dann roch es nach Vanille. Ich war begeistert. Nur an der Pfeife ziehen, das durfte ich nicht. Davon würde ich mir in die Hosen scheißen, war seine Standardantwort. Schon deshalb wollte ich ziehen, weil ich wissen wollte, wer stärker war. Der Pfeifentabak oder mein Hintern. Außerdem machte die Pfeife fantastische Geräusche. Wenn man dran saugte, wenn man sie anzündete, wenn man sie ausklopfte, wenn man sie reinigte. Alles sehr sinnlich, will ich meinen, obwohl ich das Wort damals noch gar nicht kannte. Ich vermute, ich war ein kleiner Pyromane. Alles, was mit Feuer zu tun hatte, fand ich großartig.

Auf Familienfeiern griff Vater dann auch mal zur angebotenen Zigarette. Wenn ich mich aus heutiger Sicht an die Art und Weise erinnere, wie er das tat, dann tat er das mit der typischen Nichtraucher-Attitüde. Er war eben kein Zigarettenraucher. Außerdem hat er die Zigaretten, so wie alles andere, was er geraucht hat, immer nur gepafft – also nicht auf Lunge geraucht. Und so sah er auch immer ein bisschen wie eine kleine Lokomotive aus, wenn er einen Zug von der Zigarette nahm und dann den gesamten Qualm in die Stube blies. Die armen Gardinen. Mutter litt.

Meine erste Erfahrung mit einer Zigarette würde ich in den Zeitraum zwischen meinem zehnten und vierzehnten Lebensjahr einordnen. Ich habe festgestellt, dass mein Erinnerungsvermögen einen kleinen Makel hat. Ich weiß so ziemlich alles, was einmal war. Nur leider nicht, wann es war. Ich habe keine Erinnerungslinie, keinen inneren Zeitstrahl, an dem ich mich entlanghangeln könnte. Aber an Einzelheiten kann ich mich dafür umso besser erinnern, und Gesichter und Namen kann ich auch gut, auch wenn das für dieses Buch überhaupt keine Rolle spielt.

Irgendwann einmal fiel mir eine Zigarettenschachtel mit der Aufschrift »Salem No 6« in so einem Westpaket auf. Jemand in der Westverwandtschaft schickte immer Salem No 6 für Vater mit. So wie es überhaupt so war, dass bestimmte Westpakete von bestimmten Verwandten immer bestimmte Produkte enthielten. Eine Tante hieß zum Beispiel die »Nesquik-Liesel«. Sie ahnen sicher, weshalb. Ich weiß nicht mehr, wer die Salem schickte: eine schöne, grüne Packung.

Filterlose Zigaretten. Als ich eben gegoogelt habe, ob’s die noch gibt, fand ich auch einen Erfahrungsbericht zu dieser nicht eben billigen »Sonntagszigarette«, und sofort spürte ich das Bedürfnis, mir so eine leckere Salem No 6 anzuzünden. Aber ich befinde mich ja in der von mir selbst gewählten RAUCHPAUSE und kann dem Verlangen gut widerstehen. Zumal hier im Café, in dem ich schreibe, alle um mich herum rauchen und mir diesen Aspekt der Gemütlichkeit abnehmen.

»Wenn er das mit dem Rauchen immer so positiv darstellt, wieso hört er dann überhaupt mit dem Rauchen auf?«, werden jetzt sicher einige zu Recht aufkreischen. Das erkläre ich doch alles noch. Damals, vor dreißig Jahren, gab es diese Hysterie noch nicht. Zum einen. Zum anderen, als Ex-Raucher, als trockener Raucher, behält man durchaus einige seiner Reflexe und Erinnerungen. Wie gesagt auch so eine Sache, die mir in der klassischen Literatur nicht gefällt, nämlich dass der Ex-Raucher immer gleich den Titel »Nichtraucher« zuerkannt bekommt. Ich nenne mich »Ex-Raucher« oder »trockener Raucher«, ganz im Sinne eines trockenen Alkoholikers. Eine einzige Zigarette kann genügen, das Karussell wieder in Schwung zu bringen. Das weiß ich wohl. Nikotin macht extrem schnell abhängig. Kann man alles nachlesen. Andererseits wird stets behauptet, dass die körperliche Abhängigkeit zu vernachlässigen sei. Denn schließlich könne jeder Raucher eine Nacht durchschlafen, ohne zu rauchen. Aber erstens gibt es tatsächlich Raucher, die nachts aufwachen und zur Zigarette greifen. Und zweitens gibt es auch Süchtige mit anderen Abhängigkeiten, die nachts trotzdem gut schlafen. Es ist alles ein bisschen widersprüchlich. Wie soll sich da der Laie zurechtfinden? Was genau macht wie dolle süchtig? Wie ist das Verhältnis der körperlichen Abhängigkeit zur psychischen? Wenn Sie das interessiert, dann lesen Sie Fachliteratur oder surfen Sie mal ein bisschen bei Wikipedia vorbei. Nikotin gehört auf der einen Seite zu den Substanzen mit dem höchsten Suchtpotenzial. Auf der anderen Seite ist der körperliche Entzug von der Droge selbst ohne großen Aufwand und Schaden zu überstehen. Das Problem ist hauptsächlich der Nucleus accumbens, das Sucht- oder Belohnungszentrum in unserem Vorderhirn. Da ist irgendwie in einer Endlosschleife eingefräst, egal ob uns was Schönes oder was nicht so Schönes widerfahren ist oder widerfahren wird: »Jetzt erst mal ne Zigarette! Jetzt erst mal ne Zigarette! Jetzt erst mal ’ne Zigarette! Jetzt erst mal ’ne Zigarette! Jetzt erst mal ’ne Zigarette! Jetzt erst mal ’ne Zigarette!« Vermutlich arbeitet der Nucleus accumbens mit copy and paste.

Ich weiß, dass es nicht einfach ist aufzuhören, selbst wenn man es will, weil man gesundheitliche Probleme fürchtet. Und diese Furcht ist durchaus begründet, wie wir alle wissen. Aber dieses Buch will nicht mit Angst arbeiten – Bangemachen güldet nicht. Höchstens vielleicht hier und da ein bisschen. Unterschwellig. Mein Vater ist übrigens achtundachtzig geworden und hat bis zu seinem achtzigsten Lebensjahr den Hammer geschwungen in seiner Schmiede. Er wäre sozusagen einer von diesen Onkels, von denen jeder Raucher einen kennt, die immer geraucht haben und trotzdem steinalt geworden sind. Aber mein Vater hat geschummelt und nur Pustebacke geraucht. Und sich immer viel bewegt. Und jeden Tag einen Apfel gegessen. Und jeden Tag einmal laut gebrüllt. Und jeden Tag jemandem einen Witz erzählt. Und nach dem Abendbrot immer einen Weinbrand getrunken.

Doch zurück zu Vaters Salem. Eines schönen Sonntags, vermutlich nach dem Mittagessen und anlässlich zu Werner Höfers Internationalem Frühschoppen, rauchte er also so eine Zigarette. Wenn ich mich recht erinnere, dann haben die »sechs Journalisten aus fünf Ländern« auch immer gehörig die Bude vollgequarzt. »Papa, darf ich mal ziehen?«, hatte ich ihn schon oft gefragt. Aber er wies mich natürlich normalerweise immer auf die Gefahr der beschleunigten Verdauung hin. Doch diesmal durfte ich. Vermutlich wollte er meiner Quengelei ein möglichst schnelles Ende setzen, denn beim Fernsehen wollte er nun ganz und gar nicht gestört werden. Das habe ich geerbt von meinem Vater, dieses völlige Versinken im Fernsehprogramm. Nichts mehr hören und sehen links und rechts. Keinesfalls gestört werden, um nur ja kein Wort zu verpassen. An dieser Stelle könnte ich auch auf eine weitere Sucht zu sprechen kommen, unter...

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