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Lustbetont und Sinnenfroh - Positionen Postmoderner Sexual-Pädagogik

AutorKarl-Heinz Ignatz Kerscher
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl197 Seiten
ISBN9783656266907
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis39,99 EUR
Wissenschaftliche Studie aus dem Jahr 2012 im Fachbereich Pädagogik - Pädagogische Soziologie, , Sprache: Deutsch, Abstract: 'Lustbetont und Sinnenfroh' lautet der Titel des vorliegendes Texes, der damit einige dezidierte Positionen der Postmodernen Sexualpädagogik thematisert. Ausgehend von der Lust- und Sinnenfeindschaft vieler menschlicher Kulturen wird nach der geographischen Verbreitung und der Praktik genitaler Beschneidungen von Mädchen und Knaben gefragt und die Resolution zur Beendigung der Genitalverstümmelung von Ashley MONTAGU erwähnt. Sodann wendet sich die Analyse entbehrungsreichen und gewalthaltigen Erziehungsprozeduren zu. Die Sozialisation von Kindern in matriarchalischen Gesellschaften wird mit der im Patriarchat verglichen. Der Begriff der Somatosensorischen Deprivation beschreibt den Entbehrungsreichtum moderner Sozialisationspraktiken. Im dritten Kapitel steht die Evolutionstheorie und die Kleinkind-Erziehung im Zentrum der Erörterungen. Der Homo Sapiens teilt mit dem Bonobo-Schimpansen 99,1 Prozent der Gene. Ein Vergleich zwischen Mensch und Tier untermauert das Kontinuum-Konzept und Prinzipien für eine Kleinkind-Erziehung zur Förderung von Glück, Sozialität und Friedfertigkeit. Grundlegende Gedanken zur Lustbetonung und Sinnenbejahung finden sich bei dem Philosophen Jaen-Jaques ROUSSEAU, dem Sexualwissenschaftler Wilhelm REICH und dem Pädagogen Alexander S. NEILL. Pädagogisch und sexualpädagogisch relevante Anregungen werden im Biophilie-Konzept Erich FROMMs, im Positiven Denkens Louise HAYs und in den Vorschlägen zur Etablierung der Sexuellen Menschenrechte gesucht.

Prof. Dr. phil. Karl- Heinz Ignatz Kerscher Geboren 1943 in Hamburg; Universitätsstudium Volkswirtschaft, Soziologie, Erziehungswissenschaft, Kunst, Jura und Sozialpädagogik; Ausbildung zum Volks-, Realschul- und Waldorfschul-Lehrer, Promotion zum Dr. phil.; Professor der Leuphana Universität zu Lüneburg im Ruhestand; Pionier der emanzipatorischen Sexualpädagogik, namhaftester Vertreter der Postmodernen Pädagogik; Erziehungswissenschaftler, Sexualforscher, Hochschuldozent, fachwissenschaftlicher Sachbuchautor, Zirkusdirektor beim Circus Tabasco, Feuerläufer, Straßenmusiker, Senioren-Residenz-Entertainer, ehrenamtlicher Lektor auf Kreuzfahrtschiffen, Neueste Publikationen: 'Kreativ und Innovativ. Bausteine Postmoderner Pädagogik.' München 2011. 'Fasziniert und Aktiviert. Intentionen Postmoderner Pädagogik.' München 2011. 'Kulturell und Intellektuell. Perspektiven Postmoderner Pädagogik.' München 2012. 'Tolerant und Human. Leitideen Postmoderner Pädagogik.' München 2012. 'Lustbetont und Sinnenfroh. Positionen Postmoderner Sexual-Pädagogik.' München 2012. 'Schaffensfroh und Qualifiziert. Akzente Postmoderner Pädagogik.' München 2013. 'Orientierungssuche postmoderner Pädagogik. Zwischen Bangen und Hoffen.' München 2013. 'Peace Education. Ideas for a Postmodern Pedagogy.' München 2013. 'Pazifistisch und Altruistisch. Leitsterne Postmoderner Pädagogik.' München 2013. 'Weltraum Pädagogik. Erziehung und Bildung im Zeitalter der Raumfahrt.' München 2014. 'Space Education. Pedagogy in the Era of Space Missions.' München 2014.

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Leseprobe

1.

 

Lust- und Sinnen-Feindschaft

 

1.1  Geographie der Beschneidung

 

James DeMEO hat auf dem Ersten Internationalen Symposium über Circumcision  am 1.und 2. März  1989 in Anaheim, Kalifornien, U.S.A., ein Referat mit dem Titel „The Geography of Genital Mutilation“ gehalten. Der Text des Referates fasst wichtige Resultate vorangegangener Studien über geographische Aspekte menschlichen Verhaltens von Naturvölkern, die  auf einem Subsistenz-Niveau leben, zusammen (Vgl. DeMEO 1986, 1988). Der Fokus seines Referates ist auf das Phänomen der männlichen genitalen Verstümmelung zentriert. Genitale Beschneidungen oder Verstümmelungen werden oft als „Kulturelle Praktiken“ klassifiziert, aber es gibt eine zunehmende Evidenz, dass diese edel klingenden  Euphemismen lediglich dazu dienen, die schmerzvollen und verkrampfenden Effekte dieser Verstümmelungen auf Körper und Seele des Kindes zu verharmlosen und zu vertuschen.

 

Beschneidung und genitale Verstümmelung bereiten Keinkindern und Kindern ernsthafte Schmerzen und lösen Angsttraumata aus und sind oftmals sehr gefährlich für die Gesundheit. Es erheben sich  wichtige Fragen, wieso diese Prozeduren ursprünglich entstanden sein mögen. Völker, die diese Praktiken nicht kennen, blicken stets voller Schrecken und Unverständnis auf Beschneidung und Verstümmelung, während Völker, die diese Operationen praktizieren, Schwierigkeiten haben, sich ein Leben ohne genitale Verstümmelung vorzustellen.

 

Oft wird das Vorhandensein oder Fehlen dieser sexuellen Riten als wichtige Erfordernisse für die Wahl eines heiratsfähigen Partners angesehen und außerordentlich kraftvolle Gefühle sind mit diesen genitalen Verstümmelungen verbunden. Außer den variationsreichen Theorien über die Funktion der Genitalbeschneidungen  sind deren geografische Verbreitung selten diskutiert worden (Vgl. DEMEO 1986).

 

Die globale Verbreitung der männlichen und weiblichen Genitalverstümmelungen unter nativen, nicht-westlichen Völkern, zusammen mit historischen und archäologischen Daten, legt die Vermutung nahe, dass deren  Entstehung in den Wüstenregionen Nordost Afrikas und im Nahen Osten lag mit einer anschließenden Weiterverbreitung in die an die Sahara Wüste angrenzenden Regionen, in Teile Ozeaniens und sogar in Teile der „Neuen Welt“.  Die Praktiken der Genitalbeschneidung wurden von einer Region zur anderen übertragen, meist begleitet von militärischen Interventionen  und militärischen Eroberungen von Kulturen, die ihre Kinder nicht verstümmeln. Oder die Prozeduren wurden freiwillig von den Eroberern übernommenin Zusammenhang mit anderen kulturelle Veränderungen antisexueller und kinderfeindlicher Art. Man darf nicht übersehen, dass diese genitalen Beschneidungen ursprünglich im vorehelichen, pubertären Lebensalter stattfanden, in einem Entwicklungsalter, in dem aus biologischen Gründen  ein großes sexuelles Interesse und eine starke Leidenschaft erwachen.

 

DeMEO ( 1986) hat in anderen, groß angelegten wissenschaftlichen Studien dargelegt, dass die Verbreitung genitaler Verstümmelungen gleichzeitig mit der Ausbreitung patristische, kinderfeindlicher, frauenfeindlicher und antisexuellen Faktoren, wie zum Beispiel Schädeldeformationen im Kindesalter, festes Einwickeln der Kinder, Virginitätsgebot,  Tabuisierung vaginalen Blutes, männlicher Domination in den Verwandtschaftsbeziehungen und im Erbrecht, und so weiter( Vgl. DeMEO 1986).

 

Incision, die geringfügigste  der männlichen genitalen Beschneidungen, besteht aus entweder einem kleinen Einschnitt der Vorhaut, um eine Blutung zu erzeugen, oder aus einem umfassenden Einschnitt der Vorhaut, um die Eichel des Penis bloßzulegen.

 

Die Incision gibt es haputsächlich unter den Naturvölkern der Ost-Afrikanischen Küste, in einigen Inseln Asiens und Ozeaniens und unter wenigen Naturvölkern der Neuen Welt.

 

Bei der  Circumcision, einer gravierenden Form der Verstümmelung, wird die Vorhaut des Penis abgeschnitten oder abgezogen, wurde und wird am meisten in der Alten Welt im  Wüstengürtel  und in einer Reihe von Völkern der Sub-Sahara, in Zentral-Asien und im Pazifik praktiziert. Insofern sie in der Pubertät durchgeführt wurde, war die Zirkumzision (Circumcision) meistens ein voreheliches Ritual des Schmerzen ertragens.

 

Die Circumcision gewann den Status einer hygienischen Operation erst in relativ neuester Zeit, obgleich die jüngsten und besten medizinischen Untersuchungsresultate tatsächlich ergeben haben, dass routinemäßige Circumcision weder kurz- noch langzeitige hygieneschen Vorteile hat. Tatsächlich zeitigt die Circumcision schwere negative psychologische  und physiologische  Folgen. Insbesondere in der Provinz, unter weniger sanitären Bedingungen, hat der beschnittene Junge oder das männliche Kleinkind ein größeres Gesundheitsrisiko als ein unbeschnittener Junge.

 

Die allerschlimmste Form der männlichen genialen Verstümmelung war eine Art der Hautabziehung, die entlang des Roten Meeres in Arabien und Yemen verbreitet war und bis ins 19. Jahrhundert stattfand.

 

Der Ethnographische Atlas von G. P. MURDOCK (1967) liefert die Daten für kulturvergleichende Studien. MURDOCKs Atlas enthält einige Daten über das Alter, in dem die Beschneidungen traditionsgemäß durchgeführt werden, anhand von 350 Naturvölkern, die über den ganzen Erdball verteilt sind. DeMEO hat  Daten zusammengestellt, aus denen hervorgeht, dass Genitalverstümmelungen eine weite Verbreitung besitzen und ihr Zentrum in Nord-Ost-Afrika und Arabien haben. Weiterhin ergab sich, dass mit zunehmender Distanz von diesem Zentrum die Beschneidung an zunahmend älteren Jungen durchgeführt wurde (DeMEO 1986, S. 159). Je weiter man sich vom Osten Afrikas und vom Nahen Osten entfernt, desto älter sind die Jungen zur Zeit der Genitalverstümmelung. Weiterhin kommt die Operation seltener vor und verliert graduell an Grausamkeit, je weiter man sich vom Zentrum der Genitalbeschneidung entfernt. Die genitale Hautabziehung, die schwerste Form der Verstümmelung, fand sich um die Rote Meer Region zentriert. Die weniger einschneidende Form der Genitalverstümmelung, die Incision, findet sich in östlichen Regionen, wenn man den Pazifischen Ozean überquert. Genitale Verstümmelungen fehlten bei sämtlichen Naturvölkern Amerikas und des Östlichen Ozeaniens. Genau in jenen Regionen der Erde, in der es keine Beschneidungen gab, fanden sich unter den Eingeborenen die bekannten dekorativen „Penis Tops“, Penis-Futterale, aus denen ein Interesse und eine Beachtung der Genitalien ersichtlich wird, allerdings in einem dekorativen, schmückenden und lustvollen Sinn.

 

Es hat mehrere Phasen der Verbeitung der Verstümmelungsparktiken gegeben. Antike Ägyptische Reliefs bezeugen die Evidenz von männlicher Beschneidung, das als Pubertätsritual während der Epochen der frühen Dynastien ausgeführt wurden (PAIGE 1978; MONTAGU 1946). Jedoch ist es wahrscheinlich, dass die  genitalen Verstümmelung bereits vor 2.300 Jahren vor Christus praktiziert wurde, als militante Nomaden das Niltal um 3.100 vor Christus eroberten. Diese Eroberer lebten in einer Ära mit Gott-Königen, mit Witwen-Ritualmorden, mit einer Milität- und Priester-Kaste, massiven Grabmalen und wertvollen Grabbeilagen, mit kolossaler Tempel-Architektur und anderen Merkmalen extrem patriachalischer,  autoritärer Kultur ( DeMEO 1986, S. 218 – 294).

 

Gemäß biblischer Überlieferung institutionalisierten die Hebräer die männliche Vorhautbeschneidung nach dem Exodus aus Ägypten. Danach wurde die männliche Beschneidung ein besonderes Merkmal des Stammes der Hebräer. Die Genitalverstümmelung tauchte im Nahen Osten bereits vor den Eroberungen der moslemischen Armeen in Jahren um 600 nach Christi Geburt auf, wurde dann aber überall flächendeckend gefordert wo immer die moslemischen Armeen intervenierten. Weder männliche noch weibliche genitale Verstümmelungen werden vom Koran gefordert. Nichtsdestotrotz hielt Mohammed sie für wünschenswert und daher dominieren sie in moslemischen Regionen. Dennoch gibt es Regionen nicht-moslemischen Afrikas und Ozeaniens, in denen Genitalbeschneidungen vorkommen, die diese Praktiken wahrscheinlich aus vor-moslemischer antiker Zeit übernommen haben. Aus diesen frühesten Periode mögen auch die isolierten, seltenen Beispiele der Bescheidung in der Neuen Welt stammen (DeMEO 1986, S. 358-426).

 

Die männliche Genitalverstümmelung wurde niemals in Europa, im Europäischen Australien, in Kanada, Latein-Amerika, im Orient, bei Hindus, in Süd-Ost-Asien, oder bei den Ureinwohnern Amerikas praktiziert. Die Verbreitung der Circumcision im Kindesalter in den Vereinigten Statten von Amerika während der späten Jahre des 19. Jahrhunderts und in den frühen Jahrend es 20. Jahrhunderts ist ein sehr junges Phänomen. Die Circumcision gewann an Verbreitung in den USA, nachdem einige Ärzte vorherrschende sexuelle Ängste entfachten, indem sie die Genitalbeschneidung als Heilmethde für eine lange Liste von Kinderkrankheiten empfahlen. Diese Liste  umfasste Kinderlähmung, Tuberkulose, Bettnässen, und besonders ein damals...

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