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'LUTHER': Ein Film von Eric Till (2003) und sein Bild von Luther

AutorHanna Heller
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl75 Seiten
ISBN9783640686117
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis26,99 EUR
Examensarbeit aus dem Jahr 2008 im Fachbereich Filmwissenschaft, Christian-Albrechts-Universität Kiel, Sprache: Deutsch, Abstract: 'Außer Thesen nichts gewesen.' , so kommentierte DIE WELT den unter der Regie Eric Tills entstandenen historischen Spielfilm 'LUTHER' aus dem Jahre 2003, wobei hier auf die Reduktion der Filmhandlung auf Martin Luthers 95 Thesen und somit die Aussparung relevanter Aspekte der Reformation angespielt wird. Statt einer umfassenden Darstellung sieht der Autor des Artikels in Tills Film mehr eine pro-protestantische Darstellung des Reformators. Gegenstand dieser Arbeit soll demnach die Untersuchung des im oben genannten Film erzeugten Lutherbildes sein. Eine umfassende Analyse verlangt dazu zunächst nach einer Konsultation der Fachwissenschaft zu ihrem Lutherbild, welches auf seine Übereinstimmung mit der im Film vermittelten Hauptaussage untersucht werden soll. Vorweg ist auf die Behandlung historischer Sachverhalte im Medium Film einzugehen, wobei zu fragen ist, welcher Art historischen Films 'LUTHER' zuzuordnen ist und inwiefern er als historischer Film mit Dokumentarfunktion oder als bloßen Spielfilm einzustufen ist. In der Literatur wurden hierzu zahlreiche Differenzierungen von Filmproduktionen vorgenommen. So haben sich etwa Bodo von Borries , Helmut Korte , Gerhard Schneider oder Joachim Paschen mit der Nutzung des Mediums Film im Zusammenhang mit historischen Themen auseinandergesetzt. Von Borries unterscheidet zwischen Dokumentationen, welche sich in historische Film- und Bilddokumente, historische Kompilationsfilme, geschichtliche Filmfeatures und historische Spiel-Dokumentationen gliedern. Den Dokumentationen stellt er die Spielfilme gegenüber, welche sich in historisierende Abenteuerfilme, historische Rühr- und Ausstattungsfilme, historische Problem- und Gesellschaftsfilme und geschichtliche Dokumentarfilme aufteilen. Was einen Film nun explizit zu einem Kompilationsfilm oder einem Abenteuerfilm macht, soll hier nicht detailliert ausgeführt werden. Zu betonen ist allerdings, dass diese Klassifikation nach Borries nicht uneingeschränkt gelten kann und die meisten Filmproduktionen Elemente verschiedener Kategorien in sich vereinen.

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Leseprobe

2. „LUTHER“


 

2.1  Kurz: Der Inhalt


 

Der Film setzt mit Luthers Gewittererlebnis ein. Hieraufhin schwört er, Gottes Werk zu studieren, sollte er das Unwetter überleben und tritt sodann in das Erfurter Kloster ein. Wiederholt werden dort Luthers Zweifel an Gott in Szene gesetzt, welche er durch eine von seinem geistlichen Vater Staupitz initiierte Romreise überwinden soll. Luther wird allerdings eben dort mit sämtlichen Missständen der katholischen Kirche konfrontiert und präsentiert sich enttäuscht und verunsichert.

 

In seinem Glauben noch stärker erschüttert kehrt Luther in das Erfurter Kloster zurück. Als Student der Theologie in Wittenberg erregt Luther dort bald Aufsehen, indem er einen Selbstmörder auf einem christlichen Friedhof bestattet, inbrünstig über die Gnade Gottes predigt und dann als Doktor der Theologie in seinen Vorlesungen die Ablasspraxis und den Reliquienkult verspottet. Ferner lernt er die arme Hanna mit ihrer verkrüppelten Tochter Grete kennen, welche im weiteren Verlauf des Films immer wieder auftreten.

 

Als Luther nun vom Petersablass erfährt, verfasst er seine 95 Thesen und schlägt selbige an die Tür der Wittenberger Kirche. Hierauf wird Luther sodann nach Augsburg zitiert und ihm die Exkommunikation angedroht. Im Gespräch mit Kardinal Cajetan weicht Luther nicht, wie ihm kurz zuvor geheißen, von seinem Standpunkt ab, sondern greift die Erhabenheit und Unfehlbarkeit des Papstes an. Dies hat zur Folge, dass Rom ihn nun als ernstzunehmendes Problem einstuft.

 

Im Folgenden verbietet Leo die Schriften Luthers und droht ihm den Bann an. Luther, nun zunehmend kämpferisch auftretend, verbrennt mit seinen Anhängern, zu denen auch sein ehemaliger Dozent Karlstadt zählt, jene Bannandrohungsbulle und bekennt sich jetzt unverhohlen zu seiner Missbilligung des Papstes. Friedrich von Sachsen, dessen Sympathie zu dem Mönch offensichtlich ist, erwirkt beim Kaiser Karl, dass Luther seine nächste Anhörung nicht in Rom, sondern Worms bekommt und ihm ferner sicheres Geleit zugesichert wird.

 

Auf dem Reichstag zu Worms soll Luther sich dann zu seinen Schriften bekennen. Auch nach einem Tag Bedenkzeit weigert sich Luther zu widerrufen, solange ihm nicht mithilfe der Schrift Gottes das Gegenteil bewiesen werden könne. Um sich des Problems Luther schnell zu entledigen, ordnet Kardinal Aleander im Anschluss an den Reichstag die Beseitigung Luthers auf dem Rückweg von Worms an. Friedrich von Sachsen kommt den von Aleander bestellten Häschern zuvor und lässt Luther auf die Wartburg entführen. Hier verwendet jener nun sämtliche Energie auf die Übersetzung der Bibel ins Deutsche.

 

In Wittenberg übernimmt indes Karlstadt die Führung der Reformbewegung und lässt radikale Tendenzen erkennen.

 

Der sich nun ausbreitende Bauernkrieg wird knapp als brutale Schlacht der Reformer unter Karlstadt gegen die katholische Kirche präsentiert. Luther zeigt sich von den Entwicklungen schockiert und distanziert sich öffentlich von der radikalen Bewegung. Unmittelbar danach begegnet Luther seiner zukünftigen Frau, der ehemaligen Nonne Katharina von Bora. Ohne weitere Überleitung kommt es zum ersten persönlichen Aufeinandertreffen von Luther und Friedrich von Sachsen. Als ein Geschenk überreicht Luther dem Kurfürsten seine Bibelübersetzung.

 

Auf dem Reichstag zu Augsburg widersetzen sich die Kurfürsten, der Forderung des Kaisers, alle Priester, welche die neue Lehre predigen, abzusetzen. Melanchthon verliest schließlich die Confessio Augustana.

 

Im Abspann wird der Verlauf der weiteren Lebensjahre Luthers umrissen und noch einmal seine enorme Bedeutung für die protestantische Kirche und die deutsche Sprache betont.

 

2.2  Einseitig oder verzerrt dargestellte Elemente


 


Im Folgenden werden nun einige Schlüsselszenen vorgestellt, durch welche das entstehende Lutherbild besonders geprägt wird und die darum gegenüber anderen Szenen vorgezogen wurden, welche für die Fragestellung weniger relevant erachtet wurden. Konzentriert wurde sich somit auf Verzerrungen oder Aussparungen, welche frappierend mit dem Lutherbild der Forschung kollidieren und so eventuell als fragwürdig zu erwachten sind.

 

Zu differenzieren ist bei der Szenenauswahl zunächst zwischen verschiedenen Kategorien: Einmal sind die verzerrt oder einseitig präsentierten Hergänge wie der Reichstag zu Augsburg zu beleuchten, dann ist auf die frei erfundenen Episoden wie das Begräbnis des Selbstmörders und die Kontroverse des Thesenanschlags einzugehen, um nach einem Exkurs zu Friedrich dem Weisen schließlich die vollständig ausgesparten Aspekte zu identifizieren.

 

2.2.1  Das Gewittererlebnis bei Stotternheim


 


Die Gewitterszene, welche auch gleichzeitig die Anfangsszene des Films ist, zeigt Luther hetzend auf einem schlammigen Feldweg in einem Gewitter. Er ist aufgelöst vor Angst und verspricht Gott verzweifelt, sein Werk zu studieren, falls jener ihn das Unwetter überleben lasse.

 

Diese Szene geht mit den Forschungsergebnissen konform. Nach Kaufmann ist Luther im Jahr 1505 tatsächlich von einem Blitzschlag in der Nähe des Dorfs Stotterndorfs verschreckt und zu seinem Gelübde „Hilff du, S. Anna, ich will ein monch werden.“ (Watr 4; 440, 9f) motiviert worden. Anzumerken sei allerdings, dass dem Gewitter nicht die alles entscheidende Rolle zugesprochen werden dürfe. Zu berücksichtigen ist auch Martin Luthers damalige persönliche Situation: Das begonnene Jurastudium, welches wohl eher den Wünschen seines Vaters denn seinen eigenen entsprach, und eine vom Vater geplante Heirat waren Aspekte, die ebenfalls Einfluss auf seine Zuwendung zum Mönchsdasein genommen hätten. Auch die zu jener Zeit in Erfurt ausbrechende Pest mag Luther inspiriert haben, sich mit dem Sinn des Lebens und der Heilsfrage zu befassen und die Antworten in der Bibel zu suchen.[31]

 

Die Entscheidung Luthers für ein Leben als Mönch auf die im Gewitter empfundene Todesangst zu reduzieren, dürfte in erster Linie mit dramaturgischen Gründen zu erklären sein. Die Unzufriedenheit mit dem eigenen Leben, ein ungeliebtes Studium, die Aussicht auf eine unerwünschte Eheschließung oder gar eine kursierende Pest sind einmal schwer kompakt und anschaulich darzustellen und verkomplizieren ferner die Handlung, was so zu Desinteresse und Überforderung auf Seiten des Zuschauers führen könnte. Demnach ist es fraglich, ob eine akkurate Wiedergabe der Einflüsse der Qualität des Films zuträglich gewesen wäre und ob sie sich auf die Aussage des Films verändernd ausgewirkt hätte. Bezüglich der Darstellung Luthers ist allerdings zu betonen, dass dem Zuschauer bereits in diesen ersten Minuten des Films die ausgeprägte Gottesfurcht Luthers vor Augen geführt wird.

 

2.2.2  Die Romreise


 


Luther wird von seinem geistlichen Vater Staupitz nach Rom geschickt, um dort seine Zweifel an Gott überwinden zu können. In Rom angekommen wird der Mönch allerdings mit zahlreichen Missständen des katholischen Klerus konfrontiert. So beobachtet er Mönche zusammen mit Prostituierten, den kommerzialisierten Handel mit Heiligenfiguren, die pompöse Selbstinszenierung des Papstes Julius, der in einer goldenen Ritterrüstung durch Rom reitet oder die ruppigen Mönche, welche ihm nur einen Moment vor der Reliquie, dem Schädel Johannes' des Täufers, gewähren, um ihn dann unsanft wegzuzerren.

 

Die folgende Szene wird dem Zuschauer sodann als ein Wendepunkt in Luthers Denken präsentiert: Vor dem Vatikan kauft Luther für seinen Großvater Heinrich Luther einen Ablassbrief, um ihn aus dem Fegefeuer zu erlösen. Wie befohlen steigt er die Stufen zum Vatikan hoch und betet auf jeder Stufe ein Vaterunser, wobei er von zahllosen anderen Gläubigen umgeben ist. Oben angekommen betrachtet er die gläubige Menschenmenge und den unterhalb der Treppe wie eine Massenabfertigung präsentierten Ablassverkauf. An dieser Stelle scheint er sich seiner Verachtung des Ablasshandels bewusst zu werden und zerknüllt seinen Ablassbrief.

 

Volker Leppin stellt den Hergang von Luthers Romreise etwas anders dar: So war es nicht Johannes von Staupitz, der Luther nach Rom schickte, sondern Johannes Natin, der damalige Leiter des Studiums der Augustiner im Erfurter Kloster. Natin hat Luther gesandt, um in Rom gegen die von Staupitz erdachten Pläne der Zusammenführung der sächsischen und thüringischen Ordenszweige zu protestieren, da man um seine Autorität und die Erhaltung der eigenen Ordensregeln fürchtete.[32]

 

Dieser Konflikt soll hier nicht weiter behandelt werden, allerdings wird deutlich, dass der auf der Seite Natins stehende Luther nicht in Staupitz' Angelegenheiten nach Rom aufgebrochen war, sondern vielmehr, um dessen Plänen zu widersprechen.

 

Luther, der im Übrigen mit einem Mitbruder nach Rom gereist war, ist dann tatsächlich mit dem...

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