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E-Book

Männer haben keine Probleme. Männer lösen Probleme. Das ist das Problem

AutorMartin Koschorke
VerlagKreuz
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl192 Seiten
ISBN9783451801884
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis4,99 EUR
Männer sind eher aufs Problemlösen, Organisieren, und Machen gepolt. Frauen dagegen geht es in der Partnerschaft oft einfach nur ums Zuhören, ums Anteilnehmen, um Empathie. Wenn er nach einem anstrengenden Arbeitstag endlich zu Hause ist, verlangt ihn nur noch nach einem Bier und Fernsehen. Sie aber will reden und sich mit ihm austauschen. Das kann zu Konflikten führen. Der erfahrene Paartherapeut zeigt, wie Paare trotz ihrer unterschiedlichen Wirklichkeitswahrnehmung zu einem glücklichen Zusammenleben finden können.

Martin Koschorke, geboren 1939, Studium der Theologie, Philosophie, Soziologie und Psychologie. Er hat verschiedene beraterisch-therapeutische Ausbildungen und war von 1967-2004 als Eheberater, Familientherapeut und Supervisor tätig.

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Leseprobe

3
Überleben


Beide wollen überleben. Darum geht es.

Schon vor der Geburt. Jeder wächst erst einmal im Mutterleib heran. Noch ist der neue Mensch nicht fertig. Zu Beginn könnte er ohne Mutter nicht überleben. Sie trägt ihn. Sie nährt ihn. Sie wärmt ihn. Sie schützt ihn. Das heranwachsende Menschenleben schwingt mit in den Tätigkeiten und Bewegungen der Mutter. Auf sie ist er eingestellt. Er kennt ihren Geruch. Zwangsläufig hat er teil an ihrem Leben. Ihre Nahrung ist seine Nahrung. Ihre Erfahrungen werden zu seinen Erfahrungen. Er bekommt mit, wie ihr Herz schlägt, ob sie unter Stress steht oder locker drauf ist, ob eine gewalttätige Partnerbeziehung sie ängstigt, ob sie aufgeregt ist oder vergnügt. Genauso bekommt er mit, was sie mag und was nicht. Ob sie eher Rockmusik hört oder Mozart, denn nach der Geburt kommt ihm vertraut vor, was ihm schon vor der Geburt zu Ohren kam. Ob sie sich ausreichend bewegt oder übergewichtig ist. Ob sie raucht oder trinkt, ob sie Hormone, Drogen oder Medikamente schluckt, ob sie für die Dauer der Schwangerschaft auf ihren geliebten Kaffee verzichten kann, wie die Ärzte raten. Denn ihr Blut – und Gift – durchspült auch seinen Körper und sein im Aufbau begriffenes Gehirn, fördert oder schädigt dessen Entwicklung. Er bekommt auch mit, ob sie sich ihm zuwendet und sich mit ihm unterhält, solange er noch drinnen ist.

Irgendwann ist es dann so weit. Es wird zu eng im Mutterleib. Geburt ist oft mit Stress verbunden. Ein erstes Sich-voneinander-Lösen steht an. Heranwachsen hat unvermeidlich Verlassen zur Folge, Trennungen, die befreien, damit beide gut überleben können. Die Natur schickt Boten aus, Stoffe. Als Gastgeschenk lösen sie bestimmte Wirkungen aus. Wie zum Beispiel das Hormon Oxytocin, ein Neuropeptid und Neurotransmitter. Es stiftet Vertrauen, senkt Blutdruck und Stress. Es löst die Wehen aus, den Beginn der Geburt. Es sorgt für den Milchfluss in den Brüsten und somit für die Ernährung des Säuglings. Es bringt die wohlwollenden Gefühle zustande, die die Mutter – wie den Vater – an gerade dieses Neugeborene binden.

Auch nach der Geburt lebt der Säugling meist erst einmal überwiegend in der Lebenswelt seiner Eltern, seiner Familie, wie in einer Truhe. Seine Gene, die Persönlichkeitsausstattung, die er als Erbe mitbringt, sind, wie man heute weiß, zum Zeitpunkt der Geburt noch nicht endgültig festgelegt. Die Umwelt beeinflusst und aktiviert sein genetisches Erbe. Die Atmosphäre, in die er eintritt oder hineingerät, die Empfindungen und Gefühle in Mutter und Vater, zwischen ihnen, zwischen den Geschwistern und anderen Menschen, die den Säugling umgeben, werden zur Grundlage seiner eigenen Empfindungen und Gefühle. Er nimmt auf, was er dort zu spüren, zu hören, zu sehen, zu riechen, zu schmecken bekommt. Ihre Welt wird seine Welt. Ihre Erfahrungen werden seine Erfahrungen oder lösen seine Erfahrungen aus.

Existenzielles Geschrei


Kommt die Mutterbrust oder das Fläschchen normalerweise angerannt, wenn ich rufe, oder muss ich erst lange schreien (und Angst haben, dass ich umkomme)? Bin ich von aufmerksamer Zuwendung umgeben? Oder muss ich von klein auf selber dafür sorgen, dass man mich beachtet? Muss ich mir mein Lebensrecht durch dauerhaft lautstarkes Brüllen gar erkämpfen (und dabei Todespanik erleiden)? Die frühen Erfahrungen legen, wenn sie sich wiederholen, erste Spuren im jungen, noch nicht voll entwickelten Gehirn. Später, als Kind, als Jugendlicher, als Erwachsener werden meine Empfindungen wie von selbst auf diesen einmal angelegten Autobahnen entlangfahren. Ganz selbstverständlich werde ich erst einmal die Aufmerksamkeit erwarten, die ich früh erfahren habe. Ich werde davon ausgehen, dass sich die angenehme oder unangenehme Zuwendung wiederholt: Habe ich früh überwiegend positive Streicheleinheiten erhalten, so werde ich wieder mit ihnen rechnen. Habe ich viel Negatives erlebt, so bin ich zunächst darauf eingestellt, dass sich das ebenfalls wiederholt. Ohne Luft kann man nicht atmen. Ohne Beachtung, Aufmerksamkeit, ohne ein Mindestmaß an Zuwendung kann kein Mensch überleben. Besser schlechte Luft als gar keine. Besser miese Atmosphäre als luftleerer Raum. Notfalls sorge ich dann eben selber dafür, dass die Atmosphäre mies wird oder bleibt. Das ist eine Frage des Überlebens.

Rund um die Bedürfnisse des kleinen Menschen, rund um seine Erfahrungen, wie auf diese Bedürfnisse geantwortet wird, bildet sich sein erstes Weltbild. Kann ich in Ruhe schlafen? Laufen im Hintergrund ständig Familiengeräusche oder der Fernseher? Warum erlösen die Eltern mich nicht von den heftigen Schmerzen der ersten Zähne, wo sie doch sonst so gut verstehen, was ich brauche? Wo ich doch so laut schreie, was bisher immer geholfen hat?

Ich bin in einer Welt gelandet, die mir – meist unausgesprochen – Fragen stellt: Darf ich als Junge überhaupt Schmerzen empfinden, oder sollte ich nicht so zimperlich sein? Darf ich als Mädchen genauso unbefangen herumtoben wie mein Bruder, oder muss ich eher darauf achten, ob Mama Hilfe braucht? Vom ersten Tag meines Lebens an dringt in die mich bergende Welt meiner Familie auch die Außenwelt ein: Sitten, Traditionen, wer mich wann wie mit welchen Worten kontrolliert oder in den Schlaf singt, bis hin zu Spielzeuggewohnheiten, Zuschreibungen, wie ich als Frau oder Mann im Leben einmal zu sein haben werde, Konsumterror: Mädchen rosa, Jungen blau. Überraschend schnell hinterlässt all das seine Spuren auf der noch ziemlich unbeschriebenen Festplatte meines Gehirncomputers und setzt sich dort in Schaltkreisen fest. Unweigerlich.

Inzwischen kann das Kleinkind krabbeln. Alleine vorwärts kommen oder nach hinten robben – ein überwältigendes Erlebnis. Neugier drängt zu neuen Abenteuern, das Kind ergreift alles, steckt alles in den Mund. Noch weiß der kleine Welteroberer nicht, was erlaubt ist und was nicht, was gut ist oder schlecht. Aber das lernt sich schnell. Mama oder Papa blicken nicht hin oder sagen nichts, das bedeutet: Ich kann weitermachen, ich empfinde es als erlaubt. Mama oder Papa schauen so komisch: Da wird es heikel. Denn mit Mama oder Papa will ich es nicht verderben. Das könnte bedrohlich werden. Wenn Mama oder Papa nicht mehr freundlich gucken, droht Gefahr. Dann bin ich verloren.

Haben Sie im Frühling oder Frühsommer einmal eine Schafschur erlebt? Die Mutterschafe werden geschoren und dazu vorübergehend von ihren Lämmern getrennt. Ist das ein Geblöke! In tiefer Tonlage die Muttertiere, in letzter Verzweiflung die hohen SOS-Rufe der Lämmer: »Hilfe, ich gehe unter! Ohne Mutter bin ich verloren! Ich bin von meiner Mutter getrennt, ich sterbe!« Zwei Stunden später haben Lämmer und Mutterschafe wieder zueinander gefunden und grasen in Frieden.

Tierforscher wie Konrad Lorenz berichten: Wir könnten Gössel in eine Schüssel mit Nahrung setzen – die Gänseküken würden dort verhungern, ohne richtige Gänseeltern oder ohne einen Gänseeltern-Ersatz. Frisch geschlüpfte Kleingänse ohne den Kontakt zu den Eltern sind existenziell gefährdet. Daher unternehmen sie gewöhnlich nichts, »was sie in Gefahr bringen könnte, den dichten Kontakt zu ihren Eltern zu verlieren. Ist eine solche Trennung tatsächlich einmal eingetreten, so gibt es für das Gänsekind nichts Wichtigeres, als seine Eltern wiederzufinden: Es läuft mit allen Anzeichen äußerster Erregtheit umher, wobei es lauthals ›weint‹, das heißt in stereotypem Rhythmus hohe, erstaunlich durchdringende Pieplaute ausstößt, deren Funktion es offensichtlich ist, die Eltern zu alarmieren und diesen bei der Suche nach dem Kind als Orientierungshilfe zu dienen. Die Eltern antworten übrigens ihrerseits mit einer korrespondierenden Lautäußerung, und so findet die Familie schließlich wieder zusammen.

Misslingt dies, so ist das Gössel dem Untergang geweiht: Auch wenn es nicht irgendeinem Räuber zum Opfer fällt, muss es zugrunde gehen, da es sämtliche lebensnotwendigen Verrichtungen, wie Fressen und Körperpflege, vernachlässigt: Der Drang, bei den Eltern zu sein, ist so übermächtig, dass er keine andere Motivation neben sich aufkommen lässt … Von den Gänseeltern wird im vollen Wortsinn das erwartet, was man im Angelsächsischen einen ›full time job‹ nennt. Sie haben eben wirklich nichts anderes zu tun, als sich um die Kinder zu kümmern: es gibt weder berufliche noch gesellschaftliche Verpflichtungen, die dabei ablenken könnten« (Bischof 1994, S. 19f.).

Menschen im Säuglings- und Kleinkindalter sind viel mehr auf ihre Eltern angewiesen als Gössel und Lämmer. Am Anfang sind sie ja nicht einmal in der Lage, sich selber zu wärmen, zu ernähren oder sauber zu halten. Kein Wunder, sie bereiten sich ja auch nicht auf ein Gänse- oder Schafleben vor, sondern auf ein Leben als Mensch. Das ist weit komplizierter, dazu braucht man ein wesentlich differenzierteres Gehirn und einen zu den verschiedensten Aktivitäten fähigen Körper. Beides benötigt Jahre, um sich bis zu voller Funktionsfähigkeit auszubilden.

Dann gibt es noch einen wichtigen Unterschied. Sich um die Kinder zu kümmern ist für menschliche Eltern heute nur ganz kurzfristig und vorübergehend ein full time job. Menschliche Eltern haben jede Menge anderer Verpflichtungen. Sie haben einen oder mehrere Jobs. Sie sollen den verschiedensten gesellschaftlichen Erwartungen entsprechen. Zu allem Überfluss haben sie auch noch eigene Interessen. Da reicht es nicht, »Piep, piep, piep!« zu machen. Will man als Kleinkind Zuwendung und Aufmerksamkeit auf sich lenken, muss man sich schon etwas einfallen lassen. Sonst geht man unter.

Durchhalten, Nerven sägen


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