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E-Book

Major Zeman als Fernsehserie und in Erzählungen J. Procházkas

AutorSteffen Retzlaff
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl51 Seiten
ISBN9783640294411
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis6,99 EUR
Bachelorarbeit aus dem Jahr 2008 im Fachbereich Russistik / Slavistik, Note: 1,3, Technische Universität Dresden, 63 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Die Fernsehserie T?icet p?ípad? majora Zeman, in den 1970er Jahren vom Tschechoslowakischen Staatsfernsehen geplant und realisiert, präsentiert in 30 Folgen die Geschichte der Sicherheitsorgane und der Nachkriegstschechoslowakei der Jahre 1945 bis 1973. Begeleitet wurde sie von zahlreichen Buchpublikationen, von denen die wichtigsten von Ji?í Procházka verfasst wurden. Im Jahre 1989, also im letzten Jahr seines Bestehens, veröffentlichte der Militärverlag der Deutschen Demokratischen Republik einen Band mit Erzählungen Procházkas unter dem Titel Die Fälle des Majors Zeman. Die gleichnamige Fernsehserie war bereits einige Jahre zuvor im Fernsehen der DDR ausgestrahlt worden. Es dürfte damals bereits einigen Lesern befremdlich vorgekommen sein, in einer Zeit, in der lange tabuisierte Themen erstmals diskutiert und literarisch verarbeitet werden konnten, einen Band mit durchweg ideologisch- politischen Erzählungen Händen zu halten. Umso befremdlicher sind sie dem heutigen Leser. Die Existenz dieser Übersetzung aber gab den Anstoß zur weiteren Beschäftigung mit der Major-Zeman-Welt, das heißt vor allem mit jenem Teil, der dem deutschen Publikum bis auf wenige Ausnahmen unbekannt blieb. So den nicht übersetzten Werken Procházkas, der Entstehungsgeschichte der Serie oder den Diskussionen um ihre Wiederausstrahlung Ende der 1990er Jahre. Die vorliegende Arbeit zeigt die ersten, zusammenfassenden Ergebnisse dieser Beschäftigung und soll den Beginn der weiteren Auseinandersetzung mit der Literatur und Populärkultur der Zeit der Normalisierung in der Tschechoslowakei markieren. Der Begriff Normalisierung steht in diesem Zusammenhang zunächst für den ganzen Zeitabschnitt nach der Intervention der Armeen des Warschauer Paktes in der Tschechoslowakei bis zur Wende des Jahres 1989. Thematisch ist vor allem der Bezug auf die krisenhaften Jahre, so der Prager Frühling im Sprachjargon der Normalisierung, nach deren Beendigung von Interesse. Es galt, die Nachkriegsjahre im Sinne des neuen alten Regimes zu interpretieren. Zu diesem Bestreben trugen die Fernsehserie wie auch die Erzählungen Procházkas entscheidend, weil massenwirksam, bei. Um einen Überblick über alle Produkte der Major-Zeman-Welt zu ermöglichen, werden im ersten Abschnitt die Serie und ihre Prosa vorgestellt und in die Zeit eingeordnet. Einige Eckpunkte der Diskussion um die Serie werden ebenfalls vorgestellt.

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Leseprobe

2. Jiří Procházka: Hon na lišku

 

2.1. Inhalt und Struktur der Erzählung

 

Die Erzählung ist in neun, fortlaufend nummerierte Abschnitte von unterschiedlicher Länge    (vier bis zehn Seiten) gegliedert. Diese Abschnitte sind zum Teil durch Absätze unterteilt, zumeist wenn sich der Handlungsort ändert. Das Geschehen wird in Anhang 2 zusammenfassend nachvollzogen.[93]

 

Es zeigen sich zwei Geschehensstränge: Einer den man als (historische) Erzählung der Ereignisse im Februar 1948 auf dem Lande bezeichnen könnte und eine im weitesten Sinne Kriminal- bzw. Spionageerzählung um den SS-Mann und vor allem den illegalen Sender im Grenzgebiet. Die zwei Schlusspointen, dass der Unbekannte Mitglied der Sicherheitsorgane ist und der Polizeioberste den Sender benutzte, um gegen die Kommunisten zu arbeiten, bringen beide Stränge zusammen. Neben diesem Geschehen werden die Seiten der Erzählung aber vor allem dadurch gefüllt, dass die handelnden Figuren beschrieben werden in ihrem Denken, Fühlen, ihrer Vergangenheit. Diese Passagen haben den größten Anteil an der Konstruktion der ideologischen Aussage(n) und Botschaft des Textes. Die Komposition des Textes lässt sich mit Uspenskijs Theorie des Standpunktes aufzeigen, denn die ideologische Wertung[94] erfolgt „ […] ausschließlich von einem einzigen (dominierenden) Standpunkt aus. Ihm sind alle übrigen des Werkes untergeordnet […]“[95] Es existiert eine „ […] ideologische Bewertung von abstrakten Positionen aus […], die sich grundsätzlich außerhalb des gegebenen Werkes befinden […]“[96] Dass sich somit aber auch keine verschiedenen Standpunkte auf der Ebene der Ideologie in einem verwickelten Beziehungsnetz verbinden,[97] macht es einfacher die Ausdrucksformen, die Arten der Standpunktdarstellung der einzelnen Figuren, zu untersuchen. Der ideologische Standpunkt äußert sich nämlich nach Uspenskij zumeist in Formen der Redecharakteristik mit phraseologischen Mitteln,[98] mit denen die Personen, auf die sich bestimmte Merkmale beziehen, charakterisiert werden oder indem konkrete Positionen benannt werden.[99]  Beides geschieht in den genannten Passagen, die außerhalb des Geschehens stehen und zu diesem auch kaum beitragen. Ein auktorialer Erzähler übernimmt diese Personenbeschreibungen, gibt sie aber verschiedentlich ab in Passagen innerer Monologe.[100] Da diese Charakterisierungen der Figuren sich einfacher sprachlicher Mittel bedienen lässt sich nachfolgend durch Beschreibung von Inhalt und Erzählvorgang das weltanschauliche Menschenbild der Erzählung und damit des Autors nachvollziehen. Die den Figuren zugeschriebenen Eigenschaften lassen sie in der fiktiven Welt der Erzählung  zwangsläufig auf bestimmte Arten handeln und bilden in dieser Bindung an das Geschehen das ideologische Geschichtsbild ab, das transportiert werden soll. Die erzählte Zeit ist zeitraffend gestaltet, da sich das Geschehen über mehrere Tage erstrecken, die genannten Unterbrechungen des Geschehens haben aber einen zeitdehnenden Effekt. Die Erzählräume sind allesamt in oder nahe einer fiktiven Kleinstadt nahe der Grenze zu finden. Verschiedene Hinweise lassen erkennen, dass es sich um die Westgrenze zur Bundesrepublik handeln soll.

 

2.2. Ebenen und Methoden  ideologischen Erzählens in Hon na lišku

 

2.2.1. Positive Figuren

 

Mit 17 ist die Zahl der Figuren in Hon na lišku für eine kurze Erzählung relativ hoch. Obwohl unterschiedlich oft auftretend und verschieden intensiv beschrieben, halten sich zahlenmäßig die Figuren beider Seiten die Waage, nämlich genau je acht. Positive Figuren sind Bohumil Kříž, Marie Křížková, Josef Svoboda, Blanka Svobodová, Karel Mutl, Jan Zeman, Lojza Bártík und Vydra. Negative Figuren sind Ingenieur Čadek, Inka, Brunclík,[101] Kristek, Pavel Bláha, Hans Jäger, Robert Čadek und Max. Der Unbekannte, und vor allem auf welcher Seite er steht, bleibt bis kurz vor Ende der Erzählung offen, einerseits um Spannung zu erzeugen,[102] andererseits zeigt seine Enttarnung als Guter letzten Endes die Überzahl positiver Figuren an. Die positiven Figuren sind bis auf Vydra alle Kommunisten und bis auf Zeman alle Mitglieder der Kreisleitung der Kommunistischen Partei. Die ersten vier der oben genannten werden dem Leser kurz vorgestellt durch die Gedanken Čadeks während seiner Ansprache auf dem Ball.[103]

 

Am deutlichsten beschrieben wird natürlich der Titelheld Jan Zeman. Bevor der Leser von dessen Vorleben und Vorzügen erfährt, treten er und sein Rivale in Sachen Brautschau, Karel Mutl, gleichzeitig auf.[104] Letzterer hat Heimvorteil und kann Zeman mit dem Streich um das Lied[105] auflaufen lassen. Diese erste private Niederlage Zemans hat verschiedene Zwecke. Sie ist einmal Anlass zu Zemans Reflektionen, die den Rahmen bieten, seine Vorgeschichte zu erzählen und weist andererseits auf die Schwere seines Loses hin, fern der Heimat Dienst für das Vaterland zu tun,[106] aber auch über diese Erzählung hinaus.[107] Der Leser erfährt in diesem inneren Monolog, dass Zeman nun seit drei Jahren Dienst im Grenzgebiet verrichtet, obwohl er lieber an seiner Werkbank - Er ist also eigentlich Arbeiter - in der heimatlichen Vysočina  wäre und dass er durch seinen Mitgefangenen aus dem KZ für die Sicherheitsorgane geworben wurde, nachdem sein Vater in den ersten Friedenstagen von einem ehemaligen Kollaborateur ermordet worden war. Einzig Bohumil Kříž kann sich zwei Abschnitte später ebenfalls in solch einem inneren Monolog selbst vorstellen, ins Geschehen eingebettet in die außerordentliche Sitzung der Kreisleitung der KSČ.[108] Seine Biografie sieht folgendermaßen aus: Nach der Rückkehr von der Zwangsarbeit[109] suchte er sich das Grenzstädtchen als Arbeitsort zum Aufbau neuer Parteistrukturen aus. Dort war er mit Svoboda der einzige Kommunist. Dessen Biografie wird nun integriert. Er war mit seiner Frau im KZ, die aus diesem nicht zurückkehrte. Nach Kriegsende zog er mit seiner Tochter Blanka ebenfalls ins Grenzgebiet um beim Aufbau zu helfen.[110] Innerhalb dieser positiven Figuren findet somit bereits eine Hierachiesierung durch die Wahl der Erzählperspektive statt. Das Vorecht, die Menschen einzuschätzen und zu führen hat der Vorsitzende Kříž im Geschehen und im Erzählen. Inhaltlich weisen die größten Gemeinsamkeiten dann auch Kříž, Svoboda und Zeman auf. Alle drei waren Opfer der deutschen Okkupation und entschieden sich nach der Rückkehr nicht in die Heimat sondern ins Grenzgebiet zu gehen, um dort dem Aufbau der Nachkriegstschechoslowakei zu dienen, Kříž als Fuktionär, Svoboda in der Fabrik[111] und Zeman als Polizist. Alle drei Figuren entsprechen mit ihren im Muster gleichen Lebensläufen den Heldentypen der Tschechoslowakei seit 1948, wie sie von Heumos und Brenner beschrieben wurden: „Die Heldenwelt der fünfziger Jahre bewohnten […] vor allem drei Heldentypen: Es gab die Helden des Widerstands gegen die nationalsozialistische Okkupation […] Zahlreich waren auch die Helden der Aufbaugesellschaft: Menschen, die das Grenzland wiederbesiedelten […] Und selbstverständlich gab es die Helden – seltener Heldinnen – der Arbeitswelt: […]“[112] Jede dieser drei Figuren vereinigt gleich zwei, nämlich die ersten beiden Typen in sich. Bei Zeman kommt noch der Mythos der Jugend und Schönheit hinzu: „A přitom nebyl o nic horší než oni [Die anderen Jünglinge - SR]. Urostlý, v bocích štíhlý a v hrudi mohutný a svalnatý, s mírně zvlněnými vlasy a s tvaří, která byla slovansky kulatá a kterou neustále prosvětloval trochu chlapecký usměv.[113] Mit Blanka, die ihre Mutter im KZ verlor und im Mai 1945 winkend die Panzer der Roten Armee begrüßte,[114] teilen sie eine Leidensgeschichte, die ihr Handeln anzutreiben scheint.[115]

 

Ebenfalls wird die Klassenzugehörigkeit der positiven Figuren herausgestellt. Zeman war vor dem Krieg Arbeiter in einer Fabrik, Mutl ist Dreher in der Waffenfabrik, Svoboda dort Meister, Kříž´ Frau Marie steht an einer Maschine mit Brunclíks Frau. So werden auch die anderen Kommunisten einbezogen, denn all ihr Handeln scheint von ihrer Klassenzugehörigkeit determiniert zu sein.[116] Im inneren Monolog Kříž´ erfährt der Leser zudem, dass Blanka […] je to ještě mládě vyjevené, které myslí spíš na kluky než na politiku. Dospěla tady v soudružském prostředí, má po tátovi dobrý kořen.“ und der „větroplach Karel Mutl“: „Je ctižádostivý, neklidný, má trošku toulavé nohy, je to rváč, furiant, ale jinak řemeslník k pohledaní můžeš ho postavit k jakékoliv práci a ví si rady. A je to ryzí srdce, je otevřeny, pocitivý k lidem.“[117] Eine Vorgeschichte von Mutl und Zemans Helfer Bartík findet sich aber nicht. Vielmehr charakterisieren sich diese Figuren über die direkte Rede.[118]  Die Wirkung ist ein weiterer Distanzaufbau, denn „Die naturalistischen Reproduktion fremdsprachiger oder ungeordneter Rede unterstreicht die Distanz zwischen dem Standort der sprechenden Handlungsfigur und dem des sie beschreibenden Beobachters,...

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