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Mangelnde Disziplin im Klassenzimmer? Herausforderungen an die Professionalisierung des Lehrpersonals

AutorDavid Günther
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl71 Seiten
ISBN9783668050730
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Bachelorarbeit aus dem Jahr 2014 im Fachbereich Pädagogik - Berufserziehung, Berufsbildung, Weiterbildung, Note: 12 Punkte, Justus-Liebig-Universität Gießen (Berufliche und Betriebliche Bildung), Sprache: Deutsch, Abstract: Die vorliegende Bachelorarbeit befasst sich im Kern mit der Frage, welche Merkmale zu einer professionellen Lehrkraft gehören. Sie untersucht dazu, inwieweit die Lehrerprofessionalität von Autorität, Disziplin und Handlungskompetenz abhängig ist und ob diese für die Bewältigung von Unterrichtsstörungen für die professionelle Lehrkraft notwendig sind. Der Autor gibt darüber hinaus einen Überblick über Möglichkeiten zur Prävention und Eingriffsmöglichkeiten bei Unterrichtsstörungen.

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Leseprobe

2. Disziplin – Probleme im Unterricht


„Der am häufigsten anzutreffende Faktor, der zum Versagen eines Lehrers führt, ist seine Schwäche oder sein Unvermögen, die Disziplin im Klassenzimmer aufrechtzuerhalten.“[45]

 

Lehrer haben zunehmend das Problem mit Lernenden zurechtzukommen. Hierzu gehören Disziplinprobleme, unmotiviertes Lernverhalten und soziale Störungen. Es ist dort schwieriger zu unterrichten, wo sich kleine Störungen häufen und große Störungen nicht mehr zur Ausnahme zählen. Hier wird das Lehren und Lernen sehr mühsam oder schlimmstenfalls sogar sinnlos.[46] Mangelnde Disziplin im Klassenzimmer ist einer der häufigsten Belastungsfaktoren für Lehrkräfte.[47]

In einer Schulklasse Disziplin herzustellen oder wiederherzustellen ist die schwierigste pädagogische Aufgabe. Leider werden angehende Lehrkräfte hierfür zu wenig vorbereitet. Für die Herstellung und Aufrechterhaltung von Unterrichtsdisziplin ist professionelles, pädagogisches Handeln notwendig.[48] Wo liegen die Ursachen für die gegenwärtige Problematik? Kann hierfür fehlende Handlungskompetenz der Lehrkräfte für das Fehlverhalten der Lernenden und dem Mangel an Disziplin verantwortlich gemacht werden? Oder werden die Kinder im Elternhaus kaum noch erzogen? Was bedeutet eigentlich das Wort „Disziplin“ und warum wird es heute derart gemieden? Diese Fragen sollen in diesem Kapitel beantwortet werden.

2.1 Der Begriff „Disziplin“


Das Wort „Disziplin“ stammt aus dem Lateinischen und wurde so in unseren Sprachgebrauch übernommen. Allerdings unterlag es auch hier im Laufe der Zeit einem Bedeutungswandel. Viele Menschen – Erzieher wie Eltern – verbinden das Wort „Disziplin“ mit Kontrolle und Besserung durch Strafmaßnahmen. Viele setzten es gleich mit körperlicher Strafe, strikter Unterwerfung unter Regeln, Reglementierung und autokratischer Autorität.

„Diszipulus“ bedeutet übersetzt Schüler, „disciplina“ Unterricht, Lehre und Wissenschaft. Oftmals wird der Begriff der „Disziplin“ auch mit der Benennung von Teilgebieten verwendet. Erst im Spätlatein erhielt der Begriff „disciplina“ auch den Sinn von „Ordnung“ und „Zucht“.

Mit dem Oberbegriff Disziplin meint man, in der pädagogischen Sichtweise, den Einfluss einer aufgestellten Ordnung und Regelung des Lebens auf die Bildung der ihr unterworfenen Personen. Diszipliniert ist demnach der, der die normativen Satzungen eines Sozialgebildes einhält.[49]

Disziplin ist eine sittlich wertvolle Eigenschaft, die auf Ordnung oder Unterordnung abzielt. Es muss hierbei die Fremddisziplin von der Selbstdisziplin unterschieden werden. Das Ausmaß der Disziplin wird durch den kulturellen Hintergrund, den historischen Ereignissen, der gesellschaftlichen Dynamik und durch aktuelle gesellschaftliche Verhältnisse fremd- oder selbstbestimmt.[50]

2.2 Disziplin in der deutschen Geschichte


Warum ist Disziplin ein belasteter Begriff? Die gegenwärtige Problematik ist die Folge des Geschehens in der deutschen Geschichte und ist deshalb aus diesem Themengebiet nicht wegzudenken.

Der Begriff „Disziplin“ wurde in der Vergangenheit und insbesondere in der Zeit des Dritten Reichs zeitgeistlich belastet. In dieser Zeit wurden die Schulen als Drill- und Paukschulen geführt. Die Leistungen der Lernenden wurden sehr negativ bewertet. Aufgrund ihrer Unterdrückung kam es sogar vor, dass sich Schülergewalt an Lehrpersonen richtete. Im 20. Jahrhundert hat sich die pädagogische Arbeit im Vergleich zu den vorherigen Epochen stark professionalisiert. Für die Bildung wird mittlerweile mehr Geld ausgegeben. Die Schule ist nun zum Verteiler von Lebenschancen geworden.

Trotzdem wurde die Schule während des wilhelminischen Reiches als Vorschule der Kaserne bezeichnet. Die Disziplin bildete hierbei das Fundament, auf dem der Staat und das Heer aufgebaut werden konnten. Die Schuldisziplin wurde von den Lernenden jedoch genauso oft gebrochen wie in den vorherigen Jahrhunderten.[51] Die Offiziere, die traditionsgemäß fast ausschließlich aus dem Adel kamen, waren auf die Einhaltung der Disziplin stolz.[52] „[Diese] beruhte auf die Anerkennung der Obrigkeit und der Hierarchie, auf Befehl und Gehorsam, Führung und Unterordnung, Drill und Uniformierung.“[53] Es lässt sich die Feststellung treffen, dass die Mitglieder der herrschenden Schicht die unteren sozialen Schichten disziplinierten. Diese mussten sich mit dem Existenzminimum begnügen.

In den zwanziger Jahren gab es mehrere Reformansätze, die sich nach dem Kind und an die Lernenden mit ihren Lernmöglichkeiten und Lernbedürfnissen richteten. Diese Schulreformer wollten die Bevormundung und Fremddisziplinierung der Lernenden beseitigen und diese zur Selbstständigkeit und Selbstverantwortung führen. Die Ausführung dieser Reformen ging jedoch sehr langsam voran.

Im nationalsozialistischen Reich verlangten die Machthaber wiederum totale Disziplin. Diese bestand aus zahlreichen Regeln und Ordnungen. Die Einhaltung dieser Ordnungen wurde strengstens überwacht und kontrolliert. Wer den absoluten Führungsstil und Machtanspruch in Frage stellte oder gar missachtete, wurde oft von der geheimen Staatspolizei in Prügelkeller gefoltert oder in Arbeits- und Konzentrationslager verschleppt. Die damaligen Erziehungsideale waren Disziplin, Treue, Dienst, Gehorsam, Einsatzbereitschaft, Willens- und Entschlusskraft sowie Opferbereitschaft für Führer, Volk und Vaterland. Disziplin wurde sowohl von Frontsoldaten als auch Millionen Zwangsarbeitern und Häftlingen und natürlich auch von den Kindern in den Schulen verlangt.[54]

Diese historischen Gegebenheiten führen heute leider oft dazu, dass Disziplin sofort in Einklang mit der damals vorherrschenden Fremddisziplin gebracht wird. Eine zeitgemäße Disziplin ist jedoch sehr hilfreich bzw. notwendig, um erfolgreich unterrichten zu können.

2.3 Disziplin – ein belasteter Begriff


„Über Disziplin zu sprechen ist nicht sehr populär. Dieses Wort hat für manchen einen Beigeschmack von äußerst rigider Weltanschauung und dementsprechend rigidem Vorgehen.“[55]

Seitdem Zweiten Weltkrieg hat sich unser Denken über die Disziplin verändert. Aus der deutschen Geschichte ist zur erkennen, dass Disziplin der Untergeordneten oft maßlos ausgenutzt wurde. Aus diesem Grund bringt man diesem Begriff seit über 40 Jahren aus Sicht der Erziehungswissenschaft viel Skepsis entgegen, was natürlich auch seine Gründe hat. Absoluter Gehorsam hat in der Vergangenheit viel Schaden angerichtet. Stanley Milgram hat mit seinem Experiment zur Gehorsamsbereitschaft gezeigt, dass Menschen gegenüber einer Autorität gehorsam sind auch wenn sie damit anderen Menschen Schaden zufügen.[56] Diese Art von Gehorsam wurde in der Vergangenheit insbesondere bei Diktaturen angewandt und hat sich als schädlich erwiesen.

Die Einhaltung der Disziplin war jahrhundertelang die zentrale Aufgabe der Lehrperson. Scheiterte diese Aufrechterhaltung wurden solche Lehrkräfte als keine „richtigen“ Lehrer bezeichnet und galten als ungeeignet. Der Begriff „Disziplin“ wurde nach 1968 weitgehend gemieden, da in dieser Zeit eine Wende bezüglich des Verständnisses der Disziplin stattfand.

Die damalige Auffassung von Disziplin als solche gibt es in den heutigen Schulen nicht mehr. Dies kann als ein enormer Fortschritt in der Erziehungswissenschaft betrachtet werden. Es bringt jedoch auch seine Schattenseiten mit sich. Damit soll die damalige Art von Disziplin keinesfalls als professionelle Erziehung bezeichnet werden. Wie bei so vielen anderen Problemen zeigt es sich auch hier, dass man oft dazu neigt von einem Extrem ins andere zu stürzen und nicht den optimalen Mittelweg zu finden. In den heutigen Schulen besteht aufgrund von Disziplinschwierigkeiten[57] zunehmend das Problem keinen erfolgreichen Unterricht mehr durchführen zu können.

Buebs Bestseller „Das Lob der Disziplin“ stößt bei vielen Erziehungswissenschaftlern auf scharfe Kritik. Er beschreibt die gegenwärtige Misere und fordert eine vorbehaltlose Anerkennung von Disziplin.[58] Arnold verweist Buebs Reformansätze mit dem Titel seiner Publikation ins Reich des Aberglaubens.

„Disziplin“ ist […] ein traditionsbelasteter Begriff, und es ist eine durchaus problematische Tradition, die mit ihm fort- und wieder auflebt. Er entstammt dem Kasernenhof und der Vorstellung des „unbedingten“ Gehorsams. […] Es ist ein Erleichterungsbegriff – gerade für gestresste Erzieher, Eltern und Lehrer. „Disziplin“ geht nämlich mit einem heimlichen Versprechen einher, dem Versprechen, endlich Handlungsgewissheit, Wirksamkeit und Ruhe zu schaffen. Ein Lob der...

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