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Manifest & Muster. Das Haus am Horn von Georg Muche und das Schröderhaus von Gerrit Rietveld als zwei realisierte Architekturvisionen der Moderne im Vergleich

AutorSonja Stadje
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl105 Seiten
ISBN9783656948438
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis31,99 EUR
Masterarbeit aus dem Jahr 2014 im Fachbereich Kunst - Architektur, Baugeschichte, Denkmalpflege, Note: 1,3, Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) (Kulturwissenschaftliche Fakultät, Masterstudiengang Schutz Europäischer Kulturgüter), Sprache: Deutsch, Abstract: In dieser Arbeit werden zwei kleine Häuser miteinander verglichen: das Haus am Horn in Weimar, das im Jahr 1923 durch Georg Muche entworfen wurde, und das Schröderhaus in Utrecht, das Gerrit Rietveld 1924 plante und erbaute. Hinter beiden Häuser steht jeweils eine einflussreiche avantgardistische Strömung der Klassischen Moderne der 1920er Jahre, die mit allen bisherigen Traditionen brach: die Künstler der Gruppe De Stijl mit Wurzeln in den Niederlanden und die deutsche Hochschule für Gestaltung mit dem vollen Namen Staatliches Bauhaus in Weimar. Ein Vergleich muss hier, um dem Gegenstand gerecht zu werden, in beiden Fällen über die reine Beschreibung und Analyse der Architektur mit ihren Gemeinsamkeiten und Unterschieden hinausgehen. So ist das Haus am Horn nicht nur ein 'kleiner weißer Würfel'; es ist auch das erste Haus, an dem das Bauhaus sein Programm des 'großen Baus' unter Beteiligung aller künstlerischen Disziplinen in Form seiner Werkstätten umsetzen konnte. Das Schröderhaus ist gleichwohl nicht nur das bunte Zuhause, das sich die junge Witwe Truus Schröder bauen ließ, sondern auch das erste Gebäude, an dem die Prinzipien der Künstlergruppe De Stijl vollkommen realisiert wurden. Daher beschränkt sich diese Arbeit nicht nur auf die Architekturbeschreibung, sondern beleuchtet auch die beiden Gruppen sowie die zugrunde liegenden historischen, gesellschaftlichen und künstlerischen Aspekte. Beide Häuser sind gleich in mehrfacher Hinsicht mit dem Betreten von Neuland verbunden: im Haus am Horn wurde erstmals das Programm des Bauhauses in ein konkretes Bauvorhaben umgesetzt; das gleiche gilt für die Realisierung der gestalterischen Prinzipien von De Stijl im Schröderhaus. Sowohl das Bauhaus wie auch De Stijl hatten ihre Programme 4 beziehungsweise 6 Jahre zuvor in Form eines Manifestes öffentlich verkündet. Beide Gruppen hatten durchaus konkrete Vorstellungen, wie die Zukunft des Bauens auszusehen habe, und den Gebäuden waren in beiden Fällen mehrere Jahre der Theorie und des modellhaften Entwurfes von Architekturvisionen vorangegangen. Die Architekten der beiden Gebäude - der expressionistische Maler Georg Muche und der Möbeltischler Gerrit Rietveld - hatten nie zuvor ein Haus geplant und gebaut. Beiden Häusern haftet der experimentelle Charakter eines 'Versuchs' oder auch 'Musters' an, und beide sind heute nicht nur ein Gegenstand der Denkmalpflege, sondern auch als solcher in die UNESCO-Liste des Welterbes eingetragen.

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Leseprobe

1 Einführung


 

In dieser Arbeit werden zwei kleine Häuser miteinander verglichen: das Haus am Horn in Weimar, das im Jahr 1923 durch Georg Muche entworfen wurde, und das Schröderhaus in Utrecht, das Gerrit Rietveld 1924 plante und erbaute. Hinter beiden Häuser steht jeweils eine einflussreiche avantgardistische Strömung der Klassischen Moderne der 1920er Jahre, die mit allen bisherigen Traditionen brach und - typisch für diese Zeit - die Architektur in ihren „Prozess der Konfrontation und der Klärung“[1] einbezog: die Künstler der Gruppe De Stijl mit Wurzeln in den Niederlanden und die deutsche Hochschule für Gestaltung mit dem vollen Namen Staatliches Bauhaus in Weimar.

 

Ein Vergleich muss hier, um dem Gegenstand gerecht zu werden, in beiden Fällen über die reine Beschreibung und Analyse der Architektur mit ihren Gemeinsamkeiten und Unterschieden hinausgehen. So ist das Haus am Horn nicht nur ein „kleiner weißer Würfel“; es ist auch das erste Haus, an dem das Bauhaus sein Programm des „großen Baus“ unter Beteiligung aller künstlerischen Disziplinen in Form seiner Werkstätten umsetzen konnte. Das Schröderhaus ist gleichwohl nicht nur das bunte Zuhause, das sich die junge Witwe Truus Schröder bauen ließ, sondern auch das erste Gebäude, an dem die Prinzipien der Künstlergruppe De Stijl vollkommen realisiert wurden. Daher beschränkt sich diese Arbeit nicht nur auf die Architekturbeschreibung, sondern beleuchtet auch die beiden Gruppen sowie die zugrunde liegenden historischen, gesellschaftlichen und  künstlerischen Aspekte.

 

Beide Häuser sind gleich in mehrfacher Hinsicht mit dem Betreten von Neuland verbunden: im Haus am Horn wurde erstmals das Programm des Bauhauses in ein konkretes Bauvorhaben umgesetzt; das gleiche gilt für die Realisierung der gestalterischen Prinzipien von De Stijl im Schröderhaus. Sowohl das Bauhaus wie auch De Stijl hatten ihre Programme  4 beziehungsweise 6 Jahre zuvor in Form eines Manifestes öffentlich verkündet. Beide Gruppen hatten durchaus konkrete Vorstellungen, wie die Zukunft des Bauens auszusehen habe, und den Gebäuden waren in beiden Fällen mehrere Jahre der Theorie und des modellhaften Entwurfes von Architekturvisionen vorangegangen. Die Architekten der beiden Gebäude – der expressionistische Maler Georg Muche und der Möbeltischler Gerrit Rietveld – hatten nie zuvor ein Haus geplant und gebaut. Beiden Häusern haftet der experimentelle Charakter eines „Versuchs“ oder auch „Musters“ an, und beide sind heute nicht nur ein Gegenstand der Denkmalpflege, sondern auch als solcher in die UNESCO-Liste des Welterbes eingetragen.

 

Im Folgenden werden im Vorfeld der Architekturbetrachtung zunächst die Kunstströmungen und ihre wichtigsten Protagonisten, die Architekten und der jeweilige Bauanlass detaillierter vorgestellt, um einen umfassenden Einblick in die Zeit und die Häuser als Kinder ihrer Zeit zu vermitteln.

 

Kapitel-Überblick:

 

Das erste Kapitel dieser Arbeit gibt einen Einblick in die geschichtlichen Zusammenhänge: im Teilkapitel 1.1 wird in einem kurzen Abriss die Entwicklung neuer Kunsttendenzen aus den Zerrüttungen des Ersten Weltkrieges geschildet. Im Teilkapitel 1.2 wird die Entwicklung des architektonischen Kontextes dargestellt. Das Kapitel 2 befasst sich detaillierter mit der De Stijl-Gruppe und dem Bauhaus und ihren wichtigsten Programmpunkten und Vertretern. Außerdem werden die Architekten vorgestellt und ihr Verhältnis zu der betreffenden Kunstströmung betrachtet. Kapitel 3 befasst sich näher mit den Bauanlässen zum jeweiligen Gebäude. Den Hauptteil stellt der Vergleich der zwei Gebäude in Kapitel 4 dar: im Teilkapitel 4.1 geht es um den Zusammenhang von Gebäude und Umgebung. Im Teilkapitel 4.2 wird der jeweilige Baukörper näher betrachtet. Im Teilkapitel 4.3 werden die Materialität und die Konstruktion der Häuser verglichen, und im Teilkapitel 4.4 steht der Blick auf die Raumstruktur und die Funktionalität im Fokus. Kapitel 4.5 befasst sich mit der Gestaltung im Inneren und der Farbigkeit. In Kapitel 4.6 findet sich ein Überblick über zeitgenössische Reaktionen auf das jeweilige Gebäude, während Kapitel 4.7 die geschichtliche Entwicklung der Häuser bis in die Gegenwart darstellt und auch die wesentlichen Nutzungen und Umbauten präsentiert sowie die Geschichte der Unterschutzstellung und Restaurierung bis zum heutigen Status als gelistetes Welterbe der UNESCO. Kapitel 5 schildert in Form eines Epiloges den weiteren Werdegang der Architekten, und Kapitel 6 fasst die Ergebnisse dieser Arbeit zusammen und gibt einen Ausblick in die Zukunft.

 

Literatur-Überblick:

 

Generell kann man sich nicht über einen Mangel an Bauhaus-Publikationen beklagen; bei De Stijl sieht die Lage insbesondere im deutschsprachigen Raum etwas anders aus.

 

Das Haus am Horn wurde, nach vielen vorangegangenen Artikeln in Tageszeitungen und Fachzeitschriften, 1925 erstmals umfassend als drittes Buch der Reihe „Bauhausbücher“ publiziert (Meyer 1925). Nachdem das Bauhaus von Weimar nach Dessau umzog, geriet das Haus aus dem Fokus des Interesses und nahezu in Vergessenheit. Erst zu seinem 50. Geburtstag erschien in einer Fachzeitschrift mit  (Behr 1973) wieder ein umfassender Beitrag über das Haus, der sich neben der Architektur auch mit der Geschichte der Entstehung und den auftauchenden Schwierigkeiten auseinandersetzt. Einige Jahre darauf wurde das Haus am Horn im Katalog zur Ausstellung des Bauhaus-Archivs über das Werk Georg Muches von 1912-1927 (Bauhaus-Archiv Berlin 1980) in einem Beitrag von Wolsdorff ausgeführt. Noch detaillierter wurden das Haus am Horn und die vorangegangene Bauhaus-Siedlungsplanung in (Winkler 1993) beschrieben, worin die gesamte architektonische Hinterlassenschaft des Bauhauses aus Weimarer Zeit aufgearbeitet ist. Zur Restaurierung im Anschluss an die UNESCO-Listung erschienen 1999 und 2000 mit (Sparkassen-Kulturstiftung 1999) und (Rudolf 2000) zwei Sammelwerke, die neben der Geschichte des Hauses auch seine Entwicklung bis in die Gegenwart, vorgenommene Änderungen und Restaurierungen, den Rückbau und die Konzeptionierung einer zukunftsfähigen Nutzung thematisieren; letzteres Werk ist dem erstgenannten dabei ähnlich, aber detaillierter. Kurz danach wurde mit (Matz 2001) eine (vermutliche) Abschlussarbeit publiziert, die neben dem Haus am Horn als Mittelpunkt zwar zunächst recht spannend die Hintergründe seines Entstehens eruiert, über deren Fazit sich die Verfasserin aber dann sehr wunderte.

 

Neben dem Haus am Horn als Thema ist die Lektüre von (Muche 1965) sehr interessant für einen Einblick in das Leben und Denken Georg Muches, und in der Biographie von Walter Gropius - (Isaacs 1983) – gibt es eine Menge an Hintergrundinformationen aus dem Leben und Miteinander des Bauhauses und seiner Protagonisten.

 

Das Schröderhaus wurde – nach mehreren Artikeln in Fachzeitschriften bis Mitte der 1930er Jahre - erstmals 1958 in (Brown 1958) ausgiebig im Rahmen des Werkes von Gerrit Rietveld publiziert; die dortige Betrachtung gehört noch heute zu den ausführlichsten. Von Gerrit Rietveld im Jahr 1963 noch mitgestaltet wurde der Bildband (Rietveld 1985); das kleine Heft enthält Nachdrucke seiner Handschriften und Originalzeichnungen. Die erste umfassende Monographie zum Schröderhaus entstand nach der Restaurierung und Unterschutzstellung in Form von (Mulder 1984); der Architekt Bertus Mulder leitete die Restaurierungsarbeiten am Schröderhaus. (Baroni 1979) thematisiert die Möbel Rietvelds im kunstgeschichtlichen Kontext. Wichtige Arbeit für die Aufarbeitung der De Stijl-Gruppenmitglieder und ihrer Werke leistete das Team um (Blotkamp et al. 1986) und im Anschlussprojekt (Blotkamp et al. 1996); Marijke Küper beschäftigte sich in beiden Sammelwerken mit Rietvelds Person und vor allem im zweiten Band mit dem Schröderhaus. Das Schröderhaus ist Bestandteil von (Rodijk 1991), in dem erstmals alle von Rietveld gebauten Häuser gesammelt veröffentlich wurden, und wird ebenfalls im umfassenden Werkverzeichnis (Küper et al. 1988) dargestellt. Ebenfalls 1988 erschien mit (Overy et al. 1988) eine zweite Monographie, in der unter anderem die Bauherrin des Schröderhauses 92jährig die Geschichte des Hauses noch einmal als Zeitzeugin Revue passieren lässt. Eine weitere, hauptsächlich mit Bildern bestückte Monographie ist (Mulder und Zijl 1999), und das leider nur im Niederländischen vorliegende (Zijl und Mulder 2009) ergänzt diese noch einmal. Die umfangreichste - und neben Baroni die einzige (!) auf Deutsch erhältliche -  Publikation zu Gerrit Rietveld erschien mit (Zijl 2012) anlässlich der Rietveld-Ausstellung im Vitra Design Museum 2012 in Weil am Rhein.

 

Anmerkung zu Namen und Bezeichnungen

 

Die Verfasserin hat sich dafür entschieden, für die beiden Gebäude einheitlich die Namen „Haus am Horn“ und „Schröderhaus“ zu verwenden. Ebenso geläufig sind, je nach Quelle, die Bezeichnungen „Haus Am Horn“ oder auch „Rietveld-Schröder-Haus“ bzw. im Niederländischen „Rietveld Schröderhuis“. Ebenso uneinheitlich wird der Name der Bauherrin „Truus Schröder, geb. Schräder“, teilweise als Doppelname „Schröder-Schräder“ angegeben; hier hat sich die Verfasserin für den geläufigeren Namen „Truus Schröder“ entschieden.

 

1.1  Kurzer Abriss der historischen Ereignisse


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